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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.11.1899
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-24
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18991124012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1899112401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1899112401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1899
- Monat1899-11
- Tag1899-11-24
- Monat1899-11
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9U2 Ortsausschuß hat sich dort bereit» gebildet, derselbe berief Herrn Bürgermeister Schultz zum Vorsitzenden und Herrn Gustav Rassow, den Vorsitzenden der Direktion der philharmonische» Concerte, zuni Stellvertreter. Die großen Concerte, ans denen voraussichtlich Strauß und Weingartner eigene neue Co:n- vositioncn dirigiren werden, sollen im großen Künstlervcreins- jaale stattfinben. 15000 GarantirsondS (5000 ./L mehr al« erforderlich) sind bereit» an der Börse gezeichnet. Literatur und Theater. In Berlin ist im Schauspielhause Fulda's Märchencomödie „Im Schlaraffenland" gut ausgenommen worden. Die Kritik ist nicht damit einverstanden, sie sagt dem Stück große Seichtigkeit nach. Dagegen wird Dreye r's „Der Probecandidat" als ein Stück voll tieferen Interesse» sehr gelobt. Es handelt sich um die Unter drückung einer wissenschaftlichen Meinung, die bei dem Candidaten nicht gelingt. Das Stück scheint sehr voller Tendenz zu sein. — In Prag wurde im Neuen deutschen Tbeater Josef Bendel's snnfactiges Volksstück „Der Werkmeister" mit sehr ansehnlichem, von Act zu Act sich steigernden Erfolg aufgesührt. ES ist ein aus lebensvoller Grundlage ruhendes nnd aus der unmittelbaren Gegen- wart geschöpft,? Stück von socialpolitischer Richtung, das den ewigen Gegensatz zwischen dem Besitz nnd dem Proletariat und da? Ringen nach Ausgleichung der beiden ans diesem Widerstreit fließenden gesellschaftlichen Anschauungen ohne Parteinahme mit dem offenen Muthe und dem warmen Herzen des wirklichen Volts- freundes behandelt hat. * In Halle ging am Stadttheater rin Schauspiel „Fremdlinge" von Max Petz old in Scene. Die Kritik beurtheilt das Stück sehr wohlwollend, das Publicum nahm es mit Beifall auf. Bildende Knuste. Kunstausstellung F. W. Mittentzwei-Windsch. Paul Sturm-Leipzig hat drei „Bildniß-Reliess" ausgestellt, darunter rin kleines, in Bronze auSgeführtes gutes „Bismarck- Porträt", das schon bei anderer Gelegenheit Besprechung gefunden hat; das Bildniß eines Herrn in mittleren Jahren, welches gut charnkterisirt erscheint, jedoch eine zu blatte und trockene Behandlung i'usweist und bei dem der im Profil gesehene Kops in dem an ge deuteten, verkürzt sein sollenden „?inoe-nor" eine solch störende Beigabe erhalten hat, daß man eine derartige Verwendung eines für die Schilderung des Menfchencharaktcrs ganz nn- nöthigen Beiwerks nur als eine willkürliche Spielerei ansehen darf. Bildet die von manchen Vertretern der plastischen Kunst mit unter bei Büsten verwendete wirkliche Brille schon ei» sehr gewagtes Experiment — bei deren Anblick ich noch nie den Gedanken an das Panoptikum losgeworden bin — so ist diese unverständliche Markirung des Augenglases ganz vom Nebel. Die beste unter den von Sturm dargcbotenen Arbeiten ist das „Reliesbildniß eines jungen Mannes", in welchem der Charakter anschaulich und lebenswahr wiedergegeben ist nnd die Modellirung eine sehr feinfühlige ist; der breite Vortrag bringt die Fleisch- und Haarpartien sowie das Stoffliche des Nockes gut zum Ausdruck. Von dem Entwurf des „Richard Wagner-Denkmals" de» Künstlers muß leider von vornherein gesagt werden, daß derselbe völlig verfehlt ist. Bei dieser Arbeit hat dem von uns sehr ge- schätzten Künstler ein guter Stern nicht geleuchtet, ihm nicht den Weg zum Heil gewiesen. Eine stehende Wagnergestalt aus einem dürftigen Sockel, welcher seitlich von zwei Figuren, Siegfried und Wotan flankirt wird. Ich muß gestehen, ich habe geglaubt, darüber wären sich heute bereits alle Plastiker einig, daß die Lösung eines Wagner-Standbildes in ganzer Figur zu den Unmöglichkeiten ge rechnet würde; ich sehe, daß ich mich getäuscht hab , da Herr Sturm den Muth gesunden hat, Len Meister in ganzer Figur darstellen zu wollen. Um des Künstlers willen nehme ich an, daß er Wagner niemals per- fönlich kennen gelernt hat, denn sonst hätte er ihn nicht in einer von dem Leben so abweichenden Weiie darstellen können. Wahr scheinlich hat er gehört, daß der Meister von gedrungener Gestalt war, und danach die Verhältnisse der von ihm jetzt hinqestcllten Wagncrfignr beinesscn, dir ganz und gar nicht dem Urbild» ent sprechen. Wer jemals Gelegenheit gehabt hat Wagner zu sehen, der wird mit mir der gleichen Meinung jein, daß der erste Eindruck seiner Persönlichkeit ein geradezu erschreckender war. Ein weit über das normale Maß ausgrstalteter Kopf, an dem die Natur gerade nur soviel Körperfülle angesügt zu haben schien, um die geistigen Functionen zu ermöglichen. Ein Mißverhältniß der Proportionen trat an ihm zu Tage, wie ich es bei gesunden Menschen nie wieder gesehen habe, das mir annähernd, aber eben auch nur annähernd, in der Figur Menzel's bekannt ist. In dieser Gestalt, die uns Sturm, steifbeinig und hölzern, mit dem Garnwickelnden Putto neben sich, nm dessen Finger Fäden lause», die Saiten darstellen sollen, denen der Meister Töne entlocken soll, wird Niemand Richard Wagner wieder finden können. Schon Schover war mit seinem für Leipzig projectirten, sitzenden, zum Theil von einem Mantel umhüllten Wagner, gescheitert, und Sturm zeigt uns in noch drastischerer Weise, daß ein Wagner-Monument unzweifelhaft mehr die geistige Größe feines Wirkens, denn die für die Plastik gänzlich ungeeignete Persönlichkeit des Meisters zu be tonen haben wird, und er selber hierbei demnach nur in Gestalt eines Reliefs oder einer Büste in Frage kommen kann. Was die beiden, die ausgesprochenste Shmmelrie betonenden Nebenfiguren anbrlangt, so muß ich gestehen, daß ich in der einen keinen Siegfried und in der anderen keinen Wotan zu sehen ver mag. Diese beiden kläglichen Ritter von der traurigen Gestalt, die mit gekrümmten Rücken in einer Position Loschen, die hier zu schildern mir der Anstand verbietet, al» hehrste und kraftvollste Gestalten der deutschen Mythe hinslrllen zu wollen, ist eine starke Zumuthung. Herr Sturm hätte sich und seiner Kunst bessere Dienste erwiesen, diesen, jeden monumentalen Gefühls baren Entwurfs, der mir aufs Neue bestätigt, daß die Grenzen vom Erhabenen zum Lächerlichen manchmal, wie auch hier, sehr nahe an einander rücken, in feiner Werkstatt zu belassen und als Versuchc-object zu betrachten, aber nicht der Lessentlichkrit zu übergeben. Fritz Mackensen hat sich feinem WorpstveLer College» mit einem tief und weich gestimmten „Herbslabrnd" angejchlossen. Dämmerung breitet sich über die Landschaft, die alle starken Farben- contrast» verschwinden und die Formen aufgelöst erscheinen läßt. Ein junges Mädchen, welches etliche Kühe einer im Abend schotten liegenden Ortschaft zutreibt, bildet eine treffende Staffage des charaktervollen LandjchaftsbildeS. Die Aquarelle von Max R o ß b a ch-München „Bauernlrhn in Anten berg bei Berchtesgaden", „Rathhaus in Rothenburg", , Blick auf Nürnberg" und „An der Paynitz bei Nürnberg" zeichnen sich dnrch fein empfundene Tonmalerei und breiten flüssigen Vortrag aus. Der Düsseldorfer Ehr. Krönrr schildert einen „Lctobermorgen im Gebirge", wo sich über die Ferne ein silberfarbener Schleier breitet, die au- dem Thale auf- steigenden Nebel aus- und niederwogrn, im Vordergründe eine mit Blumen geschmückte Wiese an einem Abhang sich hinzieht, aus welcher rin Hirsch mit einem Rudel Rehe ouS dem nahen Walde herausqetrelrn ist und einen Nüf über das weite Thal hin ertönen läßt. Mit einem fein und sonnig gestimmten Bildchen „Einsam auf der Haide" — mit einem im Haidrkraute liegenden Mädchen, das, die Augen mit der Hand beschattend, in den blauen Aetber ausfieht — ist E. Zschimmer-Schmiedeberg vertreten. Ernst Kiesling. * Professor Kart Ludwig Adols (s-lnHardt in Wolfen- büttel ist oni Sonnabend, den 18. November, entschlafen. Knrz vor seinem 86. Geburtstage ist er seinem treuen Freunde und Kunst- genossen, dein Prosessor Lorenz Claseu, der in gleichem Alter mit Ehrhardt stand, nachgefolgt. Ein reiches Leben liegt auch hinter ihm. Am 2l. November 1813 in Berlin geboren, erhielt Ehrhardt aus dem Joachimsthaljchen Gymnasium seine wissenschaftliche Vor bildung und wandle sich seit dem Herbste 1830 der Malerei zu. Er begann die dazu nöthigen Studien in Berlin, setzte sie 1832—1838 in Düsseldorf unter dem Tirector von Schadow fort und solgie dann einem Ruse als Prosessor an die königliche Akademie der bildenden Künste. Hier wirkte er in treuester Pflichtersüllung und großem Erfolge biS 1887. Durch ein Augenleiden, welches allmählich in völlige Blindheit überging, von aller Tbälig- keit in feinem Berufe abgejchnitlen, siedelte er 1892 »ach Wolfenbüttel über. Ehrhardt war wesentlich als Historien maler in monumentalen Werken, Lelgemälden, Porträts (das des berühmten Malers Ludwig Richter ist ganz be- sonders als vorzüglich gelungen hervorzuheben) und mannigfaltig mit Illustrationen für Buchwerke verschiedenster Art beschäftigt. Die treue Freundschaft mit Lorenz Clasen, der dem Leipziger Schrist- stellerinncnvereine so nahe stand, brachte auch Prosessor Ehrhardt in intime Beziehungen zu dieser Vereinigung, den» Ehrhardt führte nicht nur den Pinsel mit Glück und Geschick, sonder» verstand auch die Feder wohl zu fuhren. Aus seinem Gebiete der Malerei sowohl als auch auf dem der schönen Literatur ist er als Schriftsteller thütig gewesen. Von den schönwissenschaft- lichen Werken seien erwähnt: „Gerda oder Zwei Sommer-Sonnen- wende-Tage", Erzählung aus dem 3. Jahrhundert, und die schlichten, aus warmen Herzen in echtem Volksione geschriebenen 5 Erzählungen unter deni Titel „Helene und andere Erzählungen". Mit Professor Ehrhardt ist der letzte der allen Düsseldorfer Schule zur Ruhe gegangen. Wissenschaft. —e— Tie Teutfchc wcieUschgft zur Erforschung vater ländischer Sprache nnd Alterthiiincr, welche bereits vor fast 206 Jahren in Leipzig als „Görlitzi'che Poeten-Gesellschaft" von Schülern des berühmten Professors Johann Burchard Mencke ge gründet wnrde und deren Verhältniß zn Gottsched ein kürzlichst in dem Vereine für die Geschichte Leipzigs gehaltener Vortrag be- handelte, hält regelmäßig im Winterhalbjahre in den ihr von der Universität eingeräumten Localitäten tMauricianum), wo sich auch die werthvolle Bibliothek und ansehnliche Sammlung von Alter- thümern der Gesellschaft befindet, ihre Sitzungen ab. Im vergangenen Winter wurden u. A. folgende Vorträge gehalten von nachstehenden Herren: Oberstleutnant Ausschläger: das Tressen von Weißenburg; I»r. Brandenburg: Sociale Nesormbeslrebnngen im 15. Jahrhundert; Pfarrer vr. Buchwald: Mit Leipziger Bürgern im Jahre I56> in Palästina; I)r. A. Dürr: Adam Friedrich Leser; Fabrikbesitzer E. Goetz: Moritz Busch; vr. Goetz: Dante und die italienische Cultur; Bibliothekar vr. Günther: I. C. Lavater — Unterhaltungs literatur im l6. Jahrhundert; Pros. vr. Hassert: Geographische Lage und Entwicklung von Leipzig; Prof. vr. Holz: König Albert; Bibliothekar vr. Kroker: Die Ayrer'sche Silhoutteniamnünng; Generalleutnant Krüger: Geschichte der F.stung Metz; vr. Prüfer: Marie v. Ziegler und Sebastian Bach; vr. Stumme: Aus dem Tagebuch« eines Schiffsarztes. Allgemeiner Deutscher Sprachverein. Zwcigverein zu Leipzig. Allüberall in deutschen Landen begeht man in diesem Jahre den 150jährigen Geburtstag Goethe's durch fest liche Veranstaltungen. Auch Leipzig hat schon verschiedene Goethe-Abende gehabt. Die Feier, zu der am Vorabend des Buß tages der Deutsche Sprachverein seine Mitglieder und Gäste in den großen Saal des Kaufmännischen Vereinshauses geladen hatte, schloß sich nicht unwürdig den bisherigen Gedächtniß- abenden an, die von der Finkenschaft der Studircnden der Uni versität in der Alberthalle und von dem Verein für Volkswohl im Theatersaale des Krystall-Palastes abgehalten worden sind. Das erste Wort hatte Herr Professor Or. M o g k, der Vor sitzende des Vereins, der die zahlreiche Versammlung, die den stattlichen Saal bis zum letzten Platze füllte, im Namen des Vor standes herzlich willkommen hieß und für ihr Erscheinen dankte. Dann betraten die Arionen unter der Führung ihres Leiters, des Herrn Alfred Richter, das Podium und ließen ihre klang- frifchen Stimmen zusammentönen zu dem kraftvollen Bundes liede in der Komposition Petschke's: „In allen guten Stunden, erhöht von Lieb' und Wein, soll dieses Lied verbunden von uns gesungen fein". Einen höchst wirkungsvollen Gegensatz dazu bildete Kuhlau's empfindsame Weise zu Wanderers Nachtlied: „Ueber allen Gipfeln ist Ruh'", dessen zart verklingender Schluß namentlich ergreifend wirkte. Die Festrede hielt Herr Professor vr. Albert Köster, der Nachfolger Rudolf Hildebrand's an unserer Hochschule. Er führte etwa Folgendes aus: Wenn Sie mir den Auftrag ertheilt haben, bei Ihrer Goethefeier das Wort zu nehmen, so war es gewiß nicht Ihre Meinung, ich solle in kurzem Ueberblick das gesammte Leben Goethe's an Ihrem Auge vorüber führen. Wir wollen zusammen eine Stunde stiller Sammlung im Andenken an Goethe verleben, und dazu ist jeder Blick in einen ob auch kleinen Theil seines Wirkens recht. Denn das größte der Werke Goethe's war sein Leben, und wo irgend wir einen Blick gewinnen in seine Diese, da ist es interessant. Sic haben selbst durch die musikalischen Spenden unsere Aufmerksamkeit schon auf die Lyrik gelenkt, «diesem Fingerzeige will ich folgen. Der Redner besprach nun brei lyrische Gedichte Goethe's, und zwar drei „Mondlieder": An Luna (Hempel's Ausgabe I, 34), Dem ausgehenden Vollmonde (III, 99) und An den Mond (I, 64). Von dem Inhalte des geistvollen und feinsinnigen Vortrages in kurzem Berichte eine Andeutung zu geben, ist eine Aufgabe, an deren Lösung meine Kraft zu vergeuden ich keine Lust verspüre. Ich begnüge mich mit der Feststellung, daß die Versammlung wie gebannt an den Lippen des Redners hing vom ersten bis zum letzten Worte und daß seine Ausführungen, wiewohl sie bis zu den Feinheiten philologisch-kritischer Feinarbeit vordrangen, einen Eindruck hervorbrachten, den Niemand so bald vergessen wird.— An die Festrede schlossen sich vier Einzellieder, vorgetragen von Frl. Elsa Held aus Halle a. S. Die besonders in der Mittellage wohlklingende und angenehme Sopranstimme der Dame im Verein mit dem natürlichen Ausdrucke, mit dem sie die Lieder ausstattete, verhalfen den wohlgewählten Stücken zu trefflicher Wirkung. Frl. Held sang: Mignon („Heiß mich nicht reden") von Schubert, Suleika („Ach, um deine feuchten Schwingen") von Mendelssohn, „Das Veilchen" von Mozart und „Die Bekehrte" von Stange. Zumal für die Eigenart der beiden letzten Lieder fand die Sängerin den geeigneten Ton und erwarb sich mit ihnen lebhaften Beifall. Bestens unterstützt ward sie durch die schmieg same Begleitung des Herrn Oberlehrers vr. Barge. (Den Flügel hatte Herr Commerzienrath Blüthner in bekannter Freundlichkeit zur Verfügung gestellt.) — Nach der Sängerin betrat Frau Professor Klengel, die Gemahlin unseres Cellomeisters, die Bretter und las vier Gedichte von Goethe: „Trost in Thränen" (I, 56), „Der Fischer" (I, 233), „Adler und Taube" (I, 160), „Beherzigung" (I, 42). Wer etwa darauf gerechnet hatte, sich an dem machtvoll erbrausenden Pathos einer großen Bühnenstimme zu berauschen, der ward freilich getäuscht. Wer aber für den feinschattirten, aus tief empfindendem Frauenherzen quellenden Ton wahren Kunstverständnisses das rechte Ohr besaß, der kam auf seine Rechnung. Manch' schönes Auge der Zuhörerinnen trübte sich, wir haben es gesehen, z. B. bei dem erschütternden Schlüsse des ersten Liedes: Verweinen laßt die Nächte mich So lang' ich weinen mag. Noch einmal ließen nun die Arionen ihre Stimmen erklingen. Sie sangen noch den „König in Thule" in der außerordentlich wirksamen Composition von W. H. Veit und das „Heidenröslein" nach der Weise von H. Werner. Der sterbende Zecher und der wilde Knabe — abermals ein gut gewählter Gegensatz^ und wie ihn die Arionen zur Wirkung brachten, das gereichte ihrer Sangeskunst und nicht minder der trefflichen Führung des Herrn Richter zur vollen Ehre. Mit Worten des Dankes an alle Mitwirkenden schloß Herr Professor vr. Mogk den Abend, der in allen seinen Theilen eine Huldigung darstellte, wohl würdig des Gewaltigen im Reiche des Geistes, dem die Feier galt. R. v. Gerichtsverhandlungen. Königliches Landgericht. Strafkammer III. 6. Leipzig, 23. November. I. Im Garten des N.'schen Gutes in Baderitz bei Müqeln verqnüqten sich am Nachmittag des 30. Juli Schnlknaben beim Armbrustschießen, während der 17 Jahre alte Handarbeiter Friedrich Karl Z. aus Nenbaderitz mit feinem Freunde Kl. ein Teiching, das er sich mit 50 Kugel- und ebensoviel Schrot patronen kurz vorher für 17 gekauft hatte, im Schießen nach einer selbst gemalten Scheibe probirte. Als Kl. nach etwa einer halben Stunde abgerissen wurde, setzte Z. das Schießen allein fort. Er wollte die Durchschlagskraft feines Gewehres kennen lernen nnd schoß aus einer Entfernung von 30 Schritten nach dem Thor des Wagenschuppens. Ter erste Schuß traf einen Ast und blieb sitzen. Z wiederholte daher den Versuch. Ehe er schoß, sah er ungefähr 15 Schritte vor sich den neunjährigen Schulknaben S. seitwärts der Schußlinie sieben. Er rief dem Knaben zu, daß er stehen bleiben und nicht in die Schußlinie geben solle. Wie Z. versichert, ist nun aber trotzdem der Knabe aus Unbedachtsamkeit sortgegangen und der Schuß bat ihn zwischen der dritten und vierten Rippe in die linke Brustseite getroffen, hat den linken unteren Lungenlappen durchbohrt und ist im Rücken stecken geblieben. Der Knabe ist um gefallen und mußte nach Hause gebracht werden. Nach vierwöchent lichem Krankenlager ist der Knabe am 27. August an eitriger Rippenfellentzündung nnd Lnngenlähmung. welche durch die Schuß- Verletzung hcrbeigeführt war, gestorben. Wenn auch Z. den K. qe- warnt hat, fo muß man doch auf eine sabrlüssige Verschuldung Z.'s zukommeu. Da es sich um ein Kind handelte nnd Z. daher mit der Möglichkeit rechnen mußte, daß K. sich trotz der Warnung Loch bewegen würde. Z. war daher wegen fahrlässiger Tödtnng zu be- strafen; mit Rücksicht auf den ihm noch zur Seite stehenden gesetz lichen Strasmilderungsgrund der Jugend wurde die Strafe aus sechs Wochen Gesängniß festgesetzt. II. Nachdem der 22 Jahre alte Contorist Paul K. aus Musch- Witz von einer hiesigen Firma am 3l. August weggeblieben war, richtete er ein Schreiben an dieselbe, in welcher er um ein Darlehn von 15 >il bat und für den Fall, daß seiner Bitte nicht nach gekommen würde, drohte, daß er andere mit zur Convention zählende Firmen, u. A. auch diejenige, bei welcher er jetzt in Stellung sei, davon unterrichten werde, daß die Adressatin gewisse Maaren unter den von der Convention vereinbarten und festgesetzten Preisen ver kaufe. Der Brief wurde der Polizei übergeben, welche K. wegen versuchter Erpressung zur Verantwortung zog. Gleichzeitig lag aber auch eine Diebsiahlsanzeige vor; Ä. hatte ouS dem Comptoir seines früheren Principals einen Spirituskocher und einen Blechtopf mit genommen. Bezüglich dieser Gegenstände behauptete K., dieselben hätten unbenutzt im Comptoir gestanden und habe er sie nur zu vorübergehendem Gebrauch mitgenommen. Ta ihm dies nicht zu widerlegen war, wurde er von der Anklage Les Diebstahls frei gesprochen, wegen versuchter Erpressung aber zu zwei Wochen Gefänqniß verurtheilt. III. Im Juli hielt sich die 22 Jahre alte Fabrikarbeiterin Lina Anna M. aus Ebmath vorübergehend in Leipzig aus und wohnte mit der Schneiderin G. zusammen. Am 5. Juli gab sie ihre bis herige Wohnung auf, nahm aber dabei ein Paar der G. gehörige Damensliefel mit. Wegen dieses im wiederholten Rückfälle verübten Diebstahls erhielt sie eine Zusatzslrase von drei Monaten Gesängniß zu einer ihr am 13 October vom Landgericht Plauen wegen gleichen Verbrechens zuerkannten Gesänqnißstrafe von fünf Monaten zudictirt. IV. Als am 27. September Fran L. die Auslagen eines Geschäfts in der Grimmaischen Straße betrachtete, glaubte sie zu bemerken, daß ihr ein Mann, augenscheinlich in der Absicht, sich ihres Porte monnaies zu bemächtigen, in die Kleidtajche griff, ohne indessen seinen Zweck zu erreichen. Die Frau begab sich zum nächsten Schau fenster und beobachtete den verdächtigen Menschen. Als sie sich über zeugt hatte, daß der Bursche dasselbe Manöver noch bei zwei anderen Frauen, glücklicher Weise ohne besseren Erfolg, versucht batte, machte sie einem Herrn Mitthcilung, der die Verhaftung des Bezeichneten veranlaßte. Man hatte einen guten Fang gemacht, denn der 35 Jahre alte Arbeiter Karl Wilhelm P. aus Altenbain bei Schotten in Hessen-Darmstadt war ein gemeingefährlicher Taschendieb, der wegen dieses Delikts in Frank furt mit 3 Jahren 6 Monaten, in Darmstadt mit 6 Monaten, in Altona mit 4 Jahren und in Hamburg mit 3 Jabren Zuchthaus bestraft worden ist. Mit P. zugleich wurde der 21 Jahre alte Kellner Paul K. aus Magdeburg verhaftet, mit dem er vor einigen Tagen nach Leipzig gekommen war und der ibn bei seinen Dieb stählen insofern behilflich gewesen war, als er ihn zu „decken" ge sucht hatte. P. wurde unter Ausschluß mildernder Umstände zu zwei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrenrechtsverlnst verurtheilt, auch wurde seine Stellung unter Polizeiaufsicht für zu lässig erachtet, während K. mit sechs MonatenGesängniß und zwei Jahren Ehrenrechtsverlust davonkam. V. In dem F.'jchen BedarfSartikclgeschäst für Zahnärzte am Neumarkt bemerkte in der Nacht zum 22. September rin nach Hause kommender Herr Licht und ausfällige» Geräusch. Er theilt« seine Beobachtung der Polizeiwache mit, und es wurde alsbald von mehreren Schutzleuten eine sofortige Durchsuchung der betreffenden Geschäftsräume vorgenommen und der 19 Jahre alte Schlosser Albert Max W. aus Volkmarsdorf und der 15 Jahre alte Lauf bursche Friedrich Alban K. aus Zwickau festgenommen. K., der seit Ende Mai bei F. in Stellung war, hatte zu verschiedenen Ge legenheiten aus der Werkstatt eine Anzahl Werkzeuge sich an geeignet, uin sie für sich zu behalten oder zu vrrwerthen. Er bat auch wahrscheinlich W. und seinen älteren Bruder den 18 Jahre alten Handarbeiter Paul Kurt K. aus Stötteritz auf die günstige Gelegenheit aufmerksam gemacht. Während Kurt K. im Hose Wache hielt, stiegen Alban K. und W. mittelst einer Leiter vvm Hose aus in die Werkstatt rin. Hier erbrach W. mehrere Pulte und sand in dem einen 65,80 ./L, im zweiten 8,98 und 1,40 in Postwerthzeichen. Die Beute wurde ihnen natürlich sofort obqenommen. W., bei welchem die schwereren Bestimmungen über Rücksallsdiebstahl Anwendung zu finden hatten, wurde unter Zubilligung mildernder Umstände zu einem Jahre sechs Mo naten, Kurt K. zu acht Monaten und Alban K. zu fünf Monaten drei Wochen Gesängniß verurtheilt. Je ein Monat der erkannten Strafen gilt als durch die erlittene Untersuchungshaft verbüßt. * Crimmitschau, 23. November. Das Landgericht Zwickau verurtheilte den Schuhwaarrnhändler Carl Peter eit hier wegen unerlaubter Ausspielung von Maaren zu 10 Geldstrafe. Er hatte, um Kunden zu gewinnen, in ein kleines Fischglas schwarze Knöpfe gelegt und für Diejenigen, welche die Zahl der Knöpfe, auch nur annähernd, erriethen, Preise, z. B. eine Salonuhr, «io. Paar Herren-, ein Paar Damenstieseletten u. s. w., auSgesetzt. Entscheidungen des Reichsgerichts. (Nachdruck verboten.) I/. Leipzig, 23. November. (Kürzung der Pension von Commu nalbeamten.) Eine Entscheidung, die für weite Kreise von Interesse ist, wurde heute vom 4. Civilsenate deS Reichsgerichts gefüllt. ES bandelte sich um die Lösung der Frage, ob ein preußischer Communalbcainter, der nach nicht erfolgter Wiederwahl pensionirt worden ist, sich von seiner Pension dasjenige kürzen lassen muß, was er im Gemeindedienst eines außerpreußischen Staates an Gehalt bezieht. Der Bürgermeister der pommerscken Stadt Belgard, Herr Kleist, war im Jahre 1884 nicht wieder gewählt worden und die Behörde hatte seine Pension auf 1350 ^ll festgesetzt. Als Herr Kleist 1885 zum Gemeindevorsteher von Leo- poldShall (Anhalt) gewählt worden war, zog die Stadtgemcinde Belgard die ihm gewährte Pension ein in der Annahme, daß sein nunmehriger Gehalt die bisherige Pension erreiche oder übersteige. Später erhob Herr Kleist Klage gegen die Stadt Belgard auf Weiterzahlung der Pension, wurde aber sowohl vom Landgerichte Köslin als dem Oberlandesgerichte Stettin abgewiescn. Das letztere vertrat die Ansicht, daß es nicht richtig sei, das anbaltische Einkommen nicht als ein solches anzusehen, welches die Einziehung oder Kürzung der Pension bewirken könne. Nachdem nun aber am I. November 1897 das Landgericht Hirsch berg und am 28. Februar 1898 das Oberlandesgericht Breslau in einer gleichliegenden Sache eine entgegengesetzte Entscheidunq gefüllt hatten, nahm Herr Kleist den Proceß gegen die Stadt Belgard wieder auf und erreichte, nachdem zunächst das Landgericht Köslin ihn wieder abgewiesen hatte, daß das Oberlandesgericht Stettin ihm durch Urtbeil vom 13. März d. I. 4095 nebst gewissen Zinsen zusprach. — Gegen das Stettiner Unheil hatte nun die Stadt Belgard Revision eingelegt. Ihr Vertreter, Herr Justizrath Herr, führte aus, der Grundgedanke der einschlägigen Bestimmungen sei der, daß nicht aus den Mitteln des preu ßischen Staates doppelt gezahlt werden solle. Nachdem aber das deutsche Reich entstanden sei, habe man zu berücksichtigen, daß zwischen den einzelnen Staaten desselben eine engere Verbindung einqetreten sei. Man werde die rrctio le^iü prüfen und untersuchen müssen, welchen Zweck der Gesetzgeber bei der Aufstellung des 8 65 der preußischen Städte-Ordnung verfolgt habe. Daß der Zweck kein partikularer war, sei wohl anzunehmen. Er bitte deshalb um Aufhebung der Vorentscheidung. — Ter Vertreter des Herrn Kleist erwähnte im Aiiichlnß hieran, daß der oben berührte Hirschberger Proceß auch dem Reichsgerichte zur Entscheidung vorgelegen und daß dieses zu Ungunsten des betr. Beamten entschieden habe. Dieser fei aber in den Dienst des weimarischen Staates getreten und dadurch unterscheide sich jener Proceß wesentlich von dem vor liegenden, denn der Kläger Kleist sei in den Dienst eines nicht preußischen Dorfes getreten. — Das Reichsgericht erkannte ent sprechend dem Revisionsantrage auf Aufhebung des Stettiner Urtheils und Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen Las ihm mit feinem Ansprüche abweisende Uriheil des Landgerichts Köslin. Damit ist also anerkannt, daß ein pensionirter Beamter sich jedes Einkommen, das er im öffentlichen Dienste eines anderen Bundesstaates erzielt, auf seine Pension anrechnen lassen muß. V. Leipzig, 23. November. .Wegen Beleidigung des Bürger meisters von Ohligs, TrommcrShansen, ist am 26. Juni vom Landgerichte Elberfeld der Stadtverordnete Kaufmann Konrad Vits zu einer Geldstrafe von 600 verurtheilt worden. Zwischen den Eltern des Angeklagten und dem Bürgermeister schwebte ein Proceß, der zu Gunsten der ersteren entschieden wurde. Später wurde Vits zum Stadtverordneten gewählt. Gleich in der ersten Sitzung, an welcher er theilnahm, kam es zu Auseinandersetzungen, weil Jemand Pfui gerufen batte, was Vits auf sich bezog und vom Bürgermeister nicht gerügt worden war. Bei Berathung der Gasangelegenheit wurde ein Antrag nicht vorschriftsmäßig schriftlich eingercicht und deshalb abgelehnt. In der nach folgenden geheimen Sitzung entstand dann wieder ein Zwist. Vits legte knrz darauf dem „Ohligser Taqeblatte" rin „Flugblatt Nr. 1" bei, in welchem er die Vorkommnisse dieses TageS besvrach. Der Regierungspräsident in Düsseldorf erblickte in diesem Flugblatte eine Beleidigung des Bürgermeisters und stellte Strafantrag. Der Bürgermeister selbst schloß sich dem Verfahren als Nebenkläger an. Das Landgericht hat angenommen, daß die dem Bürgermeister ge machten Vorwürfe, er habe sich durch Mißbrauch seiner Amtsgewalt strafrechtlich vergangen und sich für materielle Vortheile empfänglich gezeigt, unbegründet seien und daß der vom Angeklagten anqetretene Wahrheitsbeweis in allen Theilen als mißlungen anzujehen fei. Zwar habe der Angeklagte als Stadtverordneter da- Recht gehabt, etwaige Mißstände zu rügen; dann hätte er sich aber an die vorgesetzte Be- Hörde wenden sollen. Der Schutz des 8 193 könne ihm nicht zu Theil werden, weil er die Absicht hatte, Len Bürgermeister vor der Oeffentlichkeit bloßzustellen, dies gehe auch aus der andeutungs weisen Art der Schilderung hervor, welche der Phantasie der Leser jeden Spielraum lasse. — Die vom Angeklagten eingelegte Re vision kam heute vor dem Reichsgericht zur Verhandlung. Der Vertheidiger erklärte das Urtheil für wideripruchsvoll und vertrat die Ansicht, daß das Landgericht Form und Inhalt verwechselt habe. Das Reichsgericht erkannte jedoch gemäß dem Anträge deS Reichs anwalts und deS Vertreters des Nebenklägers auf Verwerfung der Revision. Usi'ksl- unrl 1833. Mr Vesellsvkstt, Sstt unä ^eäsn aväsren Lsäark. I.oäor-8Uvl»> mm LllLptvu M SvIwSrso, mit VtlckkLtrs, Lammpolr mi<l sllem »nckekeii ssMiffter Nir v»wsv, Ssrrev mck Lwckor. 6rös8tv ^U8ivadl In keinen, unä xs^ökviioken anwwlsodndv. LL- parterre unä 1. Ltaxe vLUrwImds.
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