01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-04-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970415017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897041501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897041501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-04
- Tag1897-04-15
- Monat1897-04
- Jahr1897
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Größere Schriften laut unserem Preis- vcrzeichniß. Tabellarischer und Ziffernjap nach höherem Tarij. (Sxtra-Beilage» (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Pvstbeförderuag 70.—. Änuahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» sind stets an die Expedition ^ zu richten. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. 191. Donnerstag den 15. April 1897. 91. Jahrgang. National - sociale Illusionen. — Herr Pfarrer Naumann bespricht ia der „Zeit" den auch von uns (Leipz. Tagebl. Nr. 187) wiedergegebenen Angriff Or. Schönlank's gegen Liebknecht, um zu Folgerungen zu kommen, die vom national-socialen Standpunct allerdings nicht verwunderlich sind, aber nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Zunächst nieint Pfarrer Naumann, in der offenen Anerkennung, daß der im Erfurter Programm noch siebende Satz von der sich stetig verschärfenden Verelendung der arbeitenden Classe nicht mehr zu halten sei, liege ein Ausgeben der RevolutionStactik.denn wenn eine Besserung innerhalb der vorhandenen Gesellschaft erreichbar lei, so habe cS keinen Sinn, die Revolution zum Mittelpunkt des politischen Denkens zu machen. Man muß billig staunen über die hier offenbarte Unkenntniß der geschichtlichen Ent wickelung der deutschen Socialdemokratie, die mit dem revo lutionären Grundcharakter ihrer maßgebenden Führer steht und fällt. DaS vom Statistiker Or. Schönlank ebenso offen, wie vom Socialdemokraten Schönlank unvorsichtig ausge sprochene Zugestäudniß einer sich stetig bessernden Lage der bandarbcitenden Elasse ist nichts weiter als die Anerkennung einer von einsichtigen und objektiven Kennern unserer socialen Verhältnisse mit statistischen und aus der eigenen Praxis geschöpften Belegen ebenso beweiskräftig unterstützten, wie von der Socialdcmokratie bislang hartnäckig und, wie 1>r. Schvnlank beweist, wider besseres Wissen bestrittenen Thatsache. Aus dieser von Or. Schönlank preis- gegebenen, nicht von gestern oder heute stammenden Erkennt nis nun hoffnungsfroh zu folgern, daß damit die Revolutions- laktik fallen gelassen und die Socialdemokratie im Begriff sei, sich zum StaalösociaiiSmus zu bekehren, oder richtiger in die weit geöffneten Arme der Naumann und Genossen zu sinken, be stätigt lediglich die von uns stets vertretene Auffassung der von den National-Socialen betriebenen Illusions-Politik. Die Partei, die im Absatz 2 des Gothaer Programms ans dem Satze „Bon diesen Grundsätzen ausgehend, erstrebt die socia- listische Arbeiterpartei Deutschlands mit allen gesetzlichen Mitteln den freien Staat und die socialistische Gesellschaft", VaS Wort „gesetzlichen" einstimmig strich und im Erfurter Programm die „Verwandlung des capitalistischen Privat eigenthums an Produktionsmitteln — Grund und Boden, Gruben und Bergwerke, Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Verkehrsmittel — in gesellschaftliches Eigenthum u. s. w." fordert, muß, ganz abgesehen von anderen Aeußerungen i,laßgebender Führer über den wahren Charakter der social- demokratischen Partei, revolutionär sein oder sie wird nicht sein. Außerhalb der eigenen Reihen wird Pfarrer Naumann für diese seine Auffassung ebensowenig Zustimmung finden, wie bei der Socialdemvkratie, die ihm die Antwort nicht schuldig bleiben wird. Ferner begrüßt Pfarrer Naumann das Schönlank'sche Wort „von der Thatkraft, mit der die Arbeiterbewegung drängende nationale Cultur- aufgaben auf dem Gebiete der Politik und der socialen Re form durchführen soll", als das hervortretende Bedürfniß, „positive Politik zu treiben und sich nicht in der Weise der alten Führer in endlose Oppositionsrederei zu verlieren". Dieses Bedürfniß, positive Politik zu treiben, dürfte für jeden wirklichen Vertreter der arbeitenden Classe seit Errichtung deS Reiches Vorgelegen haben. Ihm ist in größerem oder geringerem Maße von allen politischen Parteien mehr Rechnung getragen, als von der Socialdemokratie, die die Arbeiterinteressen in Generalpacht genommen zu haben vor- giebt. Nichts hätte Or. Schönlank und Andere gehindert, im Reichstage, dem sie lange genug angehören, positive Politik z» treiben. Wie die „Genossen" ihre Ausgabe als Interessenvertretung der Arbeiter verstanden haben, wollen wir ihnen und Herrn Pfarrer Naumann in» Gedächtniß zurückrufen. Die Socialdemokratie hat im Reichstage gestimmt: gegen die Krankenversicherung (1883), - - Unfallversicherung (1884), - - Invalidität-- und Altersversicherung (1889), » - GewerbeschieVSgerichte (1890), gegen das Arbeiterschutzgesetz (18H1), - - Bürgerliche Gesetzbuch (1895), » alle Börsengrsetze (1881—1893), » daS Börsengesetz (1895), - - Gesetz zur Bekämpfung des unlautern Wett bewerbs (1895), - beide Wuchergesetze (1890, 1891), - alle Umgestaltung des Zolltarifs zu einem Schutz der nationalen Arbeit (1879). Angesichts dieser negativen Thatigkeit, an der „Genosse" Or. Schönlank seinen vollgeiiieffenen Antheil hat, zu glauben, daß hier auS einem Saulus ein Paulus geworden und Or. Schönlank geneigt sei, positiv und dann selbstverständlich in Naumann's Sinne mitzuarbeiten, beweist von Neuem die Unkenntniß der tbatsächlicheu Verhältnisse. Die Stärke der „Genossen" hat von jeher in der Kritik und der Negation gelegen, im Bessermachen haben sie noch immer versagt. Den Boden dieser Negation und Kritik zu verlassen, wäre ein mehr wie gefährliches Unterfangen. Schließlich spricht Herr Pfarrer Naumann dem „Genoffen" Or. Schönlank auch nachträglich seine Freude aus über deS Letzteren Auftreten vor reichlich zwei Jahren auf dem Breslauer Parteitage. Herr Naumann hat dabei wahrscheinlich an die nachstehende recht deutliche Auslassung Schönlank's zum Agrarprogramm gedacht: „Wir müssen verhüten, daß die nägelbeschlagenen Schuhe der Bauern und der Bauernsöhne sich gegen uns wenden, wir müssen sie neutralisiren, pacificiren. Bevor wir die Axt im entscheidenden Moment an die Wurzel des Baumes legen, bevor wir ausholen zum entscheidenden Schlage, müssen wir das Erdreich lockern, in dem er steht, damit der Baum beim Niedersturz die ganze kapitalistische Mißwirthschast zu Boden schlägt." Da Herr Naumann in der Lockerung des Erdreichs, welches die Wurzeln des Reichsbaumes hält, ja auch schon etliches geleistet hat, ist der Zug zu der congenialen Natur Schönlank's verständlich, wenn er auch meint, daß zwischen Schönlank's und seiner Auffassung ein wesentlicher Unterschied bestehe. Wir haben davon noch nichts gemerkt. Leihilfen für bedürftige Lriegsveteranen. ^ Unter den Forderungen des Nachtragsetats: der nach Ostern im Reichstage zur Erledigung gelangt, findet sich auch dem Wunsche des Reichstags entsprechend der Posten, der es ermöglichen soll, wie der ReichstagSbeschlnß vom 23. Februar lautete, „soweit als möglich" den erwerbsunfähigen und unterstützungsbedürftigen Veteranen eine jährliche Unterstützung von 120 zu gewähren. Bisher wurde 15 000 Beteranen diese Unterstützung zuTheil; es hat sich aber herausgrstellt, daß noch rund 8000, welche auf dieselbe Unterstützung Anrecht hatten, sie nicht erhielten, weil für sie der Etat keine Mittel auswarf. Der Nachtragsetat erhöht nun den bisher dafür ausgewor fenen Betrag von 1,8 Millionen um 600 000 also um ein Drittel, so daß, wenn der Reichstag die Forderung ge nehmigt, noch weitere 5000 Veteranen den Ehrensold erhalten werden. Damit aber blieben immer noch etwa 3000 be rechtigte Anwärter auf diese Unterstützung unbefriedigt. Die Reichsfinanzverwaltung hat nun der Nachtrags- forderung eine Erläuterung beigegeben, welche über die zur Verfügung stehenden Mittel eingehend sich äußert; sie besteht aus einem technischen Gutachten der Verwaltung des Reichs- invalidenfondS und einem über die engbegrenzten Berech nungen derselben im Interesse der Veteranen weit hinaus gehenden Obergutachten LeS Reichsschatzamtes. Nach dem Gesetz vom Jahr 1895 wurde aus den Ueberschüssen des ReichS- invalidenfonds ein Capitalbetrag von 83 Millionen Mark ab gesondert, mit der Bestimmung, daß er nicht verbraucht, sondern daß nur seine Zinsen für drei in dem Gesetze näher bezeichnete Zwecke aufgewandl werden sollte», von denen der dritte dahin ging, daß 1,8 Millionen Mar! zu jährlichen Beihilfen für bedürftige Kriegsveteranen aufgewandl werden sollen. Bis 1896/97 sind von den Zinsen dieses CapitalS erspart worden 1.5 Millionen Mark; .dabei ist nicht voll- stä ibia rur Erfüllung gekommen der dritte Zweck, die Our sor'e tti/bie hilfsbedürftigen Veteranen, denn, wie oben gefag, « ./ ick daß 800.., die ein Anrecht batten, nichts er hielten Die Verwaltung d-S N-ichSinvali^ Rechnung eine Verzinsung des ^.^Mig"onen Grunde. Für die Bewertbung der ersparten 1,^ Mark welche vollständig zur Verwendung kommen sollen, «cbuet sie weiter bei einen. Durchschnittsalter der m Frage stehenden Veteranen von 52 Jahren, aus eine nettere Oc,. dauer der Unterstützungen »on.21 Jahren, so daß daraus 2200 Kriegstheilnehmer unterstützt werden konnten- Z Abrundung könne man aus 3300 Personen h'naulgelen, m den, man den Jahr-Sanswand auf 100 000 ansetze Das Reicksschapamt hat die Gesammtdauer der Unterstützungen nickt so hoch veranschlagt und zutreffend den ZmSsutz auf 3>.. Proc für eine Reihe von Jahren angenommen und so seinerseUs den, oben erwähnten Betrag von 600 000 .6 ,n den Etat eingestellt. . . „ ^ - So sehr dieses Vorgehen der ReichSsmanzverwaltung, die dabei die Grundsätze einer vorsichtigen Haushaltung nicht aus dem Auge verloren, anzuerkennen ist, so ist doch »och zu erwägen, ob ibr nicht die Vollmacht gegeben werden sollte, noch weitere Mittel zu verwenden, um auch die übrigen Veteranen, die jetzt noch ausfallen. soweit als möglich zu bedenken. Es sagt nämlich die Erläuterung deS Nachtrags- etals weiter, es sei nicht ausgeschlossen, daß das Er- gebniß der im laufenden Jahre aufzustellenden neuen Bilanz dcö Neichsinvalidenfonds voraussichtlich noch weitere Mittel aufweisen würde, um die Zahl der Unterstützungen weiter erhöhen zu können. Diese Bilanz wird Ende Juni festgestellt. Da die Reichsfinanzverwaltung also selbst darauf rechnet, daß dann sicher größere Mittel vorhanden sein werden, so ließe sich wohl in Erwägung ziehen, auch diesen Mehrertrag noch in dem laufenden Etatö- jahre zu verwenden. Weitere Beträge dürften insofern frei werden, als in dem Nachtragsctat schließlich noch durch eine Klausel bereits für daS Jahr 1897/98 bestimmt wird, daß die Summen nicht mechanisch nach der Kopfzahl der Bundes staaten vertheilt werden, sondern nach der Kopfzahl der in jedem Bundesstaat thatsächlich vorhandenen bedürftigen Kriegstheilnehmer. Dieser Maßstab soll dann fünf Jahre bestehen bleiben, nm die Berschiedenartigkciten auszugleichen, welche bei Beurtbeilnng der einzelnen Fälle durch die damit betrauten Behörden sich ergeben. Auch dadurch werden voraussichtlich noch manche Beträge frei. Denn bei der bisherigen mechanischen Vertheilung ist es wiederholt vorgekommen, daß einzelne Bundesstaaten mehr erhielten als sie verwenden konnten, während andere wieder den Ueberfluß nur dadurch unterzubringen vermochten, daß sie in der Prü fung der Bedürftigkeit eine Weitherzigkeit bewiesen, die sich weder mit dem Geist deS Gesetzes vereinbaren ließ, noch mit dem Umstand, daß in anderen LandeStbeilen mit dem Hin weis auf die Erschöpfung der Mittel zahlreiche, nothleidende Veteranen abgewiesen werden mußten. Ans diese Weise wird es vielleicht möglich sein, aus den dazu bestimmten Mitteln des Reiches vollauf der in dieser Frage liegenden nationalen Ehrenpflicht nachzukommen. Deutsches Reich. * Berlin, 11. April. >An die rheinischen Handwerker- Vereinigungen erläßt der Vorstand deS Rheinischen Bundesamts einen Aufruf zu einem Delegirtententag, der am Ostermontag in Köln tagen soll. In dem Aufruf heißt eS u. A.: „Nachdem der Berlepsch'sche Entwurf zur Organisation des Hand werks im Bundesrath einer Berathung und Abänderung überwiesen war, ist er an den Reichstag gelangt und von diesem an eine Com mission zur nochmaligen Berathung übergeben worden. In dieser Commission sind solche Aenderungen jetzt vorgenommen. daß der Entwurf bedeutend annehmbarer ist, als der Bundesrath ihn gestaltet hatte. In diesem wichtigen Zeitpunkt für das deutsche Handwerk ist es von großer Bedeutung, vatz die Handwerker selbst auch zu diesem Entwurf Stellung nehmen und versuchen, durch offene Aussprache öffentlich festzuslellen, welches die Wünsche i. betheiligten Kreise sind, damit nicht ein Gesetz geschaffen w >>, welches dem Handwerk durch schädliche Bestimmungen für die Auo - bildiing deS Nachwuchses hinderlich wirkt. Wir bedürfen einer gesetzlichen Zusammenführung aller .Handwerker von Nocü und Süd: darin sind alle gutgesinnten, vaterlandstreuen Hand werksmeister einig." Die am 11. April zu Hannover versammelt gewesenen Vertreter des corporirtcn Handwerks der Provinz veröffentlichen folgende Erklärung: „Wir stehen vor wie nach auf dem Standtpuncte der Organi sation des Handwerks auf Grund obligatorischer Innungen mit Be fähigungsnachweis. Weil aber die gegenwärtige Lage des Hand werks eine Organisation dringend fordert, so glauben wir unter den obwaltenden Umständen dem Bundesraihe mit folgenden Aende- rungen zu st im men zu müssen: 1) Wir wünschen die Annahme der vom Abgeordneten Gainp beantragten Aenderung des 8 100. L) Für solche Orte, wo die Bildung von Fachiniiungeii der geringen Anzahl der Betheiligten wegen erfolglos erscheint, sind gemischte Innungen mit gleichen Rechten wie Fachinnungen zuzulassen. 3) In Bezug auf die Lehrlingsausbildung müssen wir Lara» sesthalken, daß nur der lehren darf, der selbst gelernt bat und den Beweis seiner Befähigung erbracht hat. 4) Die Gliederung des Handwerks in Meister, Geselle und Lehrling ist schärfer zu betonen. Aus social-politischen und finanziellen Gründen ist die Erhaltung und Förderung der Handwerker-Kranken- cassen gegenüber den Ortskrankencassen nothwendig. 6) In Bezug aus die Handwerkerkammern wünschen wir eine Beschränkung der Rechte des Regierungscommissars, damit dieser nicht ohne besonderen Auftrag der Verwaltungsbehörde in den inneren Geschäftsgang eingreisen kann. Die Haudwerkerkammer soll auch die Aufgabe haben, eine Centralstclle zur Bildung und Förderung wirthschastsgcnossenschaftlicher Einrichtungen zu werden. Die Wahlen zur Handwerkerkammer dürfen nur von Handwerkern voll zogen werden." Die „Kreuzzeitung" mach! zu dieser Mittheilung folgende Bemerkung: „Der engere Vorstand des Allgemeinen deutschen Handwerker bundes hatte seine Erklärung damit geschlossen, daß, da er sich „mit der Mehrheit der corporativen deutschen Handwerker nicht mehr eins wisse, es ablehnen müsse, noch weiter die Führung des Allgemeinen deutschen Handwerkerbundes in Händen zu behalten". Stach den oben mitgetheilten Kundgebungen scheint uns zu einem solchen Schritte doch noch keine Veranlassung vorzuliegen." Daß durch die obige Erklärung die Verwirrung unter den Handwerkern und demgemäß in der „Kreuzztg." und der ihr verwandten Presse noch größer geworden ist, fängt langsam an sich zu zeigen. Denn bis jetzt sind drei Spielarten der organisationSfröhlicken Handwerker zu verzeichnen: jener mit den Leipzigern übereinstimmende engere Vorstand des All gemeinen deutschen HauVwerkerbundeS, der sich auf den Boden der Vorlage des Bundesratbes stellt» wenn er sich auch etwa zu erreichende Modifikationen vorbehält; das corporirte Hand werk der Provinz Hannover, welches am Antrag Gamp, am Befähigungsnachweis behufs der Lehrlingshaltung und an der Ausbildung der Handwerkerkrankencaffen sesthält; und die Unversöhnlichen, welche Alles haben wollen oder nichts, den vorliegenden Gesetzentwurf für eine Lahmlegung der Hand werkerbewegung und Herrn Jakobskötter für den Verfechter deS langsamen, aber sicheren wirthschaftlichen Ruins des Handwerks erklären. V. Berlin, 11. April. (Telegramm.) Der Kaiser und die Kaiserin unternahmen gestern Nachmittag einen gemein samen Spazierritt. Zur Abendtasel hatte Prinz Albert zu Schleswig-Holstein eine Einladung erhalten. Heute Vor mittag machten beide Majestäten den gewohnten Spazier gang durch den Thiergarten, an welchem der preußische Gesandte in Stuttgart Or. von Holleben theilnahin. Um 10 Uhr hörte der Kaiser den Vortrag des Chefs des Geheimen Civilcabinets, Wirklichen Geheimen Ratbs Or. von Lucanus, und empfing, daran anschließend, um 11 Vs Uhr den Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen, sowie eine Helgoländer Deputation, bestehend aus dem Gemeindevorsteher Rieckmers und den Gemeindevertretern Luers und Philips. Zur Frühstückstasel hat Prinz Albrecht von Preußen eine Einladung erhalten. F»rrZH»t»it. Gebrauche am grünen Donnerstag. Von E. Glaser. Nachdruck verioien. Der grüne Donnerstag hieß äies Virickinm (Tag der Grünen). Wer waren nun diese Grünen? viriäi3 (grün) batte in der mittellateinischen Kirchen- und Kanzelsprache auch die Bedeutung „sündenloS". Der grüne Donnerstag war also der Tag der Sündenkosen. Dieser Name kam daher, weil die öffentlichen Büßer nach der während der Fastenzeit vollbrachten Buße von ihren Vergehungen und Kirchenstrafen losgesprochen und als Sündenlose wieder in die Gemeinschaft der Christen ausgenommen wurden, um zur heiligen Abendmahlsfeier zugelaffen zu werden. Diese Los sprechung und damit auch diese Zulassung waren nämlich eine Haupthaudlung in der früheren Kirche am Donnerstage vor Ostern, als am Tage der Einsetzung deS heiligen Abend mahles. Der grüne Donnerstag heißt auch deshalb in manchen Gegenden „Antlaßtag", gebildet von „Entlaß, Ent lassung", weil dem Büßer die Kirchenstrafe entlassen und er wieder in die Kirchengemeinde ausgenommen wurde. Falsch ist also die Erklärung, den Namen deS grünen Donnerstage« von den grünen Kräutern abzuleiten, die wirklich an diesem Tage gegessen werden. Dieser Gebrauch steht allerdings auch im Zusammenhänge mit diesem Tage, aber nicht mit dem christlichen Tage; die grünen Kräuter und andere Gebräuche an diesem Tage führen uns in eine frühere heidnische Zeit und kaffen vermutben, daß dieser Tag schon längst als ei» dem Donnergott besonder» heiliger be gangen, bevor an ihm daS Andenken an die Einsetzung de» heiliaen AbendmablcS gefeiert wurde. In Deutschland pflegt man am grünen Donnerstag außergewöhnliche Speisen zu essen, namentlich ist es all gemein üblich, etwas Grünes zu genießen, denn dann bleibt man gesund und ist daS ganze Jahr vor Geldmangel be wahrt. Die Chemnitzer Rockenphilosophie sagt: „An dem grünen Donnerstage soll man Brezeln essen, so bekommt man selbiges Jahr daS kalte Fieber nicht", und an einer anderen Stelle: „Wer am grünen Donnerstage nicht neunerlei Kraut isset, der bekommt das Fieber." Nach neuerem Aberglauben wird Derjenige, welcher am grünen Donnerstage neunerlei Kraut zu essen vergißt, zum Esel. Am Niederrhein sagt man, der Genuß eine- solchen Gerichtes schütze vor Bezauberung, in Westfalen, Hannover und der Mark dagegen erhält er daS ganze Jahr gesund und bewirkt, daß dem Genießenden ein lange- Leben zu Theil wird. Nickt minder wird in Schlesien darauf gehalten, daß an diesem Tage Grünes gegessen wird, nämlich Brunnenkresse auf Butterbrot und Suppe auS grünen jungen Kräutern. In Hannover und Umgegenv wird vorzugsweise beute noch die Neunstärke gegessen, Piese besteht auS weißer Taub nessel, Spinat, Kerbel, Porree, Bibernell, Giersch, Sauer ampfer, brauner Kohl und Löwenzahn. Bon allen diesen Pflanzen werden die jungen Blätter verwendet. Der Haupt- theil dieser Neunslärke ist Giersch (auch Geisfuß oder Zipper- leinkraut genannt). Diese Pflanze wurde früher gegen da» Podagra oder Zipperlein gebraucht, und die jungen drei kantigen Blattstiele geben, fein zerschnitten, im Frühjahre ein zartes, wohlschmeckendes Gemüse. Die Biberorllenwurzel galt früher al» rin» der geschätztesten Hausmittel und steht bei den Landleuten noch heute in hohen Ehren; sie wird in Branntwein gelegt und dieser Abzug bei den verschiedensten Uebrln angewandt. In manchen Gegenden gehörte auch die junge Nessel (urtica cksoic») zch den neunerlei Kräutern, welch« am grünen Donnerstage da» vorgeschriebene Mittags gericht lieferten. Da« Gemüse au» den neuuerlei Kräutern hieß auch daS Gründonaer-tagSmu». Montanu» (Volksfeste) erzählt: Ich Hab« r» mrhrmal« beobachtet, wie sorgfältig ein altes Müttcrlein die heilige Neunzahl an Hecken und Rainen zusailimensuchte, und wie sie bekümmert war, wenn die ver spätete Wärme die grünen Blättchen noch nicht entfaltet hatte. Freilich war eS Aberglaube, denn sie glaubte sich dadurch vor Bezauberung zu schützen, indeß ist der Kräuter- aberglanbe dem Naturmenschen nahe gelegt, besonders im Frühjahre. Hierauf beziehen sich auch folgende Strophen: Am grünen Donnerstag im Mai kocht eine Bäurin ihren Brei von neunerlei Kohlkräuterlein, soll wider alle Krankheit sein. (Rollenhagen im Froschmeuseler.) , Di* R'tunzahl ist eine dem germanischen Heiventhum heuige Zahl. Heilkräuter werden besonders am grünen Donnerstage, am Hinnnelfahrts. und am Johannistage gesammelt. Kräuter erscheinen sehr oft als neunerlei zauber- kräftig, und noch mehr steigert sich die Kraft durch die priesterliche Weihe. Der Priester oder auch der Hausvater durchrauchert auch das Hau« und die Ställe mit neunerlei Krautern, besonder- Abends, wenn die Kübe genivlken und die Pferde gefüttert sind, um diese vor Krankheiten zu bewahren. ..^"S^rMbirge bewirkt der Genuß von neunerlei Kräutern rothe Backen unv Befreiung von Kopfschmerzen, auch ver- hindert er, daß daS Geld ,m Hause auSgeht. In Mecklen burg gilt die Regel: Wenn dem Vieh wasangethan ist. muß man Holz von neun Thürschwellen nehmen und damit das V.eh räuchern Ganz ähnlich werden Menschen, die beschrien sind oder fönst eine Krankheit haben, mit Feuer auS neunerlei Holz berauchert. Bei Gnmm (Aberglauben 950) heißt e»- E« ,st diensam, Kranke m,t einer Ruthe, die auS einem alten äräuchern.^'" ' ' """ Zweige hat, zu 0" ^tona kochen die Frauen eine Kräuter- fuppe, zu welcher sie ueunerlei Kräuter nehmen in unv der Neumark rin Gemüse au» ueunerlri Kräutern. In Thüringen ißt man Rapunzelsalat und Brunnenkrcffe und i» Sachsen Rübsensalat. Die Berliner Hausfrauen bereite» Eierkuchen mit Schnittlauch. Geweihte Blumensträuße von neunerlei Blumen schütze» Haus, Vieh und Personen vor allem Bösen und Unglück, und beim Gewitter werden einige Stengel davon in daS Hcrr- feuer geworfen. Neunerlei Holz wurde auch im Heidenthum zu viel » Zauberzwecken verwandt, eS wurde von Bäumen und Sträuchern genommen, die in der heidnischen Religion nur im Aberglauben eine gewisse Bedeutung gewonnen batten, z. B. Kreuzdorn, Holunder, Taxus» eS durften nur Bäume sein, die kein Steinobst tragen. Holz von Bäumen, in welche der Blitz geschlagen, wurde, weil eS vom Himmelsfeuer ge tränkt, ein sehr wirksames Zaubermittel. Durch neunerlei Holz, welches man unter die Schwelle legte, glaubte man das Haus vor Unglück zu schützen. So erinnern unS neunerlei Kräuter und Gerichte, neunerlei Blumen und neunerlei Holz an alte heidnische Zeiten, heit nische Feste und Opfer, und die besonderen Speifen, die man jetzt noch am grünen Donnerstag bereitet, sind der letzte Rest des Opfers, das man einst dem Donnergott brachte, um ihn, für die Besiegung de« Winters zu danken. Der grüne Donnerstag war also dem Donar geweiht, und dieser war der Spender des Segens der Erde und Herr der unter geordneten Geister. Die ursprüngliche Bedeutung deS Donar- tage« ist durch dir christliche Bedeutung zu einer besondeis glücklichen gesteigert. Man säet und pflanzt da den ganzen Tag so viel wie möglich, denn Alles geräth gut, besonders Lein und Weizen werden gesäet und die ersten Kartoffeln gesteckt. Die Ableger von den Blumen gedeihen gut und die Blumen, die man an diesem Tage säet, erhalten schöne Farben. Die Bohnen, an diesem Tage gesteckt, sind vor de». Erfrieren geschützt. In der Wetterau sagt man, daß de» Pflanzen, die an diesem Tage gesäet werden, die Erdstödc und andere» Ungeziefer nicht schaden können. Brodbacken und
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