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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.07.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-07-14
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18970714018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897071401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897071401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-07
- Tag1897-07-14
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Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Ziffernsatz nach höherem Taris. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit de» Morgen-Ausgabe, "ohne Postbeförderung ^l 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4Uhr. Bei dm Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Polt kn Leipzig 353. Mittwoch dm 14. Juli 1897. 91. Jahrgang. Derklmtlichung der Neichsbank? ^2 Die „Post" hat vor einigen Tagen angekündigt, in der nächsten Tagung des Reichstags wurden Anträge in Betreff der Neichsbank cingebracht werden. DaS ist nicht verwunderlich. Die künftige Session als die letzte vor den Wahlen wird von den Parteien mit alleiniger Ausnahme der liberalen Mittelpartei, deren Traditionen ein Mißbrauch der Tribüne zuwiderliefe, lediglich agitatorisch auSgebeutet werden, und der Gedanke der Verstaatlichung der Reichsbank, der, da deren Notenprivileg, wenn es nicht bis Ende 1899 verlängert wird, am 1. Januar 1901 ablänft, in der nächsten Legis laturperiode verwirklicht werden könnte, ist, wie sich schon früher gezeigt hat, ein dankbarer Agitationsstosf. Dies erklärt sich daraus, daß es zur Erfassung der Gründe, die gegen die Verstaatlichung sprechen, einer gewissen Kenntniß und einigen Nachdenkens bedarf, während cs der Masse der Wähler sofort einleuchtet, wenn ihnen gesagt wird: die Verstaatlichung bringt der Reichscasse alljährlich ein Mehr von Millionen, die jetzt in die Taschen der Actio- naire — im Agitalorendeutsch „Juden" genannt — fließen. Zur Zeit ist das 120 Millionen Mark betragende Capital der Reichsbank allerdings Privatcapital, das zunächst einen Anspruch aus 3l/rproc. Verzinsung aus dem Reingewinn hat. In den weiteren Gewinn bis zur Höbe von 6 Millionen Mark theilen sich das Reich und die Anthcilseigner zu gleichen Theilen; von dem überschießenden Gewinn erhält das Reich drei Viertel, die Actionaire ein Viertel. Bei der Verstaat lichung — das Reich kann vertragsmäßig die Actien zum Nennwertk erwerben und hat Anspruch auf die Hälfte des auf 30 Millionen Mark angewachsenen Reservefonds — wird also zweifellos eineMebreinnahme erzielt werden. Aber nicht um dieses Plus handelt es sich, obwohl seine Gewinnung den Wählern als einziger Zweck der Verstaatlichung bezeichnet wird, sondern um die Beseitigung des von den Antheilseignern gewählten Centralau sschusses, der die aus Reichsbeamten bestehende Leitung der Bank sachverständig beräth. Gehört die Bank dem Reiche, haben sie es nur mit Beamten zu thun, so glauben die extremen Agrarier das für die Regelung des Gcldverkehrs unentbehrliche und eben darum eine mit pein lichster Vorsicht geführte Verwaltung fordernde Institut ihren Zwecken dienstbar machen zu können. An Versuchen dazu hat eS schon früher nicht gefehlt. So hat im Jahre 1889, als es sich um die Erneuerung des Banknotenprivilegiums der Reichsbank handelte, der Ab geordnete Gamp nicht mehr und nicht weniger verlangt, als daß die Neichsbank Landwirthen Wechsel mit nur einer Unterschrift discontiren und sich das gesteigerte Nisico mit höheren Zinsen bezahlen lassen solle. Der Herr wurde von dem damaligen Bankpräsidenten v. Dechend mit einer in den An nalen desNeichstageS bis dahin unerhörten Deutlichkeit und einer Charakteristik seiner, des Herrn Gamp, wirthsckaftlichen Bildung heimgeschickt, die heute, wo der freiconservative Wort führer als Anwärter auf ein hohes Amt bezeichnet wird, doppelt interessant zu lesen ist. Aber seitdem sind die Au torität und die Widerstandsfähigkeit bei der Negierung gesunken, und wenn die Verstaatlichung, die übrigens Herr Gamp für seine Person nicht zu wünschen hat erklären lassen, erfolgen könnte, so hätten die Herren v. Ploetz und I)r. Hahn gegründete Aussicht, einen Einfluß auf die Notenbankpolitik, den man in der ganzen Welt nur den gewiegtesten Kennern des wirthschaftlichen Lebens einräumt, gewinnen und die Reichsbank, die innerhalb der ihr vorgezeichneten Grundsätze dem landwirthscbaftlichen Creditbedürfniß in anerkannter Weise entgegenkommt, auf Rechnung und Gefahr des Reiches zu einer Wohlthäterin schwankender Großgrundbesitzer existenzen machen zu können. DaS ist die Meinung. Aber auch ohne die Rücksicht auf solche Möglichkeiten wäre die Verstaatlichung ein Abenteuer. Ein Risico trägt selbst die solidest geleitete Zettelbank und im Falle des Zusammentreffens eines Kriegsausbruches mit einer wirthschaftlichen Krisis läuft der m solchen Zeiten auf die Anspannung seines CreditS angewiesene Staat als Bankherr Gefahr, in Zahlungsschwierigkeiten, wenn nicht in Schlimmeres, zu gerathen. Wird der Krieg unglücklich geführt und kommt der Feind ins Land, so sind die Gelder der Neichsbank Staatsgelder, also völkerrechtlich gute Prise für die feindliche Armee. Bei den schon erwähnten letztmaligen De batten über das Bankprivileg wurde von verschiedenen Rednern auf die Folgen hingewiesen, die es für Frankreich im Jahre 1870/71 gehabt halte, wenn seine Notenbank eine Staatsbank gewesen wäre. Auf den Grafen Mirbach machte freilich dieser Hinweis keinen Eindruck. Er meint vielmehr, es sei ihm zweifelhaft, ob die deutschen Befehlshaber correct ge handelt hätten, als sie die Cassen der Bank von Frankreich als Privateigenthum respectirten. Der Herr Graf steht aber mit seinen Bedenken ziemlich allein. Vermag die Staatsbank-Eigenschaft der Notenbank den Staat in große Gefahren zu stürzen, so ist sie andererseits geeignet, die volkswirthschastlichen Functionen deS Instituts zu lahmen, wenn der Verkehr ihrer am dringendsten bedarf. Herr v. Dechend hat 1889 die Mittheilung gemacht, daß die Preußische Bank, die wie das aus ihr hervorgegangene Reichsinstilut eine Privatbank gewesen ist, bei Ausbruch der Kriege von 1866 und 1870 alle Bankstellen, besonders die in der Nähe der Grenzen befindlichen, verständigt habe, daß in diesen schlimmen Zeiten die sonst an sehr strenge Formen gebundene Creditgewährung erleichtert werden dürfe. Dadurch wurden Tausende aus bedrohlicher Lage befreit, die anderen Banken und die Bankiers waren ängstlich ge worden und hielten mit dem Gelde zurück, die Anlagen der preußischen Bank aber stiegen in den ersten Wochen um viele Millionen. Eine Staatsbank, die mit öffentlichen, überdies dem Lande zugänglichen Mitteln arbeitet, könnte so unmöglich verfahren. Alles dies spricht gegen die Verstaatlichung, für sie nur der finanzielle GesichtSpunct einer Mehreinnahine der Reichs casse von übrigens nicht leicht zu berechnender und jedenfalls nicht sehr bedeutender Höhe. Eine Vermehrung des Au- theils des Reiches am Gewinn der Bank wird auch mit der Erneuerung des Notenprivilegiums auf 1901 ohne Zweifel verbunden sein. Bis 1890 erhielten die Actionaire vorweg 4>/z Procent Dividende, und erst, wenn die Dividende 8 Procent überstieg, trat an die Stelle der Halbirung die Be theiligung des Reiches mit drei Vierteln. Diese Minderung des Gewinnansprucks der Actionaire zu Gunsten deS Reichs entsprach dem damaligen Zinsfüße. Selbstverständlich wird bei einer künftigen Erneuerung des Privilegs auf weitere zehn Jahre eine den heutigen Zinsverhältnissen angemessene Herabsetzung der Dividende vereinbart werden. Staatsanwalt Tessendorf wider Herrn von Diest-Daber. Am 15. Januar 1877 wurde vor dem Stadtgericht in Berlin ein Proceß verhandelt, in welchem der Verantwortliche Redacteur der „Reichsglocke" wegen Verleumdung des Fürsten Bismarck verurthcilt wurde. Es handelte sich um einen Artikel des genannten Blattes, in welchem der Fürst beschuldigt wurde, daß er sich für die Erwirkung der Con- cession zur Gründung der Central-Boben-Creditgesellschaft mit einer bedeutenden Summe an der Gründung habe be theiligen lassen, eine unwahre Anschuldigung, die Herr von Diest-Daber jüngst in einer Broschüre wieder aufgewärmt hat. Ein anderer Vcrleumdungsproceß war im Deccmber 1876 vorausgegangen. Das wichtigste Ergebniß der damaligen Ge richtsverhandlungen war, daß es an denTag kam, daß ein großer Theil der Aufsätze des Blattes, namentlich viele der gehässigen Angriffe gegen den Fürsten Bismarck, von einem der ultra montanen Partei angehörigen früheren LegatiouSrath v. Los herrübrten und daß der Herausgeber Gehlsen in lebhaftem schriftlichen und persönlichem Verkehr tbeils mit bekannten Mitgliedern der ultramontanen Partei (Windthorst), tbeils mit Genossen des Grafen Harry von Arnim, theils mit Mitgliedern der hochconservativen Partei (Diest-Daber) stand. In dem Proceß vom 15. Januar 1877 bekundeten, wie vr. H. Robolsky in der „Westd. Ztg." in Erinnerung bringt, die vorgeladenen Vorstandsmitglieder und Ver- waltungsräthe der genannten Gesellschaft in völliger Ueber- einstimmung, daß von irgend einer Betheiligung des Fürsten BiSmarck bei der Gründung oder bei dem Verwaltungsrathe der Gesellschaft niemals die Rede gewesen sei, die Behaup tung vielmehr auf leerer Erfindung beruhe. Staatsanwalt Tessendorf führte damals u. A. aus: „Man sagt, wir leben jetzt in dem Zeitalter der Ver leumdung. Nun, eS ist gewiß etwas Nichtiges daran, und es ist zu hoffen, daß sie mit den Verhandlungen gegen dieses Blatt, die sich leider noch längere Zeit hinziehen werden — denn es werden noch mehrere Anklagen erhoben werden — zum Abschlüsse gelangen. Das Gröbste und Großartigste in dieser Art auf diesem Gebiete bat in der That Wohl Las fragliche Blatt geleistet in den Angriffen auf den Reichs kanzler, an denen auch nicht ein wahres Wort ist. Man kann, wenn man das Zeitalter der Verleumdungen überblickt, die Verleumder in drei Classen rangiren. Die ersten sind die Frechen, die wenigstens den Muth haben, unter eigener Firma zu arbeiten; di- zweiten sind die Vor sichtigen, die nämlich so schreiben, daß man das, was sie wollen und was darauf berechnet ist. Andere an ihrer Ehre zu schädigen, zwischen den Zeilen lesen muß; die so schreiben, daß man sie gerichtlich nicht belangen kann. Die dritte Classe, das sind die schlimmsten, es sind die Feigen, die namenlosen, anonymen Verleumder. Die sind eigentlich schlimmer wie Einbrecher und wie Straßenräuber, denn die letzteren riSkiren wenigstens, daß man sie niederschlägt, indem sie Einem gegenübertreten müssen. Aber die namenlosen Ehr abschneider sind in keiner Weise zur Rechenschaft zu ziehen." Der angeklagte Redacteur wurde nach dem Anträge des Staatsanwalts verurtheilt, und mit ihm moralisch die ganze Gesellschaft, die mit dem Blatte zusammenhing, zumal Herr v. Diest-Daber, der das Material zu dem incriminirten Artikel der „Reichsglocke" geliefert hatte. Er gehörte damals noch nicht zu den Leuten, die den Muth haben, unter eigener Firma zu arbeiten. Er gehörte noch zu den Anonymen. Heute bat er in einer seinen Namen tragenden Schrift gegen den Fürsten Bismarck die Beschuldigung wiederholt, wegen deren im Jahre 1877 der vorgeschobene Redacteur schwer bestraft wurde, und die damals in allen Puncten als dreiste Verleumdung sich erwiesen batte. Man möge danach auf den übrigen Inhalt der in diesen Tagen erschienenen Broschüre deö Herrn v. Diest-Daber schließen. Und wäre cs nur, um der Socialdemokratie und den Ultramontanen keinen neuen Festtaumel zu bereiten — ein Mann, der sich zur conservativen Partei rechnet, hätte sich lieber die Hand abhauen sollen, als solchen Frevel am Vaterlande zu begehen, d. h. eine Schrift zu verfassen, die den Begründer des deutschen Reiches als einen Mann be handelt, der in das Gefängniß gehöre. Deutsches Reich. * Berlin, 13. Juli. Der Ausschuß für Wohlfahrts pflege auf dem Lande erläßt einen von zahlreichen social- und agrarpolitisch thätigen Männern unterzeichneten Ausruf, der unter Hinweis auf die zunehmende Entvölkerung deS flachen Landes und das Anwachsen der großen Städte zur Unterstützung und Förderung der Organisation auffordert, die sich gebildet hat, um der so lange vernachlässigten Land bevölkerung wieder zu einem größeren Wohlbefinden zu ver helfen. Um parteipolitische Fragen bandelt cs sich bier nicht und um landwirkhschaftlich-technische erst in zweiter Linie. „WaS wir wünschen und wollen," heißt es in dem Aufruf, „ist ein organischer Ausbau des ländlichen GemeindelebenS, eine nach festen Zielpuncten arbeitende umfassende Woblfahrtspflege auf dem Lande, um die Bevölkerungsclaffen aus dem Boden gemeinsamer und gemein nütziger Arbeit einander wieder näher zu bringen, die schroffen Classengegensätzr zu mildern, zwischen Arbeitgeber und Arbeiter ein harmonijches Verhältniß herbeiführen zu Helsen und Alles in Allem: die Liebe zur Heimath und dem heimathlichen Volkslhum zu wecken und zu pflegen. Die Wohlfahrtspflege soll und will also mehr sein als eine auf mildthätigen Zuwendungen beruhende Wohltbätigkeit oder Armenpflege. Die Wohlfahrtspflege, wenn sie rechter Art ist, will vorbauende Arbeit thun, will Einrichtungen schaffen, welche daS Elend und damit das Almosengeben so viel wie möglich verhüten." Nm eine ständige und nachhaltige Ferrilletsn. Norwegens ürönungsstadt. Eine Studie zum 900jährigen Jubiläum von Drontheim?) Von Klaus Hennings. Nachdruck drrbotm. Der jugendliche Nordlandskönig Harald Schönhaar hatte in keckem Siegeslauf das ganze Südland Norwegens sich unterworfen und schaute sich nun nach einer Gefährtin seines Thrones um. Damals durchzog das Reich der Ruf der schönen Prinzessin Gyda, und Harald, dem die Schönste eben recht war, schickte seine Brautwerber zu ihr. Aber die Stolze ließ ihm sagen, sie würde ihn nie zum Gemahl nehmen, außer er machte sich um ihretwillen znm Herrn von ganz Norwegen. Sie meinte damit gewiß, Unmögliches zu verlangen; denn noch halte kein König aus dem Süden den Norken beherrscht und kein Nordlandssürst das Land südlich der Fjelde besessen. Aber Harald schüttelte erzürnt seine Locken und schwor „bei dem Gotte, der ihn geschaffen hatte und über Allem waltete, er werde fein Haar nicht scheeren noch kämmen, bis er sich Norwegens Land mit Schatz und Schuld (d. h. mit Allem, WaS e« besaß) unterworfen habe." Und über daS wüste weite Dovrefjeld, in dem der Schrecken und die Einsamkeit wohnten, zog der Held ins Drontheimsche Gebiet, daS damals in mehrere Reiche zerfiel, unterwarf sich alle und nahm am Nid-Elv zu Hlade vier Jahre lang seine Residenz. Wohl hatte er noch manches Jahr zu kämpfen; aber i. I. 872 batte er sein Wort eingelöst, ganz Norwegen zum ersten Male unter ein Scepter gebracht, und er heirathete die schöne stolze Gyda und ließ sich endlich daS Haar schneiden, das so lang geworden war, daß er es in mehreren Knoten um seinen Leib schlingen konnte. Also berichtet uns die ehrwürdige Saga, die ein unsicheres erstes Lickt auf den Ort fallen läßt, an dem Norwegens Krönungsstadt sich erheben sollte. Wie lange schon bier sich eine dürftige Siedelung gebildet hatte, meldet keine Ueber- lirferung. Rauh und starr war die Küste und spärlich die Stellen, wo sich eine menschliche Gesellschaft niederlafsen konnte. Da aber, wo der Nid-Elv in den Fjord mündet, breitet sich — für Norwegen eine große Seltenheit — eine Ebene von der See sanft ansteigend bis zu den Bergen auS, und so gründete sich hier wohl schon in den ältesten Zeiten eine Ansiedelung, die den hurtigen Schiffen der kühnen Seefahrer Schutz und Rast gewährte, oder auch ihnen als Versteck auf ihren Zügen diente. Wer sich zum Herrn deS Nordlands machen wollte, mußte hier vor Allem Herr sein, und darum faßte auch König Harald hier zuerst Fuß. *) DaS Jubiläum wird mit großen Festlichkeiten begangen werden. Zudem ist e« für unS von besonderem Interesse, da unser Kaiser gerade zur Zeit der Feste in Drontheim weilen wird. Freilich war die Verbindung zwischen dem Norden und l dem Süden Norwegens noch lange nicht fest und dauernd. Nach Harald'« Tode machten sich die „Thrönder" wieder I selbstständig und wählten ihren eigenen König. Sie wollten von den Südländern nichts wissen, und als gar die Kunde kam, daß diese einen neuen Glauben angenommen hätten, schlossen sich die wilden Söbne des Nordens fest zusammen zur Be wahrung der alten Asenlehre. Doch König Olaf I., Tryggve's Sohn, trug daS Kreuz auch in den Norden, und um ihm eine feste Burg zu errichten, gründete er 997 an der Mündung des Nid, an der Stelle des alten Hlade, einen Königshof und eine Stadt, — Nidaros, wie sie zuerst, Drontheim (Trondhjem), wie sie seit dem 16. Jahrhundert hieß. Und als die Thrönder verlangten, daß er die alten Götteropser voll bringe, da ließ er ihnen sagen, er sei bereit, aber er wolle dann wenigstens nicht Sklaven opfern und ließ sechs der an gesehensten Männer im Thing ergreifen. Das wirkte, und Mancher beugte sich dem Kreuze; aber bei den Meisten herrschte Asatbor und Odhin weiter, und finster blickten sie auf die neue Königsstätte. Sie sah gewiß dürftig genug auS: ein paar Holzhäuser, ängstlich an den KönigShof sich andrängend. Aber der Hof selbst war für jene Zeiten schon ein ansehnliches Bauwerk, und im Hafen lagen Schiffe und Boote, und einiger Verkehr fand sich naturgemäß ein. Freilich ging schon nach 18 Jahren die ganze Siedelung bei erneuten Kämpfen wieder in Flammen auf, als ein willkommene« Opfer der alten Götter. Doch König Olaf II. baute sie 1017 wieder auf, und allen zum Wahrzeichen errichtete er, dem heiligen Clemens zu Ehren, eine hölzerne Kirche — den ersten Anfang de« Domes. E« war jener Olaf, der unermüdlich im Lande da« Christen- thum verbreitete und lehrte; und al« er in der Schlacht bei Stiklastad 1028 gefallen war, da verbreitete sich bald der Ruf, daß er rin Heiliger gewesen sei, und mau suchte seinen Leib. Den hatten zwei Bauern vom Schlachtfeld« Nachts über den Fjord gefahren und unweit das Nid-Elv begraben. Nuu wurde er wieder ausgegraben und eine Quelle entsprang an diesem Orte, die, wie man sah, Wunder tbat. Man öffnete den Sarg und da fand man, daß Olaf'S Bart und Nägel auch nach seinem Tode weiter gewachsen waren. Nun war kein Zweifel mehr, daß er rin Heiliger gewesen war; man faßte seinen Leib in einen kostbaren Schrein und setzte ihn auf dem Hochaltar der St. Clemenökirche bei. Bald geschahen zahlreiche Wunder, Olaf wurde Norwegen- Schutzpatron und dem Todten glückte e«, wa« der Lebende nicht erreicht hatte: die trotzigen Nordländer dem Cbristcntbum zuzusühren. Aber noch etwa« Andere- war ihm geglückt: er war der zweite, der wahre Gründer Drontheim« geworden. Auf seinem heiligen Leibe baute sich, so zu sagen, die Blüthe der Stadt auf. Durch ganz Norwegen flog ihres Heiligen und ihr Ruf, die Könige bauten über dem Grabe neue Kirchen, die bald im kostbareren Stein ausgesührt wurden, Pilger I wallfahrteten zu dem heiligen Orte und mit ihnen kam Ver kehr und Handel. Die Stadt wächst und wird reicher, in Gildestuben sammeln sich die Gildebrüker und führen unter dem ungeberdigen Volke Zucht und Gesetz ein, und schon erhebt sich am Fjord eine Werft, auf der schnelle Schiffe gebaut werden. Kriegsläufe und Nnglücksfälle können das Gedeihen der Stadt nur unterbrechen, nicht aufhalten. Thront doch seit 1l52 hier, am Grabe St. Olafs, Norwegens Erz bischof, und die Zahl der frommen Waller nimmt zu, selbst aus der heiligen Stadt kommen sie herbeigezogen, und der ganze Norden steuert zum erzbischöflichen Hof den Olafspfennig. So wird Drontheim zur berühmtesten, blühendsten und größten Stadt Norwegens. Hier, im Schutze des Heiligen, werden die Könige gekrönt, hier finden sie ihre letzte Ruhestätte, hier ruht die größte politische Macht des Landes und seit dem 13. Jahrhundert erhebt sich hier der steinerne Wunderbau des Domes, der im ganze» Norden seines Gleichen nicht hat und durch die edle Harmonie seiner Verhältnisse, die siegreiche Leichtigkeit seiner Architektur noch heute jeden Beschauer entzückt und ergreift. Neun Haupteingänge besaß er und 316 Fenster und 18 Altäre und 336 Säulen, — so er zählen sich staunend die Bonden im einsamen Inneren, und selbst der große Dom der Schweden zu Upsala blieb in der Länge um 12 Fuß hinter ihm zurück. Wo einst der Wider stand gegen den Christenglauben am hartnäckigsten sich ge halten hatte, stand nun sein stolzestes Wahrzeichen in allen Ländern des Nordens. Das ist die große Blüthezeit Drontheims, die bis gegen daS ReformationSzeitalter sich hält, allmählich freilich ab nehmend. Denn der Olafspfennig floß nun in die erzbischöf liche Casse zu Upsala, nnd als ein bedrohlicher Nebenbuhler hob sich mehr und mehr die Hauptstadt des Südens, Bergen, wo die Hanseaten ihre Contore hielten. Doch erst daS 16. Jahrhundert zerstörte Drontheim« Größe. Denn 1536 wurde Norwegen dänische Provinz, kein Reichsrath wählte nun mehr am Nid-Elv Len König und kein Erzbischof konnte fortab krönen. Dann kam daS Schlimmste: die Reformation. Der erzbischöfliche Stuhl siel, in den Dom drangen die Bilderfeinde ein, raubten die Kostbarkeiten, zerbrachen die Bilder; schließlich wurde St. Olafs Sarg selbst hinweg getragen, und wo der Leib des Heiligen damals begraben wurde, weiß Niemand. Den Todesstoß gab der Stadt die Gründung einer neuen Hauptstadt: Christiauia, dessen Geburts jahr 1624 ist. Der Statthalter de- Dänenkönigs fern im Süden, ter Leib dcS heiligen Olaf entwendet, in den heiligen Hallen deS DouiS Leere und zuweilen übernachtende Krieger und Pferde — in diesen Thatsacken spiegelt sich der jähe Niedergang Trontheim'S aufs Deutlichste. Die einstige Hauptstadt war jetzt ein stilles Land- und Hasenslädlcken, dessen Einwohnerzahl schließlich auf eia paar Tausend zurück gegangen war. Erst unser Jahrhundert hat der Stadt wieder neue« Leben zuzeführt. Die Bernadotte« haben sie, an die alte Sitte anknüpsend, wieder zur Krönungsstadt erhoben. Der Dom, dessen Restauration der wackere Chriftie zu seinem Lebenswerke gemacht hat, erbebt sich zur Freude aller Kunst freunde aus Schutt und Trümmern zu neuer Schönheit. Von der Landeshauptstadt her führt viele Hunderte von Kilometern weit über Fjelte nnd durch Thaler der Schienen strang nach Drontheim und öffnet dem Handel der Stadt den lange versperrten Weg nach Süden; eine andere Bahn geht über das wilde Gebirge nach Nordschweden und macht die Stadt zum Hafen für ein mächtiges Hinterland. Von den Werften tönt wieder Hammerschlag und an den alten KausmaunLhäusern steigen schwankend wieder die Ballen empor. Ueberall ist eine rege Betriebsamkeit erwacht. Freilich darf man sich Alt-Drontheim darum nicht, wie eine unserer Fabrikstädte, in Hast und Qualm und Lärm denken. Es ist eine stille Stadt. Das liegt im Charakter der Thrönder, die als ein ernster schwerer bedächtiger Schlag bekannt find, und es liegt im Cbaraklcr der Stabt. Denn gewitzigt durch zahlreiche große Stadt brände hat man alle Straßen in einer Breite von 30—36Metern angelegt und die niederen Holzhäuser, die sie bilden, lassen diese Breite besonders stark empfinden. Da verliert sich das Leben darin; leer erscheinen die Straßen; wie ein ewiger Sonntag — so niuihet das Drontheimer Leben an, und viele, ja die meisten Touristen finden die Stadt wohl langweilig. Und doch ist sie das nicht. Am Hafen herrscht ein bewegtes Leben, das doch nicht so wirr ist, um nicht übersichtlich zu bleiben. In der Gesellschaft hat ein fester Zusammenschluß zu vielen Anstalten und Unternehmungen wohltbäligen, künst lerischen, wissenschaftlichen und geselligen Charakters geführt, die den Winter beleben, während im Sommer ein steter Fremdenstrom roulirt. Und all dies ruht im Rahmen einer Natur, die Jedem, der sie einmal ganz genossen, unvergeßlich bleibt. Jetzt eben sind die Nächte in Drontheim ununterbrochen hell. In solcher Nacht ersteige die alte Veste Christianstcen. Tann blickst Du auf den weilen Fjord hinaus, der im Dämmer scheine der Sommernacht bleich erglänzt; vom lichten Himmel heben sich schlanke Masten und schwere Schornsteine ab, drunten schläft die stille, friedliche Stadt, vom Domthurm behütet, und hinter Dir dehnt sich, mit zierlichen Landhäusern geschmückt, die freundliche Ebene, in deren mildem Klima der Obstbaum reichlich trägt und die Kastanie noch gedeiht. Ein unbeschreiblicher Frieden waltet über diesem Bild«, daS nichts von Bergens drückender Enge hat, und in diesem Frieden zu leben muß schön sein. Darum sagt ein alte« norwegisches Wort: „Es ist so schön in Drontheim zu weilen", und es wird schwer zu denken, daß diese friedevolle Stadt gegen Norden hin den letzten Punct bildet, wo die menschliche Eultur zu einer geschloffenen größeren Siedelung zu gelangen vermochte.
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