01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.10.1897
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1897-10-27
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18971027019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1897102701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1897102701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1897
- Monat1897-10
- Tag1897-10-27
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Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. i-rtra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .4t 60.—, mit Postbeförderung 70.—. ^nnahmelchluß für Anzeigen: Abend-AuSaabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Vppcdition zu richten. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 548. Mittwoch den 27. October 1897. Sl. Jahrgang. Die badischen Landtagsrvlchlen. Im badischen „Ländle", das inmitten eines leidenschaft lich geführten Wahlkampfes durch die dein Großherzog Friedrich zu Theil gewordene schroffe Ablehnung seines dem Zaren in Darmstadt angekündigten Besuches in neue Er regung versetzt worden ist, sällt heute (27. Oktober) die Entscheidung in jenem Kampfe. Die zweite badische Kammer zählt bekanntlich 63 Mitglieder, von denen von zwei zu zwei Jahren die Hälste neu gewählt wird; diesmal sind 3l Man date neu zu besetzen; davon gehörten bisher 16 den National liberalen, dem Centrum 12; je eines war in konservativem und demokratischem Besitz und eines in Händen des Abg. Stegmüller, der ans der socialdemokratischen Partei hinans- gethan wurde, weil er auf einem Parteitag sich gerühmt halte, er sei durch Sparsamkeit zu Wohlstand gekommen, und weil er sür den Spar- und Besitztrieb so eifrig eingetreten war, daß die Genossen die Wirkung dieser abscheulichen Ketzerei, der sie den Namen „Stegmüllerei" beilegten, nur durch die strengste Strafe abwenden zu können glaubten. JnSgesammt batten in der zweiten badischen Kammer die Nationalliberalen 31 Mandate inne, von denen ihn nun um jeden Preis von ihren Gegnern wenigstens einige „ab geknöpft" werden sollen. Daß die Ultra montan en in diesem Bemühen am eifrigsten sind, ist begreiflich. „Entweder katholisch nnd Centrum, oder nicht katholisch, etwas anderes giebt es nickt", so äußerte sich vor einigen Tagen in einem Wahlkreise des südlichen Badens ein wackerer Pfarrer. Er hat damit aus gesprochen, was von dem Centrum so oft gesagt wird und was dieses am liebsten als einen Glaubenssatz der katholi schen Kirche ausgenommen sehen möchte. Ware die Aus führung des wackeren Stadtpfarrers richtig, so würde die katholische Kirche in Baden einen guten Theil ihrer Glaubens genossen hinauswerfen müssen. So findet z. B. in diesem Wahlkampfe ein besonders hartnäckiger Kampf um die Wahlkreise Villingen, Waldkirch und Tri berg statt, die den Nationalliberalen in früheren Wahlkämpfen entrissen worden waren, die aber diesmal möglicher Weise wieder in den Besitz der nationalliberalen Partei übergehen werden. In diesenBezirken ist mehr als Dreiviertel derBevolkerung katholisch, so daß also für die Nationalliberalen auch nicht einmal der Bersuch der Eroberung einen Sinn haben würde, wenn nicht eben der Satz, daß KatholiciSmuS und Angehörigkeit zur Centruinspartei Zusammenfalle, falsch wäre und zwar ganz besonders im Großherzogthuin Baden. Und das ist es, was das Centrum so besonders erbittert und was die Wahlkämpfe deftiger macht, als sie bei den Landtags wahlen in irgend einem andern Einzelstaate Deutschlands sind. Das Centrum kann es nicht verwinden, daß seit mehr als einem Menschenalter die gemäßigte liberale Partei in Baden am Ruder ist. In seinen Bemühungen, diese Partei zu stürzen, wird es getreulich von den Socialdemokraten, den Demo kraten, ja auch von den Anhängern der freisinnigen Volk spart ei unterstützt. Die Letzteren haben, wie über haupt in Süddeutschland, so auch in Baden nicht viel zu be deuten; gerade aber, weil sie aus eigener Kraft kaum irgend einen Wahlkreis würden erobern können, verbinden sie sich mit den Socialdemokraten und mit dem Centrum, um mit Hilfe dieser Parteien einige Wahlkreise zu ergattern. So haben sie in Lörrach, Lörrachland, Schopfheim und Wiesf- loch-Heidelberg Candidaten ausgestellt. Wie gering aber trotz der Hilfe ihrer wackeren Bundesgenossen ihre Aussichten sind, geht auch daraus hervor, daß sie noch 8 Tage vor der Wahl im Wahlkreise Lörrach sich aus die Suche nach einem Candidaten begeben mußten, da der alle angesehene Markus Pflüger auf eine Candidatur verzichtete. Die Thalsacke, daß nur die Mandatsjägerei sie zu dem unnatürlichen Bündnisse mit den Klerikalen veranlaßt, wird von den Fortschrittlern dadurch bemäntelt, daß sie die angebliche Tyrannei der „freiheitsfeindlichen" badischen Nationalliberalen brechen wollen. Worin besteht nun diese angebliche Freiheitsfeindlichkeit? Einzig und allein darin, daß die Nationalliberalen nickt das allgemein gleiche, directe Wahlrecht, wie es bei den Reicks- tagswahlen besteht, bei den badischen Landtagswahlen ein führen wollen. Nun besitzt kein Einzelstaat in Deutschland daS Reichstagswahlrecht nnd die besonnenen Männer in Baden fragen sich ganz mit Recht, warum sich denn gerade ihr Land zum Versuchskaninchen für ein recht bedenkliches Experiment hergcben soll. Dazu ist um so weniger Ver anlassung vorhanden, als mit absoluter Gewißheit feststeht, daß in diesem Falle die Socialdemokratie eine ihr nicht ge bührende Mackt im Landtage erlangen würde. Dem Centrum wäre das freilich auö einem doppelten Grunde recht: Einmal würde die Mehrheit der nationalliberalen Partei bestimmt vernichtet werden, und zweitens würde sich die Centrums' Partei der Regierung gegenüber als sicherster Hort gegen die Socialdemokratie anpreisen, wie sie es ja auch im Reichs tage thut. Ist die Haltung der Centrumspartei verständlich, so ist cs diejenige der Fortschrittler um so weniger. Um eines Experimentes willen, das sür sie selbst nickt einmal einen Vortheil haben würde, verbrüdern sie sich mit einer Partei, die ganz offen eine der wichtigsten liberalen Errungenschaften in Baden, die konfessionell gemischte Schule, die sich gerade dort bewährt bat, bekämpft. Es ist in diesem Wahlkampfe oft genug vorgekommen, daß in freisinnigen Versammlungen Anhänger der Centrumspartei auftraten, die die Forderung der consessionellen Schule aufstellten. Die Fortschrittler sind also bereit, um einer Wahlrechtsänderung von zweifelhaftem Werthe willen ein reales Gut zu gefährden. In derselben Weise, wie mit dem Centrum, verbinden sie sich auch mit den Socialdemokraten. In Mannheim haben sie ein Bündniß mit den Nationalliberalen gegen die Socialdemokratie ab gelehnt, in Karlsruhe haben sie ausdrücklich das Eintreten für die beiden socialistischen und den demokratischen Can didaten proclamirt. Wie eng das Centrum mit den Social demokraten liirt ist, bat sich im südlichen Baden gezeigt, wo der Herr StiftungSrath Hug zusammen mit einem social demokratischen Agitator niedrigster Art in Wahlversamm lungen auftrat. Dieser Agitator sprach z. B. davon, daß den vornehmen Leuten der Garaus gemacht werden müßte, die auf ihren Wappen und Schildern Raubthiere hätten, wohl als Zeichen dafür, daß sie bereit wären, das Volk zu berauben. Auf diese wüste Verhetzung hatte Herr Hug kein Wort der Entgegnung, denn er durfte es ja nicht mit den theueren Bundesgenossen verderben. Ob die Nationalliberalen bei den Wahlen ihre Mehrheit von einer Stimme behaupten werden? Es ist recht ge fährlich, zu prophezeien, besonders wenn man so rasch Lügen gestraft werden kann; eS sei aber dennoch gewagt. Das zäbe Zusammenhalten der Gegner und die, wie im ganzen Reiche, so auch in Baden herrschende Verstimmung, an der zwar die Nationalliberalen nicht schuld sind, unter der aber die nationalen Parteien zu leiten haben, stellen den National liberalen keine günstige Prognose; wenn wir trotzdem es für Wahrscheinlich hallen, daß die Nationalliberalen auch diesmal wieder ihre Mehrheit behaupten werden, so geschieht es, weil kaum ein deuischer Volksstamm der Verhetzung so wenig zu gänglich ist, wie der badische. Deutsches Reich. * Berlin, 26. Octover. Die „braunschweigische Landesrechtö Partei" hat die Action zu Gunsten des Herzogs von Cumberland auch anläßlich der bevor stehenden braunschweigischen Landtagswahlen in Angriff genommen. Die Vorsitzenden der braunschweigischen Landes rechtspartei, Schriftsteller O. Elster-Gr. Lichterfelde und Gras v. d. Schulenburg-Hehlen, haben nämlich folgenden Aufruf an die Wählerschaft erlassen: „Wie aus dem Wahlausschreiben der herzoglichen Landesregierung hervorgeht, haben im nächsten Monat die Wahlen zu dem braun- chweigischen Landtage stattzufinden. Die „braunschweigische Landes rechtspartei" steht diesen Wahlen mit um so größerem Interesse gegenüber, als dieses Mal eine Neuwahl sämmtlicher Ab geordneten in Frage ist und als es nicht ausgeschlossen scheint, daß der Landtag in feiner demnächstigen Zusammensetzung vor sehr folgenschwere Entscheidungen gestellt werden wird. Wir möchten daher alle Landeseinwohner dringend auf fordern, ihrer Wahlpflicht in den einzelnen Elasten zu genügen. Mas wir unter dieser Pflicht aller Braunschweiger ver- stehe», ist bekannt. Es sollen nicht nur Männer in den braun schweigischen Landtag gewühlt werden, welche den praktischen Bedürfnissen des Landes und den gesetzgeberischen Aufgaben der Landesvertretung gerecht zu werden vermögen, sondern vor Allein solche Männer, welche fest und treu auf dem verfassungsmäßigen Boden unseres Vaterlandes und damit auch fest und treu zu unserem angestammten Für st en Hause stehen, und welche entschlossen sind, diese Treue auch im Landtage durch die That zu bekunden und ihrerseits mitzuheljen, die Hindernisse hinwegzuräumcn, welche der thatjächlichen Ausübung der Regierung durch Seine königliche Hoheit den Herzog Ernst August von Cumberland und Braunschweig-Lüneburg entgegen stehen. Wir richten deshalb an alle wahlberechligten Einwohner unseres engeren Vaterlandes, welcher Elaste und welcher politischen Partei sie auch sonst angehören, die dringende Aufforderung, nur solche Männer zu wählen, die diesen Bedingungen entsprechen. Unsere künftigen Landtagsboten aber mögen, eingedenk der heiligen Bande, welche sie säniinllich an unser Herrscherhaus ketten, und welche bei Vielen noch Lurch den unserem erlauchten Herzoge bereits geleisteten Erbhuldigungseid bekräftigt sind, sich voll und ganz bewußt sein, welch schwere Verantwortung sie dem Lande und dem Volke gegenüber aus sich nehmen werden, und daß es nicht genügt, die vorhandenen Gesetzesvorlagen nach bestem Willen und Können zu erledigen, sondern Laß Las Land von ihnen vor allen anderen Dingen eine entschlossene Initiative im Sinne der rechi- und verfassungsmäßigen Regelung unserer Thron- solgesrage verlangt." Der Herzog von Cumberland hat die Anerkennung des deutschen Reiches und Preußens in ihrer jetzigen Gestalt, soviel wir wissen, bisher verweigert und führt in seinen Kundgebungen, die an welfische Adressaten gerichtet sind, eine Sprache, die darauf schließen läßt, daß er mit der Möglich keit einer wölfischen Restauration auf dem Wege einer gewalt samen Zerstörung des Königreichs Preußen noch immer rechnet. Unter diesen Umständen die Errichtung eines welfiscken Thrones in Braunschweig zu erstreben, erscheint uns als ein Vorstoß gegen Kaiser und Reich, dessen Abwehr die national gesinnten Braunschweiger hoffentlich mit aller Energie sich werden angelegen sein lassen. * Brrlin, 26. October. Der Präsident des badischen Finanzministeriums, I)r. Buchenberger, der sich schon früher vielfach literarisch mit Agrarpolitik beschäftigte, hat ein Buch, betitelt „Grunbzüge der deutschen Agrar politik unter besonderer Würdigung der kleinen und großen Mittel" (Verlag von Paul Parey in Berlin), er scheinen lassen. Im Vorwort sagt er: „Die vorliegende Schrift soll gegenüber manchen irreleitenden Ausführungen den dreifachen Nachweis führen: einmal, daß Angesichts einer unzweifelhaft gegebenen sehr schwierigen Lage des landwirth- schaftlicheu Gewerbes die landwirthschaftliche Staatsfür sorge zu keiner Zeit kräftiger und planmäßiger ihres Amtes gewaltet bat, als in der Gegenwart; zum andern, daß die neuerdings so sehr verschmähten oder geringschätzig beurtheilten „kleinen Mittel" in ihrer Gesammtbeit eine große Heilkraft in sich schließen und solche bewiesen haben- zum dritten, daß mindestens ein Theil jener Vorschläge auf wirthschaftSpolitischcm Gebiet, die man gemeinhin als „große Mittel" zu bezeichnen pflegt, entweder überhaupt unerfüllbare Anforderungen an die Staatsgewalt stellt oder, wenn erfüllbar, nur unter starker Schädigung der Interessen anderer Berufsstände zu verwirklichen ist Viele unzutreffende llrtheile würden nicht stefälll werten, manche auffällige Vorschläge unterbleiben, wenn in landwirthschastlichen Kreisen der historische Sinn, d. h. die Einsicht in und dasVerständniß für Las geschichtlich Gewordene mehr gepflegt würde, unq wenn als Frucht dieser Einsicht und dieses Verständnisses die Erkenntniß Platz greifen wollte, daß alle Reformen in gutem Sinn, liegen sie auf politi schem oder wirtbschaftlichem Gebiete, stets nur langsam zu reifen pflegen und überstürzende Hast jederzeit mehr Schaden als Nutzen angericktet hat. Wesentlich hieraus ist auck das Ent stehen des IrrthumS zu begreisen, als ob der staatlichen Gesetzgebung eine Art magischer Kraft innewohne, Schäden und Uebelstande, die ost das Erzeuzniß verwickeltster wirtb- sckastlicher Verhältnisse und in letzter Linie häufig das Product weltwirthschaftlicher Vorgänge sind, gewissermaßen von beute auf morgen durch einen einzigen Federzug beseitigen zu können. Gegen diese Ucberschätznng staatlicher Machtmittel in Bezug auf rascheste und nachhaltig wirksame Lösung ver wickelter wirthsckafilicher Probleme kann nicht entschieden genug Stellung genommen werden, da nichts so sehr wie der in der Gegenwart verbreitete, fast mystische Glaube an die Wunderkraft des sttaatlicken Gesetzgebungs apparats geeignet ist, dasVertraue» in dieeigene Kraft zu erschüttern und den Genesungsproceß zu ver langsamen. Danach bedarf es kaum eines Hinweises, -daß in dieser Schrift eine Anzahl gerade in neuerer Zeit von agrarischer Seite gestellter und mit besonderem Nachdruck vertretener Forderungen abgewiesen werden mußte. Abgelehnt wurde von dem Verfasser zwar nicht etwa eine protcctio- nistische Wirtschaftspolitik überhaupt, die, wie für die westeuropäischen Staaten, so auch für Deutschland muth- maßlich für längere Zeit schlechthin nicht zu entbehren ist, wobl aber jede Art von Hochschutz, die auf eine staatliche Rentengarantie hinaus käme; abgelehnt wurde mit aus diesem Grunde der Antrag Kanitz, wie jede Verstaatlichung des Getreidehandels. Ablehnend steht die Schrift ferner den aus grundsätzliche Aendernng unserer Währu ng seinrich tu ngen gerichteten Bestrebungen gegenüber, da die sür eine solche Aenderung bis jetzt geltend gemachten Gründe als hinreichend stichhaltig und beweiskräftig nickt erachtet werden können. Dagegen ist betreffs derGetreide-TerminhandelSsrage die Schrift zu einem die bekannten ReickStagsbescklüsse im Wesentlichen billigenden Ergebniß gelangt, ohne daß sie übrigens, wie kaum betont zu werden braucht, die auf unzu reichender Kenntniß der Vorgänge beruhende grundsätzliche Bekämpfung des Getreidehandels und der Probuclenbörsen sich angeeignet hätte". Berlin, 26. October. (Telegramm.) Der Kaiser empfing gestern den Maler Walter Petersen und besichtigte Skizzen, welche derselbe zu einem Portrait des Kaisers Friedrich, bestimmt für den Schnelldampfer „Kaiser Friedrich", angcfertigt hat. Später arbeitete der Kaiser allein. Gestern Abend 7 Uhr 40 Minuten empfing der Kaiser den Groß fürsten Michael. Um 8 Uhr fand die Adendtafcl statt, an welcher theilnahmen: Großfürst Mickael mit Gefolge, ferner General der Infanterie von Werder, Generallieutenant von Villaume, Generaladjiuant von Hahnke, Generaladjutant von Plessen und der russische Botschaslsralh Graf v. Pahlen. Heute Morgen unternahm der Kaiser einen Spazierritt. (-) Berlin, 26. Octobcr. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgem. Zlg." schreibt: Wenn die „Berliner Börsen-Ztg." behauptet, mehreren Eisenbahn-Direktionen wäre von der zuständigen Militairbehördc in aller Form modificirt worden, daß bei eintretender Mobilmachung der gesammten Armee Ferrrlletsn. Ver Herbst im Spiegel deutscher Dichtung. Von Paul Pasig. Nachdruck verboten. Ein Janusantlitz ist es, das uns der Herbst, der am 22. Sep tember sein dreimonatiges Regiment angetreten hat, wie in Natur und L e b e n, so in der P o e s i e zeigt. Da wechseln klare, Helle Tage, wie sie weder der Frühling noch der Sommer aufzuweisen hat, und an denen die Natur noch einmal ihren ganzen Zauber auf das fühlende Menschenherz auszuüben sich bemüht, mit Zeiten ab, in denen das leuchtende Tagesgestiru seine milde Herrschaft an die grausigen Mächte der Finsterniß und der Zerstörung abgetreten zu haben scheint. In der That: wie es nichts Köstlicheres, Körper und Seele Erquickenderes geben kann, als einen jener milden klaren Herbsttage, die uns Wald und Flur, wo eine sabbathliche Stille eingezogen ist, im rosigen Golde des sich leise entfärbenden grünen Blätterschmuckes zeigen, während der sicher geborgene Erntesegen, die im dunkeln Laube erglühende,reifendeTraube,die lachenden Freuden der beginnenden Jagd die Herzen höher schlagen lasten: so ergreift uns ein ge heimer Schauer, wenn unter strömendem kalten Regen, vielleicht bereits mit einigen Schneeflocken vermischt, der heulende Sturm über die öden Stoppelfelder dahinbraust, in den Gärten die letzten Astern, die letzten Georginen unbarmherzig knickt und in den hohen Wipfeln der immer kahler werdenden Bäume seine grausige Melodie singt, so daß es klingt, als ob der unendliche Schmerz, der das Weltall beseelt, alle Saiten einer Riesenharfe jammernd durchbebte ... das ist die Todesmahnung der Natur, der Anfang vom Ende, da« gähnende Grab, das unbarmherzig alles Leben, alleL-reude kn seinem Schooße verschlingt ... Freude und Trauer, aufschäumende Lebenslust und bange T o^ e S a h n u n g, da« ist das Doppelantlitz unsere« Herbstes, das sind die Stimmungen, die der Herbst im Herzen erweckt, die das Herbstlied melodisch austönt. So ist es denn begreiflich, daß der Herbst zunächst wohl als ein „Freudenbringer" in ganz besonderer Weise gepriesen wird. Darum müssen wir unserm gefeierten Robert Reinick (f 1852) Recht geben, wenn er begeisterten Mundes singt: „Singt den Frühling nur, ihr Andern, ich will trinken, ich will loben Ihn, den Herbst, den Freudenbringer, dieses Glas sei ihm erhoben! Lenzeswerk ist Traum und Blitthe, erst der Herbst giebt reifes Leden, Blüthen wandelt er in Früchte, Traum ist vor der That zerstoben. Hei, das nenn' ich Männerfreude, wenn im buntgefärbten Walde Jägerruf und Sturmesbrausen lustig durch einander toben! Hei, das giebt ein Singen, Klingen, giebt ein fröhlich Becher schwingen, Wenn derHerbst,der weinumkränzte, sitzt auf seiner Tonne droben rc. Wir haben in vorstehender enthusiastischer Hymne auf den „Freudenspender" Herbst gewissermaßen das Thema des Ganzen vor uns, indem der Dichter zugleich im Einzelnen die mannigfachen frohen Gaben des gütigen Spenders betont. Eine aber hat er, der Freudetrunkene, vergessen: die Wanderlust, die namentlich an jenen milden, klaren Septembertagen noch einmal in des Menschen Brust aufzujauchzen pflegt. Da singen wir gern mit Friedr. v. Sollet (f 1843): „Durch die Wälder streif' ich munter, Wenn der Wind die Stämme rüttelt Und mit Rascheln bunt und bunter Blatt aus Blatt herunterschüttelt" rc. und dem frohen Wanoersmann kommen wohl dabei auch ern stere Gedanken, wie sie Em. Geibel cmdeutet: „Es rauscht das rothe Laub zu meinen Füßen, Doch wenn cs wieder grünt, wo weil' ich dann? , Wo werden mich die ersten Schwalben grüßen? Ach, ferne, fern der Süßen, Und nimmer bin ich mehr ein froher Mann. Sonst sang ich stets durch Flur und Bergeshalde Im braunen Herbst, in slock'ger Winterszeit: O, schöner Frühling, komm zu deinem Walde, Komm balde, balde, balde! Nun sing' ich: Schöner Frühling, bleibe weit!" ,c. Für den rechten Wandersmann freilich gesellen sich zur Wan derslust noch drei muntere Begleiter: der Wein, das Lied und die Liebe! Wie köstlich weiß Julius Wolff solche Wanderschaft zu preisen, die selbst im Herbste noch einmal den duftigsten Frühling im Herzen erblühen läßt: „Ein lustig Vierblatt war einmal Von Frohen, Wohlgemuthen, Die zogen über Berg und Thal Und wanderten und ruhten. Ter Eine, der hieß DUrstemund Und Lachemund sein Schätzchen, Ter andere hieß Singemund Und Küssemund sein Kätzchen" rc. Und der lustige Vagant Rudolf Baumbach führt uns mitten hinein in die traubenprangenden Weinberge des gesegneten Rhein gaues und läßt uns Theil nehmen an der lauten, übersprudeln den Freude einer volksthümlichen Lese: Ter Böller knallt, der Schwärmer Pufft, Es sprühen Fcuergarbcn, Und Sterne schießen durch die Luft In allen sieben Farben. Der Winzer singt herab vom Stein, Es jauchzt aus allen Pfaden: Gediehen ist der weiße Wein, Ter rothe ist gcrathen! Ter Nachbar Wirth, drei Eentner schwer, Springt auf des Kellers Stufen Gleich einem Eichhorn hin und her Und prüft Gebind' und Kufen. Doch gießt der Schlingel Wasser drein, Soll ihn der Teufel braten; Gediehen ist der weiße Wein, Ter rothe ist gerathen!» u. s. w. Und so weiß der wandersfrohe Sänger die Seligkeit, welche die Herzen aller Fröhlichen höher schlagen läßt, bei wohlge- rathenem „Herbste" gar verlockend zu schildern, daß einem schon beim Hören das Wasser im Munde zusammenläuft. Freilich giebt es neben dem Lbermüthigen Vaganten auch bedächtigere Herolde der neuen Weinseligkeit, die mit dem Herbste und seinen feuchten Wonnen die Zeit nicht nur des M i n n e n s, sondern auch des Sinnens gekommen sehen. Otto Roquette verachtet in diesem Sinne neben der duftigen Maibowle auch das flüssige Gold im Krystallglase nicht: „Sttll verborgen unter'm Laube Hat die Rebe abgeblüht, Bald nun schwillt die Purpurtraube, Tief vom Sommertag durchglüht. Alhmend rauscht sie durch's Geranke, Ahnungswonnevoll durchbebt, Wie zum Liede der Gedanke In des Sängers Brust sich webt. Ha, Krystall von echtem Flusse, Lauter, wie der Berge Gold, Angeglüht vom Sonnenkuffe, Gruß und Sang sei dir gezollt! Schlürst ihn, Brüder! Schaum und Neige! Daß aus frisch lebend'gem Trunk Uns in goldnen Bildern steige Zukunft und Erinnerung!" Allein es giebt daneben noch ernstere Freuden, die der Herbst bringt: Wir meinen solche, die den Mannesmuth erproben, die Manneskraft stählen, die Freuden der nun eröffneten Jagd. Darum preist Adolf Böttger (s 1870) den „Junker Herbst": „Der Junker Herbst im Jagdgewand, Ten blanken Sschcnspeer zur Hand, Zieht durch Gcbirg und Felder. Ter Pfeil zuckt von der Sehne schnell. Bei Hussaruf und Jagdgebell Durchkeucht der Hirsch die Wälder. Wild durch der Eichen alten Forst Zum adlershohen Felsenhorst Schwingt er behend die Glieder; Hält Rast dann aus dem moos'gen Block, Schlingt Weinlaub in de» Haar? Gelock Und blickt in« Thal hrrnKder" u. s. w
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