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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.03.1899
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-11
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990311025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899031102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899031102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-03
- Tag1899-03-11
- Monat1899-03
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DaS deutsche Auswärtige Amt kommt damit dem englischen und dem der Vereinigten Staaten voraus und eS zeigt damit, daß wir keinerlei Grund haben, mit Dem hinter dem Berge zu halten, was unsere deutschen Beamten in der viel erörterten und viel entstellten Affaire gethan und nicht gethan haben. Durch die Darstellung deS deutschen GeneralconsulS Rose, welche den Eindruck einer ruhigen, völlig objektiven Schilde rung macht und vortheilhaft von dem berüchtigten Briefe deS amerikanischen Oberrichters Chambers absticht, wird in jeder Beziehung bestätigt, was wir und mit uns der größte Theil der deutschen Presse aus den bisher vorgelegenen Berichten, auch den gegnerischen, berauSgelesen habens daß das Verhalten unserer deutschen Beamten von Anfang bis zu Ende ein durchaus correctes, würdiges und kluges, auf die Erhaltung der Ruhe und Ordnung auf den Inseln, speciell in Apia, und vor Allem auf den Schutz der Europäer gerichtetes gewesen ist, während die englischen und amerikanischen Beamten, sowie der englische Capitän Sturdee nicht nur der krassesten Inkonsequenz zu zeihen sind, sondern auch die Schuld an dem Blutvergießen vom 31. December und den Weiterungen lragen, welche zwischen den Cabinetten in Washington, London und Berlin entstanden sind. Aufs Unzweideutigste geht aus dem ersten Bericht Rose's hervor, daß Chambers sich durch eine schriftliche Aeußerung vollständig mit der Wahl des den Deutschen genehmen Mataafa einverstanden erklärt hatte, um dann plötzlich im Einvernehmen mit den Engländern seine Ansicht zu ändern. Diese Partei trat nun für den „Tbroncandidaten" 4.anu ein unter dem Vorgeben, Mataafa, der früher bei der deutschen Regierung persona ingrnta gewesen, sei nach den Verhandlungen der Berliner Conferenz nicht wählbar. Das ist falsch. Einmal hatte Deutschland — wir fußen in dieser Beziehung auf Erklärungen des deutschen Municipal- präsidenten Raffel nach seiner Ankunft in San Fran cisco — seine Einwendungen gegen Mataafa längst! zurückgezogen und sodann enthält weder die Berliner! Samoa-Acte eine Stipulation, daß Mataafa nicht ge-I wählt werden dürfe, noch sind die Protokolle der Conferenz,! in welchen eine solche Stipulation enthalten ist, der Berliner Acte, svie sie in Samoa gedruckt worden, beigefügt. TaS Eintreten von Chambers und Genoffen für Tanu war also ein völlig ungerechtfertigtes und eigenmächtiges und war um so bedenklicher und strafwürdiger, als es in ibätizem Beistand für Tanu und gewaltsamer Abwehr der Mataafa-Lcute bestehen sollte. Nur dem Umstand, daß die Malaafa-Lcute die Anhänger Tanu's im Handumdrehen in die Flucht schlugen und im Nu Herren der Situation waren, ist es zuzuschreiben, daß der Beschluß, Gewalt gegen diese anzuwenden, nicht zur Ausführung kam. Die englische „Porpoise" mußte sich damit begnügen, den flüchtigen Häupt lingen Tanu und Tamasese ein Asyl zu gewähren. ES ist leicht begreiflich, daß dieser Gang der Dinge ChamberS und seine englischen Verbündeten noch mehr gegen die deutschen in Harnisch brachte und zu weiteren unbesonnenen Schritten binriß. Sie mußten zwar die provisorische Regierung Mataafa's anerkennen und konnten nicht hindern, daß der wegen seiner Hilfsbereitschaft und seiner Versöhnlichkeit allgemein beliebte, und selbst in der englischen Colvnie hochgeachtete deutsche Municipalpräsident von Apia vr. Raffel als oberster Exekutiv- beamter dieser provisorischen Regierung proclamirt wurde, allein schon Tags darauf bereute ChamberS seine Nachgiebig keit und suchte vr. Raffel nun Hindernisse auf Hindernisse in den Weg zu legen. Zunächst drang er aus de» bei Do- Raffel's Charakter und Vergangenheit völlig überflüssigen, ja belei digenden Zusatz zu der Proklamation, dieselbe solle nicht dahin auSgelegt werden, daß dadurch die Rechte und Privi legien der drei Vertragsmächte abgeänderl oder aufgehoben würden. Dann aber legte er scharfen Protest dagegen ein, daß vr. Raffel das Obergericht bis auf weitere Anordnung der provisorischen Regierung schloß und die Functionen des Oberrichters vorläufig selbst übernahm. Chambers that dies, obwohl er selbst das Obergericht nach der Proclamirung der neuen Regierung verlassen und sich an Bord des eng lischen Schiffes begeben hatte. Er hatte sich also außer Landes begeben. Allerdings hatte Chambers bekannt gegeben, daß die Thätigkcit des Oberrichters nur bis auf weitere Bestimmung vertagt sei, allein nach unserem Dafürhalten berief vr. Raffel sich mit allem Recht darauf, daß auf Grund der jüngsten Umwälzung, nach Proclamirung einer neuen, wenn auch nur provisorischen, Negierung das oberrichterllck>e Mandat ChamberS erloschen sei. Halte er doch selbst seine Thätigkcit eingestellt! Aber selbst gesetzt den Fall, ChamberS sei mit seiner Ausfassung im Recht, so wäre der von einer besonnenen, vornehmen Diplomatie gewiesene Weg der gewesen, die Angelegenheit den betheilizten Regierungen telegraphisch zu schleuniger Entscheidung zu unterbreiten. Statt dieser gütlichen Auseinandersetzung nahmen Chambers und der englische Consul Boxerslellung ein, wandten Gewalt an, erbrachen das Obergericht und vertrieben vr. Raffel auö dem AmtSgcbäude. Sehr leicht hätte diese Politik ad iruto zu einem Blutvergießen zwischen den Deutschen einerseits und den Eng ländern und Amerikanern andererseits mit unabsehbaren Folgen führen können, wenn vr. Raffel nicht die Gestellung bewaffneter Macht von S. M. S. „Falke" mit der ver nünftigen Motivirung abgelchnt hätte, er wolle nicht dazu beitragen, daß der Fall deS feindlichen GegenübersteheuS bewaffneter Abtheilungen befreundeter Staaten aus so minimer Veranlassung eintrete. So charaktervoll der deutsche Beamte in jeder Beziehung aus getreten ist, so charakterlos war daS Verhalten deS Amerikaners ChamberS. DaS zeigte schon die bisherige Darstellung, aber geradezu verächtlich erscheint dieser Herr, wenn man erfährt, daß er, um sein ungehöriges Vorgehen zu rechtfertigen, nach Washington telegraphirte, der deutsche Generalkonsul Rose habe sich an die Spitze der Mataafa-Leule gestellt, während nach der glaubwürdigeren Erzählung unseres Generalkonsuls dieser bei einem Ritt auf der Hauptstraße von Apia nur einen Haufen Mataafa-Leute durchquert hat, welche die Straße über- flutheten. Zu solchen Mitteln der Vertheidigung greift also dieser Herr ChamberS! Allem Anschein nach hat man ihn denn auch bereits in Washington falle» gelassen. Erst gestern meldeten wir ja aus New Jork, „obgleich" er in der Samoa- Angelegenheit richtig vorgegangen sei, glaube man doch, daß seine Ersetzung wohlthätig wirken werde. Warten wir nun die Veröffentlichung der amtlichen eng lischen und amerikanischen Berichte ab. Dann wird es auch für die deutsche Regierung an der Zeit sein, endgiltig in der Sache Stellung zu nehmen. Vorläufig schließen wir aus der Veröffentlichung des Rose'schen Berichts im „Reichs anzeiger", daß sie von der Nichtigkeit dieser Darstellung und von der Correctheit unserer Beamten ebenso überzeugt wie wir ist und daß sie dem entsprechend auch handeln wird. Daß es wegen so „minimer Veranlassung" nicht mehr zu ernsten Auseinandersetzungen kommen wird, scheint jetzt schon festzu stehen. Dies haben England und die Vereinigten Staaten lediglich dem klugen, maßvollen Verhallen deS deutschen GeneralconsulS Rose zu verdanken! Politische Tagesschau. . * Leipzig, 11. März. Infolge des Mißbrauchs, der an beschlußunfähigen Sitzungötagen so häufig mit der kostbaren Zeit getrieben worden ist, sieht sich der Reichstag nunmehr genötbigt, ent weder ein rascheres Tempo anzuschlagen, oder zu Abend sitzungen zu greifen, um die EtatSberathung rechtzeitig zu Ende zu bringen. Da man die Anwendung deS letzteren Mittels auf jeder Seite des Hauses scheut, so nahm die gestrige Colonialdebatte einen verhältnißmäßig raschen und glatten Verlauf. Das würde aber vielleicht auch trotz der ungünstigen Geschäftslage nicht möglich gewesen sein, wenn die Gegner der deutschen Colonialpolitik noch Gelegenheit hätten, auf irgend einen Colonialscandal hinzuweisen. Da ein solcher nicht vorliegt, blieb Herrn Bebel nichts Anderes übrig, als auf das alte Thema PcterS zurückzugreifen. Trotz aller Versuche, dieses Thema in seinem Sinn zu verwerthen, mußte er sich endlich doch zu dem Eingeständniß ent schließen, daß eS ihm leid thue, mit dem Tucker briefe hinterS Licht geführt worden zu sein. Auch Herrn Richter's Abneigung gegen alles Coloniale kam nur noch zu mattem Ausdrucke, was besonders darauf zurückzusühren sein mag, daß er immer fürchten muß, vom Centrum im Stiche gelassen zu werden. Ein eigentlicher Kampf entbrannte gestern nur um die Usumbarabahn, für dir 2 Millionen gefordert, von der Commission aber nur ir/« Millionen bewilligt waren; Graf v. Stolberg be antragte die Wiederherstellung der Regierungsforderung. Ter Kampf war aber nur ein Scheingefecht, denn Herr vr. Lieber beschritt alsbald die goldene Brücke des NachgebenS. Darüber könnte, ja müßte sich jeder Colonialfreund herzlich freuen, wenn eS nicht allzu offenkundig wäre, daß daS Centrum seinen Trumpf nicht umsonst auSspielt. Spricht man in Parlamentskreisen doch von einer recht erbaulichen Scene, die sich jüngst in der Budget-Commission abspielte, als man den Colonialetat berieth. Im Etat stand ein geringfügiger Posten für den Bau der evangelischen Kirche in Dar-eS - Salaam. Da genügte ein kurzer Hinweis des ColonialpolitikerS des Cen trums, Prinzen v. Arenberg, daß diese Forderung mit der Parität in Widerspruch stände, um Herrn v. Buchka zu der Erklärung zu veranlassen, der Posten sei nur „aus Ver sehen" in den Etat gelangt. Ja, Centrum ist Trumpf! Die Herren am Regierungstische scheinen daS aber ganz an genehm zu finden, so lange jenes mit sich handeln läßt, und ohne Frage: diesmal haben sie die Forderung für die Usam- barababn „eingehandelt", scheinbar sogar „billig". Außer der Peterssache, die Bebel aufs Tapet brachte, wobei die Neckte für Herrn PeterS eintrat, kamen die immer noch nicht be friedigten Forderungen der Gebrüder Den Hardt zur Sprache. Herr von Buchka versprach, ihnen, waS an ihm läge, Geltung zu verschaffen. Vielleicht wird auch hier, was lange währt, gut. Gegen die ausländischen Gesellschaften in unseren Colonien, namentlich gegen die nur dem Namen nach deutsche, thatsächlick aber englische Süd-Kamerun gesellschaft trat der Abg. Lehr auf, leider ohne die nöthige Beachtung im Hause zu finden. Dieses batte, wie gesagt, Eile und erledigte in dieser außer dem Etat für Deutsch - Ostafrika noch den für Kamerun. Daß die Geschäftslage deS preußischen Abgcmdncten- hauseS mindestens nicht günstiger ist als die des Reichstags, ist bekannt. Trotzdem wird cs nur daö Centrum mit seiner Gefolgschaft beklagen, daß gestern die rasche Erledigung des CultuSetats verzögert wurde durch eine Culturkamps- debatte größeren Stils. Besonders ragte in ihr eine Neve deS nationalliberalen Pfarrers Hackenberg hervor, die wir, da nocb öfter auf sie wird zurückgegriffen werden, an anderer Stelle wörtlich wievergebcn. Sie ist zweifellos auf Anregung der Parteileitunggeyalten worden und versolgt außer dem Zwecke, dem klerikalen Begriffe der „Parität" den protestantischen und den staatlichen Begriff gegenüberzustellcn, sicherlich auch den Zweck, die Mißverständnisse zu beseitigen, die in Folge der mehrfach erwähnten ReichStagsredcn ter nationalliberalen Abgg. Paa sche und Graf Oriola über die Stellung der Nationalliberalen zu den wichtigsten kirchen politischen Fragen entstanden waren. Nach dieser Rede, die auf daS ganze Haus einen tiefen Eindruck machte, werden es die Regierungen Preußens und des Reiches wie die Parteien von rechts und links nur sich selbst zuzuschreiben haben, wenn sie sich über die Haltung der Nationalliberalen in dem neuen, durch Abstumpfung der staatlichen Waffen koppelt schwierig gewordenen Culturkampse noch einem Zweifel hingeben. Leider vermochte der preußische CultuSminister vr. Bosse es nicht, auch seinerseits eine feste Position zu gewinnen. Wenn er zum Beispiel sagte: „Ich kann, will und darf nicht die Rechte des Staates verletzen, aber ich will auch die Rechte der Kirche anerkennen", so war daS nichts als daS Eingeständniß, daß er rathloS zwischen den Forderungen des Staates und denen „der Kirche" steht. Die letzteren, so weit sie mit denen deS Staates nicht in unüberbrückbarem Gegensätze stehen, sind anerkannt, die deS Staates aber sind es von Seiten der klerikalen Richtung der katholischen Kirche nicht. Und wer daS nicht mit Entschiedenheit betont, ist nicht im Stande, die Rechte deS Staates unverkürzt zu wahren. Zum Stande der Militärvorlage meldet ein Bericht erstatter, der aus konservativen Kreisen informirt zu werden pflegt, die Stellung deS Kriegsministers von Goßler scheine erschüttert zu sein. Es beruht dies offenbar auf dem Eindruck, den das wenig entschiedene Auftreten des Ministers gegenüber dem in der Commission angenommenen Anträge Lieber hervorgebracht hak. Gegen einen Beschluß, welcher behufs der Ersparung von nur 2 Millionen Mark die Stärke der meisten Infanterie-Bataillone so niedrig zu halten nöthigt, daß sie bei zweijähriger Dienstzeit eine zureichende Ausbildung nicht gewährleistet, hätte sich Wohl mehr und Wirksameres sagen lassen. Dem Anscheine nach hat man geglaubt, Rücksicht auf die angeblichen Schwierigkeiten nehmen zu müssen, auf welche die CentrumSfübrer in ibrer Fraktion schon bei den in der Commission beschlossenen Bewilligungen stoßen sollen. Es fragt sich aber, ob nicht eine zur Mehrheit ausreichende Anzahl von Centrumsmitgliedern eiusicht, wie verfehlt es ist, um einer verhältnißmäßig so unbedeutenden Ersparniß willen den Gegnern der zweijährigen Dienstzeit Wasser auf die Mühle zu schaffen. Die „Germania" schreibt: „TieAnnahme der Militärvorlage in der vollen Höhe des Regierungsentwurfes erscheint, jo wird uns aus parla- Fettilletsn. Wang-hgan-Ch6. Roman von Sylva Testa (L. Frfr. von Staöl-Holstein). Nachdruck verboten. Sechzehnte- Capitel. Nein, es King nicht, wie es gehen sollte. Wohl hatte sich Wang darauf gefaßt gemacht, mit riesigen Schwierigkeiten käm pfen zu müssen, aber er hatte nicht geglaubt, daß die Begeiste rung, welche seine Erlasse überall wachgerufen hatten, so schnell schwinden wcrde, weil der Erfolg selbstverständlich nicht sofort augenfällig werden konnte. Sein mächtiger Hebel, die Aufklä rung der Nation, versagte hier und dg gegenüber der Macht der Trägheit und Gewohnheit völlig den Dienst. Wo sein persön- ! cher Einfluß nicht hinreicht«, seine Ueberredungskraft die Massen nicht zu Geduld und Gehorsam zwang, stockte da» so sinnreich er dacht« Räderwerk des Tauschsystem» fortwährend, und einer wan delnd«» Sanddüne gleich wälzte sich Unredlichkeit und Egoismus den besten Refovmversuchen in den Weg. Was im ersten Feuer eifer leicht durchzusetzen war, schien jetzt unüberwindlich, selbst dort, wo seine getreuen Anhänger mit Aufopferung für die neuen Anschauungen und Einrichtungen wirkten; denn auch sie bedurf ten des Rathes ihre- Meister» auf ihren weit verstreuten, verant wortlichen Posten. Wang hatte srin« älteren Schüler alle in» Reich hinauSge- sandt, bi» auf Wu-i, den hundetreuen Tölpel, welcher mit seinem dicken Kopfe nicht selbstständig handeln konnte, und Lao-st, seinen Liebling, der ihn verstand wie kein zweiter. Beide sollten ihn auf seiner großen Reise begleiten, die er als unumgänglich ins Auge gefaßt hatte. Diese überlegend, saß er an seiner Arbeitslampe, als Wu-i den Thürvorhang aufhob und meldete, es sei ein Weib da, das dringend verlang«, ihn zu sprechen, und ehe der überbürdete Mann noch abwehren konnte, — er wies einen Theil seiner Besucher an den im Nebengemach di« Anliegen aufzeich- nenden Lao-li, stand Nü-di vor ihm. Man hätte sie, in den ab gelegten Kleidern ihrer Herrin, für eine Mandarin!» halten kön nen, hätte der eisern« Reif um da» rechte Handgelenk nicht di« Dienerin verrathen. Sie wußte nicht, wie sie beginnen, wie sie ihm ihre flehentliche Bitte, ihr Herzblatt zu retten, vorbringen sollte. Wie hatte sie mit sich und ihrer Scheu vor dem großen Mann« gekämpft — aber ihre kleine Gao verzehrt« sich in Angst und Verzweiflung, da» konnte sie »richt mehr mit ansehen. Da war sie nun, und vor Wang's gütigem Blick wich die Beklem mung; in fließender Rede gab sie sich als Magd aus dem Hause She-ma-Kuang's zu erkennen und beschwor ihn, ihrer süßen kleinen Herrin eine rettende Hand zu bieten. „Geh' zum Kaiser, bitte ihn, bei She-ma-Kuang um das Kind für Dich zu werben, und der Prinz darf sich mit seinen Ansprüchen nicht mehr blicken lassen — dec Kaiser schlägt Dir nichts ab," — wiederholte sie unter Thränen, „Du bist jung und schön, warum der Liebe so abhold? Ist des weisen She-ma- Kuang Tochter keine würdige Frau für Dich?" „Ich habe keine Zssrt für Frauenliebe, gute Nü-di," sagte Wang lächelnd. „Der Püinz wird Deine junge Herrin gewiß nicht unglücklich machen, soll er doch ein Meister im Umgang mit den Schönen sein." „Aber sie liebt Dich, nur Dich", schluchzte Nü-di. „Entsinnst Du Dich der rothen Rose, die sie Dir zuwarf, als man Dich aus dem Palast trug und Du zu dem Volke sprachst?" Wohl entsann er sich der rothen Rose und des sanften Blickes der Spenderin. Also seines größten Widersachers Tochter war es gewesen. — Wie oft lieben Kinder, wo Väter Haffen! Hier war zwar kein Haß, aber doch eine Gegnerschaft, die nichts aus gleichen konnte. Er erinnert« sich nun, dieselbe Sänfte oft in seiner Nähe gesehen zu haben, wenn er seine großen Gedanken und Zukunftsbilder dem Volke entrollte. Shß-ma-Kuang's Tochter hatte ihn vielleicht verstand««, jedenfalls ihm mit Be geisterung gelauscht, ihr junges Herz an ihn verloren. — Es that ihm wohl und that ihm weh, aber er konnte nicht zwischen sie und ihr Schicksal treten. Gao wollt« ein Herz, und daS seine gehörte Dhsia, auch ohne den heiligen Eid, mit dem er es ihr ge lobt hatte. „Geh' heim", sprach er freundlich, „und sag« Deiner Herrin, ihre Tochter werde «in Kind der Freiheit sein, wende dahin eilen auf ungehemmten Füßen, an der Seite d«S Gatten ihrer freien Wahl; um solches zu sehen, lohnt sich's zu leben und mitzu- bau«n am goldenen Reiche der Zukunft." Nü-di ging, traurig, wie sie gekommen. Im Dorgemach hielt Wu-i, der einige Worte erlauscht haben mochte, sie mit breitem Lachen auf: „Siehst Du wohl, mein Ge bieter kann Deinen Süßkram nicht brauchen. Du bist nicht die Erste, .die er heimschickt. Wenn sich die Holden doch in mich verlieben thäten, da fänden sie ein gefühlvolles Herz!" „Das hast Du nicht von Deinem Meister, der trägt einen Stein im Busen", sagte Nll-di bitter. Wu-i hatte Recht, sie war die Erste nicht. Liebesbotschaften flogen Wang hageldicht zu; selbst au» den kaiserlichen Frauen gemächern. Der männlich-schöne, mächtige Verkünder einer neuen Zeit war der Heros aller Frauen, die sich im Guten wie im Bösen aus ihren Fesseln zu lösen strebten, und seine Un nahbarkeit befeuert« das Verlangen nach seiner Gunst noch mehr. Für Wang aber gab es nur di« Eine, denn bei^ihm, dem Manne von titanenhafter Gefühls- wie Willensstärke, mußte diese eine Leidenschaft jede andere Liebesregung ousschließen und ihn zum großen Emsamcn machen, wo er nur die Hand aus zustrecken gebraucht hätte, um «ine Welt voll Liebe und süßer Gemeinschaft sein zu nennen. Auch der Stärkste hat schwache Augenblicke: Wang überkam mitunter «in lichter, flüchtiger Traum, — er hörte den Kaiser sprechen: „Ihr Schönen sollt frei sein durch meine Gnade; auch Dhsia sei frei." O Traumgott mit den dunklen Märchenaugen — wie wunderhold sind Dein« Gaben! — Siebzehntes Capitel. In der offenen Gartenhalle des Palastes vor den Gemächern Wang's wandelte eine stattliche Jünglingsschaar auf und nieder, lauter junge Garde, darunter auch die drei Mandarinensöhne, die sich gegen das Leben deS Reformators verschworen hatten: Kwang, Kong-di und Long-fu. Aus Letzteren setzten, wegen seiner Löwentühnheit, Jing-Pu und der Prinz das größte Ver trauen. Aber war er noch zuverlässig? Die Anderen, rohe,, genuß süchtige Gesellen, köderte der in Aussicht gestellte Blutpreis in Gold und Edelsteinen; ihn hatte nur Rachedurst bewogen, dem Bunde beizutreten, denn auch sein Vater hatte wegen Er pressungen und Grausamkeiten ein hohes, einträgliches Amt ver loren. Zu den Füßen des großen Meisters sitzend, waren jedoch seine Mordgedanken weit zurückgewichen, nnd statt ihrer erfüllte eine Welt neuer Begriffe seinen Sinn: Schuld, Sühne, Gerechtig- kei>t, Menschlichkeit, Freiheit, — Worte, die für ihn Gestalt ge wannen, ihn beherrschten. — Er lernte Tugenden, die den Men schen adeln, kennen und verehren und sah sie alle vereint in dem Einen, den er tödten sollte. Ein fluchwürdiger Frevel erschien ihm jetzt der bloße Gedanke, dieses geheiligte Haupt anzutasten, aber ebenso fluchwürdig war es, einen Eid zu brechen, welchen er den Manen seiner Ahnen geschworen hatte. Nur durch den Tod konnte er sich seiner verzweifelten Lage entziehen; aber vor- her galt es, den Mord zu verhindern, darum beobachtete er seine Genossen und bielt sich stets zu ihnen, um jeden Anlaß zu meiden, au- dem sie hatten Argwohn schöpfen können. Kluger al» sie, gelang cs ihm, sie zu leiten und bis jetzt hinzuhalten. Aber ihre Auftraggeber waren bereits ungeduldig und dringend geworden, und Kwang und Kong-di erklärten mit Bestimmtheit, heute Nacht müsse Wang sterben; da nur Wu-i ihn bewache, würden sie Drei ihn mit Leichtigkeit überwältigen. Long-fu nickte bei dieser Er öffnung. Sein Herz drohte ihm zu zerspringen, denn es war ja auch sein Todesurtheil, und er hatte das Loben so liob; er hätte in unaussprechlichem Durst nach Weisheit und Wahrheit seine Hütte für Jahre an der Quelle bauen mögen, aus der er jetzt jubelnd Zug um Zug gethan. Wie hatte Wang heute wieder zu ihnen gesprochen! Mit Feuerzungen ihnen den großen Körper der Nation geschildert, den ein edles Blut durchströmt, dessen sie Alle theilhaftig seien, den ein Lust- und Schmerzgefühl durchrieselt, in welchem jeder Nerv mitzuckt. Er -hatte sie seine Jünger, dieses Riesenleibe > Geist genannt, berufen, ihn durch reine Selbstlosigkeit, dem höchsten Machtgobote der Vernunft, zu beherrschen, daß er in allen Tuge: den erstarke und in Gesundheit erblühe, bis ihm kein anderer Völkerleib auf dem Erdboden an Herrlichkeit gleich käme! !stach der Rede des großen Lehrers schlang Lao-li den Arm um Wu-i'S Nacken und fragte den Freund, ob er begriffen habe. .^Keinen Schimmer", erwiderte dieser lachend. .Weißt Du nicht, daß mein Schädel hohl und wohl löchrig dazu ist? Kein Körnchen Weisheit bleibt darin haften. — Nein, für Eure große Sache vermag der nichts. Aber meine Fäuste können ihr dienen, da- heißt, dem Meister, denn den lieb' ich bis zum Wahnsinn." „Du wirst vielleicht einst für ihn kämpfen müssen — vielleicht für ihn sterben", sagte Lao-li plötzlich, sehr ernst werdend, „er hat viele Feinde." „Für ihn sterben", rief Wu-i strahlend, „das wäre der Mühe werth, gelebt zu haben! Sei ruhig, so lange Wu-i auf Wang ghan-Cho's Schwelle schläft, krümmt ihm Keiner ein Haar." Long-fu, im Schatten eines Pfeilers stehend, fing dieses Zwiegespräch auf und 'beschloß, Wang's Rettung in Wu-i's derbe, treue Hände zu legen. Die Jünglinge gingen auseinander und stille ward es um Long-fu her, der sich noch immer nicht von seinem Platze rührte, als erwarte er Jemanden. Bald kam eine kwhe Gestalt auf ibn zugeschritten, und als sei es selbstverständlich, einen Schüler seiner harrend zu finden, trat Wang auf ihn zu, als er ihn ge wahrte und fragte nach seinem Begehr. „Zu wissen verlangt mich, großer Führer, wohin wir geben, wenn wir aus diesem Leben scheiden?" „Dermuthlich in» All', von dannen wir kamen", sprach Jener, „in dem da- Gute und Böse, da» in un» war, sich sondert und
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