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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.05.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-04
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18990504013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899050401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899050401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-05
- Tag1899-05-04
- Monat1899-05
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Bezugs-Preis kn der Hanpterpedition oder dm im Htadt- b,»irk und Len Vororten errichteten Au«, gabrstrllrn abgeholt: vierteljährliche4.50, bei zweimaliger täglicher »Austeilung in« Haus e 5.50. Durch die Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: viertelsäbrlich e 6.—. Directe tägliche ttreuzbaadieadung ins Ausland: monatlich e 7.5Ü. Tie Morgen-AuSgabe erscheint um '/,? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentags um b Uhr. Ne-artion und Expedition: Johannt-gasse 8. Dir Expedition ist Wochentag« ununterbrochen grössnet von früh 8 bi« Abends 7 Uhr. Filialen: ktto Klemm's Lortim. (Alfred Hahn), UniversitätSstraßr 3 (Paulinum), LoniS Lösche, Katharinenstr. 14, Part, und König-Platz 7. Morgen-Ausgabe. MiMtr TaMait Anzeiger. Amtsblatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Aathes und Nolizei-Amtes der Stadt Leipzig. Donnerstag dm 4. Mai 1899. Anzeigen-PreiS die 6 gespaltene Petttzeile L0 Pfg. Rrclameu unter demRedactionSstrich (4g*- fpalten) 50/H, vor den Familieniiochrichttn (6gespalten) 40^. Großer« Schrift«» laut unserem Preis- Verzeichnis Tabellarischer und Zissernjay nach höherem Tarif. hfrtra-Beilage» (gefalzt), nur mit der Morgen - Au-aab», ohne Postbesvrvrrunz ^l SO —, mit Poslbeförderung Al 70.—. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Annahmeschtuß für Anzeigen: Ab «ad-Ausgabe: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeige» find stets au di« Gtztzetztti»» -u richten. 83. Jahrgang. Der Dreibund und — ItaliL karL än 86. Der italienische Abgeordnete Torracca, einer der be kannteren italienischen Politiker, erörtert in einer großen italienischen Zeitung die Aufgaben de» Dreibundes. Er kommt dabei zu dem Schluffe, daß, wenn der Dreibund Italien nicht vor der Auftheilung des tripvlitanischen Hinterlandes durch England und Frankreich schütze, er für Italien keinen Zweck hab«. Noch ist an den Gestaden der Insel Sardinien der Widerhall der begeisterten Freundschaftsversicherung, die die Italiener erst mit den Franzosen und dann mit den Engländern ausgewechselt haben, nicht verklungen. Dies« freundschaftlichen Versicherungen wurden ausgötauscht, trotz der üblen Erfahrung, di« man erst vor wenigen Wochen mit Frankreich und England gemacht hat. Nach der Rede, die der italienische Minister des Auswärtigen in diesen Tagen im Senate gehalten hat, ist man sich in Italien völlig klar darüber, daß England und Frankreich sich miteinander verständigt haben, ohne sich nur im Mindesten nm die Wünsche Italiens zu kümmern. Die Aufopferung der Interessen Italiens war der Kaufpreis für die Erhaltung 'des Friedens zwischen den beiden größten europäischen Seemächten. Wenn man sich nun in Italien mit den beiden Mächten, die soeben aus dem italienischen Leder Riemen für sich ge schnitten haben, auf das Freundschaftlichste verträgt, so ist es doch rin etwas absonderliches Verlangen, daß Deutschland und Oesterreich italienischer sein sollen, als Italien selbst, d. h. daß sie sich wegen des englisch-französischen Abkommens mit jenen beiden Mächten erzürnen sollen, während Italien mit ihnen die Freundschaft aufrecht erhält. Selbst wenn aber Italien gegen England und Frankreich hätte Schritte unternehmen wollen, so würde es nicht den An spruch gehabt haben, von den beiden anderen Dreibundmächten activ darin unterstützt zu wenden. Ein solches Verlangen be deutet ein vollständiges Verkennen der Ziele des Dreibundes. Der Dreibund ist keine allgemeine E r werb sgenvssenschaft, sondern er ist einer Versicherung gegen Einbruchs dieb stahl zu vergleichen. Mit anderen Wovten: der Drei bund verfolgt den Zweck, seine Mitglieder gegen Angriffe auf den Besitzstand jedes einzelnen Mitgliedes zu schützen. Dem Zwecke aber, bei Absichten auf Erweiterung des Besitzstandes einer der Dreibundsmächte eine gemeinsame Action aller drei Mächte zu veranlassen, sollte der Dreibund niemals dienen und soll er auch in Zukunft nicht dienen. Die vorsichtigen und großen Staatsmänner, die di« Tripleallianz abschlossen, waren viel zu einsichtig, um, wenn ein kaufmännischer Ausdruck gestattet ist, Blancoacceptr auszustellen. Wer konnte vor zwei Jahrzehnten voraussrhen, welche Aspirationen heut« die einzelnen Dreibundmächte haben, und wer wird heute sagen wollen, welche Bestrebungen sie in zwei Jahrzehnten befolgen werden? Bedauerlicher aber als dieses von geringer staatsmännischer Weisheit zeugende Mißverstehen der Bedeutung und der Ziele des Dreibundes ist die Schwächlichkeit, die sich darin ausspricht, sich auf andere Mächte zur Erreichung der eigenen Ziele stützen zu wollen. Wo ist das stolz« „Italia larL 6a ss " geblieben, dasvoreinemhalben Jahrhundert in dieWelk hinaus erklang? Damals war Italien in hundert Fetzen und Läppchen zerstückelt und es war ein kleiner Staat von fünf Millionen Einwohnern, der es unter nahm, den Italienern dir Einigkett zu verschaffen. König Karl Albeck von Sardinien gab dieses Wort den Engländern und Franzosen, die damals allein als Freunde anzusehen waren, zu hören. Nun, so ganz konnte ja da» Programm des „Italia Isrkl 6a ns" nicht durchgeführt werden, Venn ohne die fran zösische Hilfe im Jahr« 1859 und die preußische im Jahr« 1866 wäre der heutige italienische Einheitsstaat kaum zu Stande ge kommen. Aber immerhin muß man Respect hüben vor jenem selbstbewußten Wort«, daS mitten in einer widrigen Situation ausgesprochen wurde. Es hat den Muth der italienischen Patrioten in dem trostlosen Jahrzehnt von 1849 bis 1859 auf recht erhalten. Und jetzt, wo Italien ein einheitlicher Staat von 30 Millionen Einwohnern geworden ist, wo es über ein großes Heer und «ine stattliche Flotte verfügt, jetzt will man weniger Selbstgefühl besitzen, als vor einem halben Jahrhundert? Dieses geminderte Selbstgefühl rührt von der eine gesunde innere Entwickelung unsäglich erschwerenden Packeizerklüftung und von dem schmählichen Egoismus der einzelnen Parteien her. Das hat der italienische Ministerpräsident richtig erkannt, wenn er bei der Besprechung der Tripolis-Angelegenheit im Senate sagte: „Im Interesse der Würde und Größe des Vater landes würde es liegen, daß in den Wechselfällen der auswärtigen Politik man dem Beispiele anderer Völker folgte, wo, anstatt die leitenden Politiker anzuklagen, alte Parteien, von der Presse und der öffentlichen Meinung unterstützt, sich um die Regierung schäaren, und wo dieser Zusammenhalt und diese geschlossene Einigkeit d«r Regierung diejenige Stärke verleihen, ohne welche Panzerschiffe und Bataillone wenig «vermögen." Von dieser inneren Gesundung wird es abhängen, welche Erfolge Italien bei seinen auswärtigen Bestrebungen erzielen kann. Diese Gesundung aber herbeizuführen, dazu können Deutschland und Oesterreich nichts thun, dazu dürfen sie auch nichts thun, denn es würde ihnen übel anstehen, sich in die inneren Angelegenheiten Italiens zu mischen. „Italia larü 6a se" klang es vor 50 Jahren in die Welt hinaus, als es darauf ankam, die äußere Einigkeit des Reiches zu begründen: heute, wo es «darauf ankommt, di« innere Einigkeit im Land« herzustellen, möge man sich jenes Trutzwortrs und Kampfrufes der Ahnen erinnern. Deutsches Reich. Berlin, 3. Mai. (Eine jesuitische Selbstzeich nung.) Der Jesuit Otto Pfülf veröffentlicht in den „Stimmen ans Maria Laack" eine Besprechung einer Schrift über Petrus CanisiuS und ist dabei so unvorsichtig, auS der Praxis des Jesuitenordens Folgendes auSzuplaudern: „Im engen Zu sammenleben der religiösen Genossenschaft und bei der in ver Gesellschaft Jesu gegebenen großen Abhängigkeit deS Untergebenen vom Obern werden auch geringfügige Mängel und Eigenheiten mehr empfunden und bilden natur gemäß leicht den Gegenstand confidentiellen Aus tausches mit den höheren Obern, um so mehr, da von den Mitgliedern des jedem Rector oder Provincial beigegebenen RatheS regelmäßige und auch auf Geringfügiges bezügliche Berichte über den Stand der Dinge gefordert sind. Es ver steht sich von selbst, daß dabei die allerhöchsten und idealsten Anforderungen die Voraussetzung bilden, wie auch, daß in solche Darlegungen leicht eine gewisse Einseitigkeit in Be tonung etwaiger Mängel sich einschleichen kann (y^ Nur mit größter Vorsicht und Umsicht und weiser Abwägung aller Umstände werden solche considentielle Herzensergüsse, namentlich wenn sie von einem beschwerde führenden Untergebenen ausgeheu, für da« Gesammturtheil über einen Obern oder sonst einen eingreifend thatigen OrdenSmann zu gebrauchen sein." — Da« Uebrrwachung«- unv Angebersvstem de« Jesuitenorden« kann nicht leicht schlagender in so wenig Worten beleuchtet werden. * Berlin, 3. Mai. Der Staatssekretär v. Bülow vollendet heute sein fünfzigstes Lebensjahr. Aus diesem Anlaß wird ihm im „Hamb. Corr." die folgende warme An- erkennung gezollt: „Seit Bernhard v. Bülow, der damalige Botschafter des deutschen Reiche- beim Quirinal, zur Leitung unsere« Auswärtigen Amte berufen wurde — die definitive Ernennung wurde am 20. October 1897 vollzogen — hat eine Reihe in die Augen fallender politischer Erfolge und glücklich geleiteter Actionen seinen Namen rasch populär gemacht. Wir brauchen nur Kreta, Kiautschau, da» rnglisch-drutsche Afrika-Abkommen, di» Neutralität im spanisch-amerikanischen Kriege, die Beant wortung der Interpellation Kanitz über unsere Beziehungen zu Amerika und schließlich — Samoa zu nennen, um di« Er- innrrung an eine ganze Anzahl diplomatischer und parlamentarischer Ehrentage unserer Auswärtigen Politik zu beleben. Wir nennen in wohlerwogener Absicht und mit gutem Grund auch Samoa in diesem Zusammenhang, denn unseres Erachtens hatte unsere auswärtige Politik gerade in dieser Frage eine der schwierigsten Ausgaben zu lösen, vor die sie überhaupt gestellt werden kann, und hat da- so kraftvoll, geschickt und erfolgreich grtha», wie es nach der Lage der Dinge nur immer möglich war. Als Herr v. Bülow an die Stelle de- Frhrn. v. Marschall trat, mochte man sich wohl fragen, ob es dem neuen Staatssekretär deS Auswärtigen Amt- nicht etwas schwer fallen würde, seinen Vorgänger da zu ersetzen, wo er seine heißesten Kämpfe ausgrfochtru und sein» größten Siege errungen hatte, nämlich in der parlamentarischen Arena. Mit einem gewissen Erstaunen konnte man aber bald fest stellen, daß Herr v. Bülow geradezu ein Virtuos« de» parlamenta rischen Wort«» war und daß ihm insbesondere die unvergleichlich« Kunst zu Gebote stand, in die schwierigsten Probleme der Staatskunst das Helle klare Licht gesunden MenschrnverstandeS und einer gewissen biedermünnischen Ehrlichkeit fallen zu lassen. Da- hatte zur Folge, daß dieser Staat-kunst mühevolles Werk als etwas ungeheuer Einfaches, gleichsam als etwa- Selbstverständliche- erschien und daß sich Jeder so von Herzen mitsreuen konnte über eine Politik, die «r nach seiner innersten Ueberzeugung „selbst nicht hätte besser machen können" und wahrscheinlich ganz genau ebenso gemacht hätte. Da» will etwa- heißen bei un- deutschen Besserwissern und Besserkönnern, an deren jedem ein Staatsmann verloren gegangen ist, ist aber zu allen Zeiten das sicherste Kennzeichen einer wahrhaft populäre» Politik gewesen. Diese Popularität ist gewiß nicht zu unterschätzen, ruht sie doch auf dem allgemeinen Vertrauen, aut dem der Staatsmann rin gutes Theil seiner Kraft ziehen kann; aber das Allerhöchste ist sie allerdings schließlich nicht, und mancher Prssimist hat sich daher wohl schon gefragt, ob denn diese an scheinend mühelos errungenen parlamentarischen Erfolge auch vor- halten würden, wenn einmal unangenehmere Probleme uud schwie- rigere Situationen kämen, als Herr v. Bülow in den ersten Monaten seiner Amtsthätigkeit sie vorsand. Und da ist nun, wie uns bedünken will, die Samoafrage auf» Beste geeignet, solche Zweifel endgiktlg verstummen zu lassen. Das war eine Situation, wir sie schwieriger und unangenehmer uicht gedacht werden konnte, eine starke und ge- schickte Hand hat aber auch hier Alles zum Guten gewandt. Ta braucht eS weiter keinen Beweis, daß hinter den gefällig-weii- männischen Formen, die Herr v. Bülow im Parlament zeigt, die ganze Kraft eine- Staatsmannes in de» Worte- höchstem Sinne sich birgt, und das deutsche Volk hat guten Grund, dem Leiter seiner auswärtigen Politik zum fünfzigsten Geburtstag den herzlichste» Glückwunsch zuzurusen: Noch lange, lange Jahre in voller Mannes- kraft für Kaiser und Reich!" Etwa« befremdend berührt in dieser Lobrede nur der Hinweis auf daS englisch-deutsche Afrika-Abkommen, daS im „Hamb. Corr." doch sonst nicht zu den Meisterstücken deutscher StaatSkunst gezählt wird. Oder sollte dadurch, daß daS Abkommen als „englisch-deutsch" und nicht als „deutsch englisch" bezeichnet wird, angedeutet werden, England habe mehr Ursache als Deutschland, Herrn v. Bülow wegen dieser Action zu preisen? * Berlin, 3. Mai. Zum Zwecke der Anbahnung eine« internationalen Zusammenschlüsse» der Arbeiterschutz-Br st reb ungen tritt heute Abend in Berlin eine Anzahl von Männern zusammen, Vie aus social politischem Gebiet« thätig sind. Nachdem der internationale Kon greß für die Avbeiterschutzge'setzgebung, welcher vor zwei Jahren in Brüssel tagte, sich für die Nützlichkeit eines dem genannten Zwecke dienenden internationalen Bureaus einmüthig ausgesprochen und nur über dessen Kom petenzen eine Verschiedenheit der Meinungen gelassen hatte, stellten in «inrr an dm Eongrrß sich anschließenden pri vaten Bersammtung die energischeren Vorkämpfer ves inter nationalen Ardeiterschutzes einem Eomiti- die Aufgabe, die Sta tuten der ins Auge gefaßten internationalen Vereinigung zu entwerfen. Das ist inzwischen geschahen. Der Statutenentwurf ist von den Einberusern der heute beginnenden Conserenz einer Vorbesprechung unterzogen worden; «S heißt ia dieser Beziehung in der Einladung: „Wenn auch bei dieser Besprechung Bedenken laut wur den, ob die ins Auge gefaßte internocttonale Vereinigung bedeutende Erfolge haben werde, ckb es nicht vorzuzirhen sei, zunächst «in« nationale Vereinigung der Freund« des Arbeitevschutzes herböizusühren, wenn ferner auch gegen einige wesentliche Punkte '»es Statuten-Entwurfes Be? denken erhoben wurden, so überwog doch die Anschauung, daß die Deutschen von der angeregten internationalen Ber einigung sich nicht fernhalttn sollten und daß es sich em pfehle, «ine größere Versammlung einzula-den, di« berathen solle, welche 'Schritte zu thun seien, um der Anregung Fortgang zu geben, wie die Verhandlungen Mit Len Ver intern anderer Staaten zu führen und welche Ae Mer ungen zu dem Statutenentwurf, z. B. auch hinsichtlich des Sitzes der zu gründenden internationalen Bereinigung, zu bean tragen seien." Für den Sitz der «Vereinigung ist in dem Entwurf Brüssel in Aussicht genommen; er 'verridth damit seine belgische Herkunft. — Zwischen der internationalen Arbeiterschutz-Conferenz vom März 1890 in Berlin und dem Brüsseler Kongreß von 1897, der sich in der heurigen prsvaten Versammlung und ihren Beftrebun- Fertilletsn. Die Meißner Vase. Humoreske vonEdelaRüst (Berlin). Nachdruck verboten. Im Salon der den Flitterwochen erst unlängst entwachsenen Frau Lisette Lisanther krachte eS gewaltig, «ine kostbare fußhohe Meißner Vase zerschellt« auf dem echten Perserteppich m Scherben, als Frau Lisette sich eben mit Grazie bemühte, aus der langweilig-normalen «ine künstlerisch-originelle „Ecke" umzu modeln, zur besonderen Ueberraschung des ihr angetrauten Doc- tors, dem ein lieber Dresdner Freund die echte Meißner zum Hochzeitsangebinde dargebracht hatte. Lisette erblaßte und rang im ersten Schreck di« Hände. Dann öffnete sie behutsam di« Thür, und horchte nach der Küchen region hinüber. Gott sei Lob und Dank — die Johanne war noch nicht zurück, sie hatte nichts gehört! Die Schrecklähmung verschwand. Frau Lisette wurde leben dig, holte geschäftig aus der Speisekammer ein Bündel Pack papier und Bindfaden, und flog wieder in den Salon zurück. Sie rafft« nun hastig die Scherben zusammen und warf sie auf das dreifach gefaltete 'Papier, als sie aus dieser nervösen Pro cedur durch «in scharfes Anschlägen der elektrischen Klingel auf gestört wurde. Sie öffnet nicht. ... Man wird draußen energischer und giebt ein Signal. „Frida — Du!" ruft Lisette wie erlöst, und hastet zur Jlurthür. „Schnell, schnell, Frida — komm, hilf mir!" „Wobei denn? Was hast Du?" „Da sieh her . . ." „Die Meißner . . .?!" „Ja, die Meißner — 'S ist 'n Skandal!" „Was wird Dein Mann dazu sagen —!" „Ach, mein Mann, das ist das Wenigste! Wenn der sie nicht sieht, denkt er auch nicht an sie —der merkt daS gar nicht." „Warum bist Du denn aber in solcher Verfassung?" „Ach Gott — di« Johann« . . .' „Die Johann« hat sie zerbrochen?" „Herrgott nein! Aber dtt Johanne hat doch schon allerhand klein gemacht seit den acht Wochen unserer Ehe, und ich habe ihr nur gestern «in fürchterliches Halloh gemacht, als sie meine hübsche rothe Wasserkanne so nach ihrer Art . . . zerdrückte! Beim nächsten Stück fliegt si« mit, habe ich ihr geschworen!" „Diesmal bis Du's nun aber doch selbst zur Abwechse lung . . ." „Frida, weißt Du, Du bist von einer Begriffsstutzigkeit . . Ich habe doch der Johanne erklärt, so etwas dürfe nicht passiren, und passire auch nicht, wenn man di« Augen aufhält und über haupt seine fünf Sinne auch nur einigermaßen beisammen hat! Das war gestern ein Mordsskandal, sag« ich Dir Na, die Schadenfreude, wenn die sähe, daß ich laut loslachen würde die Person in ihrer Rohheit — sie würde wieder Worte finden, um mich so unpassend wie möglich an gestern zu er innern ich kenne die Kreatur aber siehst Du, sie kocht so vorzüglich, und ich nicht ich kann sie mithin nicht ent ¬ lassen, wenn sie auch noch so frech wird. Ich bin dann eben ausgeschrieben — denn wenn Karl mein Essen essen müßt«, würde er mir selber leid thun — das geht einfach nicht." „So so! Na denn also flink mit den Scherben in die Müll fuhre, zu leimen ist da nichts mehr." „Ach bewahre. Johanne darf doch die Scherben nicht sehen begreifst Du denn absolut nichts? Ich habe Dir di« Vase geschenkt — hörst Du? Du kamst mir wirklich wie ge rufen. Du nimmst dies Packet mit, und wirfst es auf der Straße irgendwohin, oder in «inem Thorweg . . ." „Na hör' mal, Lisette . . ." „Den kleinen Dienst kannst Du mir doch wohl erweisen! Aber nicht gleich hier an der Thür, bitte auf Deinem Ende, ja . . .?" „Du bist ein kleines Curiosum. Wie kann man sich denn vor seinem Dienstmädchen fürchten?" „Willst Du nun, oder willst Du nicht — dann thue ich «S selbst, und zwar sofort — Du entschuldigst mich dann wohl." „Ich bin zwar mein Lebtag noch nicht mit «inem so um fangreichen Packet spazieren gegangen, aber nur zu, wenn es Dich glücklich macht." „Aber dann geh' auch gleich Liebst« — ja? Karl wollte Deinen Mann sprechen, wir kommen noch heute Abend zu Euch heruntergefahren — dann plaudern wir uns aus." Frau Frida machte sich mit etwas gemischten Gefühlen auf den Weg. Gleich am dritten Hause kam die gefürchtete Johanne ganz fröhlich und siegessicher mit kleinen Einkäufen im Körbchen an- gesegelt, daß die breiten weißen Schürzenbänder nur so flatterten. „Kommen Se d«nn von unS, gnä'je Frau un mit so'n jroßes Jepäck? Ick trag' Sie's bis an die Pferdebahn . . ." „Nein, nein, Johanne, danke sehr. . . . Frau Doctor war so liebenswürdig, mir die große Meißner Vase zu schenken, die mir immer so sehr aefiel da will ich schon allein verantwortlich bleiben, daß sie heil nach Haus« kommt, wenn's auch etwas schwer ist." „De Meißner Vase? — Dem Herrn seine Meißner, die keener von weitem anrühren darf? Na, das is nu doch . . ." Dabei musterte Johanne das Packet, das vielleicht für die fragliche Vase ein eigenthiimliches Format hatte, mit ganz son derbar mißtrauischen Blicken. Frau Frida entfernte sich schleu nigst und tief erröthend, und bestieg «inen Pferdebahnwagen. Als si« diesen etwa auf der Hälfte ihres Heimweges verließ, war es tief dunkel geworden, sie würde sich jetzt endlich ganz un- genirt ihrer Bürde entledigen können. Doch di« Sach« war weniger einfach, als sie glaubte. Die Straßrn waren nicht so belebt, daß der Schwarm über etwa Ver lorenes achtlos hinweghastete, und nicht einsam genug, «in solches Packet von ungefähr fallen und liegen lassen zu können. Sie mußte sich weiter schleppen. . . . Auf der Brücke drüben war es momentan ganz menschentter. Frau Frida stürmte hin- über — jetzt «in wenig g«schickt an dem Geländer manövrirt und di« „Meißner" platschte der Spree auf den Grund. Sie legte das Packet auf das ziemlich breite Gemäuer, um es sachte über den Rand zu schieben, als wäre das Malheur passirt, während sie sich ein wenig verschnaufen wollte. Sie stützte sich mit dem rechten Ellnbvgen rückwärts auf, um in „seligem Vergessen" den Coup auszuführen. Aber wie sie gerade zum zweiten Male an dem Oorpus ckolioti herumruckste, um ihm mit Nummer drei den Gar aus zu machen, raunt« ihr «ine Stimm« ins Ohr; „Obacht Obacht!" Ein Schutzmann stand neben ihr, und legte rettend und dis- cret tastend die Hand auf die Meißner Scherben. Frau Frida schrak heftig zusammen, sagte aber dann möglichst unbefangen: „Ach, ich danke sehr eS ist em wenig schwer, ich wollt« nur einen Augenblick ruhen." Darauf ging sie Wetter, di« Meißner von Neuem im Arm. Sie sah sich instinctiv ab und zu scheu um, ihr schien, al» folge ihr der 'Jünger der 5>ermandad in ehrerbietiger Entfernung. Vielleicht spiegelte ihm sein« lebendige Phantasie Kindesraub, ^Mord oder -Aussetzung angesichts dirfts auffälligen Bünd«l- vor. . . . Frau Frida kachle in sich hinein. Wie, wenn si« sich noch in eine lustig« kleine Comödie mit dem Sicherheitswächter einließe? Doch es ist schon spät^md Liscmthers wollen noch zum Abend herüberkommen, es ist also kein« Zeit zu verlieren. Auf der Straße würde sie von ihrem „M«ißner Leiden" doch nicht erlöst werden, darum — kurzen Proceß gemacht, in ein Hau» hinein und flugs dort abladen! Bald fand sich ein offenes HauS. Sie entledigt« sich ihrer Mission unbehelligt auf dem dunklen Hofe, wartete noch einig« Minuten, um sich von dem «ndgiltiaen Abstehen von ihrer Person seitens des Schutzmannes zu über zeugen, und berichtet« dann Abend» der befriedigt lauschenden Frau Lisette den Verkauf des Abenteuer». Am anderen Tage sitzen Herr und Frau Doctor Lisanther in heiterster Laune bei Tisch; der Tauben-Pie nach echt englischem Recept von Johannons Gnaden war köstlich gewesen. Sie ser- virte jetzt den Kaffee, während der Doctor höchst eigenhändig am Büffet zwei Benedictiner für sich und seine Frau einschänki der er all die ihm gebotenen culinarischen Genüsse liebevoll aufs Conto setzt. Frau Lisette ihrerseits hat wegen der Meißner Gewissens bisse und benützt die rosige Stimmung, ihrem Gatt«n zu beichten. Er ist allerdings im ersten Moment etwas betroffen, unv scheint den Verlust aufrichtig zu betrauern. Er öffnet die Thür zum Salon. Ja, die Base ist fort auf d«r Hinterbliebenen Säule thront jetzt «in anderes Hochzeitsgeschenk, die große Cupido-Lampe wer weiß, wie lange! denkt er bei sich. „So etwas kann doch pafsiren, Schatz!" Frau Lisette zaust dann den blonden KrauSkopf ein wenig herum, und erzählt ihm, wie sie vor Jvhannens „Brutalität" ge zittert, welch geniale Idee sie gehabt, und wie großartig Frau Frida sich ihres Auftrages entledigt, und Beide lachen zuletzt wie kleine Kinder über den Spaß. „Und vergiß nickt, Schatz, daß Johanne es hin und wieder hört, wir haben die Base Frida geschenkt " Da klingelt eS draußen recht drrb. Johanne öffnet. Ein etwa vierzehnjähriger Junge, ein« echte Berliner Range, hält ihr ein unförmlich«- Packet dicht vor di« Nase. „IS det hier richtig bei Frau Doctor Lisette Lisanther?" „Jawohl . . ." „Na, denn sagen Se man Ihrer Frau, se mecht« ihre zerkilte Toppe uff ihren eigenen Hoff abladen, un nich bei andere Leute sonst bringt ihr det nächste Mal de Polizei 'n birken ufssn Drabb! Finderlohn verlang ick fvr diesmal noch nich!" Sprach'S, warf daS verfänglich« Packet der von dunklen Ahnungen «rfüllttn Johanne auf die unwillkürlich oorgestreckten Arm« und verschwand. Johanne löste schnell di« nur los« umhänzende Schnur ab von der Hülle, um sich einen Einblick zu gönn«», als sich auch schon hinter ihr die Thür öffnete. „Was war denn da so laut, Johanne?" „Ach — de „Meißner" is man blos rrtour jekommen, Frau Doctor " Frau Lisrtte erblaßt«. „Die Meißner Vase —?" fragte sie sehr unsicher. „Aber, wi« ist denn das möglich . . ." „Na ja", grinste Johanne über das ganze Gesicht, — „Se hatten eben uff'n untersten Packbogea de Adresse stehrn lassen." Frau Lisckt« mag srither kein Meißner Porzellan mehr l«io,n.
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