Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.11.1892
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-12
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921112021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892111202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892111202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-12
- Monat1892-11
- Jahr1892
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
AbormementSprels k» der Hauptexpediston oder den im Stadt« bezirk und den Bororten errichteten Aus gabestellen ab geholt: vierteljährlich ^»4.50. bei zweimaliger täglicher Zustellung in4 HauS ü.SO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche Kreuzbandjendung tut Ausland: monatlich S.— Die Morgen^lu-gabe erscheint täglich'/,7 llhr, di« Abend-Ausgabe Wochentag- b Uhr. Ne-aclion und LrpeLitiou: Aohannesgassc 8. Die Erpedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis AbendS 7 Uhr. Filialen: vlto klemm'» Lortim. (Alfred Hahn), Universitätsinab» 1, LoutS Lösche, -athartaenstr. 14, part. und Sönig-pl-d 7- Abend-Ausgabe Tagtblall Anzeiger. Liga» filr Politik, Localgesihichte, Kandels-undEMeM Jttsertilmspreis Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Kerl amen unter da» Redoctionlstrlch (4 ge spalten) bO^j, vor den Familieunachrichten (6 gespalten) 40 Größere Schriften laut unser«» Pretß- verjetchnib- Tabellarischer und Zifferasatz »ach höherem Tarif. Lrtra-Vetlage« (gesalzt), »or mit bei Morgen-AuSgabe, oha« Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderung ^l 70.—- Äuuahmeschluß für Inserate: Abeud-AuSgab«: LormittagS 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags »Uhr. Sonn- und Festtag» früh '/F Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je «in« halbe Stunde früher. Inserat« sind stet- an di« Grdedttt»» za richte». Druck und Verlag voa T. Pol> kt Lelpjtg. .H 580. Sonnabend den 12. November 1892. 88. Jahrgang Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Tonntag, den 13. November, Bormittags nur bis Vst- Uhr ceofsnet. Expedition des I-elp/deer I'ueeiklulte^. Amtliche Bekanntmachungen. Unanbringliche Postsendungen. Bei der Obrr-Postdirection hier lagern die nachbezeichneten UN- anbringltchrn Poftseiiduiigrn: . Aus Lrip;i„: a» Frl. Antonie Cuderka in lltiga v. 10.,3. 02, an oauck. uiock. B. Szliler in Leipzig, Sleruwartcustr. 7l, v. 14.,3. 02, an F. Schlesier i» Leipzig, post lagernd v. 13,4. 02, an Emil Froh» in Hamburg, Steinsir. 7, Il.r., v. 12-/4. 92, an Frl. Mathilde Buchling i» Prag. Schmicdeslr. üü, I., v. 29. 6. 02, an IanoS Skultetv in Budapest, Pieiscrgasjc 4, v. 20./6. 02, an Gustav Zufall t» Wien, Landgericht, Amtszimmer 22, v. 7./6. 02, an Braumeister Bendel in Gerolstein v. 20., 6. 02, an vr. von Drcyberg in Berlin IV, Monopol-Hotel, v. 17. 5. 02, an Köhler, Restaurateur des Kellnerbnndcs Saxonia in Dresden, Schössergassc, v. L5./7. 92, an Tornieyer in Leipzig, Park- stratze 6, IV., v. 27./7. 92, an Franz Roitzsch in Leipzig, Süd- siraße 8, 111., v. 4.6. 92, zurnckgekominener Postauflrag; aus Ltiptig-Plagwitz: an Bernhard Schindler, Adr. Kramer in Leipzig, Schlcttcrsir. 3, Hinterhaus, v. 14-,6. 92; aus (sstcninttz: an A. F. Neupert, Gastwirtb, Herberge^zur Hetmath in Potsdam, v. 20./6. 92; aus Lctpztg-Reuvnttz: a» Friedrich Carl Günther z. Z. In Meuselwitz v. 24./6. 92; aus Markranstädt: an Paul Ncubert, Schlosser in Nizza (Frankreich-, postlagernd v. 2.,4. 92; aus Frankcnbrrg (Sachs.): an Baumeister Pappel in Chemnitz, Grenzstr. 9, v. 30./7. 92; aus Lelpzin-VolkmarSdorf: anHerniaim Fhillo in St. Paulo (Brasilien) v. 1./4. G>; aus Leipzig-Schöne- srld: an George Kühlhorn in Cvbar (Australien) v. 28./7. 9l. lür1«k« mit «teilt »ntr«8«I»e?»viu Aus kisenberg (S.-A.): an Otto Deichmann in Hildesheim, Bcrgsleinweg 3V, v. 0./3. 92; aus Leipzig-Lindeuau: an Bäcker geselle Hildebert Reinecke in PotSdani, Herberge zur Heimath, v. 3. 6. 92; aus Zwickau (Ta.): an Frau Fanny Richter in Leipzig, Nicolais». 7, IV. v. 14,8. 92. L»o8t»uev«t-,n«^en. Aus Leipzig: an Thierbach in WeißenfelS v. L./3. 92 über 10 aus Trcbscn: an die Pfand leihanstalt von Wittwe Eick in Mitten v. ü. 8. 92 über l.äl 90^. Aus Leipzig-Lolkniarüdors an Earl Peilmann, Kgl. Gcsangenanstalt in Zwickau (Sachse») v, 6./ö. 92. Die unbekannten Absender der vorbezeichneten Sendungen werden hiermit aufgesordert, ihre Ansprüche binnen 4 Wochen, vom Tage des Erscheinens dieser Bekanntmachung an gerechnet, bei einer Post- anstatt des Ober-Postdirections-Bezirts Leipzig gellend zu machen. Wenn sich innerhalb dieser Frist zur Empfangnahme Be rechtigte nicht gemeldet haben, werden die Geld- und Post-An- weisungsbcträge der Post-Unterslützungscasse überwiesen und der Inhal, des Packet» aus Lcipzig-Bolkmarsdorf zum Besten dieser Lasse öffentlich versteigert werden. Leipzig, 10. November 1892. Ter Kaiserliche Lber-Postdirrctor. Walter. Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. November. Die Aussichten der Militair-Vorlage werden immer trüber. Heute wirb der „Kreuzztg." von angeblich zuver lässiger Seite mitgetheilt, daß die Nachrichten einzelner Blätter über neuere Vorschiebungen russischer Truppen au unsere Grenze durchaus zutreffend seien. DaS betreffende Revirement habe unmittelbar nach dem Manöver begonnen und dauere noch bis heule fort. Es handle sich diesmal vor wiegend um den Grenzstrich von Taurvggen bis Grajewo, an welchem zahlreiche Verstärkungen der (Kavallerie vor genommen würden. Auch Tauroggen selbst erhalte Kavallerie- Garnison, obwohl es hart an der Grenze liegt, wäbrcnd die russischen Maßnahmen es bisher vermieden, näher als 1',« Meilen mit Truppenbelegungcn an die Grenze heran zugehen. Obgleich aber das hochconscrvativc Blatt diese Nachricht für richtig hält, knüpft es an dieselbe folgende Auslassung: „Wenn wir dieser uns, wie schon betont, von sehr unterrichteter Seile zugehenüen Nachricht Raum geben, so wissen wir im BvrauS, daß wir dem Bornim fe nicht entgehe» werden, wir beabsichtigten damit Stimmung für die Mititairvounge zu machen. Und doch ist nichts lhörichler als eine solche Austastung: erstens weil dieselbe durch unsere Gesaininthalluiig der Militairvorlagc gegenüber ohne Weiteres nck ab->urckui» geführt wird und da»», weil nichts die Vornahme einer weitgreisenden Heeresrejorm unräthlicher er scheinen lassen würde, als die Aussicht aus eine viel leicht nahe bevorstehende kriegerische Verwickelung. Endlich erscheinen uns die Ehanecn der Müitairvorlage n»t jedem Tage weniger günstig. Tie Siiiumniig, welche die cingelrvsscne» Land- boten ans den Provinze» mitgebrachl haben, iäßr deutlich er kennen, wie stark im Lande die Abneigung gegen eine stärkere Belastung aus der einen und gegen die Preisgebung der alt bewahrte» dreijährigen Dienstzeit aus der anderen Seite sich geltend macht. Dazu kommt noch das hemcrleuswerlhe Ungeschick, mit dem die Vorlage in der Presse verlheidigl worden ist. Bei den Eonscrvaliven ist dadurch die Bejorgniß erregt, daß die Regierung bereit sei» könnte, nach der politischen Seite hin — Aufhebung der Verfassung und jährliche Bewilligung — Zu- geständnistc zu machen, weiche ihnen unannehmbar sind; für die andere» Parteien sind wieder diese Zugeständnisse nicht bestimmt genug in Aussicht gestellt und zugleich sind durch die Vielheit der zur Deckung der Kosten in Aussicht geiiommeucn neuen Steuern jo weite und zahlreiche Jiilerestemreife gegen die Vor- tage mobil gemacht, daß wir Alles in Allein an die Möglichkeit, diese im Reichstage zur 'Annahme zu bringe», heule noch weniger als je glauben." Im Grunde sind eS nur noch die Mittclparteien, die eine Verständigung über die Vorlage für möglich ballen und wünschen, während reckt« n»v links mit der wachsenden Ab neigung der Wählerschaft gegen den Gesetzentwurf die Ab neigung gegen eine Verständigung wächst. Tie „Nat.-Lib. Evrr." gicbl heute ihrem Wunsche nach einer Verständigung und ihrer Hoffnung auf eine solche folgendermaßen Ausdruck: „Tie öffentliche Erörterung der Militairvor.age hat nachgerade einen Charakter angenommen, welcher es hoch ar der Zeit erscheinen läßt, daß endlich die parlamentarische Verhandlung an ihre Stelle tritt. Nicht die scharfe und bedingungslose Vcrurthcilung eines sowohl »ach Inhalt wie »ach Begründung noch nicht genügend bekannte» Gesetzeutwurss ist das Bedenklichste, sonder» der Umstand, daß Gerüchte i» Umlauf gesetzt nud geglaubi werden, die nur auS einer An schauungsweise entspringen könne», welche die gegenwärtige Re gierung kaum »och ernst nimmt. Oder wie wäre» sonst die immer wiederkehrenden Ausstreuungen denkbar, daß die Vorlage zurück gezogen oder »mgcarbeitct werden solle — Beides selbstverständlich nach vorangcgangenem Rücktritt des Grasen Eaprivi —, noch bevor dieselbe zur parlamentarischen Verhandlung gekommen ist? In Wirklichkeit ist kein Zweifel darüber, daß Graf Eaprivi das von ihm ansgearbeitete Gesctzgebungswcrk auf Grund innerster Ueber- zeugung als ein Gebot absoluter Nothwendigkei, betrachtet und daß er dasselbe im Reichstage mit dem ganze» Ernste eines pflicht bewußte» Slaalsinanncs vertreten wird. Diese Erörterung wird man abwarlen müsse», bevor man in der Sache sich endgiilig entscheidet. Tie wahrhaft phänomenale Ungeschicklichkeit, mit welcher bisher die publicistischc Vertheidigung der Vorlage ge führt ist, verdient die rücksichtsloseste Rüge und Zurück weisung; aber dadurch kan» man sich uniuüglich mit dem Problem selbst abgesunden glauben. Tie Noihivcndigkeit einer Neu- regclung der Hceressiärke vom l. April 1894 an ist nicht zu um- gehen, und kein Reichskanzler, heiße er, wie er wolle, wird bei dieser Gelegenheit aus eine vermehrte Heranziehung von Tiensttanglichen zur Ausbildung in den Waffen verzichten können. Es wird sich nur um das Maß handeln, i» welchem die vermehrte Heran ziehung erfolgen soll. Darüber allerdings ist kein Zwcnel, daß das einstweilen von der Regierungsvorlage geforderte Maß auf eine zustimmcnde Mehrheit im Reichstage nicht zu rechnen hätte. Aber warum sollte inan sich nicht über ein geringeres Maß verständigen können? Vor Kurzem las man in ultramontaiie» AA,.r«, d.°!», i>. »U!» d;','7'LL «.K»! unler Fesihaltung der bisheriaen ^forderliche fuhrlichc stellung von Rccruten, b"w- lur d.e dazu ^ ^ Majorität Mehrausgabe von 2o b - 30 Msll,ouen ww.e ^rdingS d,e im Reichstage zu haben sti- I i ! gähnende geworden, Sprache der ultrainontaiicn > Zeitung" ausdrücklich so das; ihr neuerdings ^on der „Frei! N I 9 0 nijr glauben, das Zengniß des Wohlverhaltens ausaestellt w'rü^^Aber w.r »l^ ^ . daß nicht einmal der »>tra»l>gcn>e 4.! mit nachwlaeiidcr Neichs- angenblickliche» Verhältnissen emen Lon lict . tagsauslosung ernstlich l-"be.wun,ch^ dag diejenige Richtung, ^dcn Eonffict zu vcr- hütem'"unt^ nicht die Verantwortung übernehmen zu entgehen LärSLKKU. «i. - ' ^ Der redliche Wille, der aus diesen Worte» spricht, kann von den verbündete» Negierungen "suchen Um so mehr sollten die letztere,> daraus hinzum rken suchen, daß aus dem B »ndeöratt> e »,chl e.nc ^rwg- an de» Reichstag gelangt, die schlechterdings keine Aussicht au. An nähme hat und die nun einmal vorhandene ^pp°i"'b>s ncigung verstärk!. Je mehr der Reichstag erkenn. daß der Buncesralh bemüht gewesen >ft, den von de» ^'"'' der Vorlage unterschätzten wirlbschastlichen Bedenk.,, ^ech'»nü zu tragen, »», so leichter wirb ,ene Neigung S" l'^amvst Eein und ein Ausweg sich finden lassen, der »um Z>el>. I"hren könnte. Freilich hat Gras Caprwi durch die - U, w,e er Stimmung für die Vorlage machen laßt, dem Bundeörathe eine Abänderung des Entwurf« überaus schwer gcmacht Stellt sich eine Verständigung als unmögllch heraus, so Wird er die Schuld in erster Linie sich selbst zuschreiben müssen. Die ungarische Ministerkrisiö eilt ihrer Lösung zu und es läßt sich wohl schon heute sagen, welchen endgilttgtn Ausgang sic nehmen wird. Nachdem die große liberale Partei über die Klippen einer Spaltung hinweggekommen ist und die Einsührung der obligatorischen Eivilehe, welche bisher der Stein des Anstoßes war, von der Krone bewilligt ist, Kat der Kaiser den bisherigen Fillanzmimsler -llr. Wckerlc mit der Bildung des neuen Eabniets beauftragt. Die Audienz, in welcher vr. Wekerle vom Kaiser mit der Neubildung deS Cabinets betraut wurde, dauerte anderthalb Stunde». Es wurden darin nicht blvs kirchcnpolitischc Fragen, sondern die Grniidznge der nunmehr in Ungar» zu befolgenden Politik erörtert. Vr. Wekerle Wird neben der Leitung des EabinctS da« Finaiizportefcuille unter allen Umständen 'behalten, die übrigen Minister verbleiben bis zur Neubildung des EabinetS im Amte. Wekerle ist gegenwärtig 44 Jahre all. Er wurde am 9. April 1889 unter Tisza zum Finanzministcr ernannt. Gestern Mittag cmpsmg er die Glückwünsche Szapary's, Fejervary's, Tisza's, Szell's und Banssy's. Weterle'S Berufung dürste die geeignetste Lösung der Personenfragc bedeuten, da der bisherige Finanzministcr wegen seiner finanziellen Erfolge auch bei der Opposition in hohem Ansehen steht. In den Wiener Finanzkreiscn wird Wckerle'S Ernennung eine um so größere Bedeutung bcigelegt, als damit die wirth- schafttichen Fragen in den Vordergrund gerückt erscheinen. Bemerkt sei noch, daß auch Kalnoky vom Kaiser in Audienz empfangen wurde, was bei der lebendigen Wechselwirkung der ungarischen lirchenpolitischen Frage mit den internationalen Fragen nicht befremden kann. In Pest hat nach vorliegenden Meldungen die Ernennung Wckerle'S zum Ministerpräsidenten den befriedigendsten Eindruck hervorgernsen. lieber die Art der Besetzung des neuen Eabmcls ist augenblicklich noch jede Vcrmulhnng verfrüht. Minist.rpräsidcitt Wekerle wird in Pest Berathungcil pflegen und erst nach einigen Tagen dem Kaiser Vorschläge machen. Wenn man den Angaben des Pariser Journal- „Matin" Glauben schenken will, was gewiß Viele, ehe nicht Mit- theilungen aus zuverlässigerer Quelle vorliegen, nicht thun dürften, so Kälten die Franzosen endlich das Ziel ihrer heißen Bemühungen wegen Abschließung eines Allianz- vertrage« mit Rußland erreicht. Das genannte Journal meldet aus Petersburg, daß Ende voriger Woche daselbst die Unterzeichnung deS Präliminar-Vertrages der russisch-französischen Allianz erfolgt sei, und spricht dabei die Hoffnung aus, daß Ribot auS den von Rußland an dem Vertrage gemachten Abänderungen kein Motiv zur Verzögerung deS Abschlusses de« defini tiven Vertrages entnehmen werde. Die Unterzeichnung des Präliminar-Vertrages, so sagt der „Matin" weiter» in Abwesenheit des Ministers Giers und des Großfürsten Wladimir vollzogen, beweise, daß der Zar die Politik Rußlands ganz allein dirigire. Man niüsse sich dazu beglückwünschen, da die Zahl der Freunde Frankreichs am Hofe de« Zaren sehr gering sei. Gleichwohl müsse aner kannt^ werden, daß GierS und Schischkin zweifellos guten Willen gezeigt hätten. AuS Wien wird gemeldet, das; in dortigen diplomatischen Kreisen die Nachricht de- „Matin" keinen Glauben findet, und es müßte in der That angesichts des bevorstehenden Besuches des russischen Großfürsten-Thron- folgerS am Wiener Hofe einen eigenartigen Eindruck Hervor bringen, wenn man in Rußland diesen Augenblick für geeignet hielte, um einen solchen, gegen den Dreibund gerichteten Staatsakt zu vollziebcn. Mag dem nun sein, wie es wolle, jeden falls bat Rußland das Recht, Bündnisse mit jeder beliebigen Macht abzuschlicßen, und eö ist lediglich seine Sache, wenn der Zar es für zweckmäßig erachtet, in ein Allianzverbältniß niil einem Staat zu treten, in dem zur Zeit die Socialisten und Anarchisten das große Wort fuhren und die Staatsgewalt eine traurige Rolle spielt. Vielleicht wird cS in Bezug auf die europäische Politik zur Klärung und Befestigung des Bündnisses der naturgemäß auf einander angewiesenen Mächte dienen, wenn erst einmal die Thatsacbe offenkundig ist, daß der russische Bär und die Eocotte Frankreich mit einander auS dem Eoucubinat, in dem sie schon scitber lebten, in den Stand einer wirklichen Ehe übcrgetretcn sind. In Pari« herrscht nach wie vor die größte Bestürzung und Nathlosigkeit. Alle Welt sieht den kommenden Ereignissen mit Bangen entgegen, denn man sagt sich, daß die Anarchisten eS bei einer einzigen Unthat schwerlich werde» bewenden lassen, zumal angesichts der gerade in den sicher- beitöbehördlickien Kreisen ubcrhaiidnchmenden Kopflosigkeit. AllgemeinerVernrtheilung begegnen die radicalcn Politiker, denen man vorwirft, durch ihr aufdringliches Einmischen in die Ear- mauxer Streikangelegcnhcit daö Zerwürfniß zwischen Arbeit gebern und Arbeitern vergiftet und den anarchistischen Tendenzen die Wege geebnet zu haben. Recht erbauliche Enthüllungen über das Feldzugprogramm der Anarchist.« thcilt der „Aigaro" mit, der sie angeblicher»« dem Munde ines italie nischen Flüchtlings hat, welcher auf der Reise »>>ch London unlängst Paris passtrte. Dieser Mordgesclle erklärte seinem Interviewer, die Anarchisten würden ihre Dynamit- Operationen in Frankreich künftig aus die Banken, die Mairien und ähnliche EtabliffementS beschränken, Privat- gcbäude aber in Ruhe lasten. So würbe man der Bourgeoisie durch Zerstörung von Capitalwcrthen und CivilstandSregister» cbwere Wunden schlagen und zugleich die „Vorurtheilc" der ranzösischen Socialisten schonen, welch letztere wohl dabei eien, wenn Bourgeois-Institute, nicht aber, wenn die auch von ihnen bewohnten Privatgebäude in die Luft gesprengt werden. Der italienische Anarchist setzte hinzu, seine Ge nossen würden insbesondere kurz voc dem l. Mai von sich rede» machen; zwischen den Anarchistenvereinen aller Länder bestehe eine vollständige Organisation, das Geld komme aus London Näheres über diese delicaten Puncte konnte der Interviewer nicht in Erfahrung bringen, nur erklärte FeuiUeton. Dämmerungen. Roman in drei Büchern voa Rudols von Gottschall. 36s Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Wieder hob sick der Vorbang. Eine Zeit lang bliebS rubig, als Teresa die Bübne betreten ; bald aber erhob sich der Sturm von neuem und diesmal so anhaltend, daß nicht« übrig blieb, als den Vorhang falle» zu lassen. Dann trat der Regisseur hervor und verkündete, daß Fräulein Eckcrdt die Rolle weiter spielen werde. Stürmischer Applaus! Teresa glaubte zu träumen . . . war sie es denn selbst, der dies alles begegnet war? ES giebt im hohen Fieber Zustände, in denen man sich doppelt sieht und fühlt — so war c- ihr zu Muthe. Mechanisch zog sie sich auS und an, in ein sttiiiipfes, dumpfes Brüten versunken. Wenn ihr nur draußen Niemand begeg nete ... sie fürchtete, der Anblick der Mensckicn werde ihr wehe thun ... so allein mit sich batte sic kein Schmerzgefühl; ibr war nur, als ob alles Leben in ihr erstarrt sei. Das Unverstandene macht gesunde Naturen wcbrloS kranke aber willenlos, cS verseht sie in gedankenlosen Halbschlummer, in dem sie Alles über sich ergeben lassen. Teresa dachte nicht darüber nach, was diesen Sturm gegen sie und ibre Kunst entfesselt haben mochte, es war ja doch etwas Unabänder liches; cS war einmal über sic bereingcbrochcn wie ein ge- waltthätigcS Naturercianiß, ein Orkan, ein Erdbeben; wer kann es ergründen, woher diese Gewalten kamen? Doch eS aicbt eine Wollust des Schmerzes, der Verzweiflung, des Unterganges. Man wird noch einmal von den Wogen ge tragen, ebe sie uns verschlingen; doch man denkt nichts, man fühlt nichts als das Eine: es geht zu Ende! Al- sie auS der Garderobe herauSgetreten, traf sie binter den Eoulisscn Lothar, der sic erwartete. Die Vorstellung war schon im vollen Gange; eine Beifalls salve belohnte die neue Donna Iuanita und Leontine mußte auf offener Scene erscheinen. Teresa trällerte Wi« geiste-abwrsend da- Lied vor sich hin, mit dem ihre Nebenbuhlerin eben solchen Beifall geerntet. Tann reichte sie Lothar die Hand. Sie wachte aus einmal aus ihren Starrkrämpfe auf, cS durchzuckte sie wie ein Gefühl des Lebens. Von allen verworfen sah sie jetzt ihr Alles in diesem Einem. Es war ibr ja alles so gleichgiltig geworden, nur Er nicht, Er mußte die Welt ibr ersetzen. „Ich muß Dich sprechen", flüsterte Lothar ihr zu. „ES ist jetzt alles anders geworden, ich sträube mich nicht mcbr wie vorder. Doch nicht jetzt — noch ist alles wach im Hause. Ich bin eine Todte und Totle besucht man in der Mitlcr- nachtSstunde. Ich bin dann allein! Meine Zofe schläft in der Bvdenlammer. Hier sind die Schlüssel zu Garten und HauS. Jetzt begleite mich nicht! Jetzt kann ich nichts spcchen, nichts hören . . ich muß erst mit mir allein fertig werden, dann komme, was mag!" Es war ein stürmischer Abend geworden . . die Wolken jagten am Himmel . . die Scheibe» klirrten; hier und dort schlug ein Fenster, ein Laden zu. Tie Akazien und Linden der Promenade» rauschten gewaltig im Sturm, welcher Zweiglci» und Aeste von ihnen herabgeschüttell. Dickt vor der Wandelnden fiel ein Ziegel vom Dach der hohen Ratbs- schule . . ein Schritt weiter — u»k eS war auS mit allem Jammer! Solch' ein dummer Stein — und aukgcsungeii, auSgcklunge» waren die Melodien an Kopf »nd Kehle . . das ganze Instrument zerstört . . und die Direction batte das Nachsehen . .. und das liebe Publicum brauchte sich nicht mehr zu echaussiren und Steine aus eine Künstlerin zu werfen. Das Dach der hoben Natbsschule wußte besser zu treffen. Scko» hatte sich der Regen rem Sturm gesellt; die krampsbast sich abarbeitende» Regenschirme der Vorüber gehenden knatterten und wurden vom Sturm geschüttelt unv vier und dort übcrgestülpt und der triefende Wolkcnguß tanzte in den Lüften bin und her. Nosenblütbenschnee aus zer zausten, schlaff »ieterbängentcn Kronen bedeckte die Gänge de« Gartens, durch welche Teresa schritt. Und doch war ihr das Unwetter willkommen; sie fürchtete irgend einen unlieb same» Beileidsbesuch Sie gab der Zofe Befehl, Niemand einzulaffen und sich selbst zur Ruhe zu begeben. Sie war allein! Ai, die Fenster schlug der Regen und lief draußen an den Scheiben nieder. Wenn so die Erde l zerpeitscht wurde von Lturi» und Wetter — wo bleiben ! dann die armen Kreaturen? Sie Lachte einen Augenblick laube erfreut. Wo blieben die Amsel, der Buchfink, die Bb mcise? Sie batten doch alle Wohl ihr Nest und ließe, über sich strömen und rauschen und klatschen. Und nach t Sturmesnacht tönt am nächsten Morgen ihr fröhlicher Gesa, Doch wieviel arme Menschenkinder haben kein warmes N und wenn der Sturm schon längst vorüber, dann frösteln noch in Fieberschauer lange Nächte und Tage hindurch vielleicht dem Grabe entgegen. Und sie selbst . . hatte sie denn ein warmes Nest, wol sie sich flüchten konnte vor dem Unwetter, das über dabingcgangen? Sie war ja heimathloS . . und als sie d Dolch gegen sich selbst gezückt, da hatte eine dunkle V, ahnung kommenden Elends ihre Hand geführt . . scha sic war zu schwach gewesen und zu nahe die thöri gutmlltbigc Hilfe. Und jetzt . . konnte sie nicht wic> zum Dolche greifen? Das Elend, das sic dann geahitt, war ja jetzt über sic hcreingcbrocheu und man wü: ihre That jetzt begreiflich finden, auch ihre Freundin Bcrl am Zeller See, die sie so gescholten wegen des grundlo Selbstmordversuchs. Und doch sie zögerte ... was war denn jetzt andl geworden? Tamalö war ihr die Weit nichtö gewesen k eine zusamincnaelräumte Komödie mit wcrthloser Stalislc und wcrthloser Dccoration; jetzt fühlte sie an ihrem wärmei Herzschlag, daß aus den zerfließenden Traumgestalten e bcrvorgetrelen,vo»Flcisch und Blut, von wahrhaftig berausch dem Lebe» und daß eine Hoffnung, ein Verlangen, eine Leid ^ an das Dasein fesselten. Sie vergaß fast den Si des 4.bcatcrabcntö ... in der Mittcrnachtstundc, da wo sie ihn begraben; La kam der Zauberer, der die Gespenster die Grusl scheucht. Sie sühlte auf einmal sich selbst, ihr Leben, ihre Sch beit und den köstliche» Besitz, den ibr die Natur milgeqcb Sie trat vor den Spiegel, die Lampe in der Hand . .. reitendes Antlitz sah ihr entgegen; doch zu grell fiel das L ans ihre Zuge und wie unschön war cS. sich selbst so ^ buchten. Sie stellte die Lampe auf den Tisch und bald raffelte die Ampel herunter ... sie entzündete sab sie sich wie von rosigem Schein v klart .. . keine aufdringliche Selbstbelcuchtung ... von o> herab kam die milde Verklärung. Si« warf da» Klnd daS sie am Tage getragen und schlüpfte in ein bunte« Schlaf- gcwand, doch nicht rasch genug, um nicht selbst ihre zierliche Gestalt zu scheu ... und sie löste das Gclock und die Gold- slulh wallte hernieder auf den zarten Marmor von Nacken und Brust und so stand sie vor dem Spiegel, in das An scheinen dcö eigenen Bildes verloren. Das war nicht Eitelkeit alltäglicher Art; es war über fie gekommen wie eine Offen barung; in der eigenen Schönheit ging ibr des Lebens Herrlichkeit auf und alle seine lockenden Wunder und daö verkannte Recht auf Freude und Genuß ... und an dem Abend, an dem die Künstlerin starb, wurde Las Weib geboren. Ein unbekannter Verehrer batte ihr zwei Flaschen süßen Weins geschickt ... sie nahm eine derselben aus dem Eck- schraiik, goß sich ein GlaS voll und leerte dasselbe auf einen Zug. Noch klopfte der Regen an die Scheiben, noch rüttelte der Sturm an den Fenstern; doch um so heimlicher war'- im Gemach beim Ampellicht und beim goldschimmernden Trunk im Pokal. Der Lärm im Theater versank wie ein wüster Traum hinter ihr und für die eine entblätterte Rvse ihre« Künstler- ruhmS brachen hundert verheißungsvolle Knospen derLicbe auf. Tie Zeit verging; durch das Rauschen des Sturms körte sie die alte Tomuhr mit mühsam sich turchringenden Tönen Mitternacht schlagen. Nun lauschte sie hinaus mit erneuter Angst, ob sie einen Schritt im Garten höre. Und batte nicht eben der Niegel deS PfLrtchcnö geklirrt? Es war ein banges Zagen, gemischt mit süßem Schauer, womit sie lauschte — doch sie vermochte trotz ange strengten Hinhorchens nichts zu unterscheiden; zu lärmend war draußen das Treiben des Sturmes, welcher Töne und Mißiöne durchcinandcrwirbelte und blindlings und meist in das Saitenspiel der Natur hineintappte. Und doch . - . jetzt, während er Athen, holte, ... die Schritte kamen naher; leise drehte sich der Schlüssel im Hausth r, leise huschle eS durch den Vorflur; leise klopfte eS a» die Scheiben der Eiitrvethür. Ihr warS zu Muthe, als klopfte ihr Ver- bängniß an; sie mußte sich einen Augenblick sammeln, Athen; schöpfen, Muth fassen. Tann flog sie hinaus und öffnete. (Fortsetzung solgv)
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview