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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.05.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-05-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940529028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894052902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894052902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-05
- Tag1894-05-29
- Monat1894-05
- Jahr1894
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»I2L >00.- ior.- S7L0 103.- S7.7L 103.- >03- soro iis.so 101.30 NILS 32.- Lg.7L 114- 103.- 180.- 17«.- 184.- 1LL.- 13d.- 112.- 70.- SL.- ISS- 137.- 132.- I0L.- SI.- 23».- 110.- 1SI.- 190.- 100.- iir.- SSLO 143- LL.L0 28.- >26». 163.20 >41.40 113.« 77,70 S2>. 278-. 42 132.« 1342» 187.30 138.90 86« 287 LS.« 131.« 56.30 >23.70 118.« 123.90 1LL.SO »!li«> 132.« .39.10 123.« 111.30 121.40 131.30 7.S0 L — 1312-, 9.9L-, S.7S 7.- 7.90 iso.ro 0S0- 13» 73 >77- 0040 >26- N2L0 83 30 !I7- 03 30 1.32-, 2L.20 1.70 1.SS 1.33', >3«. 23.- 00.- 1 nj IL-. SL>, so-, 14'» 83 38 SS-. 22-, iruer. 02 I4-. »°» 38'. SO S- >60 >31 >.- 02.30 >.1Ü-, 0-, 32.11 .>4". > -e>ir »!!.- Id» Iw > v.r 0i>13 »8 14 17-4 »I-ker ti>uid 6.-7 3, >i l» I»m'. >28 Li ,»1«r 4»w' » «, vo» rv» 2SN> es» r«Lv »»-S Vezug-'Prei- t, »« Hauptexpedition oder den im Stadt» tezirt und den Vororten errichteten LuS- -abesicllen ab geholt: vierteljährliche 4.50, bki zweimaliger täglicher Zustellung in« haus 5L0. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich 6.—. Directe tägliche »rruzbandiendung in« Autland: monatlich e 7.öO. rie N orgeu-Au-gade erscheint täglich '/.7Uhr, die Abeod-Susgabe Wochentags ü Uhr. Lr-artiiin «nd ErpeLitioa: IntzaiinrSgnsic 8. Die Erveditio» ist Wochentag- ununterbrochen geojsuet von früh 8 bis Abend« 7 Uhl. Filialen: ktt« klemm'« Sortim. (Alfred Hatalb llniversilütsstraße 1, Lo-sis Lösche, tuthoruienstr. 14, part. uud Aöniqsplatz 7. Abend-Ausgabe. TagMalt Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschiiftsvcrkehr. Slnzeigen.Prei- die 6 gespaltene Petitzeile 26 Pfg. Reklamen ualer demRedactioaSftrich <4go» spalten) Ü0>^, vor den Familieauachrichten s6 ge'palten) 40^. Grober» Schriften laut unserem Preis» »rrzeichnib. Tabellarischer und Zlfirrasatz nach höherem Tarif. Sxtra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen - Ausgabe , ohne Postbeförderung » 60.—, mit Postbesorderung e 70.—. Annahmkschlnß für Anzeigen: Abend-Au-gabe: Vormittag« 10 Uhr. Morge „»Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Sonn- und Festtags früh V,9 Uhr. Lei den Filialen und Annadmestelleu i« rin« halbe Stunde früher. Uaieizru sind stets an die Ertzedtlt«» zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» io Leipzig. ^ 27V. Dienstag den 29. Mai 1894. 88. Jahrgang. politische Tagesschau. * Lcipsig, 29. Mai. Wie schon im heutigen Morgenblatte mitgethcilt worden, ist die im 2:!. sächsische» Rcichstagsivalilkrrisc nöthig ^wordene Stichwahl zwischen dem socialdcmokratischcn 1-anLidalen Ge risch und dem iiationalliberalen Kandidaten Uebel bereits auf den 1. Juni angesctzt worden. Dadurch ist den kämpfenden Parteien nur ein sehr geringer Spielraum zur Entfaltung ihrer Kräfte gelassen worden. Da Herr Uebel 8>M, der antisemitische Canridat Schubert 26U7 und der Eandidat der sreisumigen Volkspartei von Schwarze 1999 Elimmen aus sich vereinigt haben, so ist allerdings der Sieg ter OrtnungSparteicil schon gesickert, wenn nur alle diese Lliiiiiiicn am l. Juni für Herrn Uebel abgegeben werden und dir socialdcmokratische Candidat, wie bei der Haupt- wabl, nur 99t9 Stimmen erhält. Letzteres ist freilich min- teslenS sebr fraglich. Da die Socialdemokralic, die über eine iresslichc Organisation verfügt, die zwischen den Ordnung»- rorleicn während des Wahlkampfes bervorgctretcnen Slreitig- stilcn auf daS Rücksichtsloseste auSbeulel, so ist eine Ver- mehrung der socialbemokralischen Stimmen bei der Stichwahl kost »lil Sicherheit zu erwarten. Um so dringender ist die Pslickl der Ordnungsparteicn, nicht nur die Mißstimmung, die durch jene Streitigkeiten hervorgerufen worden ist, zu besiegen und alle Stimmen, die für die einzelnen isandidaten dieser Parteien bei der Hauptwahl abgegeben worden sind, ans Herrn Uebel zu vereinigen, sondern auch zur Ihäligcn Mitwirkung Alle« heranzuziehen, waö den Perlust te< Mandates^ an die Sccialdemokraten verhüten möchte. .Lider die Socialdemokratie!" so muß der Kampfruf >»ulen, mit dem die Anhänger jeder LrtuungSpartei an die heuen appelliren und sic zur 'Aufbietung aller Kräsle an- icuem. Erfreulicherweise scheinen die Anhänger deS Herrn r. Tckwarze von dem rechten Willen beseelt zu sein, einen Siz der Socia^demokratie abzuwenden; auch auö dem Lager dir „Deutsch-Socialen" erheben sich Stimmen, die zur Irüstizen Unterstützung UebelS aufsordern. So schreibt Ui in Ehemnitz erscheinende deutsch - sociale Blatt: „Lurüber, daß die Deutsch-Socialen und Jungeonservativen lest an der Seite des EartetS lllmpsen uiusten, raun kein Zweifel sein! Wir babcn von vornherein gesagt, daß wir, >:u Falle, das; Herr Uebel In die Sirichioapl lvmml, sUr ihn cmlrelen werden, und wir werden unser Wort halten." -öffentlich lassen sich dies auch diejenigen Anhänger deS Lundes der Landwirthe im 23. sächsischen Ncichstagöwakl- Ireise, die sich bisher zu einer Unterstützung deS Cartel- cuntiridaten noch nicht ermannen mochten, zur Lehre dienen, üi wäre geradezu unerhört, wenn die Eonservativstcn der konservativen den Wahlkreis den Socialdemokralen wollten uuiliesern helfen! AuS der in Bochum gehaltenen Rede des Eentrums- iührers l>r. Lieber werden immer neue Stellen bekannt, die u« diplomatische Geschick dieses Herrn in das glänzendste hiht setzen. Eine dieser Stelle» lautet: „Unsere Kirche wird erst vollständig gebaut, der letzte Stein erst eingefügt sein, wenn der letzte katholische Priester den letzten Menschen katholisch getauft haben wird." Wärmer konnte Herr Lieber sich und seine Partei, deren Hauptziel toch der vollständige Bau der katholischen Kirche ist, der ReichS- rezierung und dem preußischen Ministerium nicht empfehlen, US durch diesen Ausspruch. Durch einen anderen bat er der Lveialdemokratie, ohne deren Hilfe bekanntlich der öesuitenantrag im Reichstage nicht durchzubringen gewesen wäre, seinen Dank abzustalten versucht. Er sagte nämlich: „Die Socialdemokraten haben unfern Antrag unterstützt, denn sie sagten sich: WaS können unS die paar hundert Jesuiten anbaben ? Aber ick sebc die Zeit kommen, wo sie auSrnfcn werben: Wenn die Brut doch nicht so viele Junge Hecken wollte!" DaS heißt mit anderen Worten: „Einen dümmeren Streich könnte die Socialdcmokratie nicht begehen, als wenn sie nochmals sür die Aushebung deS Jesuitengesetzes einträte". Wir wünschen Herrn I)r. Lieber aufrichtig den verdienten Erfolg dieser Kernsprnche und beglückwünschen seine ultramontanen Gegner zur WiederauSsöhnung mit diesem Manne, unter dessen Führung ihnen weder die Gunst der Regierungen, noch die der bisherigen Bundesgenossen fehlen kann! Immer wildere, rohere und gefährlichere Formen nehmen unsere Lohiikämpsc an. Versuche, wie sie jetzt mit dem Ber liner Bierboycott gemacht werden, sind in diesem Umfang vorher nie unternommen worden. Fast ein gesammter großer Gewerbcstand, soweit er sich nicht den Forderungen der Arbeiter und der Agitation der Socialbemokraten unterwirft, wird in Verruf gelhan und dieser Verruf wird mit dem ganzen Terrorismus, der Brutalität und der widerlichen Schnüffelei burchgesctzt, welche die kennzeichnenden Eigenschaften der Socialbemokratie sind. Das ist der offene Krieg zwischen zwei großen GeseUschafisclassen, die von Natur auf da« Zusammenwirken angewiesen sind. Sollten solche Maßregeln zu einem stänbigcnKriezSmittel der socialdemokratischenAgitatwn gemacht werde», so würde ein Kampf entfesselt werden, der die schwersten Gefahren für unser ganze« wirthschastlichcS und sociales Leben heransführen würde. Solchen Heraus forderungen gegenüber wären die Arbeitgeber gezwungen, auch ihrerseits die strengsten Maßregeln anzuwenden, um Menschen aus ihren Betriebe» fernzuhalten, mit denen sich nun einmal nicht mehr auSkommen uud Zusammenarbeiten läßt. Die Arbeiter müßten in einem solchen Kampfe nolbwendig unter liegen, denn sie können die Erwerbslosigkeit nicht lange aus hallen, auch können sie jederzeit durch andere ersetzt werden. Die Socialdemokratcn wußten ja bei den jüngsten Nothstandsdebatlen im Reichstag nicht genug zu klagen, wie groß die Arbeitslosigkeit sei. Da kann cS nicht schwer fallen, widersetzliche, streitsüchtige und mäßig- weÄen^od,o?',7'^''zu LeHsiz-lvhnlcn Arbeitern gehören. anSjumerzei» und .-urH Engere, friedfertigere und dejchm»- dcnere Leute zu ersetzen. Das kann uainenlose« Elend über zahlreiche Arbeiterfamilien bringen, aber bei der Rohheit und dem leidenschaftlichen Haß, womit der Kampf gegenwärtig von den Leitern der Arbeiterbewegung betrieben wird, muß auch die Abwehr durch die herausgesorderte bürgerliche Ge sellschaft immer schärfer uud energifcher werden. Wohl noch niemals hat in velgic» die klerikale Partei in offener Kammersitznng ein solches Schauspiel der Zersabrcnheil geboten, wie in einer der letzten Sitzungen de« Parlaments. Die beiden klerikalen Parteiführer Beernaerl und Woeste überschütteten sich gegenseitig mit Beleidigungen und Vorwürfen und sprachen einander icde Befähigung zur Leitung einer großen parlamentarischen Partei ab. Die An hänger der beiden ultramontanen Kämpen mengten sich in den Streit, der bald zu einem förmlichen Handgemenge zwischen dem rechten und dem linken Flügel der klerikalen Partei ausartele. Selbstverständlich verhielten sich die Liberalen diesem seltsamen Schauspiel gegenüber als belustigte Zuschauer ind freuten sich aufrichtig über den Zwiespalt im ultramontanen öazcr. Aber die liberale Partei, vie auS der gegenwärtigen i'age der Gegner sicherlich Vortbeil ziehen kann, muß davor zewarnt werden, ausschließlich ihren Wahlsieg von der kleri kalen Zwietracht zu erhoffen. Denn die von den Behörden vollendete Feststellung der neuen Wählerlisten bat gerade den Liberalen eine unangenehme llcberraschuiig bcscheerl, indem sie die Wahrnehmung machen, daß daS Pluralwablsustem etwa 7/,o der doppelten und dreifachen Stimmen den länd lichen Wählern zuspricht. Eine Ueberfluthung der liberalen städtischen Wählerschaft durch die klerikale bäuerliche ist also umsomehr zu fürchten, als in Belgien allen Städten eine große Anzahl von Landgemeinden angebängl sind. Es wird diilit dcö Aufgebots aller liberalen Kräfte bedürfen, um den Sieg trotz dieses ungünstigen Umstandes an die Fahne de« Liberalismus zu scsscln. Bezüglich deS in Ungar» soeben beendete» Klausenburgcr Memorandumproccsscö stellen einzelne deutsche Blätter — von der sonstigen europäischen Presse ganz zu schweigen — sich auf den Standpuncl, daß die Rumänen in Sieben bürgen nur ihr gutes Recht fordern und daß alle Schuld an der rumänischen Agitation in Ungarn den „magyarischen Chauvinismus" und die ungarische Regierung treffe. Das ist, wie den „B. P. N." aus Pest ossiciös geschrieben wird, eine Methode, welche nur in der totalen Ulikeniitniß der wirklichen Verhältnisse, oder in einer vorgefaßten Antipathie gegen den ungarischen Staatsgedanken ihre Erklärung findet und deren fortgesetzte Anwendung im Interesse des guten Rufes Ungarn« und der zwischen den Bevölkerungen Deutschlands und Ungarns herrschenden guten Beziehungen nur bedauert werden könnte. Die Angeklagten benahmen sich kor den Klausenbnrger Geschworenen in einer Weise, wie die« in einem civilisirtcn StaatSwesen unter civilisirlen Menschen einfach unerhört ist. Es wurden dem Präsidenten und den Geschworenen Geduldsproben angesonne», die der reine Hohn auf die Würde deS Gerichtshofes waren, ja die Verhandlungen selbst wurden durch planmäßige Obstruction zu wiederholten Malen fast unmöglich gemacht. Jeder Kenner der ungarischen Zustände ' muß bestätigen, daß dort kein Rumäne, vom Metropolitan bis zum letzte» Waldhüter, weder gewaltsam, noch überhaupt magyarisirt wird. Eher könnte von einer Romanisirungsgesabr sür diri>,M'tVio>kscuermafzcn weite Gedictsiveue mir ruma,»^,.,. Sprache giebt, wo vor noch nicht vielen Jahren nicht rin rumänischer Laut vernommen wurde. Magyarisirt hingegen wurde auch nicht ein einziger Dorfhirte in Siebenbürgen während der letzten fünfzig Jabrc. Man kann eS getrost als den Standpuncl der allcrmaßgebendsten politischen Kreise Ungarns bezeichnen, daß die Domänen Siebenbürgens auf die weitestgcbenden BilligkeitSrücksickten und auf daS herzlichste Entgegenkommen der ungarischen Regierung rechnen dürfen, wenn sie den Boden einer loyalen Politik betreten und ihre Klagen nicht immersort unter dem allgemein gehaltenen Schlag- Worte von der „magyarischen Bedrückung" an de» Mann zu bringen trackten,sondern positive« Thatsachenmaterial beibringen wollten. Selbstverständlich müßten sie ihre Beschwerden in den einheimischen EomitatSversammlnngen und im ungarischen Parlament geltend machen,statt den Weg übcrPariser, Brüsseler, Bukarester rc. Hetzorgane zu wählen oder sich an die „Kreuzztg." um Schutz und Gönnerschaft zu wenden. So lange mau aber rumänischerscitS den ungarischen Reichstag hartnäckig und gefliffenilich meidet, wird eS jeder Unbefangene erklärlich finden, daß die ungarische Regierung mit den 20 und etlichen Agitatoren in Siebenbürgen in keinerlei Ver handlungen tritt — denn das Gros der größtcntheils auf sebr niederer Bildungsstufe stehenden dortigen rumänischen Landbevölkerung weiß von einer „Rumänenfrage" ganz und gar nichts. Daß die rumänischen Bauern in Klausenburg massenhaft als Statisten mitgewirlt haben, ist darauf zurück Zufuhren, daß die Acleure für diese Rolle sehr gut bezahlt worden sind. Ter ciiglische Vertrag mit der (koiigoregierung erfuhr in der gestrige» Sitzung dcö englischen Unterhauses durch den Parlamentssccrclair des Auswärtigen, Grey, eine mcbr ocer weniger sophistische Rechtfertigung, die darin gipfelte, daß daS Vorkaufsrecht Frankreichs durchaus nicht altcrirl werde, da die Wirkungen deS Vertrags nur so lange be fänden, als der König der Belgier oder seine Nachfolger Souverainc deS CongosiaaleS seien. Nicht minder windig ist die Erklärung der belgisch-osficiöscn „Patriot-", welche meint, Frankreich stände nur ein VorkausSrechk zu, wenn König Leopold die Eongobcsitzungen verkaufen wolle, nicht aber, wenn eS sich um eine Verschenkung oder eine Verpachtung bandle. Frankreich hat vo» der conzostaatlichcn Auslegung de« Vorzugsrechtes zwar Kennt»iß genommen, aber sich ausdrücklich weitere Schrille vorbebalten. Wie der TempS" meldet, bitt Ministerpräsident Casimir Perier ei den Cabinetcn von London und Brüssel bereits Vorbehalte gemachl. Auch wird, wie gemeldet wurde, von einigen Abgeordneten in der französischen Kammer eine Anfrage über den englischen Cvngovertrag vorbereitet. Eine träfligc Unterstützung würde der französische Vorbehalt erfahren, wenn Deutschland sich demselben mit einem Proteste seinerseits anschlösse, und, wie dem „Hamb. Corresp." ossiciös versichert wird, soll thatsäcklich der Pacht- vertrag deutscherseits als einseitige Abänderung jdcr durch eine internationale Vereinbarung festgesetzten Grenzen deS EongostaaleS bcanstandcl werden. Die Nachricht ist so erfreulich, daß ihre Richtigkeit allerdings noch dahin- gestellt bleiben muß. Mag auch an den Meldungen russischer Correspondenten an auswärtige Blätter über ein gegen den Zaren geplantes Attentat Manches übertrieben, und manches Gerücht als Thatsache anSgegeben worden sein — die russische Polizei bewahrt über dergleichen Dinge absolute Verschwiegenheit —, o^ unlerliegt^ eS nach der auisaUcndcn, schon gestern mit- die Mach,, Snba.rernbeamte zu ernennen oder zu ent lassen, entzogen und den Special - Control - Ausschuß unter uninittclbarer Conlrole deS Zaren, Irclchcr unter Kaiser Nikolaus bestand, wicderhcrzestellt Kal, keinem Zweifel mehr, daß ein Mortanschlag gegen den Zaren thatsäcklich geplant war, »»d daß das Bcamlentl'u», i» bedenklichster Weise i» die Bestrebungen der Verschwörer verwickelt ist, denn eS wird gar kein Hehl daraus gemachl, daß unter den verhafteten Beamten fick gerade eine Anzaht solcher befunden bat, die durch die Gunst eines Ministers :r. ibre Stellung erhalten babcn. Namentlich sind cs Ciscnbahningcnicurc, welche stark compromittirt sind und zu ihnen zählt sogar der Neffe rcS LberprvcnrcurS deS heiligen SynodS, Pvbjedonoßzcw, der Hauptstütze deS gegen wärtigen SvstcmS, eines Manne«, der wie kein Anderer das Ohr deS Zaren bat. Unter solchen Umständen, die cS in erschreckender Weise erkennen lasse», daß der Nihilismus mehr denn je bi- in die unmittelbare Umgebung des Zaren erfolgreich propagirt, lassen cS erklärlich erscheinen, daß der Herrscher aller Reußen seinen eigenen Ministern nickt mehr traut und daS Bcaiittcntbum unter seine specielle Controls »iiuinl. Ob cS freilich wohlgelban ist, dem liberalen Geiste, welcher mit einem gewissen BiltungSgrace nolbwendig ver bunden ist, und dessen ganzer Raiur daS m Rußland ob waltende System unvereinbar gegenübcrstcht, jedes Zu- gcständniß zu versage», gegen ihn vielmehr den Geist, der Fe»»iHetsir. Der Diebe und des Glückes Wellen. 4j Roman von M. v. Eschen. Klang einer weichen Baritonstimme über Baum und Strauch. Deutlich versteht man jedes Wort: Sah' ein Knab' »in Rüslein strh'n, RöSlein aus der Heiden, War so jung und morgenschön. Lief er schnell, eS nah zu seh'n, Sah's mit vielen Freuden .. . Nachdruck »kri-eik». (Fortsetzung.) Sein guter Stern hat daS Mädchen, fast täglich hört Hilde dieses Wort, zu ihr ges'ükrt. Hilde wieberspricht nicht, sie batte allerdings Grund, es als eine glückliche Fügung zu betrachten, daß ihr die Cousine des VaterS eine helfende Hand geboten bat, als sie, kaum scchzebnjährig, schon elternlos allein in der Wett stand. Tie Taute war gut zu ihr; sie war überhaupt gut, viel besser als cS zuweilen schien, daS siiblen .Kinder und junge Menschen bindurch. Sie hatte Eigenheiten, auch das merken jene bald. Toch Tante und Aichlc besaßen eine glückliche Dosis von bcitcrm Temperament. Gcriethen sic einmal nach Wortlaut aneinander, so lachten sie sich auch schließlich wieder zurecht. Verkebr, Vergnügungen, wie sie Mädcken ibrcS Alters zu baden pflegen, gab eS sür Hilde nicht, dafür aber auch keine müßig langweilige Stunde. Arbeit, Jugend und Gesundheit sind, obwohl nickt alles, doch so köstliche Güter, daß Hilde in der Thal bis jetzt nie etwa« entbehrt batte, vielmehr jedem neuen Tag cnlgegenjubilirte wie die Lerche an einem FrüklingSmorgcn in den blauen Himmel hinein. Eben beginnt Tante Annette aus einem Manuscripte zu lesen. Sic hat sich nämlich neben der praktischen Verwerthung ihrer Principien bei Hilde auch die theoretische Verbreitung derselben als Ausgabe gesetzt. „Hörst du, Hilde?" fragt sie bald — Das Mädchen scheint so zerstreut. Dock nein, sie wehrt nur den Schmetterlingen, die eS nickt laffen können, trotzdem die kleinen Fliegen, ihre Verwandte aus dem so und soviellen Grade, an der Flamme verenden, sich aus dem Bassin der Lampe schaarcnwcise hänfen und immer wieder nach dem gleichen mörderischen Lickte zustreben „Dumme, thörichtc Dinger", schilt daS Mädchen. „Laß brennen, wa- brennen will", sagte die Tante. „Mach mich nicht irre damit, hör' zu!" „Ja", sagt Hilde, und rückt sich zurecht. Da klingen selten hier vernommene Laute von der Straße herauf. Stt kommen näher; leicht trägt der Wind jetzt den Unwillkürlich zuckt das Mädchen zusammen. Nein, das ist doch ein zu dummer Gedanke! — Dennoch, die Begegnung im Walde, mit der sie sich viel zu lang schon aelragen, ftebl plötzlich wieder vor ihrem Blick. Der andere VerS setzt ein; sie meint ganz genau einen neckisch-spöttischen Uebermuth darin klingen zu hören — dann — das klingt wirklich wie ichercr, stoljer Triumph: Und der wilde Knabe brach 's Röslein aus der Heiden: Röslein wehrte sich und stach, Hals ihn doch kein Weh und Ach, Mußt' eS eben leiden. Röslein, Röslein, Röslein rolh, Röslein auf der Heiden! Wie mit Blut übergosscn sitzt da» Mädchen da, die Tante merkt es nicht. Dummes Lied, würde sie gescholten haben, denn die Poesie der Heiderosen, der Käthcken und Gretchcn ist ibr verloren gegangen, seitdem daS Leben so traurig klärend aus sie eingewirkt bat, daß sie meint, nur mit dem nüchternen Verstände ließe sich allen seinen Schäden entgehen, in den sichern Hafen des Glücks landen. Aber auch Hilde wird ärgerlich. Ob über sich selbst, oder den Mann, der ihr trotzdem . . . Nein, er hat ihr durchaus nicht gefallen: gar nickt, nicht die Spur! — Sie wirft da« Köpfchen zurück; sie müht sich, auf die Worte der Tante zu merken. Fräulein Moran liest gut, klar und deutlich, ebenso ist ibr Stil, ihr Grdankengang. Und doch, und dock, gleich MeereSwogen schäumend und brausend, drängt eS sich dazwischen; unverständlich wie in weiter Ferne verhallt jede- Wort für Hilden « Ohr — gleich dem Liede der Nachtigall unter dem Flieder im Mondlicht be- ginnt cS in ihrer Seele zu singen, leise und bestrickend, die Ahnung von einem wunderbaren Etwa», da« sie noch nicht kennt. Ach, sie will auch gar nicht« davon wissen, von all dem wunderbaren Sehnen dieser Lust, die dem Webe so ähnlich sieht, dem Web, da- da köstlicher scheint al« jede Lust. Dumm' Zeug, die Tante hat recht, sie will glücklich sein und froh wie bisher. -2 Und viel eifriger noch als bisher schafft Hilde in dem HauS, in dem Garten. Sie liest noch ein Dutzend Bücher mehr als sonst, und solche, die am schwierigsten zu verstehen sind, und malt und malt — will sie doch im nächsten Herbst zur Stadt geben, um mit einem CurS bei dem Akademie- Director Weber ibre Studien zu vollenden. Dazwischen macht sie ihre weiten Gänge: nur in jenen Wald geht sie nicht wieder. Der Präsident Rettberg und Familie wobnten in einer hübschen Villa in der Landgrafcn-Allee in Grünbcrgcn. Tie Wohnung, die Einrichtung, die ganze LebenSsührung der Familie war, was man so nennt, im höchsten Grade standes gemäß. Der Präsident ist eiu großer Mann mit breiter Brust und kräftigen Schultern. Dagegen scheint sein Hals aus fallend schlank und modelt den CorpuS, welcher außerdem einem Herkules halte gehören können, in die stattliche Erscheinung eines vornehmen Herrn. Aus diesem schlanken Halse sitzt ein schöner Kopf mit boher Slir» und edlen Züge». Die milde Bläffe seines GesichlS» daS weiße Haar bilden zu den ties- dunkeln Augen, wie der weiche Mund zu der starkgebogenen Nase einen Contrast, welcher jeden srappiren muß und zugleich einem feinfühligen Beobachter zu denken giebt. Die Präsidentin sieht ihrem Galten ähnlich, nur daß sie sein Contcrsei in der Caricatur wicderzugcbcn scheint. Auch sie ist groß, aber so schmal gebaut, daß sie unwillkürlich an eine Hopfenstange erinnert, zumal sie die angenehme Würde, welches ei» gewisses Embonpoint einer altern Dame von selbst schon verleiht, durch eine unerschütterliche Haltung zu ersetzen strebt. Auch ibre Stirn ist hoch, für eine Frau sogar etwa« verwegen ausgefallen. Die mit einem kleinen Bogen an der Wurzel cinseyende Nase hat sich wohl erst im Lause brr Zeit zu dem unangenehm auSlaus'cnden Häkchen entschlossen, in welcher auch da« Kinn sein stark berrorspringendcS Streben eingeschlagen haben mag, um die Harmonie in dem Gesichte einzuballen, dessen Ausdruck Stolz und kübne Energie bceculct. Die Augen scheinen klein und matt; die Präsidenlin ist kurz sichtig und kneift dieselben gewöhnlich zusammen, WaS aber nicht ausschließt, daß sie auch mal in dem richtigen Moment recht groß und durchdringend ausblitzen können. Rettberg'S besitzen vier Kinder, zwei Töchter und zwei Söhne, von denen der älteste» Bruno, bei Len Ulanen Prinz Ferdinand steht. Man sitzt bei dem Nachmittagskaffee, der, gewöhnlich zwischen vier und fünf eingenommen, sich bi« in die Abend stunde verlängert, je nachdem die Familiengliedcr sich einsindeu' die Themata, die man hier abzuhandcln liebt, sich häufen oder auch Besuch kommt. Der Präsident gestattet sich auch eine Havanna, eine extrafeine. Denn, da dieser Artikel im Gegensatz zu allem andern unvergängliche Spuren in dem Staub und Rauch einer Vergänglichkeit hintcrläßl, so bat die Präsidentin an geordnet, daß Freddy — so nennt sic ihren Ferdinand — nur die beste» Cigarren raucht. Trotz diesem sorgcnverscheuchenden Rauch sah die Stirn deS Präsidenten umwölkt auS. „Beste Ina", begann er — der fast bange Klang seiner Stimme contrastirtc cigenthümlich mit der hoben Gestalt und den breiten Schultern, stimmte höchstens zu der mild weißen Blässe um den weichgesckittenen Munk — „beste Ina . . ." „Aberrrr" — mil schiicidiacm Ton schon schnitt die beste Ina schnarrend jede weitere Erörterung ab —, „daS Diner am Freitag ist nolbwendig. Oberst Buttlar bleibt nur nock ein paar Tage hier. Wir müsse» ihn cultivircn. Du weißt —" hier kniffen fick die Augen zusammen und sahen gleich darauf wieder groß »ach den Töchtern hin —, „der gute Bruno ist geneigt, ein wenig über das Ta» zu schlagen. ES ist immer gut, wenn man mit dem Eommandeur befreundet ist." Der Präsident seufzte. Tilli, die älteste Tochter, ein schlankes Mädchen mil seinen Zügen, setzte eine etwas empörte Haltung auf, waS wobl eben zumeist dieser offenen Aussprache in Anwesenheit eines GastcS gill. Gerda, ei» molliges, frisches Geschöpschen von achtzehn Jahren, dagegen kickcrt, als habe sie etwas ganz Besondere- amüsirt. Hilde Moran aber, welche heute bei ReltbcrgS eingetroffcn, um sür eine Weile als Gas?, als Mitglied der Familie — als Pensionärin, zu verweilen, sicht wieder einmal recht erstaunt drein. DaS Mädchen hat »och nicht gelernt, die Regungen ihrer Seele und die Mienen ihres Angesichtes auScinandcrzuhalten wie zwei Dinge, die gar nicht« miteinander zu thun haben, etwa wie die rechte Hand und ein linker Handschuh. Ta Hilde in einer ganz andern Umgebung ausgewachsen war» war eS wohl natürlich, daß ihr manche» in diesem Hause befremdend erstaunlich schien! Und darum war eS nickt minder natürlich wieder, daß der Blick dieser erstaunten Mädchenaugen hin und wieder von der Präsidentin al« eine Unbequemlichkeit empfunden wurde, obwobl sie sich mit den Töchtern das Wort gegeben hatte, sich durchaus nicht wegen dieses Landconiect« zu geniren. Ganz im Gegensatz zu andern Fällen hatte der Präsident
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