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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 30.07.1894
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1894-07-30
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18940730024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1894073002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1894073002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1894
- Monat1894-07
- Tag1894-07-30
- Monat1894-07
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Ztg." hatte sich mit dem öffent lichen Urtheile über die officiöse Presse in zwei Aus sätzen beschäftigt, die so gut wie keine Beachtung fanden. Man durste und mußte sie al« Privalarbeit der Redaction ansehen, bestimmt, den Handel mit drr Ueberzcugung oder der Ge sinnungslosigkeit in einem milderen Lichte zu zeigen. Ein dritter Artikel läßt die vorhergehenden jedoch als das Prä ludium eines unerhört heftigen Angriffs auf den Finanz- minister- vr. Miqurl erkennen, eine» Vorstoßes, der keine Privatleistung sein kann und der durch den Charakter der „N. A. Z." al- Organ des ReichSkanzieramlS eine große symptomatische, vielleicht mehr als symptomatische, Bedeutung erhält. Die ,N. A. Z." schreibt nämlich: „Man hat in der lebten Zeit viel über die Verwilderung ge- klag», di« innerhalb der osficiöjen Presse einaerissen sei und sich bis zu gegenseitigen Befehdungen ihrer Glieder steigere. Es liegt für un« kein Grund vor, einer objectiveu Beleuchtung de« Ursprung« dieser Klagen und einer Erörterung der Frag», wieviel Recht sie haben, aus dem Wege ,u gehen. Man bat rin ausgedautes System von Preßunterslützung für einen einzelueu Ressortminister ,n Preußen und im Reich früher nicht gekannt. Man kann gleichwohl nicht sagen, daß es an sich als unstatthaft erachtet werden muß, wenn eia einzelner Minister besonder« rege Beziehungen zur Presse pfegt und ihr« Dienst« in besonders ausgedehntem Matz verwerthet; kann man doch vor allen Dingen Publicisten und Blättern nicht verwehren, ihre Synipathie» einem Minister zu zuwenden, welchem sie wollen. Das Bedenkliche, die zerrüttende Wirkung beginnt erst dann, weun die besondere Unterstützung in diePfleg« eines Dualismus au»artet. Und das ist in der Thal in unerfreulichem Maße der Fall gewesen. Man hat die deiuoustrative HerauShcbung und Lobpreisung des Einzelnen aus kosten seiner Kollegen zu weit getrieben; man hat im Verfolg der Tendenz, alle „Initiative" und alle Verdienst« auf eine Stell« zusammenzuhäuse», marktschreierische Reclamemittrl zur Anwendung gebracht. Wir erinnern, um da« in Thätigkeit gesetzte System zu beleuchte», von zahlreichen Beispielen der Tactlostgteit nur au eines: an eine» vor etwa vierzehn Tagen in einem Hamburger Blatt erschienenen Artikel mit der Ueberschrist: „Gras Caprivi und Vr. Miguel", der mit einem Hinweis auf die „nach staatsinännischer Der- anlagung und Temperament verschiedene Schattirung" schloß. Selbstverständlich trägt di« Schuld an diesem ärgerlichen, die Kraft der Regierung schwächenden und ihrem Ansehen abträglichen Kleinkrieg nicht der Minister, sondern lediglich der Ueber- eiser seiner Parteigänger, der Herrn vr. Miguel schon schweren Verdruß bereitet haben muh. Ls ist denn auch zu erwarten, dah di« Rügen und Mahnungen de- Herrn Minister« an di« in Beziehungen zn ihm stehenden Publicisten, in seiner Unterstützung nicht dir Grenzen der Loyalität und der vornehmen Traditionen de« höheren preußischen Beamten» thums zu überschreiten, dem unerquicklich«!, Treiben endlich ein Ende bereiten werden." Kurz und schlicht angegeben, bildet den Inhalt de- Artikel« die Anklage de« Intrigmrrn« und der „marktschreierischen Reclamr" — die- de- halbamtlichen Blatte- eigene Worte. Als der Commandant diese- „Kleinkriege«" wird Herr Vr. Miguel deutlich bezeichnet. Denn nachdem ironisch gesagt ist, der Finanzministcr trage selbstverständlich nicht die Schuld, sondern der Ucberriscr »seiner Partei gänger-, der ibm schon schweren Verdruß bereitet haben müsse, wird die Erwartung ausgesprochen, der Finanzministcr werde dem die Grenzen der Loyalität und der vornehmen Traditionen de- hohen preußischen Bramtentbumö über schreitenden Treiben endlich ein Ende machen! Es wird also unterstellt, vr. Miguel habe bisher, obwobl er gekonnt, es unterlassen, illoyalen und unvornehmen Angriffen gegen den Reichskanzler — um diesen handelt eS sich auf der von der „Nordd. Allg.Ltg." markirlen Gegenseite ganz allein— rin Ende zu machen. Warum in der hochsommerlichen Stille, während der preußische Finanzministcr auf Urlaub weilt, allerdings aber die Rückkehr de« Kaiser- bevorsteht, kiese Kriegserklärung erfolgt ist, darüber vermögen wir auch nicht die leiseste Vcr- muthung anzustcllcn. Fest steht nur, baß man es mit einer Kriegserklärung zu !hun hat. Selbst ein cnragirtcs „Eaprivi- Blatt", das für seine Person selbstverständlich in dem Artikel der »Nordd. Allg. Ztg." eine Privatarbcit zu erblicken ver sichert. gicbl der Ueberzcugung Ausdruck, da« Regierungsblatt werte mit einer gleichen Versicherung wenig Glauben fintkli, und fügt binzu, daß hier eine Absage vcrlicge, die zur Zeit Bismarck s den sofortigen Rücktritt teS „ gervmmelten" MinisterS zur Folge gehabt hätte. UebrigenS, meint dieses deutschfreisinnige und biSinarckscintlichc Blatt (es giebl damit die ausreichende Antwort auf die Vorwürfe der Illoyalität und mangelnden Vonichmbeit), sei unter BiSmarck ein derartiger Angriff auf einen abwesenden Minister nicht möglich gewesen. Aus eine Widerlegung der »Nordd.Allg. Ztg." ein zugehen, kann man sich ersparen, denn wir glauben nicht, daß ihre Auslassungen den Zweck haben, auf die öffentliche Meinung einzuwirken. Die öffentliche Meinung ist trotz der ibr von dem Regierungsblatt zu gesprochenen „Leichtgläubigkeit" kenn doch zu klug, um nickt sofort hcrauSzusinLrn, daß der Lsficiöje der ReichS- regierung eben das thut, was er an den „Parteigängern- de« FiiianzministerS tadelt, baß er nämlich den „Dualismus pflegt- und dies noch dazu in verletzender Form. Wenn in der Presse Vergleiche zwilchen dem Kanzler und dem Finanz- Minister angestcllt wurde», die zu Ungunsle» de- Ersteren auSsiclen, so ist die- nicht einem „Parleigänger-Geist" ruzuschreibcn, sondern dem unbefangen rrbodenen Befund. Man braucht nicht abhängig, mau darf nur nicht blind sein, um bei vr. Miguel eine stärkere Initiative als beim Grasen Caprivi zu sehen, und wir finden, abweichend von der „N. A. Z.-, den Hinweis aus die „nach staatS- männischer Veranlagung und Temperament verschiedene Schattirung- beider RegierungSmänner nicht nur berechtigt, sondern auch von riihmenSwertber Höflichkeit in der Form. UnS wie andere von der „Nordd. Allg. Ztg.- Parteigänger Genannte durch „Rügen und Mahnungen" an zutreffenden Ver gleichen zu verhindern, ist der preußische Fiiianzmiuisterganz außer Stande, denn unsere Urtheile sind unabhängig von ibm und ohne jede Beziehung zu ihm entstanden und werden die- auch künftighin bleiben. Der Zweck der Auslassung de« Regierungs blattes ist ja klar: Alle-, waS nickt genehm ist, soll einer bestimmten Stelle als von Vr. Miguel herriidrend und so dieser Minister selbst al- das „die Kraft der Negierung schwächende" Element hingestellt werden. Versuche dieser Art nicht- Neue-, ob sie diesmal erfolgreicher sein werden als bisher, wird sich zeigen. Politische Tagesschau. * Leipzig. 30. Juli. DaS englische Oberbau« hat, wie gemeldet wurde, das vom Untcrhause seslgesiellte und beschlossene Budget ohne Abstimmung in zweiter Lesung angenommen. Ter erwartete heftige Widerstand der Lord-, namentlich gegen die Steuer reform, ist somit auSgebliebcn. Sebr verkcbrt aber wäre c-, daran- aus eine Billigung de- Voranschlag« seitens der PearS zu schließen. In den „rules uuä vrävrs" der Ge meinen beißt eS: „Am 8. Juli 1678 wurde beschlossen, daß alle Leistungen für Se. Majestät im Parlament ausschließlich von den Gemeinen ge- schehen dürfen; daß ferner alle Bllls zur Gewährung solcher Leistungen von den Gemeinen ausziigebc» haben, und es das »nzweiielbaste und alleinige Rechl der Ge»,einen ist, in solchen Bills die Zwecke. Rücksichten, Beschränkungen »nd Qnalisicationcn solcher Gewäh rungen zu bestimme», die vom Hause der LvrLS nicht verändert oder abgeändert werden sollen." Aehnliche Beschlüsse sind im Laufe der Zeit wiederholt gefaßt worden, und das Oberbaus hat sich iminer demgemäß verhalten, weil cS vernünsligerweise die staalsreckllichc Ans sassung der Gemeinen billigt, wonach der jeweiligen Negie rung die ihr zur Führung der StaatSgeschäffe nothwendigen Mittel, nachdem die Mehrheit de- Parlaments, deren Ausschuß dasEabinet im tigenllichciiSiniie ist.die Voranschläge genehmigt bat, nickt bestritte» werden dürfen. Es in dieser Frage auf einen VersassungScoiiflict anlcinme» zu lasse», dazu waren die LordS doch zu klug, denn sie würden damit den Gegnern des ObcrkauseS nur eine scharfe Waffe in die Hand gegeben haben. Wenn die PearS auch darauf verzichteten, an ein zelnen Theilen de- BukgclS, wenn auch nur theoretisch, Kritik zu üben und ihren Standpunct zu wahren, sondern fast ohne Debatte die zweite Losung erledigten, so lam dabei offen bar die Rücksicht aus die bevorstehenden Neuwahlen in Betracht, bei denen man, wie eS scheint, in Anbetracht der Lcmvkratischcli Strömung, daS liberale Programm noch übertrumpfen will Vielleicht reden indesscn die für konservativ geilenden Blätter, „Sheffield Telegraph", „Bir mingham Gazette" und „Newcastle Journal" ohne dazu be sonder- und ernstlich bevollmächtigt zu sei», wen» sic sagen, daß außer einer Wahlreiorm daS schweizerische Referendum im Mutterlande der Parlamente eingesührt werden soll. Grundrenten sollen gerade nach dem Herzenswunsch der Radikalen besteuert und die Kosten der Volksschule sollen aus da» RrichSconto gebückt werden. Bezüg lich der socialen Frage will die Partei ein klebrige« leisten: Alter-Pensionen, bessere Wohnungen für die Armen, Beschränkung der Einwanderung, Vermehrung der Haftpflicht der Arbeitgeber, gute Löhne für die StaalSarbeiter und Vermehrung der Klcinskcllen, alles Herzenswünsche der größte» Feinde dcö englische» EoiiscrvatisniuS. Und doch lind alle diese Anbequeninngen nur einzelne Blüthen au» dem reichen Strauße, womit die sogenannte conservatide Partei bei den nächsten Wahlen auf Etimmensang auSgeben will. Recht conseqnent in der Thal, aber zu Wahlzwccken ist in England ja Alles erlaubt, selbst die Preisgabe der Principie». Das französische Anarchistengcsetz hat, nachdem Kammer und Senat dasselbe aligeuoninieii haben, folgende cndgiltige Fassung erhalten: Art. 1. Ti« in Art. 24 8 1 und 3 und 25 de- Gesetze- vom 29. Juli 1881, die durch da- Gesetz vom 12. December 1893 abge- ändert wurden, ausgezahltr» Ueberlretunaen werden vor die Zuchi- polizeigerichle verwiesen, wenn dies« uebertrclungen zum Zweck einen Act anarchislischer Propaganda haben. — Art. 2. Vor die Zuchipolizeigcrichle wird ledes Individuum gestellt und mit Gesängiiiß von 3 Monaten bi- zu 2 Jahren und mit einer Buße von 100 bis 2000 Francs bestraft, welches außer in den von dem vorstehenden Artikel bezeichnete» Fällen überfnbrt wird, zum Zwecke anarchistischer Propaganda durch Heraus- sorderung oder Verherrlichung der i» dem Artikel ausgelührten Handlungen eine oder mehrere Personen ausgereizt zu habe». Ver- brechen des Diebstahls, Todlschlogs, der Plünderung, der Brand legung oder Verbrechen, die »ach Art. 435 de« Strafgesetzbuches beilrast werden, zu begehen; oder eine Aufreizung an MiluoirS der Armee oder Marine gerichtet zu haben, um sie abwendig zu machen von ihren mililairiichenPllichte» und demGehorsain, de» sie ihren Vorgesetzten schulden, wenn diele sie zur Auslührung der Gesetze und der mililairischen Regel» und der Verlheidigiiiig der republikanischen Verfassung com- manbiren. Tie in, ersten Paragraphen vorgesehenen Strafe» werden selbst in dein Falle angewendet, wenn die gegen Mililair« der Armee oder der Marine gerichtete Aufreizung nicht den Charakter einer Handlung anarchistischer Propaganda hat; allein in diesem Falle kann die in Artikel 3 deS gegenwärtigen Gesetzes verfügte Zusatz- strafe der Relegation nicht verhängt werde». Die Verurtheilung kann nicht ans die kinsache Erklärung einer Person erfolgen, welche versickert, Gegenstand der hier näher bezeichnete» Aufreizungen gewesen zu lein, wenn diese Erklärung nicht bestätigt wird durch da« ganze Ankiageniaterial, welche« die Straffälligkeit erweist und in dem BerdaminungSurtheil ausdrücklich erhärtet wird. — Art. 3. Die Zusatzslrase der Relegation kann über die Individuen verhängt werden, welche aus Grund der Art. I und 2 de« gegen wärtigen Gesetzes zu einer höheren Strafe als »in Jahr Gesönaniß verurtheill worden sind und die schon zuvor entweder eine Ver- urlheilung zu mehr als drei Monaten Gcsängniß wegen der in den genannte» Artikeln ausgefuhrleii Handlungen oder eine Ver- urlheilung zu ZuchihauS, Einschließung in eine Strafanstalt oder zu mehr als drei Monaten Gesangniß wegen eines ge meinen Verbrechen« auszuweisen haben. — Art. 4. Die aus Grund de« vorliegenden Gesetze» verurtheiltea Individuen haben ihre Strafe in Einzelhasi abzubüßen, ohne daß hier- durch die Haftdauer abgekürzt werden kann. Di« Bestimmungen dieses Artikels sind anwendbar bei Durchführung der Strafen der Einschließung in einer Slrasanslalt oder Gesängnivstrafe, welche aus Grund des Gesetzes vom 12. December 1893 über die Verbindungen von Uebellhalern und den ungesctzmäßigcn Besitz von Explosivstoffen verhängt werden. — Art. b. I» den von dem gegenwärtigen Ge- setze vorgesehenen Fällen, sowie in allen denen, in welchen die inerimiiiirtc Handlung einen anarchistischen Charakter trägt, können die Gerichtshof« und Gerichte ganz oder theilweise die Veröffent lichung der Verhandlungen verbieten, wenn eine solche Veröfsentlichung »in« Gefahr für Li« öffentliche Ordnung sein könnte. Jede Uebertretung dieses Verbots wird in Ge mäßheit der Vorschriften der Artikel 42, 43, 44 und 49 de» Gesetzes vom 29. Juli l88l verfolgt und niit Gcsängniß von sechs Tagen bis zu einem Monal und einer Buße von IVVO bis 10000 Franc» bestraft. In gleicher Weis« werden verfolgt und mit den- selben Eirase» belegt oll« Veröffentlichungen oder Enthüllungen in de» im ersten Paragraphen des gegenwärtigen Artikel- vorgeiehenen Fällen, von Documenten oder Aclen, wle st« im Art. 38 de« Gesetzes vom 29. Juli 1t<81 angegeben sind. — Art. 6. Die Bestimmungen deS Artikels 463 de« Strafgesetzbuches sind auf das gegenwärtige Gesetz anwendbar. Tie Bestimmungen deS Artikels 5 dürften zuerst in dem Proceß gegen Easerio zur Anwendung kommen. Die OppositiciiSpresse schäumt natürlich vor Wutb über die Annahmc des Gesetzes, während die gemäßigten Blätter Hoffnungen, aber keine bestimmte Zuversicht in diese- Heil mittel setzen. So schreibt Francis Magnard im „Figaro": „Es ist nunmehr genehmigt, dieses Geietz, da» in den Geistern wieder Ordnung schaffen und die Gesellschaft vor der anarchistischen Gefahr schützen soll. Man hat sich, wie daS begreiflich genug ist. F-nill-tsn. Thermidor. SI Erzählung von Julia» Kehlhelm. Nachdruck verlöt«» (Fortsetzung.) Ihr Tagebuch war ibr einziger Mitwisser und Vertrauter. So ganz in ihrer Beschäftigung ausgeganaeo, schrieb und schrieb sie, bi« der Abend kam und mit ihm Laguerre. Ein wenig verlegen schob sie da« Manuskript in die Sebreibmapve, dieselbe verschließend, obne den Schlüssel abzuziehen. In diesem Augenblick rief FanSon nach ihrer Pflegetochter. Laguerre blieb «inen Augenblick allein. Rasch und »nbelÄmmrrt um alle Gesetze der Delicateffc öffnete er die Schreibmapp« und durchsah da« Manuskript. Er erkannte die Bedeutung de- Geschriebenen, löste rin Blatt au- nnd barg e» «m seinem Busen. Als Avrienne nach wenigen Augenblicken wirdrrkebrte, schien Alle« unberührt. Laguerre hatte sogar seinen Platz verlassen, er saß mit einem Buche amIFenster, um von dem letzten Schein de- sinkenden Tage- zu prositiren, und wandte der Eintretenden den Rücken. Jetzt erst barg Adrirnue ihr Tagebuch im Gebeimsack ihre« Schreibtische- — erleichtert athmete sie auf. Sie schrieb zwar alle Tage — wenn ihr Herz übervoll war — doch blieb Laguerr?- Raub uuentdeckt. Zwölfte- Eapitel. An einem der nächsten Tage saß Adrienne, mit einer Handarbeit beschäftigt, am Fenster. Die kleine Ieanar spielte zu ihren Füßen. Durch da« offene Fenster drang die weiche, würzige Luft eine- herrlichen Sommerabend- in- Zimmer. Rosrnduft wehte vom Garten herüber, und der Gelang der Vögel tönte traulich an vaS Ohr Adrienne'«. Fast schien e« ihr eia Wunder, daß die Rosen noch blübte», die Nachtigallen noch sangen. Daß die Natur bei ihrem alljährlichen Programm verblieb in einer Zeit, in welcher die Grausamkeit der Menschen ibr eine« ihrer köstlichsten Privilegien entrissen — den sanfteu, schmerzlosen Greisentod, welchen gewähren zu dürfen al- Lohn eine« langen, wohlangeweadeten Leben« ihr sonst unantastbare« Recht gewesen. Ja diese düsteren Betrachtungen Adrienne'«, in welche sich gleichwohl ein unbewußte- Woblgefühl an der Wieder kehr der Rosenzeit mengte, fiel die unerwartete Erscheinung La-uerrr'S Adrienne zuckte zusammen, al- sie ihn zu früherer Stunde al« sonst — Fanchon war noch unten im Laden — in zierlicher, sorgfältiger Kleidung — welche auch sein Meister und Vorbild Rove-pierre bevorzugte, im Gegensatz zu dem wilden, zügellosen Aeußera so manchen Republikaner» — vor sich stehen sah. Laguerre trug heute eine Rose im Knopfloch und Adrienne fuhr unwillkürlich nach ihrem Busentuck, um eine Rose, die sie gleichfalls dort befestigt hatte, zu entfernen. Nicht- Ge meinsame- wollte sie mit Laguerre haben, selbst da- harm lose Symbol des Frühling- nicht. Sie beugte sich zu der kleinen Ieanne herab, als habe diese die Ros« begehrt, und steckte sie ibr in die schwarzen, dichten Locken. Dann erst wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem nue,warteten Besuche zu. Laguerre sah bleich, unruhig, verstört au«. Er zwang sich zn lächeln, brachte eS aber nur zu einer abstoßenden Grimasse. Eine herzbeklemmende Anast. wie sie die Taube empfinden mag, welche den Sperber über sick schweben fühlt, befiel Adrienne. WaS wollte Laguerre von ibr? WaS trug er in der Seele? Er ließ sie nicht lange in Ungewißheit. „Heute stehe ich al« ein Bittender vor Dir, Bürgerin Adrienne Bonterre", «röffnete er die Unterredung, »ich erflehe eine Gunst für mich, und auch Dir selbst soll sich da« Leben verändern und verschönen durch den Umschwung der Dinge. Werde meine Gattin, Adrienne! Ich bin und bleibe dann Dein natürlicher Beschützer in einer Zeit, in welcher e» einer Frau nahezu unmöglich wird, ohne den Schutz eine- Manne« zu leben." „Ihr wißt, Laguerre, daß ich nicht frei bin." versetzte Adrienne mit ruhiger Würde, wenngleich erbleichend, „und daß e» mir drSbalb nicht ziemt, der Bewerbung eine- anderen Manne« mein Ohr zu leihen " Adrienne nannte Laguerre — entgegen der Gepflogenheit der Zeit — niemals Du. Jnflinctiv war sie auch der leisesten Vertraulichkeit mit ihm auSgewichen. „Dein Gemahl hat sich iu diesen Tagen auf dem Schloß seiner Väter in, Angesicht vieler vornehmer Zeugen mit einer ebenbürtigen Gemahlin, der Priocipessa Pulcheria, vermählt. Du bist also frei!" versetzte der hartnäckige Freier. „Woher wißt Ihr da«?" rief Adrienne, während Leichen blässe ihr Gesicht überzog. „Ein Eorrespondeiit au- Genua, dem da« Geschlecht der Grafen Mancini wohlbekannt ist", versetzte Laguerre, seiner Brieftasche den fraglichen Brief entnehmend. „Wenn Du mir nicht glauben willst, welcher Dir doch niemals gelogen, dann glaube dem unbestechlichen Zeugniß Deiner eigenen Augen." Adrienne überflog dar für sie so vrrhängnißvolle Schrift stück. .E» ist richtig", sagte sie tonlos. „Dennoch vermag mich die Treulosigkeit eine« Zweiten nicht meine« eigenen Eide« zu entbinden. Ich bleibe die Gräfin Mancini bi« zu meinem Tode. Schwer genug habe ich diesen Namen erkauft, um ihn al- unveräußerliche« Eigenthum und als einzige« Erbe meines Kindes zu behalten." „ES nutzt Dir nicht«, Dich zur Gräfin anfzusteisen", ries Laguerre aufgebracht. „Du wirst doch nur stet« al« die ver lassene Geliebte de- Grasen angesehen werden!" „Verlassen ja! — Entehrt nein!" rief Adrienne mit slam- mendem Blick und glühendem Antlitz. „UebrigenS ist es gefährlich, sich als Gräfin auszuspielen in unserer Zeit", warnte Laguerre. „Sei vernünftig, Adriciine. ich bitte Dich! Tu weißt. Du sübtst es, wie unsäglich ich Dich liebe! Ich werde Dir der treueste, anfopfernkstc Gatte sein, Fanckvn verebrrn wie ein Sohn, Deinem Töchtcrcken der hingebungsvollste Vater werden! Adrienne erhöre, mich, denn ich liebe Dich mehr als mein Lebeii!" Ini Uebermaße seiner so lan^e zurückgebaltentn Leiden- schaff fiel Laguerre Adrienne zu Fügen und bedeckte ihre Hände mit glühenden Küssen. Erschreckt, empört, durch seine physische Annäherung an- grekelt, entriß sich ihm da« junge Weib. „Mir graut vor Euch und Euerer Liebe, Laguerre!" rief sie entsetzt. Und ihm mit einer zornigen Geberde die Tbür zeigend, fügte sie in gebieterischem Tone bei: »Geht! Laßt mich allein! " „Ibr verbannt mich! Ihr weist Euerem einzigen Freunde die Thür?" rief Laguerre empört. „Hütet Euch, Ibr tzi- elevLut Gräfin, vor der Feindschaft eine« Manne- in meiner Stellung. Ihr kommt au- Schottland oder gar England, der Brutstätte der Spione und Emissäre — Ihr sübrt einen ausländische» Namen, Ihr prahlt damit, eine« Grasen Ge mahlin zu sein ... Abrieune Bonterre — denn für mich tragt Ihr keinen anderen Namen und selbst diesen dankt Ihr nur dem Mitleid Euerer Pflegemutter — hütet Euch vor mir! Ihr seid eine heimliche Feindin der Republik, Ihr verabscheut de» größten Mann unsere- Jahrhunderts — RobcSpierre — Ihr erkennt in der erhabenen Feier, welche er zur Ehrung de« höchsten Wesen« anlesabl, nur eine elende Komödie.... Er, der Hohepriester, ist Euch nur der Gaukler, welcher die Menge brthört..." Adrienne fuhr erschreckt zusammen. Hatte dieser Mensch die Macht, geheime Gedanken von der Stirn zu lese». Hatte er sie bei irgend einer freien Aeußerung belauscht, oder Fanchon zum Svrechen zu bringen gewußt? Seine Drobungen schienen ihr in diesem Augenblick nicht ohne Belang. Dennoch blieb sie fest. »Ich habe Niemanden Rechenschaft über meine Gedanken abzulcgcii", sagte Adrienne mit noch bebender, doch sich lang sam festigender Stimme; „ich weiß, daß Ihr mich ängstigen, mir schaden könnt, Laguerre, allein meine Schuldlosigkeit wird doch an den Tag kommen. Und noch Eineü: Ihr behauptet, mich zu lieben? Glaubt Ihr, daß wahre Liebe einer so un edlen Racke fähig sei? Die Liebe, welche die« vermöchte, ist keine gewesen — glaubet mir!" „Und ich sage Dir, Weib, daß die Liebe, welche, verschmäht nnd verworfen, nicht in glühende Rache umschlägt, nicht den Namen der wahren Liebe verdient", rief Laguerre außer fick. „Adrienne, um Deiner selbst, um Deines Kinde- willen, versuche cö wenigsten«, mich zu lieben . . . gönne mir nur von Zeit zn Zeit einen Blick, ein gütiges Wort, einen Kuß" . . . Unk, hingerissen von der (Gewalt seiner Leiden schaft, wagte er cs, Adrienne in seine Arme zu reiße» »nd einen glühende» Kuß aus ihre vergeblich widerstrebenden Lippe» zu pressen. Mit dem Aufgebot all' ihrer Kraft riß sich Adrienne los. „Elender — ich verachte Dich!" rief sie, im Uebermaß ihrer gerechten Entrüstung jede Vorsicht vergessend, wetckc ihr sonst ihre Klugheit geboten hätte. Mit einem Schrei de« Schmerze-, welcher an den dumpfen Naturlaut eine« zum Tode getroffenen ThiereS erinnerte, stürzte Laguerre au« dem Zimmer, Adrienne mit einem sic «örtlich beklemmenden Angstgefühl zurücklassend. Dreizehnte» Eapitel. Laguerre batte seine schreckliche Drohung erfüllt. Auf seine geheime Anklage hin schmachtete Adrienne im Gesängiiiß. In einem Gemach de« einstigen Kloster« der FeuillaniS sahen drei Frauen — Adrienne und noch zwei Mitgefangene — dem Verlauf ihre» ProcesseS entgegen, welcher in diesen Tagen stets ein kurzer, mit gewalttbätigem Ende war. Fanchon S Verzweiflung bei der Gefangennahme Adrienne'S war eine namenlose. Noch hoffte sie aber ans Beweise der Schuldlosigkeit ihrer Pflegetochter und auf ihre Rückkehr zu ihr. Atrieiinc schüttelte nur traurig ihr schöne- Haupt. Sie sah weiter als ihre Pflegemutter und wußte, wie in dieser Zeit da- Beweisverfahren gegen die Angeklagten geführt wurde. Cie wußte, daß sie ein Opfer der Rache Laguerre'«, daß eS diesem gelingen werde, da- Obr de- Diktator« mit giftigen Anschuldigungen gegen sie zu füllen — doch hoffte sie, c- wiirden Beweise idrer Gesinnung fehlen. Da legte man ibr beim ersten Verhöre ibrc von Langucrre'S treuloser Hank ent wendeten Tazebuchblältcr vor. in welchen sic sich so küh» über RobcSpierre geäußert batte. (Fortsetzung sol,t.)
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