Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.06.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-06-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920607029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892060702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892060702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-06
- Tag1892-06-07
- Monat1892-06
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Ute» Haupt eMedttto» «s« de» i» bctzkrk mck d« Vorort»» errichtete» M»s« «ibrstell«, «b,«h»lt: Vtrrt«ljihrttch^l4ch0^ »ei »«rknalio« tLglicher Zastellnng in« Hau» ^4 Lorch di« Post betoqe» für Deatschland »»d Oesterreich: vier1el>ährltch ^4 8.—. Dirert» täglich« Kreuzbaadsradung In« Tasiaad: »»«tltch -ch 8.—. Dt« Morgen-« nstzab» erscheint tüglich'/,? Utz^ die «e»d^>»sg>ö. Wochentag 5 Uhr. Te-actto> ,»H Lr-edMs»; A*h«»«e»«aH« S. Die Erpebltion ist Wochentag» ununtrrbrochr» geöUaet vo» früh 8 dt« «brads 7 Uhr. Filiale»: vtt» Me«« « Lorti«. (Ulfretz HoH»X Uoivrrsititsstraß« I. Lsnt« Lösche. Katharkarnstr. 14, pari, «ch ««»tg«plat V. Men-,A«sg«be. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. JttserttimSpreiS tk^le 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf^ keclame, unter dem Redactionistrich csgo« spalten) bO^. dar den Familieunachricht»»» chgespalteu) 40-ch. Gröber« Schriften laut nufere» Preis« verzr,ch»iß. Tabellarischer und Ztffernfatz ' »ach höherem Tarif. Srtrs-Bei lagen (gefalzt), nur mit der Morgen - AiiSgab«, ohae Posldes-rderuag SO.—, wll Postdejorderuttg 70.—. Ännahmeschluß fir Inserate: Abend-AnSgab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh 9 Uhr. Lei den Filialen und Aiiiiahinestellea je et», halb« Stunde früher. Laserat« find stet» a» dt» Ersetzt tt«» zu richte». Druck und Verlag von L. Pol, tu Lttvzi« ^288 « Dienstag dm 7. Juni 1892. 86. Jahrgang Politische Tagesschau. * Leipzig, 7. Juni. Die gestern mitgrtheilte Auslastung eines gelegentlichen Correspondenten der „Berl. Börs.-Ztg" über die Begegnung unseres Kaiser« mit dem Zaren in Kiel ist allem An scheine nach osficiosen Ursprungs, denn sie findet sich auch in solchen Blättern, die »u osficiosen Kundgebungen benutzt zu werden pflegen. Die Auslastung erhält dadurch den Charakter einer Artrgkeit gegen den hohe» Gast, dem man einige plau sible Gründe für die Vermeidung von Berlin unterlegt; gleichzeitig aber läßt diese Artigkeit zwischen den Zeile» er- kennen, daß man an maßgebender Stelle den Kieler Besuch genau nach dem Werthe taxirt, der ihm tatsächlich innewohnt. Es wird in dem Artikel u. A. gesagt: „Das Fohren auf der Eisenbahn übt nicht nur auf den Zaren nervöse Wirkungen au», die ihm jeder Unbefangene erspart sehen möchte, sondern legt auch den Behörden de» Lande», in dem er reist, Verantwortlichkeiten aus, die sich in gleicher Weise unter anderen Verhältnissen nirgend» wieder finden." Also: der Zar verträgt das Fahren auf der Eisenbahn nicht und der Berliner bezw. der Potsdamer Polizei ist es lieber, wenn er sich an der Peripherie des Reiche« aufhält. Das sind vollkommen plausible Gründe für die Wahl der See stadt, und mit un» gehört die ganze deutsche Nation zu jenen ..Unbefangenen" die den, Nachoarsürstcn das Permeiden deö iu rasender Eile dahinstüchlenden Eisenbahnzugeö nicht ver argen. Niemand in Deutschland wird eiuwcrfen, daß die Landwege von Kiel nach Berlin und von Berlin nach Stettin nicht zu den weiten, am allerwenigsten »ach russischen Be griffen, gehören. Ebensowenig macht sich Jemand Ge danken darüber, daß in Frankreich ein Besuch deö Zaren in Berlin tieferen Eindruck hervorgebracht hätte, als der in Kiel, denn auch dieser Eindruck wäre — dafür hätte man schon von russifcher Seite gesorgt — kein nachhaltiger ge- wesen. Man hat gesagt, die Zusammenkunft der beiden Herrscher könne das Ergcbniß haben, argwöhnische Stim mungen de» Zaren zu zerstreuen, allein es erscheint nicht an- gereiat, an diese Möglichkeit weitergehendr Hoffnungen zu knüpfen. Ende 188? hat Fürst Bismarck in dieser Richtung auf den Zaren einzuwirken versucht und thatsächlich ein- gcwirkt, ohne «inen Erfolg von verhälillißniLtziger Dauer zu erzielen; eS ist nicht cinzusehen, wir diesmal mehr erreicht werden könnte. Damals war die Aufgabe sogar eine leichtere: e» aalt, die Unechtheit plump gefälschter Actcnstücke nachzu- weijen, was leichter ist, al» falsche Vorstellungen zn zerstreuen. Die deutsche Friedensliebe und das Interesse Deutschlands ander Erhaltung de» Frieden» sprechen für sich selbst; wo diese Sprache nicht verstanden werden will, können Worte nichts auörichten — Worte, die voraussichtlich in Kiel auch gar nicht ge sprochen werden. Die Abwesenheit des Grafen Caprivi und eine» Stellvertreter« de« leidenden Herrn v. Gier« entkleiden di« Zusammenkunft von vornherein jede« politischen Charak ter«. Daß sich dieser während der Zusammenkunft nicht ändern kann, ist Nar und wird von allen Urtheilsfähigen er kannt. DaS Einzige, was zu erwarten steht, ist die Verbrei tung unwahrer Berichte über politische Ergebnisse der Be gegnung zu spekulativen Zwecken. Nach dieser Richtung schon jetzt zu warnen, ist die heutige Aufgabe der deutschen Presse, der e« andererseits eine angenehme Pflicht ist, den Gast des Kaiser» auf deutschem Boden zu begrüßen. Obgleich es noch gar nicht einmal feststeht, daß der Kaiser die ihm zu-eschriebrue Neigung, wieder einen Berkehr mit dem Fürsten Bismarck aufzuuehmen, wirklich hegt, so haben doch findige Geister bereit« eine Stellung entdeckt, die dem Fürsten angetragen werden soll. Bon einem »sonst zuverlässigen" Berliner Eorrespondcntcn geht nämlich der „Scklcs. Ztg." die Meldung zu: »In unterrichteten Kreisen wird angenommen, daß an allerhöchster Stelle die Absicht bestehe, den Fürsten BiSmarck zum Präsidenten des StaatSrathS zn er nennen." Natürlich giebt das genannte Blatt diese Melkung „unter allem Vorbehalt" wieder und fügt hinzu: „Wir bemerken bierzn. daß der nachmalige Kaiser Friedrich als idronprlnz bis zu seiner Thronbesteigung das Präsidium de» Staatsralh» inuegehabt Hai und das, diese Stelle seit dein Tode Kaiser Wilhelm'» I. nicht wieder besetzt worden ist. Ai» Bice- präsident de» StaatSrathS sinigirie bi» zu seinem Rücktritt Fürst BiSmarck: auch diese Stellung ist seit dein Frühjahr 1800 bi» jetzt vacant geblieben." Die „Hamb. Nachr." werden cS schwerlich nnlerlafsen, daS Präsidium des preußischen SlaatSratbS als eine Slellnng zn bezeichnen, die für den cbemaligen Kanzler de« tenlschcn Reiches am allerwenigsten sich eignet, sofern dieser nicht noch eine andere Stellung einnimint, die ibm wirllichen Einfluß gewährt. Der preußische SlaakSratb hak solchen nicht. Er braucht nicht gefragt zu werden und seine Beschlüsse sind für keinen Menschen rindend. Er ist nicht viel melir als ein Dccoratirnüslück, und zum Präsidenten eines solchen wird Fürst BiSmarck sich nicht verwenden lassen wolle» und wird ihn der Kaiser nicht verwenden mögen, klebrigen» geht uns soeben durch Hirsch'S Tel.-Bur. folgende Meldung aus Wien zn: „Die „MontagSrevue" hält alle Nachrichten über eine bevor stehende Aussöhnung deS Kaiser» vo» Deutschland mit dem Fürsten Bismarck für durchaus uu glaub hast. Selbst wen» der Fürst die Meldungen bestätigen sollte, so sei doch jede Walnschetiitichkeit seiner Rilckkebr in da« Amt ausgeschlossen. Das Blatt bemerkt, BiSmarck sei für den Kaiser, wie für Deutschland — »nd nicht ln letzter Linie auch sür die Verbündeten deö Deutschen Reiche« — absolut unmöglich geworden. Man freue sich BiSmarck'» nur in Friedrichsruh." DaS genannte Bureau versieht selbst diese Meldung mit einem Fragezeichen. Auch wir halten eS kaum für möglich, daß ein hochosficiöfcS Wiener Blatt zu einer Aeußerung sich verstcigt, die — abgesehen vo» der groben Bcrunglimpsiing de« Mannes, den, da» deutsch-österreichische Bündniß seine Entstehung verdankt — dem deutschen Kaiser förmlich Bor schriften über sein Thun und Lasten zu machen sich erdreistrt. Wir warten zunächst, wie der Artikel wirklich lautet, und behalten uns vor, dann auf ihn zurückzukommcn. Wie nachträglich bekannt wird, hat der Abgeordnete vr. Bamberg er in seiner bereits erwähnten Alzcycr Rede noch bemerkt: Er sei fern davon, Principicn preiSgebcn zu wollen und an die Möglichkeit einer große» liberalen Partei sür jetzt zu glauben, was er aber für möglich, sür heilsam »nd sür geboten halte, daS sei ein freundliches und friedliches Verhalten der bürgerlichen Parteien zu einander. DaS wahre Interesse der dcutschsreisinnigen und der nationalliberalen Partei gebiete beiden, daß sie sich in Anstand und Nachsicht unter einander vertrügen DaS politisch Wichtigste an dieser Auslastung deS tentsch-frei- innigen Parlamentariers ist, daß sie von der Richter'» chen „Freis. Zeitung." in ihrem sonst sehr auS- ührlichcn Bericht unterdrückt worden ist: die dcutsch- rcisinnigc Parteileitung ist demnach abgeneigt, sich die im angeführten Schlußsätze deö Parteigenossen ausgestellte Forderung anzneigncn. Herr Bamberger selbst aber scheint der von ihm anerkannten Berpslichtung nur mit Ein schränkungen Nachkommen zn wollen. Obwohl Fürst BiSmarck nicht Mitglied der nationalliberalen Partei gewesen ist, so wenig wie beispielsweise Herr von Stosck solche» der deutsch- freisinnigen, so wird daS Verhältnis; zu der erstgenannten Partei nicht gebessert, wenn ein hervorragender Führer der Dculschsreisinnigen den von den Nationalliberalen eininiilhig als den verdienstvollsten Mann der Zeit verehrte» Mit begrünter deö Reiches mit Ausdrücke» bedenkt, sür welche die Sprache keine andere Bezeichnung als die ulislälbiger Be schimpsungen hat. Diese AnSdrnckSweise erscheint darum nicht „anständiger" und friedlicher, weil sie von einem Manne ansacht, der die Politik de« Fürsten BiSmarck ein Jahrzehnt lang unterstützt und sich von ihm erst getrennt hat. als Meinungsverschiedenheiten über die Handelspolitik auslauchten. Herr Bamberger sollte die guten Lehren, die er für Andere ausstellt, doch fcinerseit« nicht in einem Athcm IN den Wind schlagen. Tie Festlichkeiten in Nancp scheinen den ruhigen, von widerwärtigen Zwischenfällen freien Verlauf zu nebinen, den man vom Slankpunct de« Völkcrsriedenü aus wünschen mußte. Die in diesem Sinne getroffenen Anordnungen der französische» Regierung haben, das läßt sich schon jetzt sagen, ante Früchte getragen und die Machthaber der französischen Republik habe» ohne Zweifel in ihrem eigenen Interesse ge bandelt, als sic dafür Sorge trugen, daß de» sicher vor- yandcn gewesenen Ausschreitung» Gelüsten der Chauvinisten vom Schlage eines Deroulöde und ihrer czechischcn Gesinnungs genosse» von vornherein ein starker Riegel vorgeschoben wurde. Alle bis jetzt vorliegenden Meldungen lasten er kenne», daß bei dem ..BerbrüdernngSfeste" jenseiiS der Vogesen zwar manches überschwängliche Wort, manche Phrasen zum Ausdruck gekommen sind, indessen La« können und wollen wir den Franzose» bei ihrem Charakter und ihrer Rufsenliebe nicht übel nehmen. Die Hauptsache ist, daß grobe Takt losigkeiten und Beleidigungen in Bezug auf Deutschland nnlerlafsen worden sind, und da« war e« ausschließlich, wa« von deutscher Seite be tont und erwartet wurde. Der Eifer der französischen Regierung gehl in dieser Beziehung, wie aus Len nachstehenden Telegrammen ersichtlich ist, so weit, daß sie jetzt sogar ein kräftige« Wort in Bezug aus den durch den Dircctor der Pariser ComSdie srantzaise in Prag hervorgernfene» Scandal gesprochen und e« diesem unmöglich gemacht hat, ferner Derartige« zn wiederholen. Man wird wahrscheinlich wieder in gewissen Pariser Prcßorganen lesen könne», daß Frankreich sich abermals vor Deutschland „erniedrigt" habe, indessen Herr Carnot und seine Minister werden, wie e« immer mehr den Anschein gewinnt, diese Verdächtigungen mit Geringschätzung zurückwcisen. E« sind in Betreff der Festlichkeiten folgende neuere Nachrichten eingclaufcn: Nancy, 6. Juni. Heute Nachmittag 4 Uhr traf Großfürst Constaiitln hier ein und wurde von den Studenten unter demonstrativen Kundgebungen, sowie von einer bedeutende» VvIIS- »lenge, welche die russische Nationalhymne sang, empfangen. Der Großsürst hatte mit Carnot eine Unterredung, weiche odne Zeugen stattsand. Nach dein Gespräch begaben sich Earnot »nd der Groß fürst ziiin Waggon, wobei herzliche Händedrücke gewechselt wurdcn. Die Studenten halten die Bahnhossquais besetzt, den Waggon de« Großfürsten mit Blumen bekränzt und überreichten einen prachtvolle» Vluiiienkorb. Der Großfürst dankte gerührt und unterhielt sich lebhaft mit den Mitgliedern des StuvenlencomilöS. Die Polizei verhinderte, daß zwei Fahnen mit den französischen und russischen Farben nach der Praseciur gebracht wurden. Nancy, 7. Juni. Bei dem gestrigen Banket hielt Carnot eine Rede, in welcher er sagte: „Unter der republikanischen Aegide chreite Frankreich aus dem Wege de- Fortschritt» Wetter vor, tndcin eS al» seine Mission die Eintracht und die Einigung der Nation an- lebe, in der Frankreich in seiner ruhige», friedlichen und seiner Würde enliprcchcnden Politik unerschütterlich verharre, welcher es kostbare Freundschaste» verdanke, wodurch di» sranzösische Republik sich da» Ansehen »nd die Achtung der Welt bewahren werde." Rancy, 7. Iu»l. Larnvt und die Minister besuchten Melzikii-Bille. Nach Nancy zurückgehrt, begab sich der Präsident nach der Universität »nd weibte da» neue cheini'che Institut ein, wobei großer Universitalsempfaiig stattsand. Sämmtliche Studenten wäre», mit einigen Fahnen, ausgestellt. Carnot empfing 450 Bürger- Meister. Während der Großfürst im Saale der Präsertur zeugenloS mit Carnot conserirte, brachten die Studenten unter den Fenstern Hochrufe aus Rußland und Frankreich unter Schwenke» einer etsassischen Fahne au». Der interveiiirende Polizeiconimissar, welcher da» Zusaminenrollr» der Fahne forderte, wurde ausgepsisfen »nd bedroht. Ter Abgeordnete Bares, welcher an die ausaereate Menge beruhigende Worte richtete, w»rde mißhandelt. DaS Banket der Slndciitcn verlies ohne Zwischenfall. Pari», 7. Juni Infolge de» Prager Zwischenfalls wurde verfügt, daß die Künsiler der ComSlliv tnrneniso unter keiner Bedingung mehr di« Erlaubniß zum Gastspiel lm Ausland« erhalte». Wie», 7. Junt. Tie Blätter schreiben zu dem Fest von Nancy bezüglich der Rede de» Lzeche» Podlivni, wenn sich die Franzosen foppen lass,» wollten, so sel da» ihre Sache. Man könne nur staunen, wie sich ein arbeitsames, intelligente», hoch- civiiisirteS Volk, wie eS doch die Franzosen seien, von dem ersten besten politischen Prahlhans ansiihren ließen. Wien, 7. Juni. Die Blätter bezeichnen die czechische Turner- expeditio» »ach Nancy und die dorlselbst vo» 1»r. Podiipni gehaltene Rede als unschicklich. „Einen Einfluß auf die innere oder gar äußere Politik unseres Reiches", schreibt man, „kann die Erpeditw» nicht habe». In Oesterreich kann Derartiges nicht Vorfälle», well hier ei» Ministerium des Aeußern «Min, welches einen Verstoß gegen di« internationale Schicklichkeit nicht gestatten würde. Woher aber sollten die Minister Ribot, Carnot, Loubet und Lrla wissen, was sich im internationalen Berkehr schickt?" WäS wir schon gestern als Gerücht andeuten konnten, darüber liegt heule eine direct« Bestätigung aus Rom vor: Angesichts der unsicheren inneren Vage in Italien und des zweifelhaften VcrbaltenS der Depntirtcnkanimer gegenüber dem Ministcrinm Giolitti ist die Reise des italienischen KönigSoaareS nach Berlin auf unbestimmte Zeit verschooe» worden. Es ist klar, daß in einem Augenblick, in welchem möglicherweise folgenschwere Entschließungen in Bezug auf Sei» oder Nichtsein der Regierung gefaßt werde» müssen, der Monarch des Landes sich nickt außerhalb der Grenzen begeben kann, lieber die dcrmalige Vage in Rom meldet die „Frankfurter Zeitung": Rom, 6. Juni, lieber den AuSgang der morgen beginnenden Debatte über da« provisorische Budget ist eine Voraussage »»möglich. Einige Abgeordnete vom Centrum scheinen sür die Regierung gewonnen zu sein; dos Gros folgt jedoch Sonnino. Ein Theil der ttnßersle» Linken bemüht sich sür die Stimmenthaltung der Partei. Inzwischen haben Persoiialvcrändernnge» in zehn Präsecluren stattgehabt, welche die Absicht Giolitti'S bekunden, Nicotcra in den Südprovinzen aus Tod und Leben zu bekämpfen. Die Regierung-freunde bleiben dabei, daß Giolitti in jedem Falle die Neuwahlen mache. Fcurlletsn. Verkommen un- verloren. Lrimlnal - Novellette von Amanda Klock. §t«<dn»t vnkolm. (Schluß. H. Verloren. Ein schöner Herbsttag ist jedenfalls einem schwülen Sommertage vorzuziehen, weit leichter hebt sich die Brust, wenn leise Winde durch die Blätter säuseln, als wenn erstickende Hede sengend über die Flur sich lagert. „Laß langsam gehen den Litthauer, Zacharia», iS doch die Vust hait ganz wundervoll, und Hab' ich doch bei Gott keine Eile ßu kommen nach Hau«'.* Der Leser erräth wohl, wer der kleine Mann ist, der, sich in einem Einspänner behaglich dehnend, jene Worte an seinen Kutscher richtete. Grmüthlcch rollte da< Fuhrwerk auf der breiten, pappel- bepflanzten Allee dahin. In nicht zu weiter Ferne erblickte man rin stattliche- An wesen, an« einem zweistöckigen Wohnhause, Stallungen, Scheunen und großem, prächtigem Garten bestehend. E« mußte sich recht friedlich und angenehm dort Hausen lasten — die Sonn« beschien das Ganze so warm, und doch vermochten ihre Hellen Strahle» den schwarzen Schatten der alten Baume nicht zu durchdrinarn, in de» man so gern vor ihrem allzu heißen Kuß sich flüchtet. Zwischen zweien dieser Baumrirsen war eine Hängematte auSgespannt; eine geschmeidige Frauengrstalt im bellen Sommer- Neide schwang sich, muntere Melodien summend, durch die warme, würzige Luft. Der Wagen, den wir vorhin auf der Landstraße erblickten, rollte soeben über den Hof, gleich darauf trat der Insasse desselben und Eigentbümer de« Grundstück« in den Garten. Die hübsche blühende Frau beachtete ihn nicht. „Ich ha»' mit Dir ßu reden, Mathild', sei gefälligst so sreindlich und klettre ran« auß'm Netz. Bist keine terksche Prinzessin, daß de Dirr kannst wälzen den ganzen auSgeschla- genen Tag, und vor Faulheit »lischt wissen wohin. Hast mrr doch rein fahren Heren, i« da« n« Art von nrr Fron, liegen ßu vleiben und sich nicht ß» rihrrn, wenn kommt ihr Mann von der Rais« ? Flappsgr Person!' Fra« Paradie» schaukelte, spöttisch lächelnd, weiter, sie summte ihr Liedchen und antwortet» einfach nicht auf alle Redensart« ihros Mannes. Als ,r noch immer nicht zu schelten aushörte, sang sie laut und schmetternd, und eS gelang ihr, den Gemahl vollständig zu Ubertönen. Im höchsten Grade erbittert, stürmte der Ankömmling davon, begleitet von einem lauten und anhaltenden Hohn- grläckter aus der Hängematte. Mit wenig Worten wollen wir dem Leser zu dem eben Gehörten die nöthigen Aufklärungen geben. Einige Wochen nach der Berurtheilunz Korn « hcirathete Paradies Frau Mathilde Schallcr, in der unnützen Furcht, daß der schöne Schmetterling ihm, wie seinen Vorgängern, eines Tage- entwischen könne. Die Hochzeit ging mit lächerlichem Pompe vor sich, die Festlichkeiten währten Tage lang und schienen kein Ende nehmen zu wollen. Der junge Gatte schwelgte in Glück und Wonne; die schlaue Christin mit den schwärmerischen Augen machte eine brillante Partie, sie hatte eS verstanden, den geriebenen Juden so lange zu fesseln, bi» sie seine Frau ge worden — dann fühlte sie sich nicht mekr gemüßigt, die Liebliche zn spielen und begann ihren kalten, habsüchtigen und herzlosen Charakter in seiner ganzen Häßlichkeit herau«- zukebrrn. Die Stiefkinder, welche Mathilde vor der Hochzeit durch latte, falsche Freundlichkeit an sich z» locken verstanden, ehandellr sie späterhin wahrhaft grausam. Während Paradies sich einst vierzehn Tage auf einer Geschäftsreise befand, erkrankte der kleine Benjamin, ein wirklich hübsches und sehr zartes Kind. Die Stiefmutter ließ weder den Arzt rufen, noch kümmerte sie sich um den armen Knaben, und al« sein Vater wirdelkehrle, war er schon in die Erde gebettet. Gern wäre Mathilde mit den beiden Anderen, deren Dasein sie verabscheute, ganz ebenso verfahren, aber zum großen Glück fand sich bis jetzt keine Gelegenheit dazu. Da« häusliche Leben der Eheleute ging mehr und mehr aus den denkbar gespanntesten Fuß über, die gegenseitigen Reibereien und Aufreizungen nahmen kein Ende und an e,ne wirkliche Aussöhnung war nicht mehr zn denken Seit fünf Jahren verlebte die Familie den Sommer und erbst auf dem Lande. Der einzige ältere Bruder deS aradieS, rin wohlhabender Seidenhandler und kinderloser Wittwrr, hatte sich in der Nähe seiner Vaterstadt Krakau ein Landhaus erbauen lasten, um hier den Rest seiner Tage zu verbringen. Doch der Tod schob seinem Entschluss« einen Riegel vor, er starb, als er eben im Begriffe stand, sich hierher zurück- zuzieben. Die Besitzung ging als Erb« auf den jüngeren Bruder über, und da Paradies längst so viel zusammen gebracht, um sich der wohlverdienten Ruh« hingeden zu können, so säumt« er nicht lange, er verkaufte sein Geschäft und siedelte hierher über. Die Nacht, finster und stürmisch, ließ nicht ahnen, welch ein warmer, sonnenheller Tag ihr vorangegange». Wer die kleine Besitzung jetzt, im strömende» Regen hätte sehen können, würde sich gefürchtet haben, hier ru wobnen, so einsam und verlassen lag sie da. Durch die fest geschlossenen Fensterläden lugte kein Schimmer — undurchdringliche Dunkel heit herrschte in dem Schlafzimmer der beiden Gatten. Mit Untergang der Sonne war eS kalt geworden, das Ehepaar genoß deshalb nach dem Abendesten »och mehrere Gläser heißen Weine« und lag bald ungewöhnlich fest in den Banden des Schlafes Aber waS war da«? Fühlte Paradies nicht plötzlich einen schweren Druck auf der Brust?! Er wollte emporschncllen — wollte schreien — er ver mochte c« nicht! Im nächsten Augenblick verschwand der Druck, dennoch konnte er sich weder bewegen noch um Hilfe rufen — er fühlte etwas in der Mundhöhle, das den geringsten Laut aus seiner Kehle verschloß! Im entsetzlichen Schrecken durchbohrten seine Augen die Finsterniß. Er glaubte einen großen schwarzen Schatten zu bemerken, der sich, hin und her huschend, dann und wann Uber daS Bett seiner Frau zu beugen schien! Einige Secundcn peinlichster Seelcngual entschwanden laut los, dann bewegte sich der Schatten wieder aus und nieder. Ein PhoSphorstreisen erschien an der Wand. Gleich darauf brannte eine Kerze. In ihrem flackernden Licht verwandelte sich der schwarze Schatten zu einer lebendigen Gestalt, ihre Strahlen beleuch teten ein graue-, erdfahle- Angesicht, sie vertieften sich, zehn fach widerspicgelnd in zwei große dunkle Angen, die unter langen schwarze» Wimpern in dämonischer Wildheit funkelten! Der Mann mit dem Lichte in der Hand kam näher und näher, die Züge der beiden regungslos Gefesselten überzogen sich mit bleierner Farbe. Selbst wenn sie nicht geknebelt gewesen wären — da» furchtbar« Entsetzen hätte sie der Sprache beraubt, sie hätten ihn nicht rufen können, den Namen: Ferdinand Korn! Ferdinand Korn — er war e« wirklich — aber rin An derer, al« die Vergangenheit ihn uns gezeigt. Da« ergraute Haar, jetzt kur, geschoren, ließ di« nieder« Stirn frei, doch diese Stirn, sonst glatt und r»bi,z, war nun von finsteren Fallen durchzogen: um den Mund hatte sich rin unver- löschlichrr Zug tiefster Verbitterung «ingegraben, auf jeder Muskel seines Angesicht» war der Ausdruck eines unbändigen Hasse« z» lesen. Er öffnete die Lippen und seine Worte schienen die Lust mit todtbringcndem Gifte zu füllen. „Die zekn Jahre sind um", wandte sich Korn an die gcislcrblciche Frau, „ich habe unterdessen daS Mittel ge funden, wie ich mir da« Herz meiner Mathilde dauernd zn eigen machen kann! Mühsam wälzte sich mir die Zeit dahin — die Tage, die Stunden wurden zur nimmer verrinnenden Ewigkeit, und unerreichbar schien mir der einzige Zweck meine« zerrütteten Lebens! Doch meine brennenden Wünsche gaben mir auch die Kraft z» warten. Endlich ist der Moment gekommen, wo ich den Lohn empfangen werde für meine jahrelange, sehnsüchtige Qual." Eine Pause entstand — doppelt schrecklich »ach der un heimlichen Monotonie seiner Worte. Der fürchterliche Rächer trat dicht vor ParadiS hin, er stellte da» Lickt aus ei» Tischchen am Kopfende de» Bette« und bobrte die funkelnden Augen in da« jammervoll ver zerrte Gcsickl seines Opfer«. „Um meinen Zweck zu erreichen", hob er langsam wieder an, „will ich den eklen Nebenbuhler mir anö dem Wege räumen. Tu lebst schon viel zn lange sür meinen Haß, denn nachdem sie mich sreigclassen, mußte ich Wochen unk Wochen wandern, bis ich endlich zn Dir gelangte; nun aber rüste Tick, denn ich habe Dir eine alte Schuld abzulragen — eine alte Schuld mit zehnjährigen Zinsen. Sieh dies« Waffe — ist eS vielleicht dieselbe, welche ich einst verborgen hielt in meinem.Gewände, und deren Dasein Du mit einem falschen Eide beschworst?" Der entlassene Sträfling hielt einen blitzenden Dolch in die Höhe und ließ das blendende Licht der Kerze darin spielen. „Weißt Du noch, wie oft ich Dich bat und beschwor: Gieb sie mir wieder, die mein ist, die ick mir erkaufte mit meiner Ebre, mit dem Leben meines Weibe«, mit dem Fluche meiner Kinder? Aber wie Du kein Mitleid hattest mit meiner Oual, so will ich auch kein« mit Dir haben. Auge um Auge — Zahn um Zahn!" Paradies wand sich in unbeschreiblicher Verzweiflung, doch welche Anstrengungen er auch machte — c« gelang ihm weder sich aufzurichten noch »m Hilfe zu rufen, die Schnüre, welche ihn vom Scheitel bi« zur Sohle fesselten, mußten so kunst gerecht verschlungen worden sein, daß selbst die Todesangst ihm nicht die Kraft verlieh, seine Bande zn sprenge». Da« fable Antlitz mit den haßerfüllten Augen beugte sich herab — schon berührt« der kalte Stahl den Hal« de« Ge-
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview