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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 02.04.1900
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-04-02
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000402010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900040201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900040201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-04
- Tag1900-04-02
- Monat1900-04
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t ------ - - - - - . . Vez«gO.Pretr Di« vrorgewAsSgaL« «rschrtut um '/.? U-r, di» Lbrud-AuSgLb« Woch«»ta-t um 5 Uhr. Nrdartinr u«L ErprLttio«: 8»-«mtt«affe 8. Lie Tkvrdttio» ist Wochentags »»««trrbroche» geSffuet vou früh 8 bis Abend« 7 Uhr. w» d« Vororten errichteten «v«. I« abgiholt: vierteljährlich^E «tmltaer täglicher Zustekkuug ins » D«ch di« Post bezogen für >I«d md Oesterreich: viertekShrltch Direkte tägliche Arrujbaudseuduug Filiale«: Alfret Huh» vor«, v. Memm'a Gsrtt». Universitätsstrahl 8 (Paulftrum), Luuis LSsche, KuBurduustr. 14, Part, und Köoigtplatz 7. Morgen-Ausgabe. WpMcr.TagMaü Anzeiger. Ämtsvlatt -es Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes nn- Nolizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Montag den 2. April 1S00. Anzeigen-Prei- die 6gespaltme Petitzeile 20 Pfg. Reclameu unter demRrdactlouSstrich (4 g»« spalten) SO^z, vor den Familieanachrichtrn (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis« verzeichniß. Tabellarischer und Zissernsatz nach höherem Tarif. Extra »Vellage« (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbesörderuog 70.—. Avnahmeschluß für Anzeigen: Abeud-Susgabe: vormittags 10 Uh» Marge»-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle» je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedillan zu richten. Druck und Verlag vou L. Bolz tu Leipzig. 94. Jahrgang. Amtliche^ Theil. Vermiethungen. Geargtring «r. 17 in» Hauptrollamtsgedäudc KellerrLume, asphaltirt, mit Lagerrinrtchtung und «vent. Galleitung versehen, al» Deinlager passend, zu 1500 pihrlich. Di« Lellerräume, »eiche evcnt. auch getheilt vermiethet Werte» tstnne», find sofort zu vrrmlrthen. MieHgesuch« werden auf dem Rathhause, 2. Obergeschoß, Zimmer Nr. 20 evtgegrugenommen. Leipzig, den 19. Oktober 1899. Der Nath her Stadt Leipzig, vr. Tröndlin. Römer. Auktion. Wa«ta», de« S. Aprti 1-0«, Nachmittag S U-r, solle« la Lripzig-Plagwi-, Gleisstraß« Nr. l2 Eine Leturh WeftphSl. kehle öffentlich gegea sofortige Baorzahlung versteigert werdeu. Blvria. vr«i«r, Loealrtchter. Atudentisches Leben in Leipzig zur Zett des Kurfürsten Äugust. Don P. Zinck. Nachdruck »erbot!«. Gtudentenleben! Wer denkt bei diesem Worte nicht an tolle Streiche, vollführt im Jugendübermuth und übersprudelnder Kraft; mit Recht: denn in der Oefentlichkeit macht sich das Leben der an den Hochschulen studirendeen werdenden Gene ration, dir in der Zeit der Gährung, des Uebergangs von kindi schem Wesen zu männlichem Ernst sich befindet, gerade nach dieser Seite hin am ersten bemerkbar — mit Unrecht, weil man dabei die graste Zahl derer übersteht, die nicht nur der Gegenwart leben, sondern im stillen Gtudirstübchcn fleißig arbeitend der Zukunft gedenken. Und doch wird eine Schilderung des privaten, gesellschaft lich««, überhaupt äußeren studentischen Lebens seiner wechselvollen Bilder wegen, die es bietet, jedenfalls immer lieber gelesen werden, alt ein« Darstellung des wissenschaftlichen Lebens, die immer etwas TrockneS an sich haben wird. Deshalb möge es mir gestattet sein, auch nur die nach außen gewendete Seite 'des Leipziger Studentenlebens in der Zeit des Kurfürsten August zu schildern, mit seinen Auswüchsen, die für damals besonders Nicht der studentischen Jugend ganz zuzu schreiben sind, -sondern zum Thetl der Zeit selbst anhaftcn, die noch eine Zeil deS Überganges war, in der Altei abstarb, Neues erstand, Alles noch gährte, und vor Allem die Befreiung des Jndi-1 viduums aus den mittelalterlichen genossenschaftlichen Fesseln, mächtig wirken mußte. Der Student hatte damals eine doppelte Aufnahme in den UniversitätS-Verband zu bestehen: durch die Jnscription oder Immatrikulation wurde er in die rechtliche und wissenschaftliche Gemeinschaft ausgenommen; dem socialen Ver bände der Studentenschaft konnte nur der angehören, der die Formalitäten der Deposition überstanden hatte. Die Jnscription erfolgte ungefähr in derselben Weise, wie heute. Nur der Jnscribrrte war wirkliches Mitglied der Univer sität und stand im Genüsse aller Vortheile und Rechte dieser Corporation. Auch Männer reiferen Alters, die auf anderen Universitäten die akademischen Grade sich «drangen hatten oder gar schon in Amt und Würden standen, mußten, wenn sie in Leipzig Vorlesungen zu besuchen öder solche abzuhalten beab sichtigten, zuvor das Bürgerrecht bei der Universität durch ihr- Jnscription erwerben. Mit der Jnscription -war die Ableistung eines Eides verbunden. Von demselben entbunden waren zu nächst nur Diejenigen, die, ehe sie die geistige Reise erlangt hatten und Vorlesungen hörten, immatrirulirt wurden. Diese vorzeitige Jnscription ward, besonders gegen Ende des 16. Jahr hunderts, deshalb oft nachgesucht, um der zu einer Unsitte aus gearteten Deposition zu entgehen. Der durch langjährige Sitte sanctionirte, von Männern wie Luther und Melanchthon selbst auSgeübte und in Leipzig bis in den Anfang des 17. Jahrhunderts hinein festgehaltene Brauch der Deposition ist jedenfalls entsprossen aus der Betrachtung der Universität als einer zunftartig gegliederten Genossenschaft, mit dem Rector als Obermeister, den Magistern als Meistern, den Studenten als Gesellen und Lehrlingen. Die Aufnahme in ihren Verband mußte in Folge dessen, wie bei allen ähnlichen Körperschaften, durch gewisse, mit Demüthigungen verbundene Formalitäten geschehen, damit sich der Neueintretende seiner neuen Würde wohl bewußt wurde. Er, der boanus, wurde — kurz gesagt — als pscus campt angesehen, cm, ut rits aä pudlicas loctiones prasparetur, cornu» cleponsncka esssnt. Auch Männer reiferen Alters (z. B. der 50jährige Marcus Opper mann aus Schortau) blieben von den „molostiis ckepositivvis" nicht verschont. Die Gepflogenheit der oft sehr vorzeitigen Immatrikulation — wurde si- drch selbst Täuflingen als Pathengeschenk in die Wieg« gelegt — erschwert «» sehr, dar Alter der Studirenden genau zu bestimmen; die untere Grenze wird theils zu hoch und tHeils zu niedrig angegeben. Die den Eid leistenden Studirenden mußten im 16. Jahrhundert daS 17. Lebensjahr vollendet haben, so daß man dieses Jahr als die untere normale Altersgrenze bezeichnen kann. Wenn also die Jünglinge einige Jahre früher als jetzt zum Studium kamen, so hat daS -darin seinen Grund, daß die philosophische Facultät von damals den oberen Gym- nasialclassen unserer Zeit entsprach und gewissermaßen als Vor- bereitungSanstalt für die oberen Jacultätrn galt. Erne der ersten Fragen für den in Leipzig Neuankommenden war -die Wohnungsfrage. In den studentischen WohnungSver- hältniffen war in Folge der durch die Reformation bewirkten Umwälzungen «ine tiefgreifende Veränderung vor sich gegangen. Der vorreformätorisch« Student wohnte so ipso in der Burse, im Colleg beaufsichtigt und in den ersten Semestern auch unterrichtet von den Magistris oder Collegiatm. Nach Ein führung der Reformation heiratheten viele Collrgiaten und zogen in -die Stadt. Da aber kein Student ohne Präceptor im Colleg wohnen durfte, so ergab sich daraus sür Viel« die Nothwendig- keit, ebenfalls in der Stadt Unterkunft zu suchen. So gab es also Privatwohnungen in der Stadt und gemeinschaftliche Woh nungen in den Collegien. -Erstere wurden gestellt von den mittleren und einfachen Bürgersleuten, auch schon von Wittwrn, die sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt zu verdienen suchten. Melchior v. Oss«, Kurfürst August's Rath, sieht in diesem Wohnungswesen einen großen Krebsschaden der Univer sität. Er klagt in seinem „Testament gegen Hertzog Augusto": „Wer seine Kinder in Leipzig erhalten will, so muß er die irgends zu einem Bürger oder Kausfmann cindingen, da haben sie biß- weilen dan seltzame Gesellschaft, hören ärgerliche Reden, sehen unterweilen, wie der Kauffgefelle mit der Köchin, der Haus knecht mit der Magd scheißt, und wird also in der Jugend durch Aergerniß vergiftet." Die gemeinschaftlichen Wohnungen hielten sich daneben noch längere Zeit, wenn sie auch mehr und mehr vernachlässigt wurden. — Kurfürst August suchte in der Kirchen- und Schulordnung von 1580 di« alte Collegienordnung wieder herzustellen. Die Colleggebäude der Universität, das Große und Kleine Fürstencolleg, das Kollegium Vestso virgiois, daS OoU. oovum der philosophischen Facultät und das kaulinum der theologischen Facultät, enthielten nicht nur Wohnungen für Magister und andere Graduicte, die in der Zugehörigkeit zum Colleg theilweise ihre Besoldung 'hatten, sondern auch für Stu- dirende, -die unter Aufsicht der Magister hier ihren Studien oblagen. Die Aufnahme solcher „Inquilinen" war durch be sondere Gesetze geregelt, die gerade in -der Regierungszeit Kurfürst August's mehrfach einer zeitentsprechenden Revision unterzogen wurden. Nicht ausgenommen wurden nach diesen in solche Wohnungen diejenigen, die von einer anderen Universität aus geschlossen oder relegirt waren, die aus einem anderen Colleg „herausgeworfen", durch Unmäßigkeit, Spiel- und Streitsucht berüchtigt waren oder in schwerer Feindschaft mit rinem Magister bov. art. -des Collegs lebten. Dagegen stand der Aufnahme Derer nichts entgegen, die immatrirulirt waren und in guter Achtung standen, die Frömmigkeit und wahre Religiosität liebten, sich der Wissenschaften befleißigten und ruhig und nüchtern waren. Alle WohnungSverhältnisse 'wurden geregelt durch einen aus der Reihe der Magister gewählten „Locator", dessen Anordnungen deshalb auch Jeder Folge zu leisten hatte. Es mögen zunächst einige Bestimmungen über die Miethoerhältnisse hier noch erwähnt werden: Der Locator hatte rin Verzeichniß aller Miether anzu legen, so daß Niemand unter der Hand di« Wohnung an einen Anderen vermiethen konnte. Die Miethbeträge waren am Ende des Frühlings- und des Herbstmarktes zu begleichen, weil zu dieser Zeit die Studenten meist durch zugereiste LandÄeute mit Geld versorgt wurden und ungefähr zur selben Zeit der Semester - schluß stattfand. Wer vor Ende des Semesters fortging, hatte doch den ganzen Betrag zu erlegen oder genügende Sicherheit da für zu schaffen; im anderen Falle 'wurde das Inventar seines Zimmers als Pfand in Beschlag genommen. Um Verlängerung der Miethzeit mußte vier Wochen vor deren Ablauf nachgesucht, ebenso in derselben Zeit vorher gekündigt werden; wer letztere» unterließ, mußte den Miethzins weiter bezahlen oder dem Locator einen geeigneten Miether Vorschlägen. Fremde bei sich zu be herbergen, war jedem Inquilinen untersagt; streng verpönt war es, Mörder (!) und andere Missethäter aufzunehmen und inner halb der Wohnungen mit verdächtigen Weibern zu verkehren. — Ueber die Behandlung der Wohnungen bestanden ebenfalls sehe sperielle Vorschriften: Selbstverständlich sollte nichts demolirt oder von seinem Platze entfernt werden. Wer ohne Erlaubnitz Neuerungen in der Wohnung vornahm, hatte, wenn dieselben nicht gebilligt wurden, Schadenersatz zu leisten; wenn sie an gebracht waren, wurden ihm -doch -die Kosten nicht vergütet. Die Bauart der Colleggebäude war wenig solid — nach ^ac. Vogoliz Varia ist 1578 die Lursa Laxouum bei großen« Wind eingefallen; sie waren zum großen Theil nur aus Holz auf geführt. Deshalb durfte in den oberen Räumen nicht Holz ge sägt und gespalten werden. Um Feuersgesahr zu vermeiden, durften vor den Oefen Stroh und Holz nicht aufgeschichtet, an den Wänden keine Kerzen angebracht werden. Der Gebrauch von Neisigholz und Halmen zum Feueranzünden war untersagt. Die Schlafräume sollten nichts Feuergefährliches enthalten. Mc Wassergefäße mußten immer gefüllt sein. — Ganz besonders nöthig scheinen Regeln für die Aufrechterhaltung der Reinlichkeit gewesen zu sein. Es muß in allen Collegstatuten mit besonders hochtönenden Worten hervorgehoben werden, baß eine reinliche Wohnung zum Wohlbehagen führt und zugleich ihren „Wirth" ehrt und ziert; andererseits finden wir mehrfach die drastische Bemerkung: Die Besucher dürfen nicht denken, baß Schweine in dem Colleggebäude wohnen. Es mag da manchmal lustig aus gesehen haben: Papier, Stroh, Holzreste und Kartenblätter wur den umhergeworfen, Winkel und Ecken in ekelerregender Weise verunreinigt und am Hellen Tage der fragwürdige Inhalt ge wisser Töpfe auf die Straße befördert, ohne daß man dar nach fragte, ob Vorübergehende dadurch besudelt wurden. War es nun dem Neuling gelungen, einen Unterschlupf zu finden, so handelte es sich darum, den gesellschaftlichen Zu sammenhang mit den Strebensgenossen zu suchen. Dieser war geboten in dem Anschluß an eine der vier Nationen. Diese korporativen Vereinigungen von Landsleuten hatten den Zweck, den von fernher Gekommenen Sicherheit und Schutz, den An gehörigen in der Heimath eine Bürgschaft für das Wohlbefinden I ihrer Familienglicder zu gewähren durch gemeinschaftliche Woh- I nung und Kost und Ueberwachung und Leitung von deren Fettilletsn von Hand zu Hand. Ei« lustige Geschichte von Paul Blitz (Berlin). Sla-drock »«rSetrn. Herr Commerzienrath Ebel, Inhaber der großen Cigarren- faibrä und »Handlungen Ebel L Knopf, rief seinen ersten Ge schäftsführer inS Privat-Lomptoir. „Mein lieber Spielmann", begann der alte Herr, „ich seh« da eben di« Proben der auS der Fabrik neu eingegangenen Marken durch, und da finde ich, daß die neue Marke „Proferpina" her vorragend gut ausgefallen ist. Was ist denn da drinnen? Wissen Sie et genau?" „Gewiß, Herr Commerzienrath! Brasil Einlage, Sumatra UmMag und Havanna Deckblatt." „So, so. Und wie soll sie in den Handel kommen?" „EngroS 45 Mark pro Mille und Ladenpreis 8 Mark pro Hundert." Der alte Herr neigte den weißen Kopf bedächtig hin und her und besah die Probecigarre unausgesetzt. Endlich sagte er fest und bestimmt: „DaS ist zu billig, Gpiekmann, viel zu Lillig, die sicht nach mehr auS; ich will Ihnen etwas sagen — wir lasten sie in Staniol wickeln, geben ihr eine Leibbinde, lassen die Packung elegant auSstatten und stellen sie als Geschenk-Cigarre mit 1L Mark pro Hundert aut." „Gewiß, Herr Commerzienrath, wie Sie befehlen", entgegnete der Seschafttfithrer, der wohl wußte, daß sein Chef keinen Wider spruch duldete. Acht Tag« später stand in dem Hauptgeschäft der Firma di« ganze Lutlage voll mit der neuen Geschenk-Cigarre „Proser- piaa", di« alt außerordentlich preiswert!) angepriesen war. Nachmittag» ging der Wirkliche Geheim« RegierungSrath, Vortragender Nath det Minister», vr. von Lassen, an der reich decorfrten Lutlag« vorüber und sah die prächtig auigestattete Liga»«. Donnerwetter, dachte er, damit könnte ich dem Lehfeld eine kleine Freud« bereiten. Kleine Aufmerksamkeiten der Art wirken stets vortrefflich — Uberdiet Lin ich ihm eine Anerkennung schuldig für die tadellose Ausarbeitung meines letzten Vortrag», der Sxcellenz so gut gefallen hat. So ging er hinein und erstand eine Kiste der „Proferpina" für IS Mark, di« «r dann mit einigen liebenswürdigen Begleit worten an seinen Niichst-Unteraebrnen, den Geheimen Regierung»- rakh vr. Lehfeld sandte. Der Herr Geheime RegierungSrath ist äußerst beglückt über die Hukd seines Herrn Chef» und dankt in einem verbind lichen Schreiben. > AIS er dann die in Staniol gewickelten Cigarren mit der vielversprechenden Leibbinde ansieht, überkommt ihn rin tiefe» Bedauern, denn er selbst ist kein Raucher, und so hat er also rein gar keine Freude an dem Geschenk. Ah, denkt er plötzlich, damit kannst Du ja dem Braumann «ine kleine Ueberraschung machen — überdies bist Du ihm so wie so noch Dank schuldig für die brillante Vorarbeit zu dem letzten Vortrag, der dem Chef so gut gefallen hat. Also packte er das Kistchen fein sauber ein und sandte eS mit den besten Empfehlungen an Herm RegierungSrath Lraumann. Al» bei dem da» Geschenk ankam, nahm «S seine Gattin in Empfang und ließ eine „schöne Empfehlung" an den Herrn Gehcimrath sagen. -Als sie aber mit ihrem Mann allein war, warf sie das Kistchen auf den Tisch und meinte: „Na, der hätte Dir auch was Andere» schicken können, als die paar lumpigen Cigarren." „Aber Gustchen", beschwichtigte der stille Mann seine resolute Frau, „sprich doch nicht so laut, er ist doch mein Vorgesetzter." „Aulgerrchnet Cigarren", tobte Madam« weiter, „als ob Du nicht schon übergenug zusammen pafftest! Alle Gardinen riechen nach Tabak, und die Wäscherin hat jedeSmal ihre liebe Noth, den Geruch herauSzuknrgen!" „Aber Frau, ich bitte Dich, hör' nur auf. Ich will ja die neuen Ciaarren gar nicht selber rauchen; ich werde sie dem Assessor Brandt -schicken, der mir neulich da» Matertal zu dem Vortrag so geschickt gesichtet hat." Dagegen konnte nun Madame nichts rinwenden, und so wunden die Cigarren mit bestem Gruß an den Herrn Assessor geschickt. Herr Assessor Brandt, ein Mann von fünfunddreißig Jahren, ist Junggeselle, leidlich wohlhabend und ein Lebemann. Er ist nebenbei ein leidenschaftlicher Raucher. Als er da» Kistchen von seinem Vorgesetzten bekam, wickelte er eS bedächtig auf und besah die so elegant ausgestatteten Cigarren sehr aufmerksam und lange. Erstens hab« ich gegen geschenkte Cigarren stets ein Miß trauen, dachte er, und besonders gegen solche in Staniol und Leibbinde. Und deshalb werde ich mich wohl hüten, mir an diesen Giftstengeln den Geschmack zu verderben! Lächelnd nahm er daS Kistchen, packte es sauber in einen neuen Bogen, odreffirte e» an den Herrn Kanzleirath Wolter und schrieb dazu auf eine Visitenkarte: „Mein werther Herr Kanzler rath, Sie waren so freundlich, mir zu der letzten Arbeit für unfern Herrn RegierungSrath das Material zu beschaffen; ge statten Sie mir, daß ich Ihnen al» klein« Gegenleistung für die aShabt« Müh« hier ein Kistchen guter Cigarren sende. Mögen st* Ihnen gut schmecken. DaS wünscht Ihr bestens grüßender Alt der Herr Kanzleirath das Kistchen bekam, gerieth er in hell« Freude. „Bich doch nur, Molchen", rief er begeistert, „diese Liebens. Würdigkeit von dem Herrn Assessor! Darauf kann ich doch wirklich stolz sein, nicht wahr?" Di« einfach« Nein« Frau kam neugierig heran und beschaute die Herrlichkeit mit staunenden Augen. „Jede ist einzeln eingewickelt und hoi sogar noch ein Bänd chen", sagte fle ehrfurchttvoll. „Ja, e» scheint wo» ganz Feine» zu sein", meinte er — „na, der Herr Assessor raucht übrigen» auch nichts Schlechtes." Dann sie: „Aber Martin, für Dich werden die Cigarren, wenn auch nicht zu schad«, fo doch wohl sicher zu schwer sein!" Zustimmend nickte das bescheidene Männchen: „Ich werde sie auch gewiß nicht rauchen, Malchen, nein, etwas so Feines Lin ich nicht gewöhnt. 'Aber weißt Du, der Onkel Johann hat in acht Tagen -Geburtstag, dem werd' ich sie schenken, der versteht ja auch etwas von Cigarren." Dabei blieb «». Acht Tage später bekam Onkel Johann die Cigarren auf gebaut. Der Onkel, ein pensionirier Oberförster, besah schmunzelnd das Kistchen, dann meinte er in seiner derben Art: „Na, Martin, da hast Du di ja mal bannig anstrengt! Dunnerlüchiing! Dat iS ja woll janz wat Feines!" ' „Laß sie Dir nur gut schmecken, Onkelchen", entgegnete der Kanzleirath verlegen, indem er sich empfahl. Am Nachmittag zum Kaffee, al» der alte Herr allein war und gemüthlich in seinem Lehnstuhl saß, wollte er sich «inen besonderen Genuß gönnen und wickelte eine -der „Proser- pinaS" aus. Mit langen, behaglichen Zügen begann er zu rauchen, aber statt des erträumten Hochgenusses bekam er einen äußerst üblen Mißgeschmack zu kosten, der sich von Zug zu Zug bedeutend ver schlimmert«. Endlich warf er die Cigarre wüthend in den Aschenbecher und ging fluchend hin und her. Nach einem Weilchen aber beruhigte er sich — vielleicht war eben nur «Ine mißrathene darunter — und so zündete er sich eine neue an. Aber siehe da, kaum hatte er fünf Züge gethan, da war der ekelhafte Geschmack wieder da, und er mußte auch diese Cigarre sortwerftn. Und nun, in Wuth gerochen, probirte er noch eine, und diese dritte war auch nicht besser. Jetzt läuft der alte Herr umher und iveiß sich vor Aerger und Verdruß gar nicht mehr zu lassen. Er schimpft auf seinen Neffen, der «» gewagt hat, ihm fo etwa» zu schenken — dann aber sagt er sich, daß der ja gar kein Kenner fei, sondern daß man ihn einfach betrogen habe. Und nun untersucht er das Kistchen genau, um zu ersehen, au» welcher Fabrik es stammt. „Ah!" jubelt er auf, „da haben wir'» ja! Natürlich, wo» kann denn von Ebel L Knopf auch Gute» kommen!" Onkel Johann war ein Mann der schnellen Entschlüsse, außerdem war er auch praktisch und griff jede» Ding gleich Leim rechten Ende an. Dethalb ging er direci in» Hauptgeschäft zu Ebel L Knopf und schlug furchtbaren Lärm — wie man es wagen könne, für schweres Geld eine so minderwerthigc Cigarre zu verkaufen — es fei unerhört, da» Publicum so zu düpiren, denn nach der Ausstattung erwarte man eine bessere Cigarre, während di« geliefert« kaum dir Hälfte de» Preises werth sei. Und die Reklamation schlug dermaßen ein, daß nicht nur alle anwesenden Käufer, sondern auch die Verkäufer einen Augen blick lang ganz conflernirt waren. Dann aber kam der Herr Geschäftrführer, lud den alten Herrn «in, ihm ins Privat comptoir zu folgen, und da man sich auch hier nicht einigen konnte, wurden ihm die 15 Mark für ein Kistchen „Proferpina" zurückgezahlt, mit denen Onkelchen zufrieden lächelnd nach Hause ging. Aber unter >d«n Käufern, die den Scan-dal im Laden mit anhörten, war auch zufällig der Herr Wirkliche Geheime Regic- rungsrath vr. von Lassen. Und als er diese Neuigkeit hörte, schlug ihm plötzlich das Gewissen. Sapperment! 'dachte er, da bin ich ja schön re'mgefallen! Wenn die Cigarre wirklich so misserabel ist, dann habe ich mich bei dem Lehfeld ja riesig blamrrt! Und schnell kaufte er ein Kistchen feiner Importen, wie er sie im Geheimen selber zu rauchen pflegte. Diese schickte er an den Geheimen Negierungsrath vr. Lehfeld und schrieb dazu, daß ihm versehentlich zuerst eine minderwerthige Cigarre gesandt sei — er möge entschuldigen und sich statt dessen diese Importen gut schmecken lassen. Als vr. Lehfeld die Sendung bekam, packte er sie erst gar nicht aus, sondern setzte sich hin, schrieb sofort an den Regierungs rath Braumann einen gleichen Entschuldigungsbrief und sandte ihm das neue Kistchen. Und Braumann, der auch wußte, 'daß der Assessor. Brandt ein guter Cigarrenkenner fei, 'wollte sich natürlich auch nicht blamiren, und so schickte er die Importen sofort mit einem Entschuldigungsschreiben an Brandt weiter. Als der Herr Assessor diese neue Sorte sah, schmunzelte er: „Donnerwetter, das ist ein gutes Kraut!" Aber im nächsten Augenblick sagte er sich auch schon: Nein, der Wolter soll nicht von mir denken, daß ich em Geizkragen sei — und im übernächsten Augenblick war das Kistchen nebst dem üblichen Entschuldigungsbrief schon unterwegs an den Herrn Kanzleirath. Und der, als er das Schreiben las, bekam er es erst recht mit der Angst. „O weh", jammerte er, „was wird der Onkel gesagt haben!" Vielleicht enterbt er mich gar!" Zitternd ging er zu dem alten Herrn, der ihn mit Unheil verkündenden Blicken empfing. Aber der Kanzleirath ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. Sofort begann er: „Hier lieber Onkel, dies sind die richtigen Cigarren, die ich Dir zum Geburtstag« schenken wollte!, Die erste Kiste war ja nur minderwerthig, di« habe ich Dir nur aus Versehen gebracht — na, schenk' sic Deinem Portier und laß Dir statt dessen diese Importen munden!" Onkel Johann, als er diese Botschaft hörte, war merkwürdig still, denn natürlich begriff er den Zusammenhang nicht. Da er aber an der Etikette der Kiste die wirklichen Importen sofort er kannte, nahm er auch das neue Geschenk dankend in Empfang und zeigte sich äußerst wohlwollend und gut gelaunt, so daß der Herr Kanzleirath beglückt nach Hause ging. Dann rauchte der Herr Oberförster a. D. mit schmunzelndem Behagen eine der neuen Importen, und daS brachte ihn dermaßen in Stimmung, daß er sich auf den Schenkel -schlug und dabei au-rief: „Dunnerlüchting! Zu so'n feines Kraut uno noch zu fünf Dahler extra bin ick doch all min Lebtag' noch nich so fix kommen! Hähäbähii!"
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