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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920909029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892090902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892090902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-09
- Monat1892-09
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NlblM»e«e»tSPreiS A> h« Haupteppeditiou oder deu im Stadt» vrzirk und de» Vororten errichteten AuS- «avestellen obgeholt: vierteljährlich ^14.80, vei zweimaliger täglicher Zustellung int Haus >e b.bO. Durch die Post bezogen siir Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Direkte tägliche lireuzbandsendung tut Ausland: monatlich S.— D>e Morgn!.Du--gabe erscheint täglich '/,7Uhr, die Nbend-AuSgabe Wochentags i> Uhr. Nr-actiou un- Lrpkditiou: IohauiirSgasse 8. DI«<ktt>editIvn ist Wochentags ununterbrochen geöstaet von srith 8 bl» Abends 7 Uhr. Filialen: ktl« Ilrmm's Cortim. (Alsrrtz Hahn), UniversitätLstraße 1» Lsnt« Lösche. kathannenstr. II, pari, und künigsplatz ?. Mbend-Ausgave. MMr JusertiorrspreiS Die 6 gespaltene Petitzeile 80 Psz7 Neclamen unter dem ReLactionsstrich (4gt< spalten) bO^, vor den Familieuaachrichte» (6 gespalten) 40->h. Gröbere Schriften laut unserem Preis» verzeichaiß. Tabellarischer und Zisserajatz nach höherem Tarif. Anzeiger. LkMN für Politik, Localgeschichte, Handels' und Geschäftsverkehr. Sptra-Beilagen (gesalzt), nur mit Le» Morgen »Ausgabe, ohne PostbesSrLeruug ^tz 00.—, mit Postbesvrderung 70.—. ^nnahmeschluß für Zuserale: Abend-Ausgabe: Vormittag» 10 Uhr. Morgen-Autgab«: Nachmittag» 4 Uhr. Sonn» und Festtag» früh '/,S Uhr. Bet deu Filialen und Annahmestellen je «tu» halbe Stunde früher. tzuserat» sind stet» au die ELtzrtzitlo« zu richten. Druck und Verlag von S. Polz in Leipzig. »N 482. Kreitag den 9. September 1892. 88. Jahrgang Nach )weiundMil)ig Jahren. lü Paris, 8. September. Zweiundzwanzig Jahre ist c» her» daß die bluligslcn Schlachten aus sranzösischem Bode» gekämpft, daß inmitten furchtbaren BölkerringenS die deutsche Kaiserkrone geschmiedet ward; seit der siegreiche» Antwort aus die schnöde französische Herausforderung bat Deutschland oft genug gezeigt, daß cs den Frieden erhalten will; nicht so Frankreich, wo die KriegSsackcl siet« im Glimme» erhalte» wird, um sic im entsprechenden Momenl hell aufstamme» zu lasse» Zweinndzwanzig Jabre — eine andere Generation ist in Franlrcich herangcwachsc», die nichts von deS Krieges Schrecken erfahren bal, welche, sollte man glauben, objectiver die geschehenen Ereignisse benrlhcilte; man gebe sich nicht dieser Täuschung hin: gerade in dieser Geueralion ist der Deutschenhaß starker als in jeder vorangegangencn, in ihr ein Revanchekricg populärer als je vorher, trotz all der schönen ossicicUen Versicherungen, die unter Umständen dann und wann vom grünen Tische auö gegeben werden. Und woher dieser Haß, der als keine ehrliche Feindschaft mehr betrachtet werde» kann, wobcr diese ost so leidenschaft liche Erwartung auf einen baldigen „BergeliungSkeieg?" Zunächst haben die Zeitungen einen wesentlichen Thcil der Schuld, die au Entstellungen und Verleumdungen, sobald eS sich um Deutschland bandelt, da« Unerhörteste leisten. Aber das würbe nicht genügen, schon in die Kindes- und JünglingS- scelen die obigen Ideen unanöroltbar z» pflanzen, also woher? Nun, inan Werse einmal einige Blicke in die franzö sischen Jugend- und Lehrbücher, die, ofsiciell von der Regierung in den Schulen eingeführt, jährlich in hundert- tauscnden von Exemplaren verbreitet werden und die man als die eigentlichen Brutstätten des Deutschen hasses und Nevanchckrieges bezeichnen darf. In diesen an sich sebr geschickt abgefahren Büchern, in denen die Liebe zum Vaterland« und der Stolz aus dir eigene Nation in wahrhaft glühender Weise gelehrt und gepflegt wird, kommt fast nnmer die Rede auf den letzten deutsch-französischen Krieg; daß er ost als von Deutschland provocirl hingestellt wird, nimmt un-, die wir die französische „Unparteilichkeit" kennen, nickt Wunder, auch nicht, daß man Elsaß-Lothringen aus den Karten mit einem schwarzen Fleck bezeichnet und baß natürlich die deutschen Heere stets viel stärker all die französischen waren; was uns aber empört, waö der Würde einer großen Nation, wie der französischen, schlecht aniteht, und wogegen man nicht laut genug Einspruch erheben kann, das ist, daß in diesen Lehrbüchern in den Abbildungen wie im Text die deutschen Soldaten, nicht zuletzt die deutschen Ossiciere, als Brandsiistcr, Plünderer, rachsüchtige Teufel, die sich an Weibern und Kindern vergreisen, als blutdürstige Sieger, welche die Gefangenen foltern und Unschuldige tödten, geschildert werden. Die Franzosen sind natürlich immer Engel, welche die furchtbaren Leiden mit Heroismus tragen, zumal ... die FranclireurS! In den (bei Delaplane in Paris erschienenen) vom Deputaten und Professor Eompayrö berauSgcgcbcnen „bilömoutsci'iiMruotiou" heißt eS: „Wenn Ihr Kinder die Schule von Laon besucht, so findet Ihr auf dem großen Hofe an der Wand eine Marmortascl mit den Namen dreier Lehrer, die für das Vaterland gestorben. Wollt Ihr dir Geschichte dieser Helden und Patrioten kennen lernen? Als im October >870 die Preußen aus Pommier« anrückten, entschlossen sich einige brave Landltute, ihnen Len Weg zu "»sperren. In Abwesenheit jeder regulären Armee war e« schwer, Erfolg zu erhoffen, aber man konnte wenigstens den Marsch der Preußen verzögern und einige von ihnen lobten —" (wörtlich!). Dir ganze Nacht, wird weiter er zählt, schossen jene „braven Landleut«" unter Anführung der drei Lehrer aus die Preußen, endlich mußten sie weichen und die Sieger bemächtigten sich der Lehrer, „die erst ihre eigenen Gräber graben mußten und ans die man dann schoß; zweimal erhob sieb der eine von ihnen und stieß Schmerzensschrei? aus; em preußescher Osficier nädcrte sich ,hm und tödtrte ihn mit seinem Revolver." In den für jung« Mädchen bestimmten „Nation» ck'eckucatioa civigus" von Henriette Massh (Paris bci Picard, Bcrnbeim L Eie.) heißt eS ini Eapitel vom Vater lande: „Höret nicht aus Die, welche die Vaterlandsliebe durch ein Weltdürgerthum bei Euch ersticken wollen, leget Denen, die dies versuche», die Frage vor: „Wenn Eie Elsässer wären, würden Sie acceptiren, Preuße zu werden? Antworte» sie nein, so war rö ihnen nicht Ernst mit ihrem Weltdürgerthum; antworten sic ja. so muß man ihnen mit Verachtung den Rücken drehen." Dann gleich darauf: „Man muß die Nationen hasse», die u»S BöscS zngcfttgt. Die Deutschen haben »nS mit Gewalt Elsaß-Lothringen entrissen, sie plane», wie man sagt, andere Schändlichkeitrn — wir würden thöricht sein, ihnen zu verzeihe». Erst sollen sie u»S unser Geraubtes wiedergeben — dann werden wir weiter sehen!" In dem 1881 bereits in 2l). Auslage erschienene» „Uetit b'rnntziri," von EbarlcS Bigvt «Paris, I Weill und G. Maurice) werden die Leiden der Elsässer geschildert und wie sie als Soldaten „unter der preußischen Reitpeitsche" cxercircn »illsscn, „aber trotzdem haben sie sich ihr französisches Herz bewahrt und sic erwarten, nicht verzweifelt, den Tag der Befreiung, wo die französische Fahne von Neuem aus den Vogesen wehen wird. An diesem Tage wird ein einziger Besreinngsschrei von Mülhausen bis Metz ertönen, die Tobten werden ihn hören und ihre Gebeine werben zittern!" Und in dem selben Buche nach der Millbeilung verschiedener (übrigens gänzlich unbekannter) preußischer Gesänge: „Das ist genug, nicht wahr, fühlst D», wie man Dich haßt? Fühlst Du, wie man Dich verachtet? Fühlst T», wie man Dich noch nicht genug gedemüthigl findet? Preßt Dir diese Lectürr nicht das Blut in die Wangen? Sage mir, wenn Du groß bist, wenn D» ein Mann vist, »nd man singt dieser Lieder noch, wirst Tn nicht diese Frechheiten in der Kehle derer, die sie singen, ersticken lasten?" Doch genug, wir könnte» derartiger Lescsrückite Hunderte gebe»! Wundert man sich jetzt noch, daß nach zweiuiidzwanziz Jahren die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland nicht bessere sind? politische Tagesschau. * Leipzig, S. September. Die Frage einer allensallstgcn Abänderung der gesetzlichen Bestimmungen über die SonntazSrube ist sicher keine Parteisrage und wird auch von Angehörigen einer und derselben Partei je nach de» verschiedenen örtlichen und provinzialen Erfahrungen verschieden beantwortet. Nur etwa die Soeialdemokratie macht biervon eine Ausnahme. Selbst wer mit uns der Ansicht ist, baß der Sonntagsruhe, wie sic jetzt vorgeschrieben ist, eine längere Probezeit cinzuränmcn sei, wird die auf sofortige Aendcrung des Gesetzes abzielenden Bestrebungen zu würdigen wissen. Das hindert aber nickt, auf eine mit dieser Angelegenheit im Z»sa»i»ienbange siebende Wahrnehmung kinzuweisen, die von politischem Interesse ist. Die bitterste» Klagen über die Sonntagsruhe schalle» aus katholischen Stadion, in München ist zuerst eine Milderung der von vornherein verhältnißmäßig gelinden AuSsiihrungs- vcrordung der Polizeidircction dnrchgcsetzt worden; in Köln hat sich sogar ein Verein „zur Milderung der SonntagSnibe" gebildet und den BnndeSrath um Abänderung deS Gesetzes gebeten, überall im Süden und Westen läßt sich die Beobach tung machen, daß bi« neuen Vorschriften i» katbolischcn Städten bärtcr cmpfnndrn werden, als in evangelischen. Diese Erscheinung ist leicht erklärlich. Die bisherige» Ge wobnhciten und örtlichen Gebote i» Bezug auf die Sonn und Fcsttagsruhe Ware» in katholischen Gegenden laxer als in evangelische», vermutblich eine Folge der viel zahlreicheren katholischen Festtage, die Quantität beeinträchtigte bie Intensität des FeiernS. In dem evangelischen Nürnberg z. B. waren bis vor zehn Jabren, wo die dort stattfindcnde große bayerische Landesausstellung eine Acnbcrung berbcifükrte, an Sonntagen alle Geschäfte mit AuSnabme der Eonditorcicn und Barbierläben geschlossen, man konnte den ganze» Tag «artige» vegisiaitirperiove nm ocr-t.>nra>)ttvn>ng einer ^icuer- eforni i»i größten Stile befaßt werden soll, konnte sogar :ine gewisse Sicherheit biete», baß man bie gleichzeitige Be- chäftignn.z des Reichstags mit Aufgaben von besonders yervor- nicht einmal eine Eigarre erstehen. In der benachbarten katholische» Sckwesterstadl Wnrzburg hingegen bliebe» sämint- liche Geschäfte nur wenige Stunde» geschlossen. Bei dieser anderen Gewökimlig läßt sich das Gefühl härterer Bedrückung in katholische» Qrlc» und ihre lautere» Ruse nach Abhilfe wobl begreife», zugleich aber wird durch die Klagen dieser Städte das wabrc Wese» der EcntrumSpolilik anss Nene illustrirt DaS Eentruin, das sich die berufene Vertretung der katholischen Bevölkerung »nd den geborenen Wardein ihrer moralischen wie materiellen Interessen nennt, hat den hervorragendsten Anthcil an dem Zustandekommen des Gesetzes in seiner jetzigen Gestalt. Katholische Jnleressen bat er dabei aber nicht vertreten, weder ideale noch materielle, der genannte Kölner Verein betont vielmehr ausdrücklich, daß die gesetz liche SoiintagSrnhe sür die Ladcnbcsltzer neben den geschäft lichen auch sittliche Schäden im Gefolge habe. DaS Eenttum bat eben auch in diesem Falle, wie immer, die christliche Phrase zu seinen politischen Zwecken gchandhabt, es muß aber, waS nickt immer verkommt, diesmal auS dem eigenen Lager hören, daß eS nicht dazu berechtigt ist. Ueber die Geschäftsdispositionen im Reichstag wird der „N.-L. E" aus Abgeordnctenkreisen geschrieben: Die Frage, ob bie neue Mi litai »Vorlage dem Reichstage in der nächsten oder der übernächsten Session zugebe» werde, wird in der Presse, unter Berufung auf gute Jnsormationcn, noch immer ganz verschieden beantwortet. So lange eS noch zweifelhaft war, ob überhaupt eine wesentliche Neuerung aus dem Gebiete der Militairgesetzgcbung crusilich beabsichtigt sei, konnte dieser Streit gleichgilttg erscheinen; die Tbatsachc, daß der preußische Landtag in der letzten Session seiner gegen wärtige» Legislaturperiode mit derDnrchsührnng einer Steuer refori» eine schäft . . . ^ ragender Bedeutung nach Möglichkeit vermeide» werde. DaS hat sich aber vollständig geändert, seitdem »ick»! allein das Bevorstchen einer sehr ties eingreifenden Militairvorlaae unzweiselbast zugcstandcn, sondern auch eine halbamtliche Veröffentlichung über Inhalt und Ziele derselben für die nächste Zeit in Aussicht gestellt ist. An sich würde wohl jede Partei wünschen, von den angekündiglen Neusorterungen lieber verschont zu bleiben, und ganz gewiß brennt keine vor Ungeduld sie zu bewilligen. Aber nachdem die Aiigelcgenbcit einmal so weit gediehe» ist, würde eS zu deu widerwärtigste» Unzuträglichkcile» führe», wollte man die Entscheidung noch ein Jabr und länger hinauSschicben. Tie Debatten de» Reichs tags würde» schon in der bevorstehende» Session vollständig von der Militairfrage beherrscht werden, was zur Folge haben müßte, entweder, daß, falls die Berlage in ihren Einzelheiten noch geheim gehalten bliebe, eine heillose Ver wirrung m der öffentlichen Meinung entstände, oder, falls sie vollkommen bekannt wäre, ganz »nnötbiger und sehr schädlicher Weise eine doppelte parlaincntarischc Bcrathung über den Gegenstand erfolgte. Es kommt dazu, daß dir Frage der finanziellen Deckung, d. h. die Einbringung neuer Slcnervorlagen nicht wohl erfolgen lau», wenn über die neue HecreSorganisation nickt vorher entschieden ist. Angesichts dieser Erwägungen darf man, auch ohne besondere Infor mation, die Einbringung der Militairvorlagc in diesem Winter sür so gut wie sicher batte» und die Abgeordnete» werden gut lhun, sich daraus cinzurichtcn. Wir haben schon Notiz genommen von einem Brief Wechsel zwischen dem Bischof von Leitinerih llr. Schöbet und de», österreichischen ReichStagS- abgcordncten Sicgmund, Vertreter sür Teplitz. Dieser in der Prager „Bohcmia" veröffentlichte Briefwechsel ist von solchem allgemeinen Interesse, daß wir nochmals daran znrückkomincn. Es prägt sich darin so recht der Ebarakler der beiden in neuerer Zeit wieder mehr denn je mit einander kämpfenden Weltanschauungen auS. Den Anlaß zu dem Briefwechsel gab eine Acußernng deS genannten Abgeordneten bei dem am tk>. August in Teplitz abgchallcnc» deutsch-böh mischen Sängcrtage, die folgendermaßen lautete: Ein Säiigcrtag, wie der beutige, mit seiner natürlichen Be» geislerung und seine» oolkstliüniliche» stciheitlichc» Bestrebungen, hat am Ende des neunzehnten Jahrhundert» gewiß mehr Berechtigung, als ei» Katholikentag mit seine» finsteren, mittelalterliche» A»- chauungen und seinen, wenn auch römisch-katholischen, jedoch keines wegs christliche» Tendenzen, und wenn wir heute in Teplitz singen: „Deutsches Böhmerland, du herrliches, dn starkes deutsches Häusl" o ist das vielleicht Gott wohlgesälliger, als wenn die Römlinge in Linz das „I>s proiumii»" anslimmen. Bischof Sä'öbcl richtete infolge dieser Acußerung an den Abgeordneten Siegmund ein Schreiben, in dem es heißt: Welche» katholischen Christen muß e» nicht betrüben, wenn er liest, daß eine Versammlung von LOOO seiner Glaub.nsgeiiosscn, die ans weiter Ferne zusanunengekommeil waren, um ihren Glauben zu bekennen und zu stütze», von einem Katholiken als solche bezeichnet wird, die eine geringere Berechtigung hat, als ei» Langersesl. Ein Protestant, ei» Jsraelit hatte über die Genosse» seiner Con fessio» so nicht gesprochen. Jene Acußerung enthält aber auch den offenbaren Irrglauben, daß die römisch-katholische Tendenz als eine keineswegs christliche bezeichnet wird. Alles Echt-Christliche ist und bleibt einfach katholisch, denn der göttliche Heiland hat eine Kirche als «ine allgemeine katholische gestiftet und Len Apostel Petrus, der in seinem Nachfolger, dem Vstchvse von Rom, fortlebt, zu ihren, sichtbaren Oberhaupt bestellt. Ich richte diese Zeilen in aufrichtiger, herzlicher Liebe an Euer Wohlgeborcn und boffe, daß Sie die reine und gute Absicht Ihre» geistlichen Vaters nicht miß verstehe» und nicht iilißdeute» werden. In seinem Antwortschreiben erklärte de» Abg. Siegmund Folyklides: Vätte sich seinerzeit in Linz eine Anzahl Katholiken lediglich zu de», Zweck« elugesunden, um ihren Glauben zu bekennen und zu stützen, nicht aber zu dem Zwecke, um eine» Kamps zu ent- jesleln gegen die angeblich verderblichen und irciiuanrerischen Ideen der modernen Zeit, gegen die heutige Auffassung der Ratunvissen- schasten, gegen die freiheitlichen Errungenschaften unserer Zeit, gegen die nationalen Bestrebungen der in der letzten Zeit so schwer heimgesuchten deutsche» Bevölkerung unseres Vaterlands», gegen di« unleugbaren geistige» und wate- riellen Voriheile der von un» mit idealer Begeisterung vertheidigten interconscssionellen Neuschul« »nd zuletzt, wenn auch nur ganz tndireet, selbst gegen die unschützbaren Segnungen einer mit so schweren Opfern errungenen sriediichen Weltlage, >a, dann stünde di« Sach« so und nicht ander», ja dann wäre es von mir «tu Frevel gewesen, jene gerügte Parallele zu zähe». Lteser Katholikentag, hochwürdig,r Herr Bischof, verfolgte, wie alte Katholikentage, ganz andere Zwecke. Tie Endziele der selben sind in der Reget keine nndcren, al» de», Klerus und dem mit ihn, verbündete» Fcudaladel wieder z» jenem politischen Ein- slitsse und zu jener Machtstellung im moderne» Staate zn verhelfen, wie sie tiese beiden Gesellschafflgruppen t» frühere» Zeitläuften besaßen und durch dt« Reformation «nd den ehernen Gang der Weltgeschichte wieder verloren haben. Die französische Regierung ermangelt der nötbigen Ent schiedenheit, ui» dem „politischen" AuSstanbe der Grubenarbeiter zu Carmaux wirksam zu begegnen. Die neuesten Meldungen aus Earmanx deulen darauf bin, daß die Zustände dort immer bctentlicher werken. Der Präfcct vonEarmanx nuterrichletc dcitBürgcrmcisterEalvignac, daß er il>», sowie den Abgeordneten Baudin der basten lassen werde, falls die Nachtrunden sortgesetzt würden. Eine Ver sammlung von viertausend Arbeitern nahm diese Mittbcilunz mit großer Entrüstung auf »nd beschloß, einer etwaigen Vcr- basluiig ihrer Fübrer gewaltsam cnlgegeiiznlretcn. Baud in erklärte, er werde sich selbst an die Spitze der Nachtrunden stellen. Die Glasarbeiter dreien, die Be» Hinderung der Runde» mit Ausschreitungen zn beantworten. Die Gnioencoiitpagnie bebarrt ans ihrem Stanbpnnct und nimmt selbst von den Arbeitern, welche wieder eintreten wollen, mir geschriebene Gesuche an, die vorläufig »nbcant- wvrlct bleiben Der Präfekt verlangte von der Regierung weitere Unterstützung durch Entsendung von Truppen. Feuilleton. Vas höchste Gut. Lj Roman von A. von Gersdorff. N-»tr»ck «erboten. (Fortsetzung.) Bald, nachdem die HauSthür schwer zugefallen war (die Frau Hansemann drückte nie eine Klinke zu, sondern alle Thüren fielen mehr oder minder krackend hinter ihr ins Schloß), hörte Jan-Wilhelm andere, schwere, regellose Tritte an seiner Thür vorübcrgehe». Er erhob sich au- seinem starren Hinbrüten und öffuete sie. „Fertig?" fragte er. „Bis aus den letzten Nagel, Herr Senator, und drüben im Stzeffesaal." „kommt hrreiu, PeterS." Der Mann blieb an der Thür stebea »nd empfing mit abgezogener Mütze sein Geld für das Zunageln des Sarges „Danke, Herr Senator, danke, und wenn ein gemeiner Mann so was sagen darf, der liebe Herrgott —" „Vor dem wir Alle gleich sind, PeterS." „Nun ja. mir ist recht, der liebe Herrgott, der winkt manch mal nicht blo» mit'n Tulpenstengel, er schlägt wobl mal mitten aufs Herr, wie mit 'ner Keule, na, wie meine Alte dazumal an den Blattern starb, ich wollt- nicht glauben, die DoctorS propbezeien immer 'S Tollste und ich sagt immer: die kann'n Mund nich halten! — na, Herr Senator, da» war auch sein Tulpenstengel, und gemerkt Hab' ick«. Immer still, wenn ich ging und wenn ick kam. und schmutzig, bloS de Jöbr de quiekte w>e am Spieß, ab und an. Zu Lebzeiten bab' ick» woll nickt so bemerkt, aber al» da« Licht erlosch, da bab' ick gesühit, wa« es um ein brave« Weib im Hause ist, wenn« auch arad'^ein schöne« ist, da« den Augen schmeicheln «bat; nee, Herr Senator, das is n« schwere Zeit, wenn man für » Nein Mächen auftommen soll, und für so'n Dingelchen am schwersten. Allemal wird auch nichts drauS", fügte er in einem cigcnthümlich gedrückten Ton hinzu, „davor bewahre eine» der liebe Gott, daß man einen auS der Erbe holen möchte, den man sonsten nicht groß gemerkt wie die Luft oder die Gesundheit." Der Wittwer ließ ihn reden Er saß am Tisch und hatte die Stirn i» die Hand gelegt. Es war stadtbekannt, daß der PeterS niit seiner Ehefrau nie zufrieden gewesen war, und eS batte ibm viel Hohn und Spott gebracht, daß er nachher «hat, als habe er Vater und Mutter verloren »nd könne sich in der Welt nicht mebr zurecht finden. Ter Senator selbst batte manch' kluges Wort darüber gesprochen. DaS kleine Hannchcn aber war rin pntzsnchtigeS, leichtsinniges Mädchen geworden. Der Vater sollte leider dem Sprüchlein: „Wer Sorgen bat, bat auch Liqueur" vielen Glauben beimesscn Früher war PeterS Auslader bei Mark»« gewesen, dann Leichenbesorger und wa« so drum und dran hing. Der vor nehme Herr gab ibm keine Antwort, und der Leichcnbesorgcr drückte die TbÜr dinier sich zu. „Davor bewabr' einen der liebe Gott, baß nian einen aus der Erde holen möchte, den nian sonst nicht groß gemerkt hat, wie dir Lust oder die Gesundheit." Der Senator saß still da, ganz still, und sab auf den Tisch vor sich nieder, und diese thorichten, groben Worte waren über all um ihn und vor ihm. Was hätte er wohl darum gegeben, wenn sich die alte Thür da leise aufgelhan hätte »nd Was hätte er wobl darum gegeben, wenn eine Weiche, ein wenig lässige Hand über seine Stirn gefahren wäre und eine Stimme, die zuweilen ihn in seiner Denkarbeit gestört, gesagt batte: „Kommst Du n>ckl endlich zu Tisch, Jan Will?" Sic kürzte den Namen gewöhnlich ab. Aber die Thür öffnete sich durchaus nicht. Er konnte in Ewigkeit so sitzen, keine weiche, lässige Land störte ihn in der Denkarbeit, »nd wenn er bi» an den Hellen Morgen so gestarrt hätte. DaS wäre er glücklich lo». „Gott bewahr' einen, baß man einen aus der Erde bolen möchte, den man sonsten nickt groß gei»erkt hat, wie die Lust oder Hie Gesundheit." Er wollte nun nach dem Kinde sehen. Nasch sich erhebend» schritt er hinaus. Welch' ein eigen- thümlicbcr Geruch ini Treppenhaus« l Nach Tannen und berabgcbrannte» Lichtern und einem ganz unbeschreiblichen Etwas zwischen beiden, das er sonst zuweilen in sreinden Häusern gerochen batte und da» ihn immer so öde und hoffnungslos angcmutbet halte. Zur Weihnachtszeit roch es auch nach Tanne» und abgebrannten Lichtern, aber dies Etwas zwischen Eau de Erlogne und Weihrauch war nicht dabei. Er ging rasck durch das mächtige, dunkle Treppenbaus und trat dabei bin und wieder ans Tannenzwciglcin und Blätter. DaS duftete dann zu ihm aus. Sie hatte» sic hier getragen, um sie in den großen, nie benutzte» Spcisesaal zu bringen Ucberall war eS kalt. Auch in dem Zimmer, wo sic ihren Kopf sür immer von ihm ab gewendet hatte und wo daö Kind geblieben war. Da« war doch nickt gut. Wie bätte sie sich gesorgt um das arme Wurm. Man hätte doch wirklich einen passendere» Raum tväblcn können sür daö kleine Geschöpf! Ja, wer sollte? Er hatte keinen Befehl gegeben. Es blieb, wo eö war. „Verzeih', meine gute Frau", und er strich mit der Hand über die Decke, die sauber und fest wieder über das geordnete Lager unter den grünen Sridenfallen gebreitet war. Sie hätte eS wohl gern getban! Aber die menschliche Bitte erreichte ihr Obr nicht mehr. Die alte Uhr tickte nicht mehr, »nd der verschnörkelte Zeiger wie» hartnäckig auf die erste Stunde eine« neuen Tage». Da« Kind lag in der Wiege neben dem geordneten leeren Bette, aber eS schlief nicht. Mit dunklen Augen blinzelte eS in da- schöne grüne Licht der Lampe. Es war allein. Auch hier lagen hin und wieder die grünen Zwciglein Es waren so viel Kränze gekommen. Er nahm einen der Zweige und drrbte ibn in den Händen, zerbrach ihn und athmete den wohlbekannten Tannengeruch. „Gott bewahre einen, daß man einen au» der Erde holen möchte, den man sonst nicht groß gemerkt hat, wie Lust und Gesundheit —" DaS Kind fing an, sich stärker »u bewegen und zu wimmern Was mochte ihm n»r sein? Er rückte sich und zog die Decken höher hinauf. Vielleicht fror r». Es fuhr mit den geballten Fäustchen ltinhcr. „WaS ist Dir denn. Kleines?" flüsterte er zaghast — „ach! Marie, gute Frau." Viertes Eapitel. Es sind drei große, alte, augenscheinlich von demselben Baumeislcr gebaute Häuser, die letzte» innerhalb des ThoreS. In der Mitte besindct sich natürlich ein Rasenplatz, den Niemand recht pflegt, weit leinS der drei Häuser Liesen öden alten Fleck Boden sür sich in Anspruch zn nehmen un bescheiden genug ist. Jeder Mensch wird mit Recht annebme», daß in der Milte diese- Rondels ein dicker Knabe oder ein Deipbiil Wasser zn sprudeln versucht und daß der Brunneii- und Röhrenmeister sehr oft zu einer leider immer nur nach lässige» Untersuchung eingrtrcttncr Stockungen genöthigt wird. An der offenen Seite de« Häuser-Hnjeisens läuft eine ruhige, vornehme Straße bin. Da- eine der Gebäude gekört dem Grasen Pallas Rvtbentbiirm, das gegenüberliegende dem Senator Jan-Wittielm Markus und da-, weiches beide ver bindet, einem schwer reichen Gußstahl- und Maschinen» fabrikantcn Herrn van der Neesen. Alle drei werde» von den Besitzern selbst bewohnt. Allein bei den Pallas-RotbeittburmS waltet noch eine Hausfrau, und wenn sic auch sccko Monate deS JakrcS in den Bädern ist, so darf doch nichts darin obne ibre Zustimmung ge» schcben. Die beiden Andern entbehren diese» Segen. Die Pallas Rotbentbliri» haben ein einziges Kind. Ebenso van der Neesen einen Sohn. Erstcrer ist rin sanier Zierbengel, um sich der einfachen AuSdruckSweise des Volkes zu bedienen, der Andere ein Muster knabe. Erstercr ebenso schön, wie der Andere garstig. Da« Kind von I. W. Markus ist eben geboren, und e» läßt sich nicht viel mebr darüber sage», als daß es alle fünf Sinne zu habe» scheint und einer gewissen Elaste von Dienstboten zu leben giedt, da es mit 'einem ersten Schritt in- Lebe« die Mutter ins Grab drängle. Ja, es ist wirklich eia düsteres, riesiges, alte» Treppen- bauS. Viel zu viel Raum ist dafür verschwendet, und di« Zimmer sind verhälti»ßmäß>g klein. Ueberall sieht ma-
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