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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.10.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-10-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19001029022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900102902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900102902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-10
- Tag1900-10-29
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SVS0 auch nicht anzunrhmen, daß Herr Bueck in jenem Jahre die erstere Bezeichnung gewühlt Haden würde. Außerdem gebt daraus, daß dir „Leipz. VolkSztg." erst am Sonnabend ihre Behauptung ausstellte, nachdem sie vorder die Möglichkeit eine» „Schreib fehler?" eingeräumt hatte, klar hervor, daß daS social demokratische Blatt nicht im Besitze eine? der Ori ginalbriefe Bueck'S war und ist, sondern nur im Besitze einer Copie, auf der leicht eine falsche Zahl sich riu- geschlichen haben kann. Jedenfalls aber wird man erwarten dürfen, daß baldigst nicht nur dieselbe Stelle, die in der „Berl. Corr." schon einmal eine „Aufklärung" gegeben, eine genaue Angabe über den Z-itpunct der Anregung zu dem Bueck'schen Briese folgen lägt, sondern auch der Verfasser selbst sich äußert. Völlige Klarstellung der leidigen Angelegenheit ist schon deshalb dringend nötbig, weil diese in Süddeutschland peinlichstes Ausseden erregt, das natürlich noch wachsen müßte, wenn der Bebauptiing, regierungsseitig seien industrielle Kreise zur Aufbringung von Mitteln zur Agiiation für einen zu ihren Gunsten zu schaffenden, noch ungeborcnen Gesetzesentwurf angeregt worden, der Boden nicht völlig entzogen würde. Wie man in national gesinnten süddeutschen Kreisen schon unter der Voraussetzung, jene Agitation habe lediglich in der Verbreitung schon bekannten, aber nur Wenigen zugäng lichen amtlichen Materials bestanden, daS Vorkommniß beurtbeilt, ergiebt sich auS folgender Auslassung deS „Schwäb. Merk.": „Die Negierung hat mit dieser Art von Propaganda eine» sehr abschüssigen Weg betreten, den sie zum zweiten Mal zu gehen sich hoffentlich hüten wird. Als das Arbeitswilligengesetz in Aus sicht gestellt wurde, da hieß es, »S sei dazu bestimmt, den ruhigen Arbeiter gegen den Terrorismus der unruhigen Köpfe, der Agitatoren zu schützen. Die Gegner des Gesetzes dagegen stellten sich auf den Standpunct, daß dieser Entwurf den Einflüsterungen einer bestimmten Jnteressentengruppe, nämlich der Groß industrie, seinen Ursprung verdanke. Diesen Standpunct hat auch, wie man jetzt nachträglich erfährt, das Reichsamt des Innern getheilt; es hat sich das Wort zu eigen gemacht, daS in einem un bedachten Augenblick der frühere Minister v. Bötticher sich ent schlüpfen ließ, als er, die Großindustriellen apostrophirend, rief: „Wir arbeiten ja nur für Siel" ES ging von dem Gedanken aus: Die Arbeit wird für die Großindustriellen geleistet, also soll sie ihre Vertretung, der Lentralverband deutscher Industriellen, auch bezahlen. Ein Gesetzesentwurf soll also nicht allein durch di« Schwerkraft der für ihn beigebrachten Beweisgründe wirken; man muß ihm auch durch Inanspruchnahme der Geldmittel der betreffenden Interessentenkreisen nachhelsen. Aus diesen Wegen käme man zu sonder baren Consequenzen. Wenn eine Waarenhaussteuer durchgeführt werden sollte, so müßte man den Klingelbeutel in Bewegung setzen und von denjenigen Kaufleuten pecuniäre Beihilfe erbitten, die an dem Zustandekommen eines solchen Gesetzes interessirt sind, und so weiter. Wir wollen diese Consequenzen nicht weiter auSmaleu, schon deshalb nicht, weil wir überzeugt sind, daß wir es nur mit einem einzelnen Mißgriffe zu thun haben, der mit dem AuS- druck „rin etwas eigenthümliches Verlangen" sehr milde bezeichnet ist. Deutsche Beamte sind nicht bloß über den Verdacht eines „kleinen Panama" erhaben, sondern auch über den, daß sie geneigt wären, dieses bedauerliche Vorgehen zum System werden zu lassen." Im gleichen Sinne schreiben die „Münchner N. N.": „Sobald die Neichsregierung sich dazu herbeiläßt, von einer Unternehmrrgruppe Geld zu Agitationszweckeu an« zunehmen, kommt sie in eine unbestreitbare Abhängigkeit von dieser Gruppe, die möglicherweise über die Zett der betreffenden politischen Bewegung hinaus andauert und den Grundsatz gleichmäßiger Vertretung der Gejammtinteressen durch den Staat zu gefährden im Stande ist. Ernste Bedenken in dieser Richtung veranlassen uns, nochmals aufs Entschiedenste die Taktik de» Reichsamtes des Innern in diesem bedauerlichen Falle zu verirrt hei len und dem dringenden Wunsche Ausdruck zu geben, daß in Bezug auf die in Frage kommenden Beamten möglichst bald die Consequenzen aus ihrem Vorgehen gezogen werden, schon damit die Bevölkerung die Gewißheit erlange, daß in Zukunft eine politische Propaganda, die von einer Reichsstelle ousgeht, nicht wieder durch die Banknoten von Männern gefördert wird, von denen wir eine ruhige und leiden schaftslose Betrachtung socialer Zustände nicht erwarten können." Je rückhaltloser man daS Verhalten de? Reichs amtS des Innern oder wenigstens eines seiner Beamten in der 12 000 - - Angelegenheit verurtheilt, um so mehr ist mau verpflichtet, auch auf den schamlosen CyniSmus hinzuweisen, mit dem wenigstens ein Theil der socialdemokrattschen Presse diese Angelegenheit zu dem Versuche ausbeutet, Verrath und Treubruch, durch die schon so mancher Geheimerlaß seinen Weg in diese Presse gefunden hat, immer allgemeiner zu machen. Wie gewöhnlich geht die „Sächs. behäbigen, mit dem LuxuS der Zeit ausgestattete» Rathhäuschen gemacht hatten. Vor dem großen Saale standen einige Bauern mit gekreuzten Piken, und wo sonst die Rappoltstein'schen Söldner in Ehrfurcht und schweigendem Gehorsam vor ihrem Gebieter salutirt hatten, standen jetzt fremde Leute, die ihnen den Eingang wehrten. Manchem Ritter zuckte di« Hand nach dem Schwert, um die unverschämten Eindringlinge zu Boden zu schlagen. Wozu auf eigenem Grund und Boden so viel Feder lesens mit Zusammengelaufenem, räuberischem Gesindel machen? Aber nochmals gelang es Ulrich, das Aeußerste zu vermeiden. Ruhig, mit der unnachahmlichen Würde des Herrn und Gebieters, trat er hinzu, bog, ohne ein Wort zu sagen, die Piken ausein ander, worauf die Bauern verblüfft, und ohne zu wissen, was darauf zu thun sei, zurllcktraten, den Eingang freilassend. Auch in dem Rathssaale sah es schrecklich aus. Don den schön gemalten Fensterscheiben, auf denen die Künstlerhand schlecht und recht die Erschaffung der Welt dargestcllt hatte, waren die meisten Scheiben zerschlagen. Nur die Schlange, die vom Apfelbaum herunter mit Adam sprach, war noch ganz. Ueberall lagen Waf fen auf dem Boden, in den Ecken, auf Stühlen und Schränken, die sonst säuberlich geputzt und in gehöriger Symmetrie aufge stellt waren, jetzt aber kraus und kunterbunt durcheinander geworfen waren, befanden sich Degen, Piken, Messer, Leder koller, Arm- und Beinschienen, Brustharnische, die die fremden Eroberer abgelegt hatten, um sich's bequem zu machen nach so harter Arbeit. Die Rathsgefäße, Becher, Kannen und Hum pen, zum Theil aus echtem Markirchcr Silber getrieben, soweit sic überhaupt noch vorhanden, waren von den Simsen herunter geholt und standen nun auf dem großen Bernthungstische, an dem die Bauernhouptleute in ungehobelter Rohheit praßten und schmausten. Einige von ihnen schliefen sogar, vielleicht weil sie des Guten schon zu viel gethan oder nach langem Wachen müde waren, nur etwa ein Dutzend saßen noch an dem Tisch wach, einige davon sogar sehr lebhaft und aufgeregt. Als Ulrich mit seiner Begleitung den Saal betrat — sie mochte für die Bauernhauptleute etwas bedrohlich erscheinen — fuhr die breite, vierschrötige Gestalt Adolf Wagner's vom Stuhle auf und der wilde Kopf mit den dunklen langen Haaren, die unordentlich um den Nacken herumhingen, mit den kühnen, trotzigen und gehässigen Augen bog sich weit vor. Ein Hüne von einem Menschen, stiernackig, massig in allen Gliedern, schwer fällig und furchtbar zugleich — jeder Zoll ein Rebell. „Kommt Ihr als Freunde oder Feinde?" schrie er mit dröhnender Stimme und griff nach seinem Degen. „Ich habe zur Verhandlung blasen lassen", erwiderte Ulrich ruhsg, „und bin deshalb und nur deshalb hier. Ein Ritter hält Arbeite rztg." den übrigen socialdeuwkratischeu Blättern voran, indem sie im Anschluß an die Angelegenheit schreibt: „DaS wichtigste Ergebnis dieses und ähnlicher früherer Vor gänge beweist: keine Regierung, keine Partei ist sicher vor Ber- rath. Kein Grheimerlaß, kein Geheimbries ist sicher vor dem Wege in ein« socialdeinokratische Revactio». Sicher aber sind Jene, die, in abhängiger Stellung, sich sociakdemokratischen Redaktionen an vertrauen (dieser Satz ist, um größere Aufmerksamkeit zu erregen, gesperrt gedruckt. Red ), um mit ihrer Hilf« die Schleichwege der Gewinn- und Herrschsucht auszudeckeu. Bon allen diesen ist noch Keiner verrathen worden (abermals gesperrt gedruckt. Red.) Lieber sind socialdemokratisch« Redacteure in» Gesängniß gegangen. Kein Wunder, daß dir Kreise, denen Alle» feil scheint, vor dieser Macht der Unbestechlichen zittern." Aus diesen Sätzen geht unzweifelhaft hervor, daß selbst die socialdemokratiicke Presse in der Mittheilung vertraulicher Aktenstücke und Briefe einen Verrath erblickt, denn daS Blatt schreibt ja, „keine Regierung ist sicher vor Verrath". Daß jeder Verrath eine Ehrlosigkeit ist, werden vielleicht nicht die Herren von der „Sächs. Arbeilerztg.", aber doch diejenigen „Genossen" zugeben, die sich noch da» Ehrgefühl bewahrt haben. Das sächsische Blatt fordert also direkt zu ehrlosen Handlungen auf. Damit proclamirt eS den jesuitischen Grundsatz: „Der Zweck heiligt die Mittel". Wenn nur der Zweck erreicht wird, Material gegen die bürgerliche Gesellschaft bezw. die Regierung zu finden, so kommt e» auf die Wahl der Mittel gar nicht an. Unter solchen Umständen ist eS allerdings natürlich, daß die Socialdemo kratie bez. der Forderung der Aufhebung des IesuitengrsetzeS Schulter an Schulter mit dem Centruin kämpft. Der un erhörteste IesuitiSmuS in dem Artikel de» sächsischen Arbeiter- blatteS aber ist der Schlußsatz: „Kein Wunder, daß die Kreise, denen Alles feil scheint, vor dieser Macht der Unbestechlichen zittern." Zn demselben Augenblick«,, in dem man Beamte offen auffordert, ihre Ehre zu verschachern, die bürgerliche Gesellschaft als die Kreise, denen Alle» feil scheint, zu bezeichnen, ist eine so grandiose Unverschämtheit, daß man hinter dem Verfasser des Artikels einen „Ueber- menschen" erblicken muß. Zur Lage i» Italien wird der „Köln. Ztg." aus Rom berichtet: König Viktor Emanuel beabsichtigt am 2. November zum Allerseelentage nach Rom zu kommen und daS Grab seine» Vaterö zu besuchen, dann aber wieder nach Neapel zurückzukehren, wo er bis zur ParlamentSeröffnung bleiben wird, die in der zweiten Hälfte de» November stattfiudet. Die Regierung beabsichtigt, von der Kammer vorab die Berathung des Budget» zu verlangen, damit eine Verlängerung des Provisoriums verhütet werde. Die Abänderungen am Voranschlag für 1900—1901 sind dem Kammerpräsidenten zugegangcn, und der Präsident Villa bat an den Vorsitzenden des Budgetausschusses das dringende Ersuchen gerichtet, dafür Sorge zu tragen, daß die Berichte über Ressortbudgets nach Möglichkeit zur Wiedereröffnung der Kammer bereit seien. Dem Wunsche der Regierung, sofort in die Budgetberathung eiozutreten und sie vor den WeihnachtS- ferien zu beenden, entsprechen auch die Neigungen der meisten parlamentarischen Führer. Zn Deputirtenkreisen wird versichert, baß Niemand vorhabe, jetzt den Frieden des CabinetS zu stören, und daß keine parlamentarische Schlacht im laufenden Kalender jahr mehr zu erwarten sei. Auf der linken Seite de» HauseS will man alle Kräfte für die Berathung derSteuererleichteruugen des Finanzministers aufsparen und bei diesem Anlaß mit Nachdruck für wirksame Reformen auf breiterer Grundlage eintreten. Da von Sonnino und seinen Freunden im Centrum und auf der Rechten mit gutem Grund angenommen werden darf, daß sie sowohl dieser Neformströmung entgegentreten als auch da» gegenwärtige Cabinet nach Möglichkeit unterstützen werden, so ist von dieser Erörterung eine Klärung der gesammten politischen Lage zu erwarten, die mit Beginn deö Früh- jabrS entweder zu einer parlamentarischen Befestigung deS Ministeriums Saracco oder zu einem Ministerwechsel führen wird. ——_ Von der Reise nach Thessalien zurückgekehrt, hat Kron prinz Konstantin von Griechenland seinen ersten Armeebefehl am ersten Oktober a. St., an dem Tage, an dem die neuen Recruten eingestellt werden, erlassen. Zn militärischer Kürze und Klarheit legt der Kronprinz darin die Auffassung dar, die er von seinem neuen Amte har, und zählt dann das auf, was er von Officieren und Soldaten ver langt. Er sei sich der Schwierigkeiten, die zu überwinden seien, wohl bewußt, hoffe sie aber durch treue Pflicht erfüllung und Hingabe zu besiegen. Diese, sowie Eifer und unermüdliche Thäligkeit verlange und erwarte er aber auch von den Officieren, denen er nicht erst zu sagen brauche, wie sie sich in und außer dem Dienste zu betragen hätten. Den Officieren empfehle er vor allein Einmüthigkeit, d. h. daS Bestreben aller, als einzige Richtschnur die DiSciplin zu betrachten. Tie Bataillons- und Regimentskommandeure seien für die DiSciplin ihrer Untergebenen verantwortlich, die sie durch gutes Beispiel und strenge, aber gerechte Maß regeln aufrecht erhallen müßten. Neben der DiSciplin müsse sekn Wort. Wollt's Gott, Ihr hieltrt's uns so gut, wie wir Euch." „Braucht Ihr so viel Leute, um zu verhandeln?" fuhr der Bauernhauptmann wieder auf, „dann braucht Ihr Euch wohl auch nicht zu verwundern, wenn ich in etwas zahlreicher Be gleitung in Eure Stadt komme, Herr Ritter von Rappoltstein, um den armen Bauern ihr Recht zu holen." „Ihr kommt nicht nur in etwas zahlreicher Begleitung, son dern auch in etwas ungestümer Art, Adolf Wagner", erwiderte Ulrich fest. „Zu keiner Zeit noch ist es in deutschen Landen Fug und Brauch gewesen, sein Recht zu suchen auf dem Wege dec Gewaltthätigkeit und der Plünderung armer schuldloser Bürger." „Meine Leute sollen wohl draußen vor Euren Thoren ver hungern, Herr Ritter? Oder sollen warten, bis- Ihr uns in christlicher Nächstenliebe etwas hinaus bringt?" erwiderte Wagner heftig. „Wir haben Euch nicht gerufen." „Darauf hätten wir auch lange warten können, und dem Bauer wäre wohl nie sein Recht geworden, wenn er darauf ge wartet hätte. Nein, Herr Ritter, so sind wir nicht, wie Ihr Euch denkt. Wir sind hier, um Euch zu fragen, ob Ihr sammt Eurer Stadt Euch in den Bundschuh einschwören und die zwölf Artikel annehmen wollt oder nicht. Wollt Ihr schwören, so seid Ihr unser willkommener Freund. Ihr stellt eine Anzahl Leute zu unserem Haufen und gebt uns etwas Geschütz, was wir dringend brauchen. Alles Uebrige wird sich finden. Wollt Ihr nicht schwören, so seid Ihr und Eure Stadt in unserer Gewalt, und wir brauchen unsere Gewalt, wie es uns paßt, nicht Euch." Diese Worte wurden mit einer solchen Energie und Wildheit gesprochen, daß Ulrich unwillkürlich den Sprecher schärfer und prüfend ansah. Es lag eine sehr böse Drohung in den Worten Wagner's, seine Gewalt zu brauchen, wie es ihm, diesem ent fesselten Wütherich, der in seinem Zorn und Haß keine Mensch lichkeit mehr kannte, paßte. Ulrich hatte daran gedacht, Lösegeld für die Stadt zu bieten, wenn Wagner morgen früh abziehen würde. Er wollte gern rin Opfer von tausend oder zweitausend Gulden bringen, wenn er damit die Stadt freikaufen und damit vielleicht einen zehnfachen Schaden verhüten könnte. Er war dazu auch jetzt noch bereit, wenn er nur die zwölf Artikel nicht zu beschwören brauchte. Das wollte er nicht und konnte er nicht, weil es sowohl gegen die Tradition seines Hauses, wi: gegen seine persönliche Ehre ging. Er wollte den Rebellen überhaupt nichts beschwören, nicht wegen des Gegenstandes des Schwures, sondern weil es eben Rebellen waren, denen er schwören sollte. Er hätte sie damit als im Recht befindlich an der Officier auch Selbstverleugnung haben. Ueber dem allen dürfe er aber nicht vergessen, daß er auch wissenschaft liche Kenntnisse nöthig habe, um seinen Beruf ganz zu erfüllen, Kenntnisse, die lediglich durch guten Willen, Eifer und gesunden Menschenverstand nicht ersetzt werden könnten. In dem kurzen Armeebefehl ist Alle» gesagt, was dem griechi schen Heere noth thut; infolgedessen wird er sehr beifällig aus genommen, in dem oppositionellen Tbeile der Presse mit bedeut samem Schweigen. E« kann nicht ausbleiben, daß bei Befolgung der guten Lehren, die er ertbeilt, die ManneSzuckit im Heere ge fördert und der nvtbige CorpSgeist in den Officieren ge weckt wird. Inzwischen sind auch die Hauptckargen zweck mäßig vertbeilt, zu Divisionären sind die Generalmajore v. SmolenSki und WassoS, sowie der Oberst DemopuloS von Neuem ernannt, und der Stab des Generalissimus und ver Armeeverwaltnng ist au» höbern und nieder» Officieren aller Waffengattungen gebildet. Die getroffene Wahl wird als gut bezeichnet, zumal da nur auf Tüchtigkeit und militärische Ausbildung gesehen worden ist. Der Armeeverwaltnng hat man al- Sitz den friihern kronprinzlichen Palast angewiesen. Deutsches Reich. Q Berlin, 28. October. (Reichstags-Stichwahlen.) Die Reichstags-Stichwahl im Reichstagswahlkreise Wanz leben hat bekanntlich mit dem Siege des nationaliiberalen Candidaten geendet. Der Guts- und Fabrikbesitzer Schmidt bat 8692 Stimmen erhalten, während «S der socialdemokratische Candidat nur auf 6484 Stimmen bringen konnte. DaS Be- merkenSwertheste an diesem Wahlergedniß ist der Rückgang der socialdemokratischen Stimmen, der im Vergleich zu der Stichwahl im Jahre 1898 rund 500 beträgt. Zweifellos ist der Sieg deS nationalliberalen Candidaten zu einem Theile der Unterstützung der anderen bürgerlichen Parteien in dem Wahlkreise zu verdanken. Wir erkennen daS vollkommen an. DaS bindert uns aber nicht, da» Vorgehen der conservativen Partei, welche durch die Aufstellung einer Sondercandidatur erst die Notbwendigkeit einer Stichwahl herbeifübrte, nochmals als einen schweren politischen Fehler zu erklären, der durch die Stellungnahme der Conservativen in der Stichwahl nur theilweise wieder gut gemacht werden konnte. Der auf conservativcr Seite begangene Fehler dürfte den Veranlassern jetzt angesichts des für die Conservativen eine Niederlage bedeutenden AuSgangcS der Stichwahl in Brandenburg-Westhavelland recht deutlich zum Bewußtsein gekommen sein. Im Gegensätze zu dem Wahl kreise Wanzleben hat in Brandenburg - Westhavelland die socialdemokratische Partei einen Stimmenzuwachs zu verzeichnen, der keineswegs durch daS Anwachsen der Arbeiterbevölkerunz zu erklären ist; denn ein solches Anwachsen hat in noch erheblicherem Maße in dem Wahlkreise Wanzleben stattgefunden. Dieser Unterschied in dem Erfolge der Bekämpfung der Socialdemokratie dürfte die Conservativen darüber belehren, daß sie alle Ursache haben, parteipolitische Sonderbestrebungeu, die durch die thatsächlichen Verhältnisse nickt gerechtfertigt werden, hintanzustellen, um ein Zusammengehen der bürgerlichen Parteien nicht zu ge fährden. Die Socialdemokratie hat einen Iubelhymnus über ihren Sieg in Brandenburg-Westhavelland angestimmt. Der AuSgang der Wahl in Wanzleben und die näheren Um stände derselben könnten sie veranlassen, diesen Jubel etwas zu dämpfe». U Berlin, 28. October. AusdcrStatistikdrrAr- beits löhne und Arbeitsleistungen im preußi schen Bergbau 1899 sind folgende Zahlen hervorzuheben: Die Zahl sämmtlicher im Bergbau beschäftigten Arbeiter stieg in dem Berichtsjahre auf 409 000, gegen das Vorjahr um 22 000 oder mehr als 6 Procent. Die Löhne dieser Arbeiter mit Aus schluß der Beamten, Aufseher, Oberhauer und Fahrhauer be trugen rund 438 Millionen Mark; sie find in dem Jahrfünft seit 1895 um nicht weniger als 157 Millionen Mark oder nahezu 60 Procent gestiegen- Auch der Durchschnittslohn der einzelnen Arbeiter weist in diesem Jahrfünft die sehr beträchtliche Zu nahme von 848 auf 1070 <^, also mehr als 22 Procent auf. In dem laufenden Jahre hat bekanntlich eine weitere Steigerung der Löhne stattgefunden. Erhellt aus diesen Zahlen, in welchem Maße die günstige Wendung in den Verhältnissen des deutschen Bergbaues die Arbeitsgelegenheit und den Arbeitsverdienst für die Arbeiter verbessert hat, so ist es charakteristisch, daß in allen großen Revieren das Jahr 1899 «inen Rückgang der durchschnittlichen Arbeitsleistung der Berg- arbeite« zeigt. So ist die durchschnittliche Arbeitsleistung in Ober-Schlesien von 382 auf 379, in Nieder-Schlesien von 224 auf 219, im -Saargebiet von 245 auf 237 Tonnen gesunken. Während die Erscheinung in diesen Revieren erst im vorigen Jahre herdortritt, zeigt« sich im Dortmunder Revier bereits vom Jahve 1896 an ein Sinken der Durchschnittsleistung. Diese ging von 286 im Jahre 1896 auf 283 im folgenden Jahre und demnächst 1899 auf 274 Tonnen zurück. In dem Dortmunder Revier hatte di« Steigerung der Arbeitslöhne früher und in stärkerem Maße begann««, als in den drei anderen großen Berg- districten. Di« Daten lassen 'daher erkennen, daß di« überall wahrnehmbare Verminderung der durchschnittlichen Arbeits erkannt, hätte ihr Lorgehen und ihre Thalen gebilligt und daran Theil gehabt. Das ging nicht, das war für ihn unmöglich. „Laßt uns in Ruhe reden, Wagner", begann Ulrich nach einer kleinen Pause, „und wir werden uns einigen. Zunächst wollen wir aber an die unglückliche Stadt denken, in der jetzt Stunde um Stunde, ja in diesem Augenblick, während wir reden, Verbrechen auf Verbrechen geschehen. Wir sind doch alle Menschen, und diese Vorgänge stiften auch so wenig Nutzen und Ehre, liegen ebenso wenig in Eurem Interesse, wie in unserem. Wollt Ihr Euch mit uns vertragen, so stellt zunächst die Feind seligkeiten ein, und dann laßt uns in Frieden abhandeln, was in unserem Nutzen liegt." „Und Ihr wollt Euch einschwören, wenn wir Frieden stif ten?" fragte Wagner mißtrauisch. „Wir werden uns einigen, wenn Ihr als Freunde an uns handelt. Wie wollt Ihr, daß wir Eure Freunde werden sollen, wenn Ihr uns das Messer an die Kehle seht? So könntet Ihr uns höchstens ein Freundschaftsbündniß abpressen, das keinerlei Werth mehr hat, sobald Ihr das Messer wieder fortnehmt. Laßt uns gleich zu gleich handeln, auf daß unsere Verhandlung ge deihe." Adolf Wagner sprach leise mit seinen Leuten und erklärte dann, daß er thun wolle, was in seinen Kräften stehe, um die Plünderung der Stadt einzustellen. Es verließen auch einige der Unterhauptleute den Saal, und wenn man auch keine Sicher heit darüber hatte, daß sie ihren Auftrag voll und ganz zu er füllen im Stande waren, so durfte man doch immerhin an nehmen, daß der Rest der Nacht für die unglückliche Stadt ruhiger verlaufen würde, als deren Anfang und als es von vorn herein den Anschein hatte. Indessen gingen die Verhandlungen der Ritter und Raths herren mit den Bauernhauptleuten auf der Rathsstube weiter und dehnten sich sehr in die Länge, da beide Theile hartnäckig auf den vorher gefaßten Beschlüssen stehen blieben. Ja, an manchen Puncten der Verhandlung erschien es sogar, als sei eine Eini gung nicht möglich, die Leute erhitzten sich, man kam zu scharfen Worten, und wäre wohl auch zu scharfen Streichen gelangt, wenn Ulrich von Rappoltstein nicht ruhig und besonnen immer wieder zwischen die Hadernden getreten und das schwierige Einigungswerk gefördert hätte. Es war schon gegen Morgen, als die Verhandlungen endlich doch noch zum Frieden der Stadt führten. Die Nathsherren mußten sich an Stelle der Stadt in den Bundschuh «inschwören, sechzig Mann zum Haufen stellen, vi«r Feld- schlangen und zwölf Hakenbüchsen übergeben. An Stelle der bekannten zwölf Artikel wurden aber leistung zeitig parallel läuft mit -der starken Vermehrung der Arbeitslöhne. Man wird daraus ohne die Gefahr «in«S Fehl schlusses auch auf «inen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Höhe der Löhne und dem Rückgänge der Arbeitsleistung schließen dürfen, und man wird weiter erkennen, daß in diesem Rückgang« der Arbeitsleistung auch «ine der Ursachen des gegenwärtigen Mißverhältnisses zwischen K o h l« n p r o d u c t i o n und Jnlandsver brauch zu suchen ist. — Der Reichskanzler Graf v. Bülow erhielt vom Sultan ein herzliches Glückwunschtelegramm zu seiner Er nennung. Der Reichskanzler dankte ebenfalls auf telegra phischem Wege. — DaS Befinden deS General-Feldmarschalls Grase» Blumenthal, über daS unlängst bedenkliche Nachrichten in die Oeffentlichkei» gedrungen Warrn, hat sich im Laufe der letzten Woche merklich gebessert. Die zeitweise ausgetretene Alhemnoth ist fast vollständig geschwunden. — Die „Krzztg." schreibt: Der bisherige serbische Gesandte Boghitschewitsch bat sich verabschiedet, ohne eine Ab- schiedSaudienz beim Kaiser gehabt zu haben; er bält sich jedoch bis auf Weiteres in Berlin auf und hat sich eine Wohnung Flensburgerstraße 14 Hemiethet. Sein Nachfolger Peter Ste'itsch wird Anfang nächster Woche erwartet; er wird mit seinem Beglaubigungsschreiben zugleich da» Ab berufungsschreiben deS Herrn Boghitschewitsch überreichen. — Aus Anlaß der 30. Wiederkehr des Tages der Uebergabe von Metz haben sich gestern Abend zahlreiche der „Vereinigung Prinz Friedrich Carl" angehörende Generale, Officirre und in Civilstellen sich befindende Herren in den Festräumen des Hotel Kaijerhof zu einem Gedenkmahl vereinigt, um das Andenken au Len Generalfeldmarschall Prinzen Friedrich Carl von Preußen zu ehren. Prinz Friedrich Leopold war auch erschienen. Ebenso betheiligte sich eine Deputation von Officieren des Husaren-Regi- ments von Zleten, dessen Ches Prinz Friedrich Carl war. — Der preußische Minister der öffentlichen Arbeiten hat den Eisenbahndirectionen mitgetheilt, daß zur ordnungs mäßigen Durchführung der für den 1. December d. I. bevor stehenden Volkszählung eine möglichst rege Betheiligung von Beamten als freiwillige Zähler erwünscht erscheint, und bat die Eisenbabnbehörden und -Dienststellen angewiesen, auf eine solche Betheiligung hinzuwirken, sowie den zur Ueber- nahme eines Zähleramtes sich erbietenden Beamten, soweit irgend angängig, die erforderliche Diensterleichterung zu gewähren. — Der Gesandte deS Oranje-FreistaatS vr. Hendrick Müller ist in Begleitung der Herren Joubert, v. der Westhingen und de Smeer au» Südafrika hier angekommen. — Der Adjutant des früheren Reichskanzlers, Graf Klemens v. Schoenborn-Wiesentheid, Major im Garde-Kürassier- regiment, hat, wie ein Berichterstatter hört, seine Entlassung ans dem activen Militärdienste nachgesucht. Graf Schoenborn, der seit länger als fünf Jahren dem Reuhskanzleramt zugrtheilt war, werde sich auf seine in Bauern gelegenen Besitzungen zurückziehen. — Commerzirnrath Theodor Möller in Brackwede bei Biele feld hat den Charakter als Geheimer Commerzirnrath erhalten. Es ist dies der bekannte Parlamentarier, der als Mitglied der nationalliberalen Partei 1890 bis 1895 dem Reichstage angehörte und seit 1898 wiederum Mitglied des Reichstages, seit 1893 auch Mitglied des Abgeordnetenhauses ist. — Hier angekommcn sind der Handelsminister Brefeld von Danzig, der Gouverneur von Esthland, Geheimer Rath v. ScaIon aus Montreux. (Z Dessau, 28. October. Die An haitische Holz- indnstrie-Actiengesellschaft ist von einem Ausstande ihrer Arbeiter betroffen worden. Von der Betriebsleitung war eine Anzahl Tischler entlassen worden, waS die Arbeiter schaft als Maßregelung auffaßte. -8- Halle a, S., 28. October. Bezüglich unseres Denkmals sür Kaiser Wilhelm I. verlautet immer nock nichts darüber, ob der Kaiser dem Breuer'schen Entwürfe zu gestimmt oder der Ansicht der Bürgerschaft Recht gegeben bat. Die Verzögerung der kaiserlichen Entschließung spricht ja dafür, daß der Monarch mit dem Breuer'schen Entwürfe, der dieMißbilligung deS großenTheils unserer Bürgerschaft her vorrief, nicht so recht einverstanden ist. Die Bürgerschaft wünscht den alten Kaiser so zu sehen, wie sie es gewöhnt war, mit dem Helm als Kopfbedeckung und der Uniform, nicht aber im Hermelinmantel mit dem Kranz aus dem entblößten Haupte. Der engere Ausschuß deS DenkmalscomitöS befindet sich in nicht geringer Verlegenheit, an der er aber nicht ganz un schuldig ist. ES mußte eben mehr Rücksicht auf die Bürger schaft genommen werden, die doch auch ihren Theil zu den nickt unbedeutenden Kosten beigetragen hat. Bis auf die Standbilder ist das Denkmal fertig, daS in seiner jetzigen Gestalt den Eindruck eines Mausoleums macht, zu dem der dahinter belegene StadtgotteSacker trefflich paßt. ch Weimar, 28. October. Dem weim arischen Land tage werden, soweit die Candidaten bereits aufgestellt sind und daS Ergebniß der Wahlmännerwahlen das Resultat er kennen läßt, u. A. folgende Abgeordnete angehören: Bezirksdirector vr. Eucken-Addenhausen in Eisenach (cons.) für den Wahlkreis Creuzburg-Mihla; Fabrikant Carl Netz-Jena (natl.) für Jena-Stadt; Stadt rath Meyer-Weimar (sreis.) für Weimar-Stadt; sieben andere, auf die Rappoltsweiler Verhältnisse genauer angepasste Artikel verfasst und als Grundlage des abgeschlos senen Friedens angenommen. Dagegen verpflichteten sich die Bauern, am nächsten Tage um ein Uhr die Stadt Rappoltsweiler und ihr Gebiet zu verlassen. So sehr dick war also die abgeschlossene Freundschaft nicht, denn man glaubte Viel erreicht zu haben, wenn man die neuen Bundesgenossen nur erst wieder los war. V. Emer der Ersten, die in Rappoltsweiler zu plündern be gannen, war Wolf Hassflug. Er kannte das schon von früher her und wußte, dass man bei solchen Anlässen im Vortrab, wenn noch Ueberraschung und Schreck wirkt, sein muh, um eine gute Ernte zu halten. Wenn nachher schon Alles ausgeraubt und weg geschleppt oder versteckt war und es sich also nur noch um ein« Nachlese handelte, um ein mühsames und unsicheres Suchen, so war das sür Neulinge, für Stümper, zu denen Wolf Nicht ge hörte. Er hatte sich schon seit Woch«n in Rappoltsweiler um gesehen und Gelegenheiten zum Stehlen in aller Ruhe ausge kundschaftet, und deshalb hatte er nun, wo die Gelegenheit ge kommen war, mit einigen Griffen und in wenigen Minuten mehr und Besseres zusammengerasft, als Andere in der ganzen Nacht. Keine halbe Stunde, nachdem Junker von Hohnack in aller Eile die Stadt verlassen, sprengt« auch der Landsknecht durch das Jungfernthor in di« Nacht hinaus, schwer bepackt, die alten, langen „Diebssäck" seiner zotteligen Landsknechthosen gebauscht von schönen Goldgulden und theurem Geschmeide, daS er aus den Truhen des Augustiner Klosters und von dem Bilde der heiligen Madonna kn der Sacristei des Klosters gestohlen. Verwegener als je strich er sich den stacheligen Schnauzbart, in dem noch dec Klosterwein hing, rechts und links nach den Ohren- Nun war er wieder reich, nun konnte das lustige Leben, wie nach <der Schlacht von Pavia, wieder losgehen. Er hatte tüchtig zugegriffen. Die Last des Goldes drückte ihn und machte ihn besorgt. Wer konnte wissen, was in der Nacht vor dem alten Felsennest Hohnack, wohin er sich zunächst begab, Paffirte? So lugte er also, während er in scharfem Trabe durch den Wald unterhalb der Giersburg dahinritt, eifrig nach einem sicheren Versteck aus. Er war zu diesem Zwecke von seiner eigent lichen Route etwa» crbgewichen, um eb«n einen sicheren, nicht von zufälligen Wanderern leicht auffindbare» Ort zu finde», wo er seine Schätze bis zu gelegener Zeit vergraben oder verbergen könne. (Fortsetzung foV)
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