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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.09.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-09-12
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18920912026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892091202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892091202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-09
- Tag1892-09-12
- Monat1892-09
- Jahr1892
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Tie Mahnungen einiger Osficiöfen, still zu schweigen, dis die Pläne der Regierung amtlich bekannt gegeben sein werden, sind darum nickt an gebracht, um so weniger, als die ganze Erörterung auf ofsi- ciöse Anregungen unk Miltbeiluugcn zurückzusührcn ist. Es kann mit Sicherheit fcstgesteUt werten : Alles, WaS bisher über den Inhalt der Militairvorlage verlautete, ist offieiöscn Ursprungs gewesen: der erste Bericht über die kaiserliche Rede bei der Herbstparade, der ihm inbaltlich entgegengesetzte zweite, die 60—70 Millionen der „Post", die 80 der „National- zeituiia" und ebenso die jetzt ausgetauckte Version so» 120 bis 150 Millionen Mark jährlicher Mebrsorderunge» für da» Heer. Die Regierung oder doch wenigstens cfficiellc Persön lichkeiten wollten alle diese widersprechenden Angaben im Publicum verbreitet wissen und selbst das demokratische Blatt, das wiederboll zu der Militairvorlage zu berichten wußte, war in diesen!Falle das Organ der amtlichen Autoren dieser Komödie der Irrungen. Welcher Zweck damit erreicht werden soll, ist srci- ich unerfindlich. IcteniallS sind cs kleinliche Mittel, die hier langcwendet werden, und deshalb ist cs erklärlich, wenn man ihnen kleinliche Zwecke unterschiebt. So taucht angesichts der Angabe von 150 Millionen Mark Mehrkosten sogar die Vermuthung aus, die Regierung wolle die Ocffentlichkeil durch Riesensuminen in Schrecken versetzen, um ihr später mit weil geringeren Forderungen eine angenehme Enttäuschung zu bereiten, welche Stimmung man zu Gunsten der Mchr- sorderungen auSbeuten zu können hofft. Sollte cs sich wirk lich so verhalten, so würde die Enttäuschung voraussichtlich aus Seiten der Regierung sein und zwar keine angenehme. Es läßt sich gar nicht verkennen, daß das unsichere Flackerlicht, welches man auf die Militaivorlage bat fallen lassen, die Aussichten derselben ganz erheblich verschlechtert hat. Das Hin und Her in dieser Angelegenheit datirt ja nicht erst von den letzten Monaten, es begann mit der ersten Ankündigung durch den KriegSministcr von Bcrdy, fand seine Fortsetzung in dem Sturz dieses Ministers und einer großen Rede des Reichs kanzlers gegen die Erhöhung der Präsenzziffcr, dann kam die Ankündigung einer solchen durch eben diele» Reichskanzler rc. Die Gegner jeder Verstärkung lasten sich die Blößen, die durch diese Unsicherheit geboten werten, natürlich nickt ent gehen. Neuerdings haben sie die Rede des Grasen Eaprlvi vom 27. November 1891 auögegraben und nian muß ein räumen, daß sich in derselben ein ganzes Arsenal gegen die Militairvorlage vorfindet. Ter Kanzler verspottete damals bekanntlich die Zahlenwuth der „Militairpessimisten", er jagte wörtlich: „Es rechnet da Einer vor: die Franzosen haben 5 400 000 Mann im Kriege und ihr habt 4 500 000, folglich seid ihr schwächer, folglich beunruhigt ihr euch." Graf Eaprivi ist General, er kann sich nicht, wie eS etwa Fürst Bismarck in einem solchen Falle gekonnt hätte, auf eine spätere und bessere Information durch die Sachverständigen berufen. Und da muffen wir denn doch sagen: wenn man hofft und wünscht, die Militairvorlage durckzubringcn, so wäre eS zweckmäßig, daß sich Gras Eaprivi für die Dauer ihrer Bcratbung im Reichstage eine ungefährliche, aber lang wierige Indisposition zuziekt, die seinen Aufenthalt im Süden erforderlich macht. Daß ein Minister mit solchen oratorischcn Antecedentien eine Borlage wie die geplante vertreten kann, ebne kaü Gcgenthcil der beabsicktigleu Wirkung zu erzielen, scheint unmöglich. ES ist eben der Fluch des neuen Eurses, sich durch Reden zu den natürlichen noch künstliche Hinter nisse auszuthürmen. Wir haben schon mehrfach betont, daß der Austausch von Höslichleiis- und Freundschaftskundgebungen zwischen Fran zosen und Italienern bei der EolumbuSseier in Genua schwerlich eine Veränderung in der politischen Stellung der beiden Staaten zu einander herbeisiihrcn werke. ES soll nickt geleugnet werden, daß sowobl in der Form, welche Frankreich seiner Theilnahmc an der EolumbuSseier gegeben bat, wie in derjenigen, in welcher König Humbert den fran zösischen Admiral empfangen hat, der beiderseitige Wunsch einer freundlicheren Gestaltung der Beziehungen seinen Ausdruck zu finden scheint. Und darüber braucht man sich nickt im Geringsten zu verwundern. Frankreich hat die natürliche Tendenz, Italien an sich herauzuziebcn, seine Zugehörigkeit zur Tripel-Allianz zu lockern, und diese Tendenz ist verstärkt durch die Erkennlniß, daß sein bis heriges unsrcundlichcs Verhallen das Gegciiibcil bewirkt hat. Italien aber leidet schwer unter den Repressalien Frankreich« aus bandelSpolilischcin Gebiete, eS spürt in allen Gliedern die materielle Schädigung, welche ihm die wirlhjchaftliche Ab wendung Frankreichs zusiigl. So lange EriSpi der italieni schen Politik das Gepräge seiner persönlichen Abneigung gegen Frankreich aufdrückte, war es unmöglich, daß man in Paris zu dciuonstrativer Höflichkeit gegen Italien sich diS- ponirt fühlen konnte; aber der Piemoutese Giolitti, der heute die Politik Italiens lenkt, ist weniger jäh und hartnäckig als der Sicilianer, und er muß auch größere Rücksicht als dieser aus die italienischen Franzoscnsreundc nehmen, deren parlamentarisches Gewicht in dem Maße zunimmt, in welchem der wirthschaftliche Druck der französischen Repressalien sich steigert. So könnte vielleicht von der EolumbuSseier ein besseres Berhältniß zwischen Frankreich und Italien seinen Anfang nehmen. Aber man darf dies nicht überschätzen, es nichl etwa gar, wie manche Pariser Blätter thun, als den Beginn einer Auflockerung des Dreibundes betrachten. Die Erkennlniß hat sich in Italien Bahn gebrochen, daß, so groß auch die Opfer sein mögen, welche man der Tripel-Allianz bringt, diejenigen doch noch viel größer sein würden,welche man zu bringen hätte, wenn man den Franzosen isotirt gegenüber stände. Und unangebrachte Sentimentalität, romantische Be- rusung aus dir Geuieinsanikeit de« Ursprunges war niemals dir Schwäche der italienischen Politik. So weit die Zugehörigkeit zum Dreibünde eine Besserung de- Verhältnisses zwischen Frankreich und Italien gestattet, widerspricht dieselbe auch nicht den Interessen der Tripel Allianz. Im Gegeutdeile, eS kann der lcylcren nur zu stallen kommen, wenn Italiens materielle Wohlfahrt durch eine Milderung der wirthschaft- lichen Gegensätze sich steigert. Darum ist der Austausch demonstrativer italienisch-französischer Höflichkeiten, der >» Genua crsolgt, nichts weniger als beunruhigend-, er fügt sich viclmcbr ganz in reu Sinn des EultursestcS, dessen crwünsch teste Wirkung eS ist, politischen Antagonismus zu dämpfen und den Völker» zum Bewußtsein zu bringe», daß mitzulicben schöner und ersprießlicher ist als »lilzuhaffe». Dem von uns mitgetbeilten Hirtenbriefe des Fürst Primas Vaszary ist die Antwort aus dem protestan tischen Lager auf dem Fuße gefolgt. In Klauscnburg tagte unter dem Vorsitz des Präsidenten des ungarischen Abgeordnetenhauses Baron Desiker Bansfy die General »eralversauiniluiig des siebcnbürgischc» protestantischen Kirchen districteS. Baron Banssi, gedachte in seiner ErösfiningSrcde auch des TiSza'schcii Jubiläums i» Komorn. „Wir sind dabin gegangen," fagte er, „nicht niu Politik zu machen, nicht »m den Fehdehandschuh hinziiwerf'en oder eine Herausforderung zum Kampfe aiiziiuehiiie», sondern n»> unserer Verehrung und Aiiliäiiglichkeit für jenen Mann Ausdruck zu geben, der seiner Zeit den Mutt, besaß, für die Wahrung unserer gesetzlich gewährleisteten Gerechtsame den Mächtigen gegen- Uberzutretcn, »nd der weise und umsichtig genug war, als er selbst die Macht verwaltete, dieselbe niemals für con fessionelle Interesse» zu benutzen, der^'M Interesse Glaubens ni-malS vergaß, n a- tz^r-clte, obgleich er als landcS sördertc; der ,iclS alS U'E »and > . Protestant fühlte. Unter der —' ^ theilgenoiiimcii und haben wir an den Ko.uorner S-l'U , ^"u, die Vor- unS den Ovationen N>r TiSza ang-fcl I - ^ jekiing »och cm laiigeS derselben inmitlen der Führer unferer Kirche dem ^"sslem ' ' ^ Lank- aufgercglcn Wogen de» Weg weise, da» ... Schjssc ge- bank geraibe oder durch die von einen g ß ^ worscnen Wellen nicht weggcschwcmmt wcl ^ ^ rede aus Kolo»,au TiSza folgte »„in.lcnlanger Be.faU. Während der Anwesenheit dcö litti in Genua wird c.n de,,n,t,ver Be,ck'l»ß über t.e .u l der Kanimcr wird eine eingehende Kundgebung der cheguru g vorauSgcben und wahrscheinlich wird dieser Kundgebung auch das Lkahlprogramm des Eabiue.s be.ge ug wer^d n , B.S rur Stunde ist eS noch ouiner nicht cnkgiltig bestimmt, e Lrr Giolitti eine öffentliche Programn.rede halten ° statt derselben mit einen, Wablman.sestc, welches das c", gebend- Programm der Regierung --'^"" wüide vor das Land treten wird. Entschließt s'ch b Ministerpräsident für die Prozrammrete. so w"L duselbe jedenfalls in Rom. gelegentlich eines >bm »u i» v-r anstallendcn BanketS, statt,mdcn. Obwohlt,e..a>>in keinesfalls vor End- Oktober oder Anfang November zu erwarten sind, beginnt man dock schon >etzt allenthalben m> den Wahlvorbereitungen Die «iimelkungeii von Eandida- tnren sind sebr zahlreich. Soweit dies sich diSder abfeben läßt, erkläre» sich nahezu vier Fünslbeilc tcv-Eaudidatcn in ihren Kundgebungen an die Wähler sur das Eabinet O ivlitti. Eine neue gemäßigte politische Partei ist im Be griffe, sich in Norwegen zu bilde». Die Einladiing zum Eintritt in diese Partei ist von 40 a»g-seh-nc„ Männer,, auSgeganqen und die einstweilige Leitung derselben haben Professor' Leillein. Abvocat M-idell und Fritz Hausen über- >,»tznueu. Dem Programm zufolge stellt sich die Parte, »m Verbal,niß zu Schweden aus den Standpunkt der natwnalen Grundlage. Sie verlangt die vollständige Gleichberechtigung Norwegens mit Schweden in der Union und erwartet eine baldige Lösung des gegenwärtigen EonslicIS durch eine Be stimmung. dabin gegeiid, daß der gemcinschasllichc Minister de» Acußeri, gegenüber ve» Volksvertretungen >n beide» Ländern verantwortlich sein soll. Mit Bezug auf das allgemeine Wahlrecht wird eine Garantie verlangt für die Ausrecht- crbaltung der Königsniachl und die Balancirung des Staats budgets obne Eiusührung direclcr Steuern auf Einkommen und Vermögen. Zu denjenigen Staaten im Osten Europas, welche im Lause der letzten Jahrzehnte in aiierkcuncnöwcrlber Weise bemüht gewesen sind, Ordnung in ihre Verhältnisse zu bringen und an Stelle uusruchtbarer politischer Kämpfe cine vertrauenerweckende Stabilität in ihrer inneren Ver waltung einzubürger», gehört da« Königreich Rumänien. Einen Beweis hiervon giebt die in Liefen Tagen erfolgende feierliche Uebergadc dcS ersten der aus Staatskosten erbauten ruiiiä nische» Musterdörfer an seine zukünftigen Be wohner. Der vom Domäiienmiiiistcr P. Earp auSgegangenc und in Ausführung gebrachte Pla», durch Anlage von Mustertörferu eine» verbessernden Einfluß auf die LebcnS- gewohnheitcn und die Arbeitslust der rumänischen Bauern auszuübc», steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Earp'schen Gesetze betreffs des parccllenweisen Ver kaufes der StaalSdomainen a» die Bauern In Gemäßheit dieses Gesetzes sollen auf den zur Parcellirung gebrachten Domainen neue Dörfer angelegt und so namentlich der fruchtbaren, aber nur sehr schwach bevölkerten Ebene des sogenannten Barazan eine neue Bewohnerschaft aus dichter bevölkerten, aber grundärnicrcn Gegenden zugefükrl werden. So bade» beispielsweise die Tistricle Ialomitza und Braila, die beiden Hauptdistricte des varaga», bei einer fast aus nahmslos sehr fruchtbaren Grundfläche von 146 und 108 Ouadratiiieileu nur eine ländliche Einwohnerschaft von 138 505 und von 70 016 Seelen, was also einer relativen Bevölkerung von 950 und von 648 Seelen auf die Ouadrat- meile entspricht. Dieser verbältnißmäßigen Schwäche der Bevölkerung ist eS denn auch zuzuschrciben, daß im Jahre »890 9t i»> District Ialomitza nur 7t und im District Braila nur 42 Ouadralmcilen zum Anbau verwendet wurden, während mcbr als die Hälfte deS Areals Mangels der er- sorterlicktn Arbeitskräfte brach oder als Weide liegen blieb. Durch die Anlage »euer Dörfer wird nun diesem Mangel abgeholse» und die ProduclionSkrast de- Landes außer ordentlich gesteigert werde», und fällt nun den vor erwähnte» Milslcrdörfcr», deren erstes im Distrikte Ialomitza eingeweiht werden wird, die Ausgabe zu, de» aus die parcellirte» SlaatSdoiuainen übersiedelnken neuen bäuerlichen Grundbesitzern eine praktische Anweisung darüber zu geben, wie sie ihre übrigens unter Aussicht de- Staates herzu,teilenden Ansiedelungen i» einer sowohl den Ansprüchen der Hhgieine als auch dcS landwirthschastlichen Betriebes entsprechenden Weise einzurichtc» haben. Dentfches Reich. 6. H. Berti», l l. September. Die von der Stadt Berlin beschlossenen Maßnahmen gegen die Eholeragesalir haben, als nicht weitgehend genug, den Beifall der Socialdcmokraten nicht gesunden. Der soeialteniokratische Stavtvrrordnetr I»r. Zateck bat in der letzte» Stadtverordnetenversammlung eine ganze Anzahl Beschwerten »nd Wünsche deshalb vor gebracht. Die Berliner sanitären Verhältnisse sind im All gemeinen recht gut; eine Anzahl Stadlverlreter aber liebt es, dieselbe» denn doch allzu rosig hinzusteUen. Man gehr nur nach den entlegenen «traßen de» O. und A und in die oft vo» 3—400 Personen und mehr bewohnten Häuser: dort wird man ein anmuthendeS Bild sicherlich nicht empfangen. Die Socialdemokrateu unter Führung de- vr. Zadeck wollen nun freiwillige SanitStscslonne» sormiren, um durch dieselben die Mißstande in den Wohnungs- u»d ErnährungSvcrbällnisscn der arbeitenden Elaffcn an da- Tageslicht zu bringe». Die Erhebungen sollen sich erstrecken auf da» Triukwafser in de» Wohnungen, Werkstätten und Fabriken, auf Mullbcbäller, Elof'ct«. Rciuiguna der Straßen, Senkgruben, ferner auf die NahrungSniittcl-Hygieinr. Dir Sccialdemokratcn bestehen in erster Linie darauf, daß sach verständige GesuntheitSausseher angestellt werden. Unsere« Wissen» haben deshalb im Polireipräsidium schon wiederholt Eonfercnzcn stallgcjunde». Die Sache scheint aber nicht weiter gefördert z» sein. Eine andere Forderung der Socialtemokratie gebt dahin, daß auch aus ihren Reihen Männer zu den Arbeiten der SanitätSeonimissioiien berangczoge» werden. Im Allge meine» tonnte ja ein derartiges Vorgeben der Socialdemo- kralen nicht- schaden, aber die Gefahr liegt nahe, daß eS zu einem socialdemokratischen AgitationSiuittel auSgennyl und die Wohiiungö- und Nahrungsmittetverhältnisse uns in einer derartig dunklen Beleuchtung gezeigt werden, daß schließlich Alle» nur auf den einen Zweck berechnet erscheint, die Arbeiter gegen die Majorität in unserer Stadtverordnrten-Bersamm- lung aufziihetzkii und Wasser auf die augenblicklich nur lang sam gebende Müble der jocialdcmokratischen Partei zu liefern. tt Brrttn, ll. September. Als die kaiserliche Verordnung über da» Inkrafttreten der SonntagSruhebestimmungen für das Handelsgewerbe veröffentlicht wurde, verlangten ver schiedene Blätter, welche die Schwierigkeiten »er Durch führung solcher Vorschriften übersahen, daß nunmehr auch Feuillctsn. Das höchste Gut. 1s Roman vo» B. von GerSdorff. N-»tr»<t vrrboini. (Fortsetzung.) „Nein. Zum praktischen Lehrling tauge ich nicht. Ick will vor allen Dingen mein Abiturienlenepamen machen, will ein bis zwei Jahre ernsthaft studircn, reisen, das Leben kennen lernen!" „Bist Du verrückt?' „Nein, Vater. Aber die lächerliche Mär bedingungsloser Unterwerfung haben wir hinter uns. Alles, waS Du bis jetzt sür mein Leben angeordnet hast, war gut und praktisch, und ich unterwarf mich freiwillig". „Sebr liebenswürdig, Herr Sohn." „Im nächsten Monat werde ich mündig nach unseren Gesetzen." „Hör' Einer an! Kümmert sich der Bengel um die Gesetze, um seinem Vater damit zu Leibe zu geben." „DaS liegt mir fern, mein guter Vater. Aber um die Gesetze muß man sich kümmern, wenn man fühlt, daß man aus den Kinderjabren heraus ist." „Hm — nicht so dumm." „Ich werde also im nächsten Monat mündig, habe da» Reisezeugniß zum Einjährigen — kurz, trete ins Leben. Dein Plan war, mich nach geleistetem Dienst als praktischen Lehr ling in» Geschäft zu nehmen." „DaS ist er." „Ich kann dem aber nicht beistimmcn." „Tu setzest mich in Erstaunen", bemerkte der alte van der Neesen immer noch spöttisch. MauruS hatte dir Mappe, die Bücher, Hefte und allerlei Schriftliches enthielt, auf da» alte Ledersopba gelegt, neben dem er frei und ruhig stand. In dieser Haltung, in dem festen Schliffs der ausgeprägten Kinnbacken lag so iel ent schlossener Wille, daß auch dieser Baker so gut wie die Gräfin PaUaS-Nolhenthuriii ihrem Sobne gegenüber empfand, laß er kein Kind, sonder» einen sebr selbstständig denkenden Menschen vor sich hatte. Nur daß die LebenSauSsichlen und Anschauungen beider Jünglinge recht verschieden waren. Van der Neesen war durch »nd durch Geschäftsmann, und zwar einer der schlauesten. Politische und andere U>.bcr Zeugungen gab er ungern frei heraus, wen» er überhaupt solche hatte. Geld erwerben, Zcit und Handwerkszeug dazu — darüber dachte er nach, »nd da er Zcit seines Lebens Glück gehabt neben dem eiitschiedensle» Talent, brachte er eS zu dem beneideten Ziel, einer der reichste» Leute im großen Hamburg zu sein. Ob er aber cine andere Freude von seinem stets wachsenden Neicblbiim batte, als eben das Wachsen desselben, ist kaum recht zu glauben. Sei» Haushalt war klein, bürgerlich einfach. Sein großes, siolzeö Ha»S »»gemütblich. fast dürftig eingerichtet. Da war weder Stil, »och Geschmack, noch Behaglichkeit. Nur dem uothweiidigen Bedürfnis! war genügt. Das Haus war weit aus da« größte und vornehmste der drei Häuser. Die Zimmer mit uralter, oft kostbarer Tapete — auch echte Gobelins fanden sich bicr — verdienten eher Säle genannt zu werten. Tie eigentkünilichen Fenster ginge» fast von der hoben Decke bi» zum Boden berat-. Aber sie wäre» ans kleinen Scheiben zusammengesetzt und batten keinerlei Vorhänge. Tie »leisten der Räume waren ganz unmöblirt. Sie wurden ja »ic benutzt. Tie von dem alten van der Neesen und seinem Heranwachsenden Sobne bewohnten Gemächer lagen im Erdgeschoß. Flur und Treppen waren von weißlichem Stein. Etwa aus Großmuth eine Götl-n der Gastfreundschaft oder etwas Derartiges zu kaufen »nd da hinaus zu stellen, hatte sich ran der Neesen nie bewogen gefühlt. Tie Mutter deS jungen MauruS war nie in die» kalte Hans getreten. Sie lag unter den Palmen vo» Syraku« begraben Dort war auch MauruS geboren, wo sein Vater viele Iabre der Firma van der Neesen und PalydoS vor- gcstankcn hatte. Van der Neesen drehie mit einer Handbewegung seinen beweglichen Schreibstubl so, daß er seinem rubig dastehenden Sobne gerade ins Gesicht sehen konnte, während er seine beiden breiten Hände auf seine Knie legte. „^>.. UI,V crn Planen a,e> Vaters nicht ziisliiunic», junger Mensch — um nicht zu sa Knabe?" „Nein, ich kann daö nickt." Ban der Neesen batte sich bis jetzt so viel »nd so we um seinen Sok» gekümmert, wie vielleicht Senator Mar uni seine Tochter, aber wie er den jungen Rebellen jetzt sab, last eS fast wie erwachendes Interesse in seinen unslc Aenglein. Tann, nachdem er ibn eine kurze Weile angestarrt ba sagte er »ul einer gewissen Gutmüthigkeit in seiner el» belegten Tliminc: „MauruS, mein Kind. Tu gefällst mir. D» bist iingesi so hübsch wie ein junger Orang-Utang, D» bast nicht c Linie von der — „a, wie nannte» es die Leute doch'? statucnbasle» Sebönkeit Deiner Mutter, und ich müßte „ sehr schlecht aus Gesichter verstehe», nicht ei» Atom von de liebenswürdiger, aber unfruchtbarer Phantastik —" „Nein." „Du bist ein van der Neesen durch und durch, auch der edlen Dreistiakeit, mit welcher Du iiiiilelst der prcußisci Gesetze Deinem Vater an die Kehle springst." „Wenn Du als Unkinklichkcit ausfasscn willst, waS „Ach waS! Häng' Deine Mänlel in den Schra Unkindlich bist Du »ud dreist. Aber Du bist mir lieber ,o ein Zieraffe, w,e der junge Herr Gras Pallas-Ro'ib tdnrni. der wahrscheinlich noch benligen Tage» aus sei Mnlter «ckoß sitzt. Na, T» bast aus dem meinigen W.e Tu da stobst, bist Du mir cine (>'ara, l»rS Ge,»äst. denn das ,ag ,ch D,r" - „nd rin- jäbe Re flog über de« allen KaxsmannS Gesicht — „wenn D» e, werden^-""' oder Künstler oder dergleichen „Nie, Valer." - ""-U I Und der Schreibstubl de« Firmaches« fuhr mit einem k baren Quietschen herum. MauruS nahm schweigend seine Bücher und ging. Siebentes Capitel. Frau Gräfin sind ausgeregt, sebr aufgeregt. Die Dienst leute stiebe» fast die Treppe» hinaus, wenn der schrille Klang der berrschastlichen Klingel ertönt. Und sie ertönt sehr ost an diese», Abend. Man Kat nickt einmal brii» Abendessen Rübe! Der persönliche Kammcrkicncr de« Herrn Grasen, ein höflicher Mann, stößt alle Augenblicke mit Frl. Emma, der Zofe, vor dem Salon der Fra» Gräfin zusammen und bittet rrstere instäiidißsl, zu den Bratkartoffeln zurückzukebren, er wolle sich gern einige Male statt ibrer beinüben, da eS sich ja kaum um „Toilette" Kandel» könne, sondern höchst wahrscheinlich um die aufrcgcndc Frage: „Wo ist der Gras'? Ist der Schnellzug schon lange angelangt? Ist keine Depesche gekommen'?" Als wen» man „unleii" eine solche verheim liche» wolle! Gräfin Pallas - Rothentburm geht in ihrem Salon auf und nieder mit wedelndem Schnupftuch, da« feucht ist von »»besiegbaren Tbräncn der Sorge »nd Aufregung, und setzt sich zuweilen, -mit unnatürlicher Fassung eine kolossale Häkel arbeit bervorholend, aus das große Ecksopha. Es ist II Ubr vorbei. U», 9 Ubr war der cLchnellzug angelangl, der Gras war nichl gekommen, zum ersten Mal nicht aus die gewohnte Minute eingctroffcn, von einer seiner „gewöhnlichen Reisen", wie Karl August gesagt, nicht zurückgckehrt. Und e« ging aus 12 Uhr Nacht«! Karl August lag aus einem niedrigen Divan in der Nabe de« KamiiiS und laS einen französischen „Schmöker"'. Obne die Augen von seinem Bucke auszuheben, warf er mit der herabkänacnden Linken zuweilen ei» Scheit Hol; in die auf- lodernde Flamme und erwiderte etwas auf die abgebrochenen Aeußeruiigrn seiner aufgeregten Mutier. „Du kannst eS mir glauben. Deinem Vater ist etwa« passtr»" „WaS soll ihm denn passiren? 8... ist doch keine wüste Insel." „So lange ich ihn kenne, fast dreißig Jahre, ist er Pünktlich gewesen, nie hat mich mein lhrurer Man» q«
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