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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 31.03.1897
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-03-31
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970331022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897033102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897033102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Ausgabe beschädigt
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-03
- Tag1897-03-31
- Monat1897-03
- Jahr1897
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Za der gestrigen Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses brachte der natioaalliberale Abg. Eckels die Sache zur Sprache und erbat sich Aufklärung vom Zustizminister Schönstedt, der ausdrücklich dafür dankte, daß ihm Ge legenheit geboten sei, sowohl über den Vorfall, der zur Begnadigung geführt, und die Hergänge bei der Be gnadigung selbst, als auch über vie Persönlichkeit und den „Einfluß" deS Privatsecretair- Pfahl sich zu äußern. Und er äußerte sich so, daß man de» dem Vertreter der Staats anwaltschaft in Hilde-Heim zugeschriebenen Ausspruch, er sei von der Begnadigung der drei in Rede stehenden Personen „frappirt", nur begreift, wenn man mit dem Zustizminister annimmt, er sei ein „junger, unerfahrener" Mann, und wenn uian ferner voraussetzt, er habe über die Gründe der Be- gnadiaung nicht die genügenden Erkundigungen eingezogen. Die Begnadigung ist nämlich nicht infolge des Pfahl'scheu Begnadigungsgesuchs, sondern infolge anderer Gesuche, eines ärztlichen ZeuanisseS und von Attesten erfolgt, die eine Be gnadigung wohl rechtfertigen. Daß Pfahl in den Geruch ge- konine» ist, durch hohe Verbindungen Begnadigungen herbei- führen zu können, verdankt er hauptsächlich der Gut- müthizkeit deS Geheimraths Horstman», „dessen angeborene Höflichkeit ihm verbot, einen Mann von Pfahl'« Kaliber so zu behandeln, wie er es eigentlich verdient!" Künftig wird diese unangebrachte Höflichkeit wohl wegfallen und dadurch Herr i Psahl die Gelegenheit genommen werden, mit hoher Verb ndnng zu prunken. Da außerdem die StaatSanwalt- schaf' in Hilde-Heim Berufung gegen da- freisprechende Nr- lheil der Strafkammer eingelegt hat, wird man ja wohl auch weiche Knjffe und Ränke der gestern von Herrn Schönstedt zur Genüge gekennzeichnete Mann es dahin gebracht bat, in den Ruf eine- erfolgreichen Verfertiger« von Gnadengesuchen zu gelangen und mit Hilfe diese« Rufes von seinen Kunden bohr Summen berauSzupresfen. Während nun nun annehmen sollte, daß diese rasche Aufklärung über die dunkel gebliebenen Fragen einer sensationellen Gerichtsverhandlung auf allen Seiten d:S H auseS begrüßt worden wäre, glaubte der conservalive Abgeordnete Graf Limburg - Stirum die ganze Erörterung bekritteln zu müssen. Er kam mit der Unter stellung, daß eine Kritik deS Begnadigungsrechte« selbst herbei geführt werden solle, und bestritt die Berechtigung des Hause«, ans den Fall einzugehen. Da der Zustizminister, der Vice- präsiernt vr. Krause und der Abg. Eckels dem Herrn Grafen da« Nöthige entgegneten, so ist e« nicht nöthig, e- nochmal zu sagen. Sein merkwürdige« Verhalten wäre allenfalls verständlich, wenn er beanspruchte, daß alle Fragen, welche im Znterefse de« Ansehen« der Krone und der Beruhigung de« Volke« vorgebracht werden, seine Censur passiren müßten. Zm Abgeordnetenhause ist man aßer von der Bedeutung be hoben Herrn nicht genügend dadchdrimgen. um ihm diese« Vorrecht einzuräumen. Wenn er geringschätzig auf Zeitungs artikel herabsieht, so werden die Verfasser sich dadurch nicht gekränkt fühlen. E« kommt heutzutage auf Zeitungsartikel, wenn sie begründet sind, mehr an und e« wird an maß gebenden Stellen mehr auf sie gegeben, als auf Redner von dem Kaliber de« Grafen Limburg-Stirum. Da« preußische Abgeordnetenhaus war schon am Montag der Gegenstand einer unerquicklichen Debatte. ES kamen da gewisse gegensätzliche Auffassungen zwischen Beamten und Bürgern zur Sprache, Gegensätze, die im Znterefse deS Staates unterdrückt oder wenigsten- nicht zum AuStrag ge bracht werden sollten. Der Regierungspräsident von Hannover war in einer allerdings nicht geschickten Form aufgefordert worden, einem ConiitS für die Centeuarfeier beizutreten. Diese Form gab ihm den Anlaß, den Beitritt zu verweigern. Man wird nicht darüber erstaunt sein können, daß diese Weigerung in den Kreisen des Bürgerthum« Miß stimmung verursachte, um so weniger, als in bürger lichen Kreisen nun einmal auf die Form ein nicht so entscheidender Werth gelegt wird, wie in den Kreisen deS BeamtenthumS. Darin liegt gewiß ein Gegen satz zwar nicht der sittliche», aber der gesellschaftlichen Auf fassung. Sache Dessen aber, der im Besitz einer höheren Bildung und einer höheren Stellar zu sein glaubt, ist cS, die Auffassung des Anderen zwI^^'L^zu theilen, aber zu )ürdigen uud entweder den Gez^^^ht zu beachte», oder letzende Weise auS- '»nover hätte 'inende Form vrranlassen ndere Form war ein oer zahlreichen baden konnten, reulich ist, geht bgeordneter dem entrum ist ja im age gewöhnt, mit oer Streit zwischen ,en Wels-n ;n Gute ihn auf eine milde, den And,- ^ ^ zugleichen. Der Regierung F'-" demgemäß entweder die ik der Einladung übersehen'* können, daß in Zukunft beliebt würde. Die Wei radikaler Schritt, an dev Welfen und Socialdemo Daß die Angelegenheit , schon daran« hervor, da Standpuncte der Regier,.^ preußischen Landtage so» ^ den Welfen zu heulen. Ha Regierungspräsidenten und Bürgerth kommt, so wird, wie wir fürchten, der m Königsberg nun schon so hing» Zeit ttzbende Md bei der E:ntr»,c".ftier wiederum zum Ausbruch gekonlmene Kampf zwiscyc.. oir Verwaltung und den Bürgern der Socialvemokratie Vortheil bringe». Zn kurzer Frist wird in Königsberg eine NeichStagSersatzwahl stattsinden müssen. Gehen die bürgerlichen Parteien in Königsberg bei der Stichwahl, besser aber noch vonvornherein, geschlossen zusammen, so kann der socialdemokratische Bewerber auS dem Felde geschlagen werden. ES ist aber sehr zu be sorgen, daß der durch den Börsenaartenconflicl und seine vielfachen Fortsetzungen in die Bürgerschaft hinein getragene Zwiespalt den Socialdemokraten den Sieg noch leichter machen wird, als im Zahre 1893. Der Kaiser hat wiederholt das Volk aufgerufen, sich zu ermanne» und ge meinsam die Socialdemokratie zu bekämpfen. Zu den Volks genossen, zu den Kämpfern gegen die Socialdemokratie ge hören aber die Beamten und die Bürger gleichermaßen. Wenn sich zwischen den Bürgern und den Beamten eine Kluft aufthut. so ist ein freudige« Zusammengehen aus geschlossen. Der Kampf gegen den SocialiSniuS ist dann schon verloren, noch ehe die Schlacht geschlagen ist. Deshalb haben Diejenigen, die als Beamte des Staates de» StaatS- intereffen nicht bloS aus allgemeiner bürgerlicher Pflicht, sondern kraft ihres Berufe« zu dienen haben, die ganz be sondere Verpflichtung, ein herzliches Einvernehmen mit dein Bürgerthum zu pflegen. Vor alle» Dingen aber müssen sie eS vermeiden, um wirklich geringfügiger Veranlassungen willen Mißhelligkeiten hervorzurnsen. Die kretisch-griechische» Wirren fangen an, den Groß mächten völlig über den Kopf zu wachsen uud sie zu Experimenten zu verleite», die nur ihre gänzliche Rathlosigkeit documentiren und geeignet sind, die Lage unheilbar zu ver schlimmern. Wir theilen zunächst die Meldungen über die weiteren Vorgänge auf Kreta mit: * Athen, 30. März. (Meldung der „Ageuce HavaS".) Ge mischte Truppenabtheilungen besetzte» das Fort, welches die Wasserleitung für Kanea beschuht, andere Truppen« abtheilungen werde» das Fort Jzzedin besetzen. Auf Spina- longa (bei Candia) kam eS zu einem lebhaften Kampfe. Die Türken, welche die Insel besetzt hielten, wurden von den Aas- ständischen vertrieben. Letztere beschlagnahmten ein türkisches Schiff, welches mit Munition beladen war. ^ Ka«ea, 30. März. (Meldung der „Agence Havas".) Nach, mittag- 4 Uhr griffen die Aufständischen das Fort Jzzedin an, das den Eingang der Sudabai beherrscht. Die fremden Kriegs schiffe feuerten auf die Kreter, um das Fort, das von den Türken mit 12 Geschützen und einer Mitrailleuse besetzt ist, zu unterstützen. * Landau, 31. März. (Tel.) Wie der „Standard" auS Kanea unter dem 30. d. berichtet, dauerte daS Gefecht bei Spinalonga 48 Stunden. Die Türken gaben die Stellung unter schweren Ber- lüsten auf und zogen sich in eine geschützte Stellung der Insel zurück. Der französische Admiral begab sich nach Spinalonga, vermutblich, um einen Ersatz der Türken herbeizuführen. <k. 0. Athen, 30. März. Die Führer der Kreter beschlossen, als Antwort auf das neue Bombardement, gegen die wenigen von Muhamedaner» noch besetzten Panel« vorzugehen, die nicht unmittel- bar am Meere liegen. Es stehen daher für die nächsten Wochen sehr ernste Kämpfe auf der Insel bevor. Um alle diese Kämpfe zn verhindern und der auf die Annahme der Autonomie durch die Kreter gerichteten Action der Admirale die Bahn freier zu machen, ist man auf den Gedanken verfallen, die Pforte zur Zurückziehung ihrer noch auf der Znsel stationirten Truppe» zu veranlassen. Man meldet uns darüber: * Laudon» 30. März. (Unterhaus). Der Parlameutsunter- secretair des Aeußern, Curzon, erklärt, am 25. d. habe der russische Botschafter in Konstantinopel den anderen Botschaftern von einem Telegramme des russischen Admirals vor Kreta Mit theilung gemacht, in welchen, dieser im Namen der Geschwaderchefs betont, dag ein europäischer Generalgouverneur von Kreta ernannt werden solle und zwar mit umfassenden Vollmachten und den nöthigen Fonds, und daß die Pforte aufgesordert werden solle, allmählich ihre Truppen zurückzuziehen» soweit die Admirale dies für erforderlich hielten. Diese Vorschläge hätten die volle Unterstützung der britischen Regierung, welche keine Gelegen» heit verabsäumt habe, die Wichtigkeit derselben zu betonen. Die Vorschläge würden gegenwärtig von den Mächten erwogen. Schon der Umstand, daß dieser Vorschlag von englischer Seite gekommen und infmer wieverholt worden ist, macht denselben verdächtig. Daß die sämmtlichen Geschwaderchefs, voran der russische, sich ihn jetzt zu eigen machen, zeigt die absolute Hilflosigkeit der auf einen verlorenen Posten gestellten Vertreter der Mächte. Allerdings würde», wenn der letzte türkische Soldat die Insel verlassen hätte, die blutigen Kämpfe zwischen Zusurgenten und Türken aufhören, aber dann wäre die Gefahr eines Zusammenstoßes zwischen den Auf ständischen und den europäischenTruppen kaum mrlr abzuwenden, denn daß die Ersteren vor dem Versuch,Europa ans Kreta hinauszuwerfen, nicht zurückschrecken, haben sie ja schon durch die Beschießung von jgroßmächtlichen Schiffen uud Officieren kundgethan. Zetzt hat man eS nur mit einem Krieg zwischen der Türkei und den Aufständischen zu thu», bei welchem die europäischen Truppen den Ersteren so weit Hilfe leisten, als eS „zur Aufrechterhaltung der Ordnung in den Küstcnplätzen" nöthig ist, nachher befände sich Europa selbst auf Kriegsfuß mit den Znsurgenten und die Folge davon wäre, daß die Mächte zu einem sehr großen Truppenaufgrbol schreiten müßten, um Kreta zu occupirru und ihm die Autonomie aufzuzwingen. Oder glaubt nach den be stimmten Erklärungen der Znsurgenten heute noä, Jemand daran, daß dieselben mit einer anderen Lösung als dem Anschluß an Griechenland sich zufrieden gebe» werden? Nun aber wird der „Nordd. Allg. Ztg." auS Wiener eingeweihten Kreisen versichert, die Mächte seien nick, gewillt, eine größere Truppenniacht nach Kreta zur Nieder werfung des Aufstandes zu entsenden. Sie thuen gut daran, deun Lorbeeren sind dort nicht zu holen. Aber was soll werden, wenn auch die türkischen Truppen zurückgezogen und keine europäischen Verstärkungen eingetroffen sind? Dann mögen die jetzt über die kretischen Hafenplätze verstreute» Detachement« sich vorsehe», daß ihnen nicht« Ueblcs widerfährt, und die Blamage Europa« noch größer wird, als sie eS bereit« ist! Dan» mögen auch sie sich schleunigst einschiffen. Statt, waS da« einzig Richtige wäre, der Pforte die Landung genügender Streitkräfte zu gestatten uns diese mit den Znsurgenten fertig werden zu lassen, giebt man die Znsel bereits völlig prei«. Denn daß man sich auch nach der Entfernung der türkischen Besatzung von einer Beeinflussung der Kreter im Sinne der ihnen angrbotrnen Autonomie nichts mehr verspricht, geht auS der weiteren Wiener Meldung der „Nordd. Allg. Ztg." hervor, daß man, statt Verstärkungen nach Kreta zn schicken, beschlossen habe, einen wirksamen Druck auf dir> griechische Regierung auSzuüben und daß man von diesem Schritte, bei welchem dem Hafen von Dolo eine besondere Rolle zugedacht sei, sich den er wünschten Erfolg verspreche. Hinzugesügt wird, eS seien „Ver handlungen darüber im Zuge". Man sicht aus diesem Zusatz, daß die Mächte in der Frage der Blockirung der griechischen Häfen noch immer auf dem alte» Flecke sind. Einig sind sie sich bloS darüber, daß sie zu einer Vereinbarung kommen wollen, und sollten sie wirklich zu einer solchen gelangen,dann ist es immer noch sehr fraglich, ob England sich betheiligt. Schreitet man aber thatsächlich zur Blockade, so löst man damit selbst den ersten Kanonenschuß an der thessalischen Grenze, waS zn verhindern von vornherein da- Ziel der Mächte war. Tie Blockade der griechischen Häfen ist eben geradeso eine ver spätete Maßregel, wie die Kretas; sie hätte Erfolg gehabt, wenn man, wie der deutsche Vorschlag wollte, sofort nach der Landung griechischer Truppen ans Kreta zn ihr gegriffen hätte, jetzt, nachdem man den Griechen Zeit gelassen bat, in Thessalien sich kampfbereit zu machen, hat die Blockade keinen Zweck mehr und wenn, was wir allerdings bezweifeln, die Admirale wirklich ihren Regiernngen gerathen haben sollten, von der Blockade ganz abzusehen, so brauchte man sich darüber nicht zu wundern. Rückzug der GroßmLchie und Kriegserklärung der Pforte an Griechenland, das ist der einzige Weg, ans welchem vielleicht jetzt noch eine Lösung FerriHet»«» Immer vernünftig. 8) Novell« von August Nie mann (Dresden.) Nachdruck Verbote». Aber nein, sagte er sich, eS wäre unvernünftig, wenn ich i» meiner mißlichen Lage ein ganz arme- Mädchen bcirathete. Zch kann doch nicht als Knecht aus dem Dorfe arbeiten. Sein einziger Trost war jetzt, daß da« verletzte Knie sich schnell besserte. Er konnte mit einer festen Binde wieder im Zimmer umhergehen. So war er denn erfreut, als ihm der Stabsarzt mittheilte, seiner Rückkehr in die eigene Wohnung stände nicht« mehr im Wege. Theodor beschloß, dem General diese Erklärung de« rzteß anzuzeigen, und setzte sich zu dem Zwecke au den chreibtisch. Er hatte nämlich auch den General seit jener Lffnung nicht mehr zu sehen bekommen. Doch wurde er m ^.chreibe» unterbrochen, sein treuester Freund, der * l^ent, trat ein. -jewisse Befangenheit diese« sonst so ruhigen Herr» ^'or aus. macht die Philosophie?" fragte er. Freund, entgegnet« der Privatdocent, wen» ich ^ verstanden habe, so ist Zhre romantische Zdee, enstmädchen Minna Seifert zn heirathen, völlig rer- ßt sie Seifert? DaS habe ich nicht gewußt." rrding«. Bei meinem letzten Besuche, vor vier oder gen, erklärte» Sie bestimmt, daß Sie Minna kein on einer beabsichtigten Heirath gesagt hätten und daß Zhrer gegenwärtigen Lage nicht daran denken könnten, eirathen." >z recht, da» habe ich gesagt. Aber wie kommen Sie Da* Mädchen hat doch nicht etwa behauptet, ich r Versprechungen gemacht?" a, durchaus nicht. Nor habe ich bestimmte Gründe, rer Gesinnung zu versichern und positiv zu wissen, absolut nicht in näherer Beziehung zu Minna feierlich?" ine Ehre al* Rescrveofficier schreibt mir mein Be vor." „Gut", sagte Theodor lachend, „ick sage Zhnrn positiv, daß ich >zu Minna in keinem andern Verhältniß als dem der christlichen Nächstenliebe stehe." „Nun denn, so darf ich ohne Scheu sprechen." „Sprechen Sie ohne Scheu!" „Die Vorzüge, die Zhnen an dem jungen Mädchen auf fielen, sind auch von mir nicht unbemerkt geblieben, und.. „Erlauben Sie", saZte Theodor, ihn mit etwa« gereiztem Tone unterbrechend, „Sie bediene» sich beute sonderbar ge schraubter Wendungen." „Sonderbar?" fragte der Privatdocent stirnrunzelnd. „Nun ja, Sie pflegten sonst einfacher zu sprechen." „Zch bedanre, daß Zhnen meine Sprechweise heute nicht gefällt", sagte der Freund, indem er aufstand. „Zch will Sie deshalb nicht länger belästigen. Nur halte ich eS für Ehrenpflicht, Zhnen gegenüber zu erklären und Zhnen zuerst Anzeige davon zu machen, daß ,ch mich mit Fräulein Minna Seifert verlobt habe." „Ich gratulire", sagte Theodor. „Warum sehen Sie mich so an ?" fragte der Privatdocent. „Nicht um ein zweites Duell zu provociren", enigegnete Theodor, sondern mit der Bewunderung, die unS ein Philo soph einslößt, der die Lehren der Philosophie selbst befolgt." „Solchen höhnischen Bemerkungen habe ich nicht Luft mich länger auSznsetzen. Zch empfehle mich", sagte Jener. „Merkwürdig", dachte Theodor, al« der ehemalige Freund ihn verlassen hatte. „Merkwürdig! ES war, al« suchte er Streit. Warum? Mache ich ihm etwa die Minna streitig? Er war wie ein Mann mit bösem Gewissen, der seine Recht fertigung sucht. Wie sonderbar überhaupt, daß Leute mit bösem Gewissen immer ihre Rechtfertigung suchen! Auch dann, wenn ihnen keine Strafe droht. Offenbar wollen alle Menschen vor sich selbst al« gerecht und gut dastehrn. Offenbar haben sie also alle eine heimliche Kenntniß davon, daß die Gerechtigkeit da« höchste Gut ist. Offenbar besteht also da» Glück in der Ge rechtigkeit der Seele. Dahin aber kann doch nur dir Vernunft führen; sie mnß der Leitstern sein." Theodor schrieb sein Billrt an den General und schickte r« hinüber, indem er überlegte, wie er wohl auf die zarteste Weise dem Zureden der Familie zu längerem Bleiben de- geanen könnte. Er war ans zärtliche Borwürfe und Bitten Doch weder die Gräfin, noch Eomtesse Bertha, noch auch Seine Excellenz erschienen. Niemand lud ,hn rin, sein Zimmer zu behalten. Der Bursche allein kam nach einer Weile und fragte, wann er die Droschke hole» solle. „Zum Henker," rief Theodor, „holen Sie sie sofort!" Er ließ seinen Koffer wegtragen, stieg, auf den Arm des Soldaten gestützt, in den Wagen und ließ zwei Visitenkarten zurück. Al« er vor seiner Wohnung kielt, schaute er mit einiger Bewegung nach der Braut des Privatdocenten auS, aber nur ein Zunge von etwa fünfzehn Zähren kam au« der Thür. Er fragte nach der Frau Räthin und traf sic zu Hause. „Sie haben Ihr Dienstmädchen nicht mehr?" fragte er. „Ach nein, Herr Hauptmann. Man hat zu viel Aerger mit den Mädchen, da habe ich für da« Putzen und für Wege in der Stadt einen jungen Menschen genommen, der letzte Ostern confirmirt ist, und für die andere Arbeit eine Aufwartefrau." „Mit der Minna haben Sie Aerger gehabt?" Der Räthin graue Augen blitzten, und die Stricknadeln in ihren Händen klirrten. „Eine nette Bescheerung!" sagte sie. „Da bat die Person eine Erbschaft gethau. Der Vater in Amerika ist gestorben und hat ihr eine halbe Million Dollar« binterlassen. Natürlich war sogleich ein kluger Herr da, der sie sich ein- gesangen bat. Vorgestern ist sie abgezogen und bei einer Professorsfamilie in Pension gegangen, die Schlange. Za, ja, je ärgere- Stück, desto größere« Glück." ri» Theodor hatte seinen Tschibuk mit türkischem Tabak ge stopft und lag bedächtig rauchend im Lehnstuhl. ,L)l> da- wohl richtig ist", fragte er sich, „WaS die Frau Räthin andentete, indem sie das größere Glück der größeren Schlechtigkeit zuertheilte? Zch habe die entgegen gesetzte Ansicht, indessen kommen mir doch auch Augen blicke, wo ich zweiste. Vielleicht hat die Frau Räthin die Hälfte der Wahrheit getroffen. Don dem, waS der Dichter Lheogni» singt, nämlich, daß die Götter Alle« geben, der Mensch jedoch nickt- zu seinem Glücke vermag, davon hat die Frau Räthin eine gewisse Ahnung, doch nicht da« volle Lickt. Jedenfalls bin ich mit meinem Plane, immer der Verrinnst zn folgen, mehrere Male auf den Holzweg gerathen. Offenbar ist da« Ziel, angenehm zu leben, ein falsche« Ziel, Oder, besser gesagt, man müßte wissen, wa« auf die Dauer angenehm ist, um da« Glück im Angenehmen suchen zu können. Zch kannte einen Herrn, der e« angenehm fand, gut zu soupiren, schließlich aber wegen eine» MagenleidenS nur noch Milch und alte Semmel vertrageu konnte, WaS ihn, sehr unangenehm war. So habe ick mich gründlich getäuscht, als ich die Ruhe des Rentiers der Unruhe deS Frontsoldaten vorzog; denn so unangenehm, wie sich mein Leben seitdem gestaltet bat. ist eS während deS Dienste« niemals gewesen. Hm! Die Familie Montbar hat sich letzthin so kühl benommen, daß ich mich mit einem schriftlichen Danke begnügen kann. Dir Leute müsse» dock irgend etwa- iibelgenommen haben. DaS wird sich später ausklären, ich werde den General aufsuchen, sobald ich wieder ordentlich marschiren kann, werde die versprochene Anstellung fordern, und dann wird sich Herausstellen, wie die Sache liegt. klebrigen» erinnere ich mich noch zur rechten Zeit, daß der Philosoph Kant daS Gebot der Pflichterfüllung auf den Thron erhebt. Zch muß doch reichlich überdenken, was im gegen wärtigen Falle meine Pflicht ist. Möglicherweise bringt die Pflichterfüllung da« Glück." Theodor versank immer tiefer in Grübeln, vermochte jedoch nichts herauSznbringen, WaS seiner Absicht, Major zn werden, widersprochen batte. Uud so befestigte sich in ibni der Entschluß, den dienstlichen Besuch beim General zu machen. „Man hat auch Pflichten gegen sich selbst, backte er; denn wir sind wohl kan», im Stande, unsere Pflichten gegen Andere zu erfülle», bevor wir die gegen nnS selbst erfüllt haben. Ja, wenn ich Las Wesen unserer Religion recht be griffen habe, so ist der Egoi»m»S unsere höchste Pflicht. Meine eigene Seligkeit soll ich durch Gotte-liebe und Nächsten liebe erlangen. Wie dem aber auch sein möge, nnd was auch die Sophisten Vorbringen mögen, um den eigentlichen Kern aller Frömmigkeit zu verstecken — immer bedarf ich doch der Vernunft zur Erkenntniß meiner Pflicht, und so ist mein alter Grund, stet» der Vernunft zu folgen, trotz aller meiner Fehlgriffe, an sich noch gar nicht unvernünftig." Er hatte seinen Tschibuk ausgeraucht nnd überlegte, ob er ihn wieder füllen sollte. „Nenen Tabak kann ick nickt kaufen. Meine Pension langt für solchen Luxu» nicht an». Ick muß mich ans Ernährung beschränken nnv die Anregung wrglassen. Ist e» na» ver nünftiger, den Tabak schnell wegzurauchen nnd dann diese», Laster zu entsagen, oder ist e« vernünftiger, hanSzubaitea und den Tabak in die Länge zu ziehen? Ach wa», ich will rauchen, s» lange e< mir schmeckt." Glücklicherweise wurde da« Knie schnell wieder kräftig, und Theodor begab sich zur Commandantur. „Excellenz hatten die Gnade, mir meine Reactivirung in
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