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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.02.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-02-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940214024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894021402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894021402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-02
- Tag1894-02-14
- Monat1894-02
- Jahr1894
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*120 »«kl, r'attDittakorstelle za ükMtrhmen. Man glastbt an Rnshrdung der Verfassung und das seit einigen Tagen erst erscheinende Blatt „Rotoljub" (der Patriot), taS die Ansichten der Hoskreise wiedergiebt, schreibt: „Serb>en befindet sich in einer schicksalsschweren ÄrisiS. Es ist sidersättigl von Versassuugen, Ministerien, Programme» und ElubS. Jetzt braucht e« einen einzigen Mann, einen Mann, der eS rettet". Für diese» Mann scheint »ich Milan zu ballen, und er wirbt Bundesgenossen, stößt aber aus ungeahnte Schwierigkeiten. So erregt eS bei den liberalen, die der Regierung in bestimmtester Weise ihre nickhaltlose Unterstützung zugesaa« batten, jetzt Anstoß, daß die Regierung sich mehr ans Oesterreich-Ungarn, zu dem die liberale Partei doch sonst immer lunneigtc, stüven zu wollen scheint, unk ihr Organ, die „Srpska Zastava", sagt, die Liberalen tonnten niemals den Eirenenslimmen folgen, die Serbien io den Dreibund locken wolle»; är würden vielmehr an jener Politik sestbatten (?), die Stütze und Schutz bei Rußland sucht." Run ist eS mehr als lächerlich, wenn man glaubt, .der Dreibund als solcher würde je um Serbien werben, aber für die inneren serbischen Verhältnisse kann ein solches Schlagwort auSzenützt werden, und bei der offenen Parteinahme Rußlands sür die Xadicalen und der Feindschaft gegen Milan ist die Absage der Liberalen nicht zu unterschätzen, die bei den Ge- mrindewahlen vielsach sür die radicalen Kandidaten chre Stimmen abgegeben baden Allen Nachrichten zufolge ist die radikale Partei nicht im Rückgang begriffen, und sie wird stark genug sein, um die Resormpläne der Regierung E vereiteln. Damit aber zwingt sie dieselbe geradezu zum Staatsstreich. — Ueber den famosen angeblichen Brief, in welchem dieKönigin-Mutler den jungen König flehentlich gebeten haben soll, der „verderblichen" Politik seines BaterS nicht zu folgen, schweigt die serbische Presse bis jetzt voll ständig. Zweifellos wartet man aus ein ossiciellcS Dementi, da» sonderbarer Weise noch nicht erfolgt ist Deutsches Reich. * Leipzig, 14. Februar. Die Erkrankung Sr. Majestät mrsere» allverehrten Königs, in der nach den letzten Rach richten eine erfreuliche Wendung zum Besseren eingetreten ist, erregt im ganzen Deutschen Reiche die innigste Theilnabme, die sich in der Presse aller reichStreuen Parteien kundgiebt. Au» der Reihe solcher Kundgebungen, die uns heute vorliegen, sei nur die folgende bervorgehobcn, die wir in einer Berliner Eorrespondenz der „Elberselder Zeitung" finden: „Die sehr ernftbaste neuerliche Erkrankung teS demnächst 80 jährigen Königs von Sachsen Kat den Gedanken darüber Hervor rufen müssen, welch ein Brrlust eben jetzt sein Dahingang nicht nur sür den dritten deutschen Bundesstaat gewesen wäre. Auch in den traurigen Zeilen zwischen dem 17. März 1890 und dem diesjährigen 26. Januar hat Köniz Albert, unbeschadet der von dem Fürsten Bismarck oft anerkannten fortdauernd gnädigen Gesinnung für den ersten deutschen Reichskanzler, stet« z» den einflußreichsten deutschen Landesherren mit Bezug aus die Reichspolitik gehört und, wie die« Kaiser Wilhelm kl. einmal in einem Dresdener Toaste mitgetheilt hat, beruhte der lebhafte Anthcil des Sachsen königSan den hiesigcnBerhältnisscn gewissermaßen auf cineui p c r sönlichen Vermächtnisse weiland Kaiser Friedrich'-, der im Vorgesüble der ihm nicht bcschicdenen langen Lebens dauer dem berühmten FeldzugSgenosfen von >870/71 die Be- rathung seine« jugendlichen Sohnes an daS Herz gelegt batte König Albert bat allezeit die Wabrnebniung seiner landeS- herrlichen Stellung mit der Pflege der allgemeinen Reicks rnteressrn zu vereinbaren verstanden. Andererseits ist dieser begabte und einflußreiche Landesherr deshalb freilich nicht etwa „unitarisch" gesinnt; man erinnert sich der ungewöhnlich deutlichcn Dresdner Verwahrung gegen den vermeintlichen Plan direkter ReichSsteuern." 6 8. Berlin» > 0. Februar. Da« neue Tynamitattentat in Pari» bildet natürlich heute taS Tagesgespräch. Die Stel lung der deutschen Regierung zu der Frage eine« gemeinsamen internationalen Vorgehens gegen die Anarchisten und verschärfter Gesetze gegen die- selben dürfte auch durch die neue SchrcckenStbat im TerminuS- Hotel zu Pari- im Allgemeinen nicht geändert werden. Ter Reichskanzler» Gras Eaprivi, hält nach wie vor daran fest, daß die bestehrnden Gesetze, wenn sie richtig ungewandt werden, genügend Handhaben bieten, um den verbrecherischen Revolutiouairen gebührend cntgegeu- treten zu können. ES ist zweifellos ein cigentbümlicheS Zusammentreffen, daß wenige Tage später, nachdem die hiesigen Anarchisten sich.in Lobeserhebungen über Vaillant erschöpft und unverblümt angekündigt batten, daß ibm Rächer ent stehen wurden, der „Genosse" Le Breton die Dynamitbombe warf, ebenso wie etliche Stunden nach den seiner Zeit viel bemerkten und besprochenen anarchistischen Aeußerungcn: „In brr ganzen Welt knattert und knittert es, eS ist eine Mt, zu leben" — Vaillant seine Thal aussübrte. Die Be ziehungen , welche zwischen den Anarchisten bestanden, sind m der letzten Zeit enger und inniger geworden, «Anarchistische Emissaire durchziehen unausgesetzt die Welt, henke hier und morgen dort ihr» Brandreden hallend; auch in Berlin baben sich fremde Anarchisten vorübergehend aus- gehalten. Wird der geplante anarchistische EratralfondS in Zürich erst gegründet sein, dann dürsten die anarchistischen Hetzredner noch mehr in Bewegung tommen. Berlin bat ja anarchistische Agitatoren bereit- nach allen Gegenden unseres deutschen Vaterlandes entsendet, und wenn sie auch in den Rheinlanden, im Königreiche Sachsen, Hamburg, Frankfurt a. M-, Magdeburg FiaSco machten, etliche Anhänger warben sie dock, und stark in» Kraul ist die anarchistische Bewegung geschossen. Die französischen Anarchisten haben die Deutschen mit Gelt unterstützt und umgckcdrt. Da» hiesige Anrrchistenblatt wird zwar säst regelmäßig ecnsiScirt, aber 3—4000 Epemvlare sind deck immer verbreitet. Angesicht« diese- neuen Atten tat« wird eS zweifellos zu einer genaueren Ueberwachnng der anarchistischen Hauplhetzer kommen, wenngleich, wie schon bemerkt, internationale Maßnahmen nicht in Aogriff ge nommen werden. * Berlin, Ui. Februar. Aus dem Gebiete der preußischen Volksschule soll Alle« beim Allen bleiben. Nicht einmal die Ausbesserung des Mindestgehaltes von 5.40 aus 850 Mark ist in Aussicht genommen. Von einem „mit den maß gebenden .Kreisen Fühlung unterhaltenden Eorrespondenten" wird nämlich der„Schles. Ztg." gesckriebcn: „Daß derEultns- minister nach wie vor sein vollste« Interesse der Ausbesserung rer VolkSschulvcrhältinfse überhaupt und der Ausbesserung der Polt-schullehrergehältcr im Besonderen zuwendet, ist Thal- fache. Die AuSsübrung einer Absicht wie der vorstehend an gedeuteten würde indessen zweierlei zur Voraussetzung haben muffen, wovon bi« jetzt keine Rede sein lann: einmal die Entwickelung der Partciverhältuisse dahin, daß eS möglich wäre, rin 'Volks, ckulge setz zu Stande zu bringen, in dem die Ueberwindung der bekannten leidigen Gegensätze gelingen würde, und dann die gründliche Ausbesserung der Finanzlage de« Staates in Folge der Weilersllhrung der Steuerreform im Reich. So lange diese Bedingungen sehlen, bleibt dem EultuSminister nicht Wohl etwa« Anderes übrig, als aus dem Ver waltungswege qradatim da Ausbesserungen vorzunebmen, wo es ani nothwendigsten ist. Von welchem Erfolge seine Bemühungen nach dieser Richtung begleitet sein werden, hängt wesentlich mit von der LeistunzSsäbizkeit der Gemeinden ab. Während im Westen der Monarchie schon bisher mit Hilfe der Gemeinden Resultate erzielt worden sind, die als befriedigend angesehen werden können, erscheint die Leistungs fähigkeit dieser, namentlich in der Provinz Pommern, noch so unzulänglich, daß kort noch Schulverhältnisse bestehen, wir sie gleich schlimm selbst nicht in West- und Ostpreußen angetroffen werden." (T. unten. Red.) — Der Kaiser bat auf die Einladung, dem im August in Halle slattsindcnden Universität» Jubiläum bei zuwohnen, eine zusagende Antwort sür den Fall gegeben, daß leine Zeiteinlheilnng im Monat August die persönliche An wesenheit gestaltet. Im anderen Falle wird er sich bei dem Feste vertreten lassen. — Die Biidgetcommission de- Abgeordneten hauses bat den EnltuSetat bis aus das Eapitel „Univer sitäten" erledigt. In der Berathung wurde sowohl vom Finanz minister als auch von säst allen EommijsionSmitglicdern er klärt, daß der jetzige Zustand in Bezug ans die Zuschüsse des Staates zu den Schullastcn unleidlich sei und dringend der Reform bedürfe. Andererseits wurde betont, daß eine solche Reform ohne Schaffung eines allgemeinen Schul gesetze« nicht ausführbar sei. — Mit dieser Woche haben in, kaiserlichen Statistischen Amt die Sitzungen der Sachvcrständigen-Eommission sür die HandclSwerthc begonnen, deren Ausgabe die Feststellung der EinheitSwerthe der ein- und auSgcfübrtcn Maaren, jetzt für daS Jahr 1898, ist. In der Eommission sind 58 hervorragende Kauflcntc und Industrielle Ihätig, deren Arbeit vom kaiserlichen statistischen Amt durch Samm lung mannigfacher Informationen über die PreiSverbältnisse de« abgelausenen Jahre« vorbereitet ist. Tie Eommission ist in sieben Gruppen gcthcilt, die nach einander lagen, so daß die Sitzungen bis gegen Mitte März dauern. — Im Gegensätze zu einer hier und da in der Presse laut gewordenen Auffassung schreibt die „Köln. Ztg." an scheinend inspirirt: Der neue Gesetzentwurf über den Kali bergbau bezwecke weder die Verstaatlichung oder Moao- polisirnng drö Kalibergbaues, nock eine Bertheucrunz der Kalisalze, sondern lediglich die Verhinderung einer Ver- schlcuverung dieser unersetzlichen, der Landwirtbschast sehr nothwendigen Mineralien au das Ausland. — Der bayerische Ministerpräsident Frhr. v. ErailS- hcim ist hier cingrtroffcn. — Der bisherige württembergische Gesandte v. Moser wird, wie nach der „N. Pr. Ztg." in diplomatischen Kreisen verlautet, Ende Februar sein AbberusiingSschreiben über reichen. Tie Neubesetzung des Postens dürste nicht vor April erfolgen. — In der Eommission des Abgeordnetenhauses zur Be- rathung des Gesetzentwurfs über die LandwirthschastS- kammer» ist die «ationalliberale Fraktion durch die Abgg. v. Eyarn», vom Herde, Heye, Weßling, Ottens und Serr vertreten. Borsitzender ist der konservative Ahz. v. Kröcher. — Ter Generattieuleuant und Lomnian-eur der 36. Division v. Heister und der ttzeaeralmajor und Adtdeilinigschef vom Rebe», »tat de« großen «Senerolstabc«, Freiherr o. Klayt, sind t» Ge- netimignug ihrer Abschiedsgesuche znr Disposition gestellt. — Gras v. Kleist.Tchmruztn ist für den Londschastrbejirk Herzogthum Sassuben tn da« Herrenhaus aus Lebenszeit berufe» worden. Gras Meist grhSrt zu den Gesinnungsgenossen des Herr» von Helldorss. — Der Geh. Mediciaalrach Professor vr. ». Esmarch hat sich nach Kiel zurückbegeden. — Der Kaiser hat Herrn Otto EHIerS durch Uebersendung seine- Portrait» mit eigenhändiger Widmung ausgezeichnet. — Wegen MajestätSbrleidiguug hatten sich heute die Brüder Schuhmacher Eduard Ianzen und Arbeiter August Ianzen vor der vierten Strafkammer am Land gericht I zu verantworten. Ter Staatsanwalt beantragte Ausschluß der Oeffentlichkeit, aber da- Gericht lehnte diezcn Antrag mit folgender Begündung ab: Da- Gesetz gestatte de» Ausschluß der Oeffentlichkeit nur dann, wenn durch dir öffentliche Verhandlung die Sicherheit des Staate« und der öffentlichen Sittlichkeit gefährdet werde. Beide« sei im vor liegenden Falle nicht zutreffend. DaS Unheil lautete gegen beide Angeklagten auf ze 3 Monate Gesängniß. * KiinigSder», 13. Februar. Die ostdeutscher» SchifsS» eigner haben an de» Reichstag eine Eingabe za Gunsten drS deutsch-rosstscheu HandlsvertragrS gerichtet. " An» de« Wahlkreis Friedrders-ArnSloalde, 12. Februar. Wie der „N.-Z." ein Berichirrstauer meldet, wird der Geh. Re- gieruugsrath und Landralh de» Kreises Ariedederg, von Born, stedt, nicht wieder alt Mitglied des brandeaburgischen Pro- viazial-Landtages nach Berlin kommen. An seiner Stell» entsendet »ämltch der Kreis den Kammerherrn Paul von Brandt» Lauchstädt. Der Proviuzial.Landtag hatte bekanntlich rin« Reihe von Jahren hindurch den Geh. Rath v. Barnstedt zu seinem ersten Borjttzendei» gewählt. " Minden, 12. Februar. Die hiesige Handelskammer hat sich mit Entschiedenheit sür den deutsch.russischen Handel«» vertrag erklärt. * Pom Rhein, 12. Februar. Don großem Interesse ist die Stellung, welche ein hervorragender Vertreter der rheinischen Landwirthschaft auf dem FrankfurterHaodrlS- tag gegenüber dem deutsch-russischen Handelsvertrag genommen bat. Orkonomierald Her statt au» MarStors bei Köln, der sich als „ehrlicher, braver Landwind" verstellte, führte in seiner Rede aus, daß die Landwirtbschast im Westen dem „Bund der Landwirthe" im großen Ganzen nicht sym pathisch gegcnüderstehe und wie in andern Dingen, so auch in Sachen dieses Handelsvertrages sich vom Osten unter scheide. „In der Rhcinprovinz ist man dessen stets ein gedenk, daß eine Hand die andere wäscht, und wünscht, daß Industrie und Landwirtbschast Hand in Hand gehen. Deshalb tzal sich auch der Rkeinpreußische landwirlhschaftlichr Verein mit seinen 22 000 Mitgliedern sür den deutsch- russischen Handelsvertrag ausgesprochen. Nicht alle Land- wirlhc eben wellen Agrarier heißen; in der Rhrinprovinz Hallen wir Grundbesitzer enge Fühlung mit den kleinen Lenlcii durch das GcnossenschaflSwcscn und dergleichen Ein richtungen; wir rheinischen Landwirthe stimmen demnach mit der deutigcu Frankfurter Resolution völlig überein." Die Kundgebung ist um so bemcrtcnSwcrther, als sie von dem langjährigen Vorsitzenden der Sectio» Köln, von dem in weiteste» Kreisen der Rbeinprovinz wohlbekannten Gutsbesitzer aus MarSdors, tinem gelernten Landwirth, auSgeht. " Wiesbaden, 18. Februar. In der heutige» Plenarsitzung der HandelSkaiumer gab Prasideat Köpp der Hofsnuiig Ausdruck, daß der deutsch-rusiische Haabesvertrag nunmehr im Interesse des Friedens und der Wohlfahrt de- BalerlaodeS genehmigt werde. * Darmftadt, 13. Februar. Das Oberconsistorium veröffentlicht eine Erklärung gegenüber den (im »Jeipz. Tagebl." mitgelbeilten. Red.) Auslassungen de« Mainzer bischöflichen Ordinariats in Betreff des SynodalbeschlusscS gegen die Wiederzulassung des Jesuitenordens. Der Beschluß sei weder eine Einmischung in die innersten An gelegenheiten der katholischen Kirche, noch rin Uebergriff nnd eine Friedensstörung. DaS Oberconsistorium nnd die Landes» synore nähmen das Recht in Anspruch, in der Angelegenheit die Regierung und den Großherzog anzurufrn. * Karlsruhe, 18. Februar. In der zweiten Kammer er klärte heute die Regierung, daß dieZulassung der Mönchs orden aus Grund des Verein-gesetzeS völlig aus geschlossen sei. * München, 18. Februar. Tie Kammer der Abgeord neten genehmigte in ihrer heutigen Sitzung nach lebhafter Debatte die Gesammleinnahmc deS PostelatS, die mit 24 450 870 .6 adschlicßt. Im Lause der Bcrathung erklärte der Ministerpräsident Freiherr von Crailsheim die Herab setzung der Telephongebühr sür unthunlich. versprechen, reinen Mund zn halten. Wird geschwatzt, so Laden wir bald die Polizei auf den Fersen, und dann ist'S mik dem Vergnügen au»/ „Ich gelobe, ich verspreche", ries Herr von Bütbow und hob feierlich die Hand zum Himmel. Er war ein überschlankcr, blonder, ganz ansehnlicher junger Man», doch mit etwa« unruhigen GesicktSzügen, einem blonden Lipprnbart, einer etwa« aufstrebenden Nase, einer ziemlich harten, unbicgsamcn, lauten Stimme. Er nannte ein große- Gut sein eigen und galt für unermeßlich reich. „Apropos", bemerkte plötzlich Millwosch gezierten Tone», da« Taschentuch vor seinem erhitzten Gesicht schwenkend, er berührte niemals weder mit Hand noch Tuch seine Marmorstira und seine srischrothen Backen, „wir wäre e-, meine Herren, wenn wir Hochstedt bitten, die bisherigen Statuten dahin zu ändern, daß eS erlaubt wäre, zukünftig auch einige — einige wenige Frauen in unser Gebeimniß cinzuweihrn und gelegent lich rinzuladen. Da» würde diesen reizenden Zusammenkünsten noch einen höheren, einen ganz pikanten Reiz verleiben." E« erhob sick nach diesen Worten, die wie zündende Funken in die Unterhaltung sielen, eine allgemeine Bewegung. Zuerst wurde der Vorschlag verworfen. Nur keine Frauen mit Geheimnissen betrauen, hieß eS, die Frauen aus dem Spiele taffen, Frauen können nicht schweigen — nur keine Nciierungen, keine Veränderungen — warum nicht, meinten wiederum Andere, gerate der Wechsel macht die Zusammcnkünsle nur noch interessanter. Tie charmante Fra» de» Schauspielcr« Haßrnann, der manchen Abend im KioSk so überaus heiter gestaltete und durch seine komischen Vorträge, EouplekS und witzigen Einfälle, die war doch schon eingewcih! und ganz verschwiegen geblieben, unk Ottilie Nolta. die Arme, hatte das Grheimniß mit in'« Grab genommen, und die schöne Frau de« Sängers Bcrthold, der hier zur Zither seine schwermülbigen Weisen gesungen, sie alle wußten davon, ohne geplaudert zu baden. Wenn man sie auch rinlud, dann und wann einmal, und wenn diese liebenswürdigen Frauen die eine und andere liebenswürdige Genossin mitbrächten, eine reizende Idee — eine Idee, die längst schon bätte erwogen werden sollen — der Millwosch war doch ei» Sapperlot, ei» Schwerenölber Abgemacht also, die Frauen dürfen milgebracht werden, eiu- geladen an auSgewäblt guten Tagen, oder vielmehr Abenden, Rechten, in denen Sterne leuchteten — e» konnten Vorkehrungen »troffen werden, den Weg zum Felsen deauemer zu macken lioloffer verstand ja All»« — wa« sagte denn Kolosser dazu. War e« möglich zu machen? Alle» war sür den möglich zu machen. Aber die Frauen, ob sic kommen würden? — mit ihren Männern, zweifellos. Und damit schloß die Berathnng. Man zechte, spielte, sang und plauderte noch stundenlang. Erst um die vritte Stunde des angebrochenen Morgen» wurden die längst am Walkrande harrenden Pferde bestiegen. Eolosser aber ver blieb bis zum TageSgrancn im KioSk. Er batte kort erst noch Alles wcgzuräunicn und zu ordnen. 14. Eapitel. Ellida Silström hielt die mit Bangen erwartete Antwort de- Intendanten v. Hochstedt in den Händen. In welcher Stimmung der Absender dieselbe geschrieben, da- kennzeichnete genugsam der Lapidarstil, in dem daS Schreiben gehalten war. Sie batte eS gänzlich mit ihm verdorben» dessen war sie sich bewußt. Und auck Zindorf'S Verstimmung machte sich in seinem gänzlich veränderten, fast feindseligen Benehmen be merkbar. Nun lamcn nur noch, kackte Ellida resignirt, der Eapeltmeister und der Kritiker in Frage: wandten sick auch diese feindselig von ibr ab, so war sie gerichtet. Tie Murre und die freundliche Tänzerin batten Recht, man mußte den Nacken beugen, bcuckeln und schmeicheln, wollte man zum Ruhme gelangen. Sic legte sich wobl hundert Mal die Frage vor, warum man in der Welt überall so viel Mißtrauen begegne, warum der Lüge so leicht, der Wahrheit so selten Glauben geschenkt wurde, warum jene so viel weiter tam als dirse. Aber ebenso osl sagte sie sich auch, daß sie jede Nieder läge lieber dulden, als der 'Wahrheit ungetreu werden, und daß sic gern und mit Frendcn dieser Bühne den Rucken wenden wolle, wenn sie nicht ander- daraus jestcn Fuß fassen könne als mit der Verleugnung aller weibliche» Tugenden. Ellida Silström war in guten Vorsätzen noch eine Heldin, unaeschwächl fühlte sic ibrrn aus das Gute gerichteten Willen, eisern ihre Kraft, auSzu- siibren, was ihr dieser eingab Sie konnte nickt wissen, daß diese, Kraft unk Willr, im Dienste der Verhältnisse stehen, denn ihre LebenSersabrungen waren dürftig unk noch sehr jung. Der kurz gehaltene Brief de- Intendanten ärgerte, schmerzte »nk — enttäuschte sie, aber am selbigen Abend noch dankte sie dem Himmel, daß der Zufall — nein, daß die göttlickc Fügung die Sacke so und nicht ander« gestaltet, daß ihr die nackzesiickt: Entlassung verweigert worden war. Ein Schreiben au- Steckbolrn langte an von der alten Murre Wctck' ein Brief, welche Nachrichten! Erst verstand sie nickt den Sinn der kauverwälschrn Sprache; kenn di« Murre schrieb, wie sie im täglichen Leben redete, Alle« durch einander. Es war von Geld die Rede und nur von Geld. Ellida begriff rrst allmählich, nachdem sie da» Schreiben wiederholt durchgelesen, durchgeblätlert hatte, um wa« r« sich bandelte Die alte Murre konnte nicht berübcrkommen, sie besaß kein Geld, keinen Pfennig. Man batte ihre Sacken sogar gepfändet, man batte den ganzen Haushalt der alten Schauspielerin Silström, Alle-, was nicht nietb- und nagel fest war, gepfändet, und damit waren die Gläubiger noch nicht einmal abgcsuntcn. Tie alte, kränklich gewordene Frau Silström hatte Schulden gemacht im lebten Jahre. Murre selbst hatte nickt gewußt, in welchem Maße, wohl, daß eS zuletzt sehr knapp herging und daß der alten Frau Silström viel, ja Alle» daran lag, die geliebte Ellida von ihren Ver wandten anerkannt und liebevoll ausgenommen Zusehen,denn dir ihr seinerzeit von den Bracht scheu schnell nach einander verstorbenen Eheleuten eingehändigten Gelder zur Unterkunst und Erziehung de« schon im 5. Lebensjahr verwaisten Kinde», diese Gelder waren längst verbraucht, aufgezebrt und zuletzt durch eigene Mittel ergänzt worden. Eine Anzahl Fauiilien- vapiere deS verstorbenen Herrn v. Bracht, Briefschaften und Ellita'S Tausschein, welcher bestätigte, daß sie die Tochter Dicdrich v. Bracht - war, da» Alle« — schrieb die Murre — befände sick bei ihr in sicherer Obhut. Sonst aber käme sie mit leeren Händen, könne nicht eher reisen, als bi« da« Fristen, ibr Schäfchen, ihr Ocisklinz, ihre lilla Tockerdocka, ihr da« nölhigc Reisegeld gesandt bade. Ellida saß sprachlos da Sie dachte vorerst nicht daran, wa» sie zu tbun und zu lasten bade, sondern schweifte mit ihren Gedanken im Fluge in die Vergangenheit zurück zu der geliebten, so mir Sorge umsponnenen Pflegemutter. Welch' ein Karte«, entbehrungsreiches Iabr mußte sie zuletzt verlebt haben, da sie sich batte entschließen können, sie, Ellida von Bracht, so hieß sie also, nach Deutschland zu derjenigen Familie z» senden, dir ihren Vater au-gestoßen hatte. Schreck lich, daß sie eS nicht gewußt, daß sie diesen gutgemeinten Plan auSgrfüdrt, Fürbitte für sich selbst eingelegt und dabei die Meinung gehabt batte, r« beträfe eine andere, eine dritte Person. Ede noch der letzte testamentarische Brief ihrer Pflegemutter in ihren Händen lag, begriff sie schon den trost losen Zusammenhang, alle die Rätbsel ihrer Kindheit, all' den verschwiegenen Gram der alten Frau Silström, di« nur für sie gelrdt und gedarbt hatte, den Schreck, den ihr die Nachricht cingeflößt baben mußte, daß sie, Ellida Silström, nein, Ellida von Bracht, Tänzerin geworden» »d begriff nun Oefterreich.U«gar«. * Wieu, l8. Februar In dem uiederöstrrrtichische» Landtage wurde da« Landesgesetz, betreffend da« Anlehen der Stadt Wien im Betrage von 4 Millionen Gulden, nach längerer Debatte angenommen. Die Abgeordneten Lueger, Schneider und Gregorig wurden im Laufe der Sitzung wegen heftiger Angriffe auf die Finanz wirthschaft der Commune Wieu zur Ordnung gerufen. ^ Li»;, 13. Februar. Der Landtag nahm mit 32 gegen l-5 Stimmen nach längerer Berathnng, bei welcher Bischof Doppelbauer wiederholt da« Wort ergriff, den Antrag deS TchulanSschuffcS an, der dahin geht, der Landtag möge dem Verlangen der Bevölkerung Oberösterreichs nach Wieder herstetlung der c»nfessionelleo Volksschule Aus druck verleihen. * Pra«. t3. Februar. Landtag. Bei der Eröffn»»-, der Budget-Debatte entwickelte Sil daS Programm der Jung-Tschechen und griff den böhmischen Adel heftig an. Ringer bemerkte, e« dürfte eine Zeit kommen, in welcher die Iung-Tschcchen den Widerstand gegen die Wiener AuSgleichs-Punctationcn bitter bereuen würden, und betonte, da« CoalitionScabinet sei nicht an die Punctationen gebunden, eine Verständigung mit den Deutschen aus der Basis der Gleichberechtigung sei möglich, der kernhafte deutsche Stamm in Böhmen habe ans allen Eulturgebieten Be deutendes geleistet. Die Tschechen müßten darnach trachten, den denlschen VolkSstamm durchPir Sicherung der natio na len Stellung sür die Bestrebungen de« böhmischen Volkes zu gewinnen, der Großgrundbesitz habe die Mission de« Friedensstifter-, da« allgemeine Wahl recht sei schädlich und undurchführbar. Tak tschechische Volk habe keine Hoffnung, keine Zukunft ohne Oesterreich, auf anderweitige Eomplicationen könnten die Tschechen sich nicht verlassen, die geographische Lage knüpfe dieselben fest an Oesterreich. „Wir brauchen die Dynastie und die Dynastie braucht unS, wir werden uuS wechselseitig immer finden. Als alter Mann vor dem Grabe stehend, ratbc ick meiner Nation, ihr Schicksal nur rechtschaffenen und vernünftigen Leuten anzuvertrauen, die mit dem Adel und dem Klerus gemeinsam den Frieden mit den Deutschen suchen." Gras Bugnoy bemerkte, die Leichtgläubig keil und die leichte Erregbarkeit de« tschechischen Volles bildeten von Alter- her die Schwäche, welche ibr unheilvolles Spiel mit diesem tüchtigen Volke getrieben habe. Die jung- tschechische Schwärmerei sür da« allgemeine Wahlrecht be zwecke, den Slawen die Majorität zu verschaffen. Den Nutze» hiervon bade aber keine nationale, sondern eine int er nationale Partei, nämlich die besitzlosen Elaffen, welche einer jeden llmsturzitre zugänglich seien. Die neue Wahl ordnung müsse das Princip der Interessen - Ver tretung wahren und verhüten, daß der Bürger- und der Bauernstand zu Gunstcn der Besitzlosen unterdrückt werden. Die neue Wahlordnung sei aus der Basis alle, Bcrussclassen durchzusübren unter Berücksichtigung der Ver schiedeoheit der beiten Länder. Ter Redner sprach sich so dann für den Zusammenschluß der Deutsche» und Tschechen gegenüber den llmsturzelemcnten ans. Tie Religion muffe vor Allem erhalten werden. Tie Gesellschaft »liiffe trachten, die Unzufriedenen soweit als möglich zu be friedigen, sie sei aber verpflichtet, der Gewalt mit Gewalt zu begegnen. In« Kampf gegen die Feinde der besteheuden Gesellschaftsordnung bilde neben dem Parlamente auch jener Factor eine mächtige Stütze, zn welchem alle Völker Oester reichS vertrauensvoll emporblicken. Man muffe daher Alles vermeiden, wodurch die Treue gegen die Dynastie ver letzt würde. (Stürmischer Beifall.) Darauf wurde die Sitzung geschlossen. * Reichender« 1. v.. l3. Februar. Eine Versammlung der streikenden Arbeiter der Teppickfabrik Ginrky in MafferSdors kielt dir Forderung der Wirderanuabme de, entlassenen Arbeiter aufrecht. Da die Leiter der Fabrik keine Eoncessiouen machen, dauert der Ausstand fort; jedoch arbeiteten heule Nachmittag 450 von den 1200 Arbeitern der Fabrik. Die Erregung unter den Streikende» ist im Wachsen begriffen: Ruhestörungen sind nickt vorzekommen * Pest, 18. Februar. Der bischöfliche Bicar Eselka dementirt die Meldung der Zeitungen, daß aus seinen Befehl gegen die liberalen Katholiken Ungarn- nach dem Canon des Tridentiner Eoncils voraegangen wrrden soll. Einen selchen Befehl könne nur der ZürsiprimaS ertheilen. Frankreich. *' Pari«, 13. Februar. Der Attentäter Breton ver weigert noch immer jede AnSkunst. Aus die Frage des Polizeipräfecten, wo er wohne, antwortete er: „Ueberall und nirgend»". Aus die Frage, weshalb er den Anschlag im Cas6 Termin»« verübte, erwiderte er: „Ich habe Ihne» nur zu sagen, daß Sie in nächster Zeit mehr al» einen Dynamitauschlag erleben wrrden." Die Frage, ob er Mit schuldige habe, wobei ihm zugleich eine erhebliche Strafmindernng versprochen wurde, ließ der Verhaftete unbeantwortet. Breton verspottete den Polizeicommiffar Aragon und lachte den Polizeipräfecten Lepine, als dieser ihm die Guillotine auch di« Folgen diese« Schritte«. Nicht, daß sie diesen bereute, sie dachte zu hoch von jeder ernst erlernten, ernst ausgesaßten Kunst, um daS zu können, aber das sah sie doch ein, daß ihr dadurch allein schon jede Gemeinschaft mit dieser Familie ver loren gegangen war. Danach, als sich ihr Gemütb etwa- beruhigt, begann sie zu überlegen, was als Erstes zu tbun sei. Sie trocknete ihre Thränen, setzte sich an ihren Schreibtisch, der in einem nach dem Garten hinaus gebeuten Zimmer am Fenster stank, und überzählte ihre noch ziemlich reicke Baarsckast. Freigebig, fast verschwenderisch batte sick die alte Frau ihr gegenüber immer gezeigt, sie auch mit reichlichen Geldern aus der Reise ver sehen, nun mußten diese wieder den Weg nach Schweden zurückwantcrn. Einen kleinen Tbeil nur behielt Ellida für sick, in der Gewißheit, bald ihre erste Gage zu erkalten, und schloß dann die übrigen Werthpapiere in den Brief an die Murre ein, diese bittend, ungesäumt zu ihr, die so sehnend die Arme nach ihr a»Sbreste, zurückzukebren. Es gewährte ihr ein süßschmerzlickeS Gefühl, fortan, statt für sich sorgen zu lassen, nun sür Andere zu sorgen, und wenn es auch nur für die alte Murre war, daS einzige Bermächtniß, da« ihr die arme Schauspielerin hinterlassen hatte. Al« sie den Brief zur Post besorgt und der Abend beranrücktc, hüllte sie sich in ein Tuch und schritt, wie so häufig, im dunklen Garten die Wege auf und ab. Sie dachte an die jetzt so nothwendig gewordene Befestigung ihrer Stellung und somit wiederum des Brieses vom Intendanten, testen Gunst sie so schnell, wenn auch ohne Schuld, verscherzt hatte, und glaubte zu träumen, als mitten in diesen lebhaften Gedanken hinein in kurzer Entfernung seine Gestalt vor ibr aufzutauchen schien. Es war ja unmöglich, es konnte nicht sein. Sie blieb wie gebannt vor einem Tannengebüsch sieben uud blickte scharf hinüber. Er kam mit seinen schnellen, elastischen Schritten daher, an- dem Vorgarten, bog um die Hausecke und hemmte plötzlich den Schritt, al« er an wrem niedrig gelegenen Zimmer vorbei kam. Kannte er in diesem Hause denn Jemand? Es mußte wohl sein. Nach Augenblicken schritt er weiter, bog wie einer, der hier genau Bescheid wußte, in den Laubgaag. und sie körte, wie er diesen mit schnellen, starken Schritten zurücklegtr und dann in dem Hänschen de» Grlehitra ver- lck oand. Der Professor war ihm also nicht fremd. Welch' wunderbarer Zufall! Ellira nahm ihren Gaog wieder aus und verfolgte «achdentlich dir Windungen de« Weges (Fortsetzung folgt.)
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