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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.04.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-04-10
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010410017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901041001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901041001
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-04
- Tag1901-04-10
- Monat1901-04
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Amtsblatt -es Hömglichett Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Votizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Mittwoch den 10. April 1901. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redacttonsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./t V0.—, mit Postbesörderung ^ll 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abrnd-Ausgabe: Vormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 85. Jahrgang. Die französischen Streiks im letzten Jahrzehnt. Nachdem in Frankreich durch Gesetz von 1894 die Koalitions freiheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und zwar sowohl der Industrie, als auch der Urproduction, eingeführt ist, haben sich die Unternehmerverbände (s^näic-ats Patrons) und die Gewerk schaften (sznckic-nts ouvriers) kräftig entwickelt. Damit ist auch Sie Streikbewegung in festere Bahnen gelenkt worden. Die massenhaften kleineren, unvorbereiteten und unbedachten Putsch treten mehr und mehr in den Hintergrund, gegenüber den wohl- organisirten und planmäßig durchgefühlten Arbeitskämpfen, in denen es sich ja naturgemäß seltener um Rechts- als um Jnter- essenfragen handelt. In der Absicht, diese Streitigkeiten mög lichst zu vermeiden oder doch zu mildern, erging am 27. December 1892 ein „Gesetz über Einigung- und Schiedsgerichtsverfahren bei ausgebrochenen Collectiv-Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern". Das Gesetz trat im Laufe des Jahres 1893 in Kraft. Eine einschneidende Wirkung hat es bisher noch nicht ausüben können, da besonders die Unternehmer ihm noch miß trauisch, zum Theil feindlich gegenüberstehen. Seit 1890 erscheint eine burch das Handelsministerium herausgegebene Streikstatistik. Der letzte dickleibige Band *) ent hält, abgesehen von Statistiken des Jahres 1899, noch eine aus jährliche Zusammenfassung des ganzen inzwischen verstrichenen Zeitraums. Daraus geht hervor, daß in den 90er Jahren durch das Arbeitsamt des Handelsministeriums 4210 Streiks fest gestellt wurden, an denen 924 486 Arbeiter theilnahmen, die im Ganzen 150 211841 Tage feierten. Durchschnittlich fanden also jährlich 421 Streiks statt. Die Pole der Bewegung find'in fol genden Zahlen ausgedrückt: die Mindestzahl der Streiks (261) fällt auf 1892, der Streikenden (45 801) auf 1895, der Streik tage (617460) auch auf 1895. Die entsprechenden Höchstzahlen fallen sämmtlich auf 1899: der Streiks (740), der Streikenden (175 772), der Streiktage (3 550 702). Das letzte der Jahre kennzeichnet sich also als das allerbewegteste; annähernd ähnliche Zahlen weist nur noch (mit 637, 170125, 374 850) das Jahr 1893 auf. Kein Monat des ganzen Jahrzehnts verlief ganz friedlich auf dem Arbeitsmarkt. Der Januar 1890 weist nur 6, der Juli 1899 dagegen 123 Streiks auf. Erklärlicher Weise fallen in die Monate November bis Februar fast regelmäßig die wenigsten, nur der Januar 1893 macht mit 70 Streiks und der November 1899 mit 91 Streiks eine Ausnahme. Im Mai und Juli erreichen die Einstellungen gewöhnlich die Höchstzahl. Bier Industrien sind die ausschlaggebenden: die Textilindustrie mit 1368 Streiks und 255 887 Streikenden, der Bergbau mit 178 Streiks und 196058 Feiernden, die Metallgewerbe mit 619 Streiks und 101472 "feiernden Arbeitern und die Baugewerbe mit 596 Streiks und 132 803 Streikenden. Diese 4 Gruppen allein umfassen über zwei Drittel der Streiks und der Feiernden, wobei noch besonders vom Arbeitsamt selbst heroorgehoben wird, daß in der Textilindustrie die "Gewerkschaften noch ganz un entwickelt sind, was einerseits auf die noch vielfach obwaltende Hausindustrie (Lyon, St. Etienne) und anderseits auf das Ueber- wiegen der Frauen über die Männer in der Arbeiterschaft zurück geführt werden kann. In der Land- und Forstwirthschaft und der Fischerei kamen 96 Einstellungen mit 46 000 Streikenden vor. Erstaunlich wenig Arbeitsstreitigkciten ereigneten sich in den Nahrungsmittelgewcrben, nur 86 mit 9592 Leuten, ein Zeichen der patriarchalischen Verhältnisse im Bäcker- und Fleischer gewerbe. Auch in den Buchdruckereien brachen im Laufe des Jahrzehnts nur 114 Streiks aus, in die nur 5008 Personen ver wickelt waren. Das Transportgewerbe, welches auch die Hafen arbeiter umfaßt, weist 179 Streiks seitens 46193 Arbeitern auf. Bei den allermeisten Streits handelte es sich um Lohnfragen; l'ei 2125 mit 542 000 Leuten um Lohnerhöhungen, bei 544 um Abwendung einer Lohnverminderung; um Verkürzung der Arbeitszeit bei 472 Streiks mit 141 681 Leuten; um wie Fabriks ordnung handelte es sich bei 444 Streiks mit 124 000 Leuten. 113 Streiks wurden von 12 000 Arbeitern gegen Einführung des Stücklohnes, 866 Streiks von 150 000 Arbeitern wegen An stellung oder Entlassung bestimmter Personen (unliebsam« Werk führer, „unorgcmisirte", bezw. „organisirte" Arbeiter) geführt. In 37 Streiks verlangten 2700 Leute Ausschließung der Frauen arbeit aus den Betrieben, in 26 Streits wurde von 2169 Arbeitern um Beschränkung der Lehrlingszahl gekämpft. Zu 128 sehr er bitterten Streiks, an denen 75 000 Leute sich betheiligten, führte 1899 das Inkrafttreten des neuen Haftpflichtgesctze's, da viele *) Ltatistigue des xröves et des reeours ä la ooveiliatiou et ä I'arditrajss surveuos peuckant I'annee 1899. Lari» 1900. 632 8. Arbeitgeber die ihnen erwachsenden Versicherungslasten ohne Weiteres am Lohn kürzen wollten, woraufhin die Arbeiter viel fach die Arbeit -niederlegten. Die allermeisten Streits waren in ihrem Umfang ^auf ein Unternehmen beschränkt; so 1899 von den 740 Streiks 575; nur 13 Streiks betrafen 1899 über 25 Geschäfte. Ebenso waren die meisten Streiks von kurzer Dauer und von wenigen Personen unternommen. Von den 4210 Einstellungen des ganzen Jahr zehnts dauerten 2623, also mehr als die Hälfte, kürzer als eine Woche, nur 404 länger als einen Monat; an 2100, also etwa der Hälfte, betheiligten sich nur bis zu 50 Leuten, an 131 über 1000. Geographisch Vertheilen sich die Streiks natürlich nicht gleich mäßig. Der Nordostrn mit seinen Kohlenminen, Zuckersiedereien und seiner Bauwoll- und Wollindustrie ist die Wiege der meisten Einstellungen. Dann folgt Paris. Lyon ist wegen des haus industriellen Betriebes ein unfruchtbarer Boden für Streiks, am wenigsten heimgesucht sind die Landes, Vendöc, die Pyrenäen und die Auvergne. Die 3 Algerischen Departements weisen 22 Streiks mit 2200 Arbeitern auf. Nur das Departement Lot, an der Garonne, ist bisher gänzlich von Streiks unberührt ge blieben. Das Ergebniß dec Streiks in lOjährigem Durchschnitt war für die Arbeiter kein ungünstiges: 18 Procent der Streikenden brachten ihre Forderungen glatt durch, 43 Procent gewannen im Wege der Vergleichung doch eine Besserung, 39 Procent unter lagen. Das Einigungsverfahren, wie es nach dem oben angeführten Gesetz von 1892 vom Friedensrichter sowohl aus eigener Initiativ«, wie auf Anruf einer der streikenden Parteien ein- geleitet werben kann, ist bei den 4210 Streiks nur 33 Mal, bevor es zum Streik kam, und 778 Mal während des Arbeitskampfes in Wirksamkeit getreten, und zwar 425 Mal auf AnsuckM der Arbeiter, nur 33 Mal auf Veranlassung der Unternehmer, 18 Mal auf beiderseitigen Wunsch und 312 Mal auf eigene Faust des Friedensrichters. 54 Streiks fanden ihr Ende, bevor der Einigungsausschuß zusammengetreten. Nur 97 Streitsachen fanben durch Einigung ihre Erledigung, während 245 Einigungs vorschläge von den Unternehmern, 17 von den Arbeitern und 26 von beiden Parteien verworfen wurden. Nach Ablehnung des Einigungs-Verfahrens kann nach dem Gesetz noch das Schieds gericht und der Versöhnungsausschuß (comit^ cko . oonciliatiou( seine Thätigkeit entfalten, und zwar wurden vurch letzteren 183 Streiks, durch ersteres 24 geschlichtet. In 76 Fällen wurde nach Fehlschlagen das Einigungsverfahrcn im Schiedsgericht von den Unternehmern, in 11 Fällen von den Arbeitern, in 50 Fällen beiderseits abgelehnt. Aus der wenig erfolgreichen Thätigkeit der Vermittelungs versuche in Frankreich läßt sich wohl mit Recht auf die mangel hafte Grundlage des Gesetzes schließen. Der Friedensrichter dürfte trotz seines schönen Namens eben keine geeignete Position zur Schlichtung großer wirthschaftlicher Kämpfe einnehmen. Es gehören, wie in England, zu diesem besonderen Zweck zusammen gesetzte Stellen, die mit dem nöthigcn Vertrauen umfassende Sachkenntniß verbinden. Ob neben den officicll veranlaßten Einigungs- und Schieds verfahren noch private Einrichtungen zu gleichem Zwecke thätig waren, ist in dem Berichte nicht bemerkt. Aus den vielfachen Ablehnungen der Einigungsversuche durch den Arbeitgeber darf man wohl auch auf deren grundsätzliche Abneigung gegen die Ein richtungen des Gesetzes von 1892 und gegen die Gewerkschaften schließen. Eine Reform der betreffenden Gesetzgebung steht ja auch bevor. Inzwischen hat das neue Jahrhundert mit einem Riesen streik in Marseille eingesetzt und läßt für 1901 ein bedauerliches Anschwellen der Zahlen über den Durchschnitt der 90er Jayr« hinaus voraussehen. Die Wirren in China. Bestrafung der Schuldigen. „Laffan's Bureau" erfährt aus Peking: Die Ge sandten überreichten ven chinesischen Bevollmächtigten am Sonnabend die Liste der 25 Beamten, deren Be strafung sie fordern. Für mehrere Beamte in der Provinz Tschili werde Todesstrafe, für andere lebens längliche Verbannung, Absetzung oder eine ähn liche Bestrafung beansprucht. Hinzugefügt werde, daß die Gesandten erst dann, wenn diese 25 Personen bestraft worden seien, die Frage der Entschädigungen und der Zurückziehung der Frcmdentruppen erörtern werden. Die Liste ist von den Vertretern von zehn Mächte», unter denen sich auch der Gesandte der Bereinigten Staaten befindet, unterzeichnet; die Unterschrift des russischen Gesandten fehle. * Peking, 7. April. Heute wurde im Winterpalast unter dem Vorsitze Les Grafen Waldersee eine Berathung aller comman- direnden Generale der verbündeten Mächte abgehalten. Artikel 8 und 9 des mit China zu treffenden Abkommens waren Gegenstand der Berathung und wurden einstimmig gutgeheißen, sowie eine praktische Lösung der Frage vereinbart. Den Cabinetten wurde davon Mitlheilung gemacht. (Köln. Ztg.) Tie Mandschnreifrage. „Nowoje Wremja" sagt: Rußland habe keinen Grund nervös und unruhig zu sein. Die Russen seien nach wie vor in der Mandschurei die dorrti possickoutos. Außer dem besitze Rußland drei Sonderverträge mit den Tsjends- jnnS der drei mandschurischen Provinzen. Diese Verträge würden auch in Zukunst in Kraft bleiben, und somit sei auch formell Alles in Ordnug. Ob diese drei Verträge durch einen sie zusammenfassenden Vertrag ersetzt würden, sei unwesentlich. Rußland habe jetzt mit Cbina keine Verhandlungen mehr zu führen. Wenn die chinesische Regierung wünsche, daß ihr in der Mandschurei ehestens ihre frühere Stellung zurückgegeben werde und ein besonderes Abkommen übcr die mandschurischen Angelegen heiten mit Rußland abschließen wolle, so besitze sie den Text dieses Vertrags und könne ibn stets unterschreiben. — Die deutsche „St. Petersburger Zeitung" bemerkt: „Wir haben unsere Meinung schon dabin ausgesprochen, daß es sich nur um eine Verzögerung, nicht um eine Ablehnung des russischen Vertrags handelt; denn in Cbina muß man die Einsicht haben, daß die Lage ohne den Vertrag, der die landesherrliche Autorität des 'chinesis^en Kaisers in der Mandschurei ia bestimmter Zeit hergestellt hätte, für das Reich weniger vortbeilhaft sei, als sie mit dem Vertrage gewesen wäre, denn die Aufrecht erhaltung des Friedens und der Sickerbeit in den occupirten Provinzen der Mandschurei wird Rußland jetzt selbstver ständlich nach eigenem Ermessen und kraft eigenen Ansehens bewerkstelligen. Die Schwierigkeiten, die dem Nachbarreiche durch den Zuspruch der Gesandten anderer Großmächte drohten, sind durch Rußlands uneigennützigen Verzicht jetzt gehoben. Ob dieselben Mächte, die diesen Ausgang der Ver handlungen verschuldet haben, China für den Verlust und den ihm entgangenen Vortheil ein Aequivalent bieten werden, muß bezweifelt werden. * Peking, 9. April. (Telegramm.) Zur Feier der Ge burtstages des Grafen Waldersee wurde in den festlich geschmückten Räumen der deutschen Gesandtschaft ein Frühstück ver anstaltet, an dem außer dem Generalseidmarschall sämmtliche Mit glieder des diplomatischen Corps, die höheren Osficiere des deutschen Contingents und das Personal der Gesandtschaft theilnahmen. * Berlin, 9. April. (Telegramm.) Nach einer telegraphischen Mittheilung vom Commando des ostasiatischen Expeditionskorps ist mit dem Reichspostdanipser „Stuttgart", der am 30. Mai von Shanghai in See ging, rin weiterer Transport Dienst unbrauchbarer von etwa 320 Mann unter der Führung des Oberleutnants Frhrn. v. Welck heimgeschickt worden. Der Dampfer „Stuttgart", der bereits Hongkong am 3. April passirt hat, wird voraussichtlich am 13. Mai in Hamburg eintrrffen. Ein Schreiben des Generals v. Kettler. Generalmajor v. Kettler, der Commandirende in Paotingfu, der in der letzten Zeit wegen seiner Thätigkeit in China in der deutschen Presse vielfach angegriffen worden rst, hat, dem „Hamb. Corresp." zufolge, an den Vorstand des Kameradschafts bundes der 76 er und 162 er in Lübeck einen Brief ge richtet, in dem es unter Anderem heißt: „Leider werde ich, wie ich höre, daheim von der Presse sehr angegriffen. Was ich davon gehört habe, ist aber Alles erlogen. So die Nachricht, daß ich den Briefverkehr beschränkt hätte. Ich habe keinerlei derartigen Befehl gegeben. Ebenso hatte der Correspondent des Deutschen Flottenvereins meine Thätigkeit bei Patschou auf Grund gänzlich erfundener Thatsachen angegriffen und ebenso hatte er bezüglich der Hinrichtung des hiesigen Fant'ai und Genossen falsch be richtet. Der Conflict mit dem französischen General und meine vergebliche Anrufung des Feldmarschalls in dieser Sache ist gänz lich erfunden. Der „Vorwärts" hat sich telegraphiren lassen, daß ich 22 Boxer lediglich auf Angabe eines Knaben hätte aburtheilen lassen. Das ist natürlich auch nicht wahr. Der Eine wirft mir „Humanitätsdusel", der Andere „barbarische Grausamkeit" vor. Ich bin über die Leichtfertigkeit, mit der all' diese Anklagen gestellt wurden, natürlich entrüstet." Ueber die Zustände in China selbst und namentlich in P a o - tingfu, wo Herr v. Kettler sich befindet, heißt es in dem Briefe: „Mit unserer kriegerischen Thätigkeit ist es augenblick lich nicht weit her. Wir sitzen hier fest und sorgen nur für Ruhe und Ordnung, was immerhin viel Mühe macht, da mein Bezirk 10 000 Dörfer und Städte umfaßt und 14 Gerichtshöfe besitzt, die alle unter meiner Controlc stehen. Das Letztere ist sehr nöthig, da die Gerichte theils aus Furcht vor den Uebelthätern, theils weil sie bestochen werden, nicht handeln wollen. Von den Zuständen in dieser Beziehung macht man sich gar keinen Be griff." Der Krieg in Südafrika. Eine Unterredung mit Krüger will ein Vertreter des Pariser „Matin" gehabt haben. Ueber die« selbe wird Folgendes mitgetheilt: „Der alte Kämpe soll frischer und energischer 'denn je aus sehen, und seine Entschlossenheit und sein Vertrauen aus den endgiltigen Sieg der Sache seines Volkes ist, seinen Auslassungen zufolge, unerschüttert geblieben. Er erklärte zunächst nachdrücklich, daß die englischen Be richte aus Südafrika, besonders die, welche Botha als bereit hingestellt hatten, mit Kitchener über die theilweise Aufgabe der Unabhängigkeit oer beiden Republiken zu verhandeln, durch und durch lügenhaft seien. Der Ton ihrer neuesten Erklärungen beweise das übrigens zur Genüge. Wenn die Eng länder die Wahrheit so entstellten, müsse es in Südafrika für die Sache dec Unabhängigkeit gut stehen. Erst wenn sie sich ent schließen «würden, der Wahrheit voll und ganz die Ehre zu geben, würde er sich beunruhigt fühlen. „Ich versichere, 'saß Botha nie eine zweideutige Bemerkung über die Frage der Unabhängig keit entschlüpft ist", rief Präsident Krüger aus. „Schon der ironische Ton seiner letzten Depesche beweist, daß er stets Herr der Auseinandersetzungen geblieben ist, und daß er die Haltung des Mannes bewahrt hat, der zuhört, aber nicht eines solchen, 'der zu stimmt. Die Unabhängigkeit ist der einzige Schatz, an dem wir unverrückt festhalten, dem wir alle anderen Güter geopfert haben, für den unsere Mitbürger ihre Höfe verlassen und ihr Leben in die Schanze geschlagen haben; um die nationale Unabhängigkeit zu wahren, haben sich unsere Frauen und Kinder zu einer zeit weiligen Knechtschaft im englischen Lager verurtbeilen lassen. Und wenn die Engländer nicht mit Blindheit geschlagen wären, wenn sie ihr eigenes Interesse richtig erkennen würden, wenn sie nicht rettungslos dem Jrrthumc der Ungerechtigkeit sich ausgeliefert hätten, würden sie uns zunächst die Unabhängigkeit zu gestehen, die wir verlangen, weil wir, um sie uns mit Sicherheit zu wahren, zu vielenZugeständnissen undOpfern bereit wären, und dadurch würde derFriedeinSiidafrika für alle Zeiten besiegelt sein. Wie erklären- uns von vornherein zu allen Erörterungen über di« Ausdehnung der zu gewährenden Zugeständnisse bereit. Nur eine Sache behalten wir uns vor: das Recht auf unsere Unabhängig keit. Ich gehe noch weiter: wir sind sogar zum Opfer unserer Freiheit bereit, wenn ein S ch i e d s r i ch t e r erklären sollte, daß die eine oder die andere Republik sich etwas hat zu Schulden kommen lassen, was sie derselben unwürdig er scheinen ließe, ein öffentliches Verbrechen, :in Attentat gegen ^as Völkerrecht, «ine Verletzung der göttlichen und menschlichen Ge setze, eine Feigheit oder eine unwürdige That. Wenn etwas der- Dichter un- Schauspieler. Nachdruck vkridten. Die Thätigkeit des Dichters ist in mancher Beziehung der jenigen des Schauspielers entgegengesetzt. Der Dichter erfüllt Vie äußere Welt der Natur, der Geschichte und der Begebenheiten des einzelnen Menschenlebens mit dem Inhalte seiner Gefühls- und Gedankenwelt und legt d«n Thatsachen erklärende Beweg gründe unt«r; kurzum, er verinnerlicht das Aeußere. Umgekehrt bringt der Schauspieler das ihm in Form einer Rolle gegenüber tretende Innere durch Sprache, Geberden und Spiel zum Aus druck, stellt «S als Schauspieler zur Schau und veräußerlicht wiederum jenes Innere. Dieser Gegensätzlichkeit zum Trotze hat es nun aber von AlterS her Persönlichkeiten gegeben, die zu gleicher Zeit Dichter und Schauspieler gewesen sind. — Auch in der Geschichte des modernen Theaters begegnen uns eine Anzahl Schauspieler dichter, deren Biihnenwerke einen wahrhaft dichterischen Inhalt haben, während sie zugleich durch geschickte Technik ihren Ur sprung nicht verleugnen. Unter diesen ragt wohl zweifellos als der bedeutendste Karl Weiser hervor, dessen Schöpfungen, da sie ein« eingehendere Würdigung verdienen, als ihnen bis letzt im Allgemeinen zu Theil geworden ist (vergl. jedoch Rudolf von Gottschall'S Artikel im „Universum", 1896/97, Heft 16), uns unter gleichzeitiaer Berücksichtigung der lyrischen Hervor bringungen des Dichters hier beschäftigen sollen. Karl Weiser'» inneren, ganz versönlichen Menschen lernen Vir am besten durch di« drei von ihm htraulgegebenen Gedicht sammlungen: Licht, Liebe, Leben (Gutsch, Karlsruhe), Erotika von Paul Wasily Newsky (Dietz, Stuttgan 1888) und Tagebuch blätter der Liebe (Weimar 1893) kennen. In ihnen offenbart sich eine tief leidenschaftliche Natur, die zwischen den Extremen des Gefühls heftig hin und her geworfen wird und ihr Inneres mit reicher B«rcdtsamkeit volltönig zum Ausdrucke bringt; ein freier und kühner Geist, der die Ideale der Menschheit hochhält und für eine auf Brüderlichkeit, Duldung und Lieb« gebaute Zu kunft rückhaltlos in die Schranken tritt, und ein deutsches Ge- miith, das innig an Heimath und Vaterland festhält und mitten im Schlachtengetümmel des deutsch-französischen Krieges seine schlichtkräftigen Lieder «ines Land-wchrmannes anstimmt. Dieser im ewig«n Kampfe mit Welt und Menschen und mit sich s e l b st begriffenen Persönlichkeit sind Stunden der düstersten Qual, die bis an den Rand der Selb st Vernichtung geführt haben, nicht erspart geblieben, aber durch den Schwung der Begeisterung und des eingeborenen Strebens nach dem Lichte ist sie immer wieder rmporgeschnellt worden zu himmelhoch jauchzendem Glücke. Von allen Neronen, die mir in dramatischer Form bekannt geworden — ich nenne nur die von Bunge, Cossa, Kruse, Herrig, Wilbrandt — ist Weiser's Drama zweifellos das am groß artigsten aufgebaute und durchgeführte Bühnenwerk. Mit der Benennung: „Am Markstein der Zeit" hat der Dichter von vorne herein kenntlich machen wollen, daß eS sich in seinem Drama um eine weltgeschichtliche Krisis handelt, weich« vom Apostel Paulus mit den Worten bezeichnet wird: „Wir stehn am Grenzstein einer großen Zeit: Die Welt der Sinne und die Welt des GeisteS, Sie streiten um die Herrschaft, und den Sieg Wird Gott, durch JesuS offenbart, entscheiden." Es ist zugleich der Kampf grenzenloser Genußsucht, der sich zum Taumel fessellosen LäsarenwahnsinnS steigert, mit dem er lösenden Heilsgefühl christlicher Nächstenliebe, der in Diesem Drama ausgrkämpft und mit dem Rufe Nero's beschlossen wird: „Gekreuzigt«!, Du hast mich überwunden." Das psychologische Interesse haftet vorzugsweise an der Charakterentwickclung Nero's, der ursprünglich ein Jüngling von edlen Anlagen, durch die Ränke seiner Mutt«r, Agrippinas und eines Mohren Tyggelin, den diese dem Nubierfürsten Heliot ge boren, von Stufe zu Stufe tiefer in den Abgrund seelischer Ver düsterung geführt wird, bis er, durch hohnoollc Menschenver achtung gefeit, auch vor den grausigsten Verbrechen nicht mehr zurückschreckt, selbst nicht vor dem des Muttermordes. Wie dann das Verderben über den halb wahnsinnigen Cäsaren allmählich hereinbricht, das ist vom Dichter mit dämonischer Gewalt und Anschaulichkeit geschildert. Im rasenden Wirbel der Verzweif lung und Selbstzerstörung geht Nero's Leben unter, das sich nicht zur befreienden That der Nächstenliebe aufschwingen konnte. Mit dem Todesstoß, den Nero sich verseht, ist die Selbst auslösung des Heidenthums vollendet, und die individuelle Ent wickelung hält mit der weltgeschichtlichen gleichen Schritt. Ein erschütterndes Zeitgemälde, dieses Nerodrama, reich an grausigen Katastrophen, aber nicht ermangelnd lichter Grgenbilder Dank ven eolen und liebreizenden Frauengestalten einer Oktavia und Aktäa und den gesinnungsvollen Anhängern der Galbapartei — und ein Bühnenwerk von erprobter mächtiger Wirkung. In seinem „Hutten" entrollt Karl Weiser «in färben- und figurenreiches Gemälde _des Reformationszeitalters in seiner ganzen kulturhistorischen Breite. Da fehlt keine der die damalige Welt bewegenden Zeitströmungen, und es ist zu bewundern, mit welchem Geschick der Dichter als erfahrener Pilot sein Schifflein durch alle diese Wirbel und Stromschnellen zu lenken weiß. Er führt uns Hutten als unsteten Vaganten und übermüthigen Studenten mit ewig leerem Geldbeutel vor, ohne die Gefahren I der Lüderlichkeit zu verschweigen, denen der sinnenfrohe Jünz- ! linz anheim gefallen. Wir lernen ihn kennen als unversöhnlichen Gegner der Bettelmönche und Dunkelmänner, die er unbarmherzig verspottet, als Feind der städtischen Pfeffersäckc, die er verachtet. Wir begegnen ihm wieder auf der Stammburg der Hutten und hören seinen polternden Vater, der seine Bauern mißhandelt, ihm fluchen, seine liebevolle Mutter ihn segnen. Ueberall erweist er sich als derselbe ungestüme F«uerkopf, der mit der Leisetreterri der Humanisten nchls zu thun haben will und von heißen Hoff nungen erfüllt ist für die nationale Sache der Reformation. Am Hofe Kaiser Karl's in Brüssel versucht er umsonst, das Ohr des höchsten Herrn als Anwalt für die Wünsch« der Nation zu be stürmen; man läßt ihn nicht zu Worte kommen. Aber umsonst umspinnt ihn auch mit ihren Vcrführungskünsten die klerikale Partei in der Person des Cardinal Cajetan, der ihm eine glän zende geistliche Laufbahn in Aussicht stellt, wenn er widerruft, und der Gräfin Anna de Rosny, di« ihn liebend beherrschen will. Nach dem Fechlschlagen seiner Pläne setzt Hutten alle seine Hoff nungen auf Sickingen, den er auf dem deutschen Kaiserlhron zu sehen wünscht. Aber im vierten Act erfüllt sich daS tragische Schick sal des streitfrohen Helden der Reformation, nachdem auch die von Hutten veranlaßte Hilfe der Baue/afü.hrer ihn vor dem Unter gang nicht erretten konnte. Hutten endet auf Uffenau, nachdem er die ihn aufs Tiefste erschütternde Kunde von Sickingen's Tode erhalten hat, nicht ohne lichten Ausblick auf den endlichen Sieg der Sache der Freiheit. Vor sieben Jahren gelangte im Hoftheater zu Meiningen ein Schauspiel „Rabbi David" mit sensationellem Erfolge zur Aufführung, dessen Autor sich vorläufig in das Dunkel der Ano nymität hüllte. Die Berliner Press« beschäftigte sich eingehend mit dem Stück und veröffentlichte charakteristische Proben, und Philo- und Antisemiten traten mit heftigem Für und Wider auf. Erst nach Jahresfrist entpuppte sich Karl Weiser als Ver fasser 2eS Stückes, welches inzwischsn in der Reclam'schen
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