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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.04.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-04-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980409026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898040902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898040902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1898
- Monat1898-04
- Tag1898-04-09
- Monat1898-04
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„ VezugS-Prei» . M Wh Hemptexp^ittoa oder d« km tzqtrk »ad de« Vororte« errichtete« «»«- aabestellen abgeholt: vierteljährlich^>4.b0, kt zweimaliger täglich« Zuftrlluug tat Ha«H SSO. Durch di« Post bezöge» für Deutschland «ad Oesterreich: vierleliSbrltch G,—. Dtrecre täglich« Kr,»rba»dsead»»i dv Lüälaad: moaatttch 7M. LI» Morge»-A»D-ab» erscheint «« Uhr, hi» Abeud-Au-gab« Wochentag« «» b Uhr, Ledartio» «vd LrpeLitto«:- Lohnnnesgaff« 8. Dte Lrp^ition ist Wochentag» »»uattrbrocha »östnet »o, früh 8 bi« «brud« 7 Uhr. FW!«, : lvtt» ««m»'« «ortinr. («lfretz HaH»^ Universitätsstraß« S (PaultnamL Lot« Asche, Katharinenstr. ich »«t. «d KönigsplaL Abend-Ausgabe. WpMcrTagMM Anzeiger. AMsvM des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Nolizei-Ämtes der Lindt Leipzig. Nttzeigea-Prei- Fchie S gespaltme Petitzrile st« PK Meclamen »nter demRedactionSstrich (4gw spalte») LO>a, vor de« yamiliennachrichtW (6 gespalten) 40 ch. Größere Schriften laut unseren» Preis« Verzeichaih. Tabellarischer und Ziffernsatz «ach höher»« Tarif. Extra «v ei la gen (gefalzt), nur «Ni b» viorgea-Au-gabe, ohne Postbeförderunz' ^l SV.—, mit Postbeförderuug ^ti 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Nb eud-AuSgabe: vormittag« 10 Uhr. worge u-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Gei deu Filiale» uud Aanabmestelle» je eia» halb« Stund« früher. Anzeige» fiud stet« an di« Erpehikion zu richte«. Lrnck und Verlag vo» L. Polz t» Lelpzkch 179. Sonnabend den 9. April 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 9. April. Unter der UeLerschrift „Das württembergische Erutrum >«nd tzas Reichseentrirm" bringt die sreiconservative „Post" einen Artikel, der Beachtung verdient. Er erinnert zunächst daran, daß noch bis vor Kurzem das Verhältniß zwischen dem württembergischen Staate und der katholischen Kirche da« denkbar beste war; daß die katholischen Mitglieder der Abgeordnetenkammer «S nicht für nöthig hielten, eine besondere CentrumSfraction zu bilden, sondern den verschiedenen poli tischen Gruppen der Kammer augehörten; daß aber neuer dings eine solche Fraction von 19 Mitgliedern sich gebildet hat, die jetzt im Zusammenhänge mit der Verfassungs revision eine Reihe kirchenpolitischer Initiativanträge be treff« de- Verhältnisse« zwischen Staat und Kirche ein gebracht hat, in denen für den Bischof das Recht der Leitung des Religionsunterrichtes in den Schulen und der Anstellung der ReligionSlehrer, sodann die confessionelle Einrichtung der Schulen und die unbeschränkte Zulassung geistlicher Orden verlangt wird, deren Nieder lassung die Regierung nur dann soll untersagen können, wenn sie den Ort für die Niederlassung nicht geeignet erachtet. Zu diesen Anträgen, von deren Annahme da« württem bergische Centrum seine endgiltige Zustimmung zu der Verfafsungsreform abhängig macht, bemerkt nun die „Post": „Diese Auswerfung der Frage der Grenzregulirung zwischen Staat und Kirche in Württemberg erscheint in einem besonderen Lichte, wenn mau erwägt, daß der Reichstagsabgeordnete Groeber z. Z. neben vr. Lieber ohne Zweifel da- einfluß reichste Mitglied der CentrumSfraction de« Reichstag-, auch der Führer der württembergischen Centrum-partei, sowie daß zu der geplanten Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirche gerade der Zeitpunct gewählt ist, in welchem das Centrum im Reichs tage die ausschlaggebende Partei ist und deu Beweis seiner Re- gierungssähigkeit bei dem Flottengesetze geführt hat. Der Gedanke liegt daher nur zu nahe, daß der Vorstoß der württembergischen Crntrumspartei von der Erwägung dictirt wird, daß nöthigenfallS der Reich-Hebel zur Erreichung der Lentrumswünsche gegenüber der württembergischen Regierung und dem württembergischen Landtage in Anwendung gebracht werden könnte. Es liegt ferner nahe, aus diesem württembergischen Vorgänge auf weitergehende politische Absichten zu schließen, welche da- Centrum neben den Gefühlen der Verant wortlichkeit bei seinem Verhalten gegenüber dem Flottengesetze geleitet haben." Die Ansicht, daß die württembergischen Klerikalen nicht so begehrlich auftreten würden, wenn sie nicht auf die Verdienste des Reichstagscentrums pochten und nicht meinten, die Regie rungen der Einzelstaaten befänden sich infolge dieser Verdienste in einer gewissen Zwangslage, ist die allgemeine; befremdlich aber klingt die weitere Annahme des Blatte«, daß „nöthigenfallS der Reich «Hebel zur Erreichung der CentrumSwünsche gegenüber der württembergischen Regierung und dem württembergischen Landtage in Anwendung gebracht werden könnte." Soll damit gesagt sein, das württem bergische Centrum werde eventuell da« ReichStagS- centrum bestimmen, plötzlich in die Opposition ab zuschwenken, um dadurch einen Druck auf die württem bergische Regierung auSzuüben, oder soll damit ««gedeutet werden, von irgend einer einflußreichen Stelle im Reiche auS werde „nöthigenfallS" ein mehr oder minder sanfter Zwang auf das württem bergische Ministerium geübt werden, damit eS die Klerikalen bei Geberlaune erhalte? DaS Erstere kann nicht wohl gemeint sein, weil daS ReichStagScentrum Rücksicht auf die Neuwahlen zu nehmen hat und vor diesen nicht offen erklären kann, daß eS Schacherpolitik treibe; die „Post" muß also der Ansicht sein, der Kaiser oder der Reichskanzler könnten sich der Forderungen des württembergischen CentrumS annehmen, um der weiteren Unterstützung des Reichtagscentrums sicher zu fein. Ein derartiges Eingreifen in die inneren An gelegenheiten eines Bundesstaates halten wir aber für auS- geschlosfen. Es würde in diesem Bundesstaate unter allen Umständen einen sehr üblen Eindruck machen, besonders aber in diesem Falle, in dem sogar die württembergische Demo kratie, die sonst den klerikalen Wünschen sehr weit entgegen zu kommen pflegt, den Forderungen der neuen Centrums partei scharf gegenüber tritt. Auch in anderen süddeutschen Ländern würde die Anwendung des „Reichshebels" zu Gunsten klerikaler Ansprüche in diesen Staaten sehr peinlich empfunden werden. Hat es doch augenscheinlich in hessischen Regierungs kreisen schon unanginehm berührt, daß das Gerücht verbreitet wurde, „Deutschland" habe die Anregung zu dem Eingreifen desPapsteSim spanisch-amerikanischen Conftict gegeben. Das Organ der großherzoglich hessischen Regierung, die „Darm städter Ztg.", bezeichnet diese Meldung als „wenig glaub würdig" und fügt in gesperrtem Druck hinzu: „Es kann ver sichert werden, daß die deutsche Regierung noch vor kürzester Zeit fest entschlossen war, sich in keiner Weise direct oder indirect in den spanisch-amerikanischen Streit einzu- mischen; es liegt kein Grund vor, aus welchem die deutsche Regierung von dieser sehr weifen Politik der absoluten Zurückhaltung hätte abweichen sollen." Dann heißt es in der „Darmst. Ztg." weiter: „Daß die Einmischung de« Papstes für die Vereinigten Staaten in jedem Falle recht unbequem sein würde, liegt aus der Hand. Deutschland hat aber bei seinen sehr lebhaften Beziehungen zu den Vereinigten Staaten nicht das mindeste Interesse daran, ihnen Schwierigkeiten in Angelegenheiten, die Deutschland an sich gar nichts ongrhen, zu bereiten. Deutschland hat ferner gar kein Interesse daran, den Han» Dampf in allen Gasten zu spielen. Das Beispiel Napoleons 111. muß sür jeden einsichtigen Staat eine eindringliche Warnung davor sein, sich um alle möglichen und unmöglichen Dinge zu kümmern. Ein Staat, der sich berufsmäßig in alle Dinge, auch in solche, die seine Interessen nicht berühren, einmengt, ver- schwendet vorzeitig das Capital an Achtung, das er im Auslande besitzt, und er läuft Gefahr, daß fein guter Rath dann nicht beachtet wird, wenn es seine eigenen Interessen gebieten, zu vermittel». Mit anderen Worten: Wie im Leben, so ist cs auch in der Politik klug, sich etwas rar zu machen. Die deutsche Regierung wird sicherlich nicht gegen einen Erfolg der päpstlichen Intervention intriguiren, aber aus Len angegebenen Gründen liegt für sie kein Anlaß vor, die päpst liche Einmischung herbeizuführen und die Politik der Nicht intervention in dem spanisch-amerikanischen Streite zu verlassen". DaS klingt fast wie eine Warnung, und zwar wie eine Warnung, die nicht sowohl von der Sorge um Verminde rung des deutschen Einflusses durch eine überflüssige Ein mischung, als vielmehr von der Sorge um Stärkung des päpstlichen Einflusses durch die deutsche Regierung eingegeben ist. Es ergiebt sich hieraus, wie groß die Sorge der hessi schen Regierung sein würde, wenn es den Anschein gewänne, als ob in Berlin die Ansprüche der süddeutschen Klerikalen eine nachdrückliche Unterstützung fänden. Die Annahme eines imperativen Mandats durch einen NeichstagS-Candidaten ist kein Vorgang von localer Bedeutung, sondern beansprucht allgemeine Beachtung. Artikel 29 der Reichsverfassung lautet be kanntlich: „Die Mitglieder des Reichstages und Vertreter des gesammten Volkes sind an Aufträge und In structionen nicht gebunden." Jin Widerspruche mit dieser klaren Bestimmung bat den Blättern zufolge Herr Westermacher als Candidat des Bundes der Landwirthe im Reichstagswahlkreise Höchst-Homburg-Usingen erklärt, er werde in allen die katholische Kirche betreffenden Fragen strikte Stimmenthaltung üben. So hofft man, im Falle einer Stichwahl, die Stimmen der Ultramontanen zu gewinnen, deren Candidat eventuell auf die Unterstützung des Bundes der Landwirthe in der Stichwahl rechnen darf. HerrWestermacher ist als hessischer Landtagsabgeordneter aus der nationalliberalen Fraction, nicht aber aus der nationalliberalen Partei ausgetreten und Hal sich dem Bunde der Landwirthe fester angeschlossen. Wenn er jetzt im Gegensätze zu Artikel 29 der Reichsverfassung der Praxis des Bundes der Landwirthe auch in Bezug auf das imperative Mandat sich anbequemt, so fordert er damit den Widerspruch aller Derjenigen heraus, denen die Aufrechterhaltung jener grundlegenden Bestimmung der NeichSverfassung aus den triftigsten Gründen gerade jetzt ganz besonders am Herzen liegt. In einer Zeit, in welcher die materiellen Interessen einzelner Classen ebenso wie die Herrschaftsansprüche der klerikalen Partei mit bewußter Einseitigkeit verfochten werden und der Mangel an Scheu, politische Handelsgeschäfte abzuschließen, die un natürlichsten Verbindungen zeitigt, muß man Artikel 29 der Reichsverfassung erst recht hochhalten. DaS Volk ist eben nicht eine bloS atomistische Masse von Millionen Individuen, eS ist eine Gesammtexistcnz mit eigenen Lebens anschauungen, eigenen Culturaufgaben; und die Volks vertretung repräsentier nicht das atomistische Aggregat der zeitweilig lebenden Individuen, sondern die Gesammtexistenz. Aus dieser geläuterten Auffassung des Volkes und der Volksvertretung ergiebt sich die im Artikel 29 der Reichs verfassung festgelegte Stellung der einzelnen Volksvertreter. Daß hier nicht etwa die Liebhaberei staatsrechtlicher Theoretiker zum Wort gelangt, vielmehr die praktischen Erfordernisse des öffentlichen Lebens nach Gebühr berück sichtigt werden, liegt auf der Hand. Wer das imperative Mandat billigt, schneidet den eigentlichen Nerv des parla mentarischen Lebens, die wirkliche Debatte, den Kampf und den Ausgleich der Gegensätze, einfach ab und erniedrigt die parla mentarische Verhandlung zu einem Possenspiel. Früher mag das altständische imperative Mandat insofern berechtigt ge wesen sein, als die Wahl bei geschlossenen Corporationen lag und die Landtage wesentlich Geldtage waren; heute, da den Parlamenten eine Fülle schwieriger politischer Geschäfte ob liegt, würde das imperative Mandat, wie Heinrich von Treitschke mit Recht bemerkt, zur Pöbelherrschaft führen. Dem ungarische» Parlamente wird der Iustizminister v. Erdelyi binnen Kurzem einen Gesetzentwurf über die Organisation der Creditgenossenschaften unter breiten. Die Vorlage der Regierung soll den Credit des kleinen Mannes, sowohl des kleinen Landwirthes als auch des kleinen Gewerbetreibenden, aus neuer Basis regeln und dafür sorgen, daß der nach ungarischen Vorstellungen verhältnißmäßig wohlfeile und leicht zugängliche Credit durch ein planmäßig angelegtes Netz von Canälen an den wahrhaft Creditbedürftigen gelange. Der Plan, welcher dem Gesetzentwürfe zu Grunde liegt, zeigt manche Verwandtschaft mit ähnlichen Organisa tionen in Deutschland und in Frankreich. So wird in Pest unter der direkten Mitwirkung des Staates eine Central- Credit - Genossenschaft errichtet werden. Dieses Central- Institut ist berechtigt, mit 4 Procent verzinsliche, einheit liche Obligationen auszugeben, welchen tue Stempel- und Gebühren-, sowie die Steuerfreiheit zugesichert werden. Der Staat tritt mit dem Betrage von einer Million Kronen als Mitglied in diese Centralgenoffenschaft ein und stellt der letzteren überdies drei Millionen Kronen als Sicherstellungsfonds für die von dem Centralinstitute aus zugebenden Obligationen zinsensrei zur Verfügung. Außer dem übernimmt der Staat 30 bis 40 Procent der Ver waltungskosten der Centralgenoffenschaft. In den Ortschaften und Gemeinden werden, soweit es angeht, getrennte landwirth- schaftliche und gewerbliche Creditgenossenschaften unter der Mit wirkung der Gewerbe- und landwirthschaftlichen Corporationen gebildet werden. Wo es nicht angeht, werden die Land wirthe und Gewerbetreibenden vereinigt. Die Ortsgenofsen- schast tritt als Mitglied in die Ceutralaenofsenschaft ein. Unter den Mitgliedern besteht nicht die solidarische Haftung, sondern die fünffache Haftung für die Einlage. Die Credit- gewährung kann bis zu Beträgen von 5 und 10 Gulden herab erfolgen. Als Maximal-Zinsfuß werden bis auf Weiteres 6,2 Proc. fixirt. Die dänischen Kolkething-Wahlen, deren Resultat bereit« mitgetbeilt wurde, haben der Rechten eine große Niederlage, der radicalen Linken dagegen einen entscheidenden Sieg ver schafft. Die Rechte hatte früher 23 Plätze im Folkethiug inne, von diesen hat sie 8 verloren und verfügt also jetzt nur über 15 Plätze. Der einzige Sieg, den die Rechte in der Hauptstadt Dänemarks gewann, war im zweiten Kreise, wo der Oberst Wagner den Linkencandidaten mit bedeutender Majorität besiegte. Zn Kopenhagen verfügt die Rechte jetzt nur über drei Kreise von 13; sie erhielt dort im Ganzen nur 16 530 Stimmen, während die Opposition über 29 000 erhielt. Die Linkenreformpartei, die früher nur 54 Plätze hatte, also über die Majorität (114 Mitglieder) nicht verfügte, hat neun Kreise gewonnen, verfügt also jetzt über 63 Stimmen, d. h. über die Hälfte sämmtlicher Stimmen. Die dritte Partei, die der Moderaten, ist von 26 auf 23 ver mindert worden, und die Socialdemokraten sind von 9 auf 12 gestiegen. Die sogenannte Dinesen'sche Gruppe ist völlig auf gelöst, außer dem Leiter sind nur noch 2 Mitglieder vorhanden. Die Fortschritte, die die Socialdemokrateu in den letzten Jahren, besonders in Kopenhagen, gemacht haben, sind sehr be deutend. Bei den Wahlen 1892 erhielten sie im Ganzen 20 000, 1895 25 000 und diesmal fast 32 000 Stimmen, also seit 6 Jahren ein Fortschritt von 12 000 Stimmen. Während derselben Zeit ist die Rechte um 40 000 Stimmen zurück gegangen, nämlich von 90 000 1892 auf 50 000 am Dienstag. In den Regierungskreisen herrscht wegen de« Resultats der Wahlen große Bestürzung, und die Bildung eines Linken- I Cabinets, das aus Mitgliedern der Linkenreformpartei bestehen ' soll, gilt als wahrscheinlich. Der Kamps mit -em Schicksal. 7s Roman von Hermann Heinrich. Nachdruck derbotkn. „Doch, wenn es gegen seinen Willen geschieht", dachte Richard aber er sprach es nicht au«. „Was hast Du denn?" fragte er kühl. „Was ich habe? Nun, mit einem Wort: eine Braut." Richard verzog keine Miene. „Wen meinst Du?" „Kannst Du Dir daS nicht denken? Es giebt in unserer Bekanntschaft doch nur eine junge Dame, die hier in Frage kommen könnte." Richard stand auf, und sein Gesicht nahm einen überaus ernsten Ausdruck an. „Vater, wenn Deine Wünsche mit dem albernen Gerede übereinstrmmen —" Er konnte nicht weiter. Wie der leibhaftige Donnerer erhob sich der Alte, und ein Blitz aus seinen flammenden Augen traf den Sohn. So mochte Thor, der Donnergott, ausgesehen haben, wenn er sich für seinen Hammer das Ziel wählt«. „Was?" schrie er, daß das Zimmer dröhnt«. „Albern nennst Du das Gerede? Und mit einem albernen Gerdde bringst Du die Wünsche Deines Vaters in Verbindung? So ein grüner, aufsässiger, einfältiger Bursche! Mir, Deinem Vater, willst Du albernes Gerede vorwerfen? Habe ich Dich deshalb in mein Haus genommen, um mir bei der ersten besten Gelegenheit über den Mund fahren zu lassen? Du undankbarer Mensch! Du bist ja gar nicht werth, daß Du einen solchen Vater hast." Der Alte stürzte hinaus und warf die Thür zu, daß dir Wände bebten. Richard war innerlich erschüttert, weniger wegen der harten Worte, die er hatte hören müssen, al- vrrkmchr wegen der Kluft, die sich so plötzlich wieder Mischen ihm und seinem Vater aufgethan hatte. Ein Jahr lang hotte er Alle- ertragen, wa- ein selbstständig denkender und fühlender Mensch nur er tragen kann, und ein Augenblick hatte hingereicht, den mühsam errungenen Erfolg eine» Jahre« zu vernichten. Aber das durfte nicht sein. Wenn er auf sich allein angewiesen gewesen wäre, so hätte er ja den Staub von seinen Füßen schütteln und in di« Welt hinausgchen können, die Sarge für Weib und Kind legte ihn Verpflichtungen auf, di«, so schwer sie auch drückten, doch erfüllt werden mußten. Und zu diesem Gefühl gesellte sich ein herzliches Mitleid mit dem alten Mann, der sein Vater war und bei aller Wunderlichkeit doch den Sohn liebte. Schnell entschlossen ging er dem Vater nach. Mit erregten Schritten ging der Amtsrath im Zimmer auf und ab. Sein Gesicht war fahl und glich bei den schönen Zügen einem Marmorbilde, dem Wind und Wetter seine Spuren eingedrückt haben. Ein Schwäche durchrieselte seinen Körper, er mußte sich setzen. Eilige Schritte nahten sich. Er horchte auf. Sollte cs Richard sein? Wollte der Halsstarrige den empfangenen Schlag zurückgeben? „Vater", begann Richard mit leise zitternder Stimme, „ich habe Dich nicht verletzen wollen. Wenn ich Dir mit einem unbedachten Wort zu nahe getreten bin, so bitte ich um Ver zeihung. Aber ich bitte Dich auch, mich mit mehr Rücksicht und mit geringerer Heftigkeit zu behandeln, schon um der Leute willen, die doch Deinen Sohn und Vertreter in mir achten müssen." Das Gesicht des Alten belebte sich wieder, aber er antwortete nicht sofort. Einen Augenblick sah er den Sohn mit strafendem und doch schmerzlichem Blicke an, dann sagte er: „Was hast Du an Fräulein Held auszusetzen?" „Nichts." „Du willst sie aber nicht heirathen." „Nein." „Warum nicht?" „Weil ich sie nicht liebe." Der Amtsrath schüttelte den Kopf. „Das begreife ich nicht. Was verstehst Du denn unter Lieb«? Diebe ist nicht di« schwär merische Zuneigung, die das Weib mit glühender Seele umfaßt. Lieb- ist mehr. Sie ist die auf Werthschätzung gegründet« Einsicht, daß das Weib eine treue Gattin, Mutter und Hausfrau sein werde. Und das trifft hier zu. Fräulein Held hat alle Tugenden, die sie zu einer glücklichen und gesegneten Ehe tüchtig machen." „Ich erkenne ihren Werth an, aber heirathen kann ich sie nicht. Vater, quäle mich doch nicht mit einer Forderung, die ich nie erfüllen kann und will!" Der AmtSrath stand auf. „Ich will Dir etwas sagen, Richard, und ich sage eS ohne Zorn und Eifer. Es liegt in Deiner Natur, daß Du ohne einen wohlthätigen Zwang zu nicht» kommst. Von der verachteten „Klamottenbäckerei" hast Du auch nicht« wissen wollen, und nun fühlst Du Dich doch ganz wohl dabei. So ist'« auch in diesem Falle. Ich will Dein Beste», daS wirst Du nicht bezweifeln, ich werde nicht aufhören, Dich zu dem Ziel zu leiten, da» Du früher oder später erreichen mußt, wenn Du ein ganzer Mann sein und ein volles Leben leben willst. Ich will Dich nicht dazu zwingen, ein bestimmtes Mädchen zu heirathen, dazu habe ich schließlich kein Recht. Sieh Dich um unter den Töchtern des Landes! Findest Du ein Mädchen, das besser ist als Fräulein Held, nach allen Beziehungen begehrenswerthcr, so will ich auf meiner Ansicht nicht stehen bleiben. Sei sicher, Du findest keine! Und nimm Dich in Acht, daß Du mir nicht mit einer Puppe unter die Augen trittst, deren ganzer Vorzug ein hübsches Lärvchen ist. Fräulein Held ist eine sehr stattliche Erscheinung, mit der kann sich Jeder sehen lassen. Du hast mich hoffentlich verstanden." Am Nachmittag ließ der Amtsrath anspannen und fuhr in dem tollen Wetter nach Brunow. „Was hat der denn hier für Böcke zu melken", dachten die Leute. „In diesem Wetter jagt man ja keinen Hund von Krahnepuhl nach Brunow." Im „Gol denen Engel" stieg er ab und ließ sofort alle Bekannten zu sich bitten, die mit Verwunderung seiner Einladung folgten. Eine Bowle nach der anderen ließ der aufgeregte Herr auftragen. Er trank das glühende Zeug wie Wasser und trank sich nach und nach in einen tollen Humor hinein, der von Witz, Grobheit und Derbheit sprühte. Di« Brunower kannten diese Stimmung schon. Der Amtsrath hatte wieder seinen Affen, nur war es merkwürdig, daß bei ihm der Affe vor dem Trinken und nicht nachher kam. Er wollte seinen Affen ersäufen, pflegte er sich selbst auszudrücken. Inzwischen verlebte Richard bange Stunden. Für den Augenblick war ja die Gefahr abgeschlagen, aber in der Ferne drohte sie wie ein schreckliches Gespenst. Dahin war er also ge kommen, daß er zu allen Leuten, die ihm nahe standen, ein« schiefe Stellung hatte. Weib und Kind lebten weit von ihm getrmnt, sein Vater hielt ihn für einm unsinnigen Menschen, den man wie ein Schaf zur Weide leiten müsse, und Lottchcn, dieses brave, liebenswürdige Mädchen, kam durch ihn ins Ge rede, wenn sie sich nicht gar selbst ernstere Gedanken macht«. Und doch konnte er dem Wirrsal nicht entrinnen. Wie er auch über legte, er fand keinen Ausweg. Da öffnete sich plötzlich die Thür und die Ladewigen trat ein. „Ist das ein Haus!" sagte sie mit gedämpfter Stimme, „ist daS ein herrschaftliches Haus! Sind wir denn eine Menagerie geworden, wo die Löwen brüllen und die Tiger rasen? Vor mittag schreit er die Wände um, und Nachmittag jagt er seine Pferd« durch den Sumpf. Um Gotte» willen, Richard, was haben Sie wieder angegeben?" - Im Anblick des ehrlichen Gesichts der Haushälterin kam Richard ein befreiender Gedanke. Ihr wollte er sein Gehoimnih verrathen. ES lag mit Lentnerlast auf seiner Seele, und wenn er sich nicht erleichterte, so mußte er zu Grunde gehen. Die Alte war zwar etwas rauhbeinig, aber treu wie Gold. Außerdem hatte sie einen scharfen natürlichen Verstand, und schon mancher gute Rath war aus ihrem Munde gekommen. Er streckte ihr die Hand entgegen. „Liebe Frau Ladewig, ich bin sehr unglücklich, und mein Vater ist außer sich vor Aerger." „Das sicht sin Blinder", entgegnete sie. „Aber was haben Sie denn verbrochen?" „Ich? Muß ich tmrn etwas verbrochen haben?" „Na Du lieber Gott, der Herr Amtsraih ist doch-zehnmal gescheidter als Sie und die ganze junge Welt dis zum fünfzigsten Jahre. Ich kann mir nicht denken, daß er Schuld haben sollte." „Ja, er will mich verheirathen." „Ist denn das ein Unrecht?" „Mit Fräulein Held." „Da haben wir's ja", triumphirte Frau Ladewig. „Sehen Sie, daß er wieder mal Recht hat? Fräulein Lottchen ist eine Seele, und eine Hausfrau, und Geld hat sic auch. Ach, Richard, im Stillen habe ich mir immer gewünscht, Sie möchten sie heirathen. Ihresgleichen giebt's im Umkreise von zehn Meilen nicht mehr. Einmal mutz ich ja doch das Regiment abgeben, und Keiner gäbe ich's lieber, als ihr." „Ja, sie ist ein gutes Geschöpf", entgegnete Richard, „und deshalb darf sie in keinem Falle das Opfer einer Täuschung werden. Ich kann weder sie noch irgend ein Mädchen jemals heirathen." , , „Aber mein Gott —!" „Wollen Sie mir Verschwiegenheit versprechen bis ins Grab?" „Ja doch, ja! Aber so sagen Sie doch nur —, ich platze ja vor Aufregung." Richard neigte seinen Kopf zu ihrem Ohr und flüsterte: „Ich bin schon verhoirathet." Die Alte fuhr beleidigt zurück. „Ich muh mir's doch aus bitten, junger Herr! Wenn Sie Jemand zum Narren haben wollen, so suchen Sie sich eine Andere aus. Ich bin zwar eine einfache Frau, aber zum Kinderspott bin ich noch nicht ge worden. Merkm Sie sich daS!" Es kostete einig« Mühe, Frau Ladewig zu überzeugen, daß Richard nicht scherzte, sondern die reine Wahrheit sprach; aber als sie das begriffen hatte, brach ein Sturm der Entrüstung über ihn los. „Das ist also die heutige jung« Well!" rief sie. „Ein armes Mädchen hinter» Licht führen und den Vater betrügen! Denn das mutz ich Ihnen doch sagen, Sir haben sich an Ihrem Vater und an dem Mädchen versündigt. Und an mir auch! Ja, an der alten Ladewigen auch! Auf meinen Armen habe ich Sie getragen, Mutterstelle habe ich an Ihnen vertreten, und
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