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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.09.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-09-25
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010925029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901092502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901092502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-09
- Tag1901-09-25
- Monat1901-09
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Ämtsklatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Nalljes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeige«-Preis die 6 gespaltene Petitzeile LS Ls. Reclamea unter dem RedactionSstrtch (4 gespalten) 7b vor den Familiennach» richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ztffernsatz entsprecherck höher. — Gebühren für Nachweisungen uud Offertenaallahme 28 (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung SO—, mit Postbeförderung ^ll 70.—, Äunahmeschluß für Ätyeige»: Abend-Lu-gabe: vormittag- 10 Uhr. Morgeu-Au-gab«: Nachmittag- - Uhr. Bei den Filialen und Annahmestelle« je ein« halbe Stunde früher. Anzeige» Pud stet- an di« Expedition zu richte«. Di« Expedition ist Wochentag- llllllllterbroche» geöffnet von früh 8 bi- Abend- 7 Uhr. Druck uud Verlag voa E. Pol» w Leipzig. Nr. M. Mittwoch den 25. September 1901. 95. Jahrgang, Der Krieg in Südafrika. Die ueue Kriegslage. Die durch die letzten Operationen der Boeren auf dem Kriegs schauplätze in Südafrika geschaffene neue Lage beginnt sich all mählich an der Hand der sehr spärlich einlaufenden glaub würdigen Nachrichten zu klären, und es wird immer mehr ersicht lich, daß es keinesfalls übertrieben ist, wenn Dieselbe als für die Engländer äußerst ungünstig und bedrohlich hingestellt wird. Generalcommandant Louis Botha hat im Verein mit seinen Untergeneralen De Wrt, Kruitziriger Lukas Meyer, sowie mit dem Präsidenten Steijn, der sich jetzt im Botha'schen Hauptquartier befindet, einen großen, sorgfältig angelegten und vorbereiteten neuen Kriegsplan ausgearbeitet, welcher dahin geht, «ine gleich zeitige große Invasion in die Capcolonie und Na tal in Scene zu setzen, nach der Durchführung der letzteren und nach den ersten größeren Erfolgen der Boeren ganz officiell die Annexion der occupirten District«, wenn nicht, der ganzen britischen Colonien zu proclamiren, und unter dem Schutze dieser, den Engländern nachgeahmten und ebenso wie die Annexion des Transvaals und des Freistaates berechtigten Maßregel, dem allgemeinen Aufstande der Capholländer und der Natalboeren eine solide und gesunde Grundlage zu geben. Dieser Plan hat durchaus nichts Phantastisches an sich, so schwierig und weit ausgreifend er auch erscheinen mag, und wenn die Boeren sich das Ziel gesetzt haben, den ganzen Krieg nach britischem Territorium zu verlegen, und, wenigstens bildlich geredet, die Engländer doch noch ins Meer zu jagen, so hat diese großartige I'dee augenblicklich bessere Chancen, als dies seit An beginn des Feldzuges der Fall gewesen ist. Sogar einzelne Stimmen in der Londoner Jingopresse geben neuerdings an der Hand der betreffenden Meldungen der Specialberichterstatter un» umwunden zu, daß es um die britische Sache südlich vom Oranje- Flusse zur Zeit sehr ernst und gefährlich bestellt ist, und daß die Thatsache nicht länger geleugnet 'werden kann, daß die Streif corps der Boeren sichderwestlichen und südlichen Meeresküste ebenso wie >der östlichen mit unheimlicher Schnelligkeit nähern. Die äußersten Vorposten der eingedrungenen Burghers befinden sich heute in gerader Luftlinie nur noch ungefähr 40 englis ch« Meilen von Capstadt, und andererseits ist es Thatsache, daß die Mossel-Bay seit mehr als 14 Tagen unter den Schutz der Kanonen britischer Kriegs schiffe gestellt worden ist, ein Beweis, daß man an jenem Theile der Küste schon längst mit dem Eintreffen der feindlichen Reiter- schaaren rechnet. Alle diese unangenehmen Facta werden vom britischen Hauptquartier und vom Londoner Kriegsamte so ge heim als nur eben möglich gehalten, ebenso wie die annähernd bekannten Ziffern der colonialen Rebellen, welche in den letzten Wochen zu den Waffen gegriffen und sich den eingedrungenen Boerencorps angeschlossen haben. Die Anzahl dieser rebellischen Capholländer wird in den letzten brieflichen Nachrichten von Cap stadt als bedeutend größer hingestcllt, als bisher auf britischer Seite officiell zugegeben worden ist, und man macht sich am Cap der guten Hoffnung heute keine Illusionen mehr darüber, daß es nur eines entsprechenden und längst erwarteten Anlasses, wie des jetzt gemeldeten gemeinsamen Vormarsches der Transvaal«! und Freistaatler nach Süden bedarf, um den großen Holländer- Aufstand mit einem Schlage ins Leben zu rufen. Die Streitkräfte, welche Botha, De Wet und Kruitzinger für ihre neuen Operationen zur Verfügung haben, müssen sich, Alles in Allem auf 11000 bis 13000 Mann belaufen, und da die Boeren inzwischen viele Geschütze nebst der nöthigen Munition wieder aus ihren Verstecken hervorgeholt und ausge graben haben, so werden sie auch mit einer ganz stattlichen Ar tillerie versehen sein, wozu daun noch die verschiedenen, den Eng ländern in den letzten acht Tagen fortgenommenen Kanonen zu rechnen wären. An sonstigem Kriegsmaterial, an Lebensmitteln und Pferden scheint überdies auf Seiten der Boeren absolut kein Mangel zu herrschen, und so dürfte der neue Feldzugsplan der tapferen Burghers viel mehr Erfolg versprechen, als es den Eng ländern lieb ist, zuzugestehen. Daran können auch die vielen Bemühungen der britischen Presse, dieser neuen Phase des Krieges jede Bedeutung und Gefahr abzusprechen, nichts ändern. * London, 24. September. Seit dem 16. September sind, wie Lord Kitchener telegraphirt, 29 Boeren gefallen, 16 verwundet und 350 gefangen genommen worden; 48 haben sich ergeben. Ferner wurden 17 800 Patronen, 1000 Pferde und 55 Wagen erbeutet. Infolge von Bewegungen des Feindes im District VreyHeid sind Verstärkungen nach Natal entsandt worden, wo General Lyttleton die Vorkehrungen getroffen hat, welche die Verhältnisse erfordern. Die englischen Truppenkörper verfolgen den Feind in der Nähe von Tewetsdorp. Myburgh und Fouchö sind in der Nähe von Lady-Grey. Smuts hat sich, nachdem er die englische Umzingelung durchbrochen, nach dem Süden gewandt, in die Nähe von Bedford, wohin ihm Gorninge und Docan folgen, während Haig andere Truppen gegen ihn entsandt hat. ScheeperS und Theron weichen Len englischen Truppen mit großer Beharrlichkeit aus. Politische Tagesschau. * Leipzig, 25. September. Es giebt zahlreiche Mitglieder der Ordnniigsparteien, die es nicht in der Ordnung finden, daß die bürgerliche Presse ausführliche Berichte über die socinldrmokrutischru Parteitage veröffentlicht. Und doch werfen gerade solche Berichte sowohl auf Vie Ziele der socialdemok-atischen Partei, als auch ans die in ihr herrschenden Zustände ein schärferes Licht, als Hunderte von Einzelberichten über locale Socialistenversamm- lungen und Auslassungen der socialdemokratischen Presse. Die meisten der bürgerlichen Berichte über die socialdemokra tischen Parteitage lassen sogar nock Lücken, deren nachträg liche Ausfüllung sich verlohnt. Dies gilt z. B. von einem Referate, das der „Genosse" Meister am Sonntag in der Borversammlung des Lübecker Parteitages er stattete und das in den meisten Berichten zu kurz gekommen ist, obgleich eS zu dem Capitel „Die Socialdemokratie als Arbeitgeber" einen ebenso interessanten, wie lehrreichen Beitrag liefert und den Beweis erbringt, daß die in den letzten Jahren immer häufiger und lauter gewordenen Klagen derjenigen Genossen, die als Be amte im Dienste der Socialdemokratie sieben, vollauf be rechtigt sind. Aus dem Referate gebt nämlich hervor, daß der „Vorwärts" jährlich große Ueberschüsse abwirft. Aber die geistigen Arbeiter, die durch ihre aufreibende Thätigkeit doch wesentlich zur Erzielung solcher Ueberschüsse beitrugen, weist die Socialdemokratie mit ihren bescheidenen Ansprüchen auf Erhöhung der Gebälter ab: die Pießcomnnssion entschied, daß die bisher gezahlten Gehälter der Redacteure den Um ständen nach angemessen seien. Und weiter: einem Corrector des „Vorwärts", der auf Grund von zwei ärztlichen Zeug nissen nach dem üblichen Urlaub von 3 Wochen noch eine Verlängerung desselben um weitere 3 Wochen wünschte, ward dies Gesuch abgeschlagen! So siebt cs um das gepriesene Wohlwollen der Socialdemokratie für ihre Arbeiter! In jeder Nummer zetert der „DoiwärtS" in spaltenlangen Tiraden über die „Profilwuth" der bürgerlichen Arbeitgeber — wo aber die Socialdemokratie selbst als Arbeitgeber auftritt, sieht eS in dieser Beziehung noch weit schlimmer aus! Nach dieser kleinen Probe kann man es wohl verstehen, wenn der Parteitag die die Presse und die finanziellen Angelegenheiten betreffenden Fragen unter Ausschluß der Oeffenilickkeit erörtern will. Und ferner kann man es verstehen, wenn die so stiefmütterlich behandelten Redacteure socialdemokratischer Blätter mit grimmigem Neide auf ihre besser gestellten bürgerlichen College» blicken und wenn besonders roh veranlagte social demokratische „TintenkuliS" durch grobe und verleumderische Ausfälle gegen „BourgeviS-Redacteure" diesem Neide Luft machen. — Unstreitig verfügt die Socialdemokratie für ihre Agitation über bedeutende Geldmittel; sie ist die reichste aller politischen Parteien; es stießen ihr auch Erbschaften zu, wie jetzt die eines Aachener Partei genossen im Betrage von über 40 000 .E Aber andererseits scheint die Leistungsfähigkeit oder die Opfer freudigkeit der Genossen für die Parteicasse nachzulassen. 13 im Reichstage vertretene Wahlkreise haben während des verflossenen Jahres an die Parteicasse nicht einen einzigen Pfennig abzeliefert, 20 Wahlkreise sind nur Mit geringen Beiträgen, im Ganzen mit 4258 be- tbeiligt, während die Diäten ihrer Abgeordneten 12 957 kosteten. Die ersteren dreizehn Wahlkreise haben selbst für die Diäten keinen Pfennig aufgebracht und trotz dem sollen gerade diese Kreise zu den wohlhabenderen gehören. Hierin zeigt sich die beginnende Abneigung der socialdcmokratischen Arbeiter, ihre sauer erworbenen Groschen fortdauernd der Parieicaffe zufließen zu lassen, in welcher Ebbe einzutrelen droht. Daher soll gespart werden, aber nicht etwa an Agitationskosten, sondern an solchen Arbeitern und Beamten, die im Dienste der Socialdemokratie stehen und die sich solche Behandlung einfach gefallen lassen müssen. Und der hohe Parteitag wird ganz seelenruhig unter diese von der socialdemokratischen Partei selbst aus- geübte Lohnsclaverei sein gutheißendes Siegel drücken. In CentrumSblättern werden wieder einmal Paritäts klagen laut. Unter der Stichmarke „Zur Protestanti- sirung des Ostens" bringt die „Germania" einen Ent rüstungsschrei darüber, daß der Landrath von Tuche! einen Registrator uns zwei Kanzlisten evangelischer Confessio» durch öffentliche Bekanntmachung sucht. Das Blatt sagt: „Es ist unerhört, daß rin preußischer Londrath es wagen kann, in einem Lande, welches verfassungsmäßig die Staatsbürger aller Bekenntnisse dem Rechte nach gleichstem, eine die Katholiken auss Tiefste verletzende und in ihren Rechtsansprüchen kränkende Bekanntmachung zu erlassen. Wir hatten es einfach für unmöglich, daß der Minister des Innern eine solche aller Parität hohnsprechende Bekannt machung billigt. Jedenfalls sind wir Katholiken nicht gewillt, uns eine solche Behandlung seitens einer preußischen Behörde gefallen zu lassen. Pflicht unserer Abgeordneten ist es, bei Gelegenheit der Etatsberathung im Abgeordnetenhause die Rechte des katholischen Volkstheils gegen eine so eklatante Zurücksetzung der Glaubens genossen zu reclamiren. Im Uebrigen zeigt die Bekanntmachung des Landralhs von Tuchel von Neuem das Ziel, welches im Osten von vielen Seiten angestrebt wird- das Land dem Protestantis mus auszuliefern." u. s. w. Jedenfalls wird der Landrath von Tuchel seine besonderen Gründe haben, wenn er protestantische Unterbeamte sucht. Dabei wird ihm conscssionelle Propaganda völlig fern liegen. Solange von katholischer Seite, vom Centrum, die deutsch feindlichen und verhetzenden polnischen Bestrebungen so unter stützt werden, wie das tatsächlich leider der Fall ist, zwingt di- Nothwehr zur vermehrten Heranziehung protestantischer Beamten. Ueber ein Edict der chinesischen Kaiserin, betreffend die Chinesen im AnSlai de, schreibt man uns aus Peking, 1. August: Das Actenstück ist einerseits ein Anzeichen, daß die chinesische Regierung endlich die Bedeutung der fremden Wissenschaften zu schätzen beginnt, andererseits wird dadurch von Neuem bestätigt, daß in Cbina selbst nur wenige Per sonen vorhanden sind, die praktisch verwertbbare Kennt nisse ausländischer Verhältnisse besitzen. DaS Edict lautet: Ein wichtiges Erforderns bei der Regierung ist, daß man begabte Leute ihrem vollen Werth nach würdigt. Wie wir hören, befinden sich sehr viele vielversprechende Talente unter denjenigen jüngeren Familienmitgliedern ins Ausland ge gangener chinesischer Kaufleute, welche sich dort an Ort und Stelle den Studien widmen. Wir verordnen daher Folgendes: Unsere Gesandten im Ausland sollen sorgfältig Umschau halten; so ost sich im Auslande Jemand befindet, der auf den Hoch schulen dort studirt und ein Specialfach gründlich beherrscht, sei eS, daß er darüber Zeugnisse aufweisen kann oder daß er bereits ein Werk darüber verfaßt hat, soll eS den Gesandten gestattet sein, nach gewissenhafter Einziehung von Erkundigungen über solche Leute unterZugrundelegung einer bestimmten Classen- eintbeilung zu berichten und sie nach China zurückzuschicken. Der ReichSrath wird dann beim Throne die Abcommandirung höherer Beamter beantragen, welche die betreffenden jungen Leute in den verschiedenen Fächern, welche diese studirt haben, zu prüfen haben. Nack Abgabe der Prüfungsarbeiten werden sie in Audienz vorgestellt und wird dann aus ihnen eine Auswahl getroffen für die verschiedenen officiellen Staatsprüfungen, nämlich für die Grade als ediu sink (Graduirter ersten Ranges), cku )ou (Graduirter zweiten Ranges) und Kunz sbeng (privilegirter Graduirter dritten Ranges). Später, nachdem sie sich wirkliche Verdienste erworben baden, wird man ibnen wichtige amtliche Stellungen geben. Tie Prüfungsbestimmungen, sowie Vor- und Zuname, Heimath, Alter und Signalement der Prüflinge sind an die zuständigen Behörden einzusenden. Die Gesandten müssen bei der Prüfung gewissenhaft und ehrlich vorgehen, dürfen vor Allem nicht Jemanden, der durchaus keine positiven Kenntnisse hat, unter die Zahl schmuggeln, was nur unnützen Schriftwechsel verursachen würde. Vielmehr ist der Ansicht der Regierung Rechnung zu tragen, welche auf der Ausschau nach hervorragenden Männern ist und das Richtige mit den geeigneten Mittel» zu erstreben sucht. Deutsches Reich. Berlin, 24. September. (Statistik für Militär dienstpflichtige.) Der Reichstag hat in seiner Sitzung vom 26. Februar 1901 eine Resolution angenommen, dabin- gebenv, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, bei der nächsten Aushebung der Recruten eine statistische Erhebung zu veran stalten, um die Einwirkung der Herkunft und Beschäftigung der Gestellungsverpflichteten auf die Militärbrauchbarkeit feststellen zu können. Damals theilte die Heeresverwaltung mit, daß die Sache großen Schwierigkeiten begegne und Laß das RcichSamt des Innern sich ablebnend verhalten habe, ja habe verhallen müssen, weil die Papiere für die Volks zählung im vergangenen Jahre, als die Sache an vaS ReichSamt des Innern herantrat, schon fertig gedruckt waren und man diese Formulare nicht noch ver mehren, die Arbeit der Volkszähler nicht noch mehr ver größern wollte. Nachdem diese Schwierigkeiten sich heraus- Feuilleton. " Themis im Gebirge. Zwes Erzählungen aus dcm Allgäu von Arthur Achleitner. Nachdruck »erlctkN. Ein erneuter Kuß versöhnte die albe Frau schnell, wenn auch im Auge etwas wie Sorge und Unsicherheit 'des Empfindens sich zeigte. Doch m der ersten Willtommstunve sollte keine uncvnge- nehine Frage daS herzliche Einvernehmen zwischen Mutter und Sohn stören. Dafür fragte die Matrone, ob Eugen tüchtig Hunger habe, und geschäftig ward der Tisch gedeckt und der Magd befohlen, den Abondnnbiß aufzutragen. Der junge Mann äußerte größere» Verlangen nach Durstbefriedigung und ging fröhlich singend selbst in den Keller, um Wein heraufzuholen. Mit mütterlichem Stolz hatte di« Matrone dem stattlichen Ein zigen nachgesehen, wie er durch die Stube schritt. Dem kleinen Mahle folgte eine lange Plauderstunde, ein Fra gen hin und her, doch nicht immer befriedigte di« Antwort die Mutter, welche dazwischen die Bemerkung nicht zu unterdrücken vermacht«, daß die „geistlich« Sbudi" vielleicht doch besser und sicher nicht gar von so langer Dauer gewesen wäre. Hellauf lachte Eugen: „Huih! Das hält' einen schönen Geistlich«« gegeben! I itt'l Di« Juristerei ischt mir schon lieber, wenn die selig« Praktikcmtenzeit freilich verflixt lang dauernd. Aber ich han'S gottlob nun überstanden . . ." „Wirst leicht gar Präsident?" warf Mütterlein ein. „Warum denn itt' gleich JustiMinister! Haha! Es thut't der „Amtsrichter" auch, und seller werd' ich gleich noch den Ferien. Ich had's überstanden, Heil und Sieg! Na, Bauern, freut Euch! Grköpft, gespießt, gehangen!" sang im Uebermuth und in der Freude der bevorstehenden Ernennung der junge Jurist. Und Müttetl«in meinte: „So streng sollst doch itt' drein fahre, die Daure könnten es übelnehme!" „Glaub ich, glaub' ich, Muetti! Das Köpfen vertragen die Wenigsten! Aber seile» Geschäft besorgt der Scharfrichter! Ein neugebackener Amtsrichter hat Wichtigeres zu thun, als da ischi: „Geldzählen? Ja, kriegt ein seller Richter denn so viel Gehalt?" „Und ob! Alle Monat 2240 Märklsin oder Berlin!" „Itt' möglich! Da wäre ja die lange „Sbudi" reichlich wiederbezahlt!" „Na, Muetti, Spaß verstehst Du itt'! Ein königlich baye rischer Amtsrichter bekommt zum Anfang seiner sorgenvollen Laufbahn den Segen des Ministers der Gerechtigkeit und von der Finanzexcellenz monatlich 190 Meter! Das Papier liefert das Landgericht!" „Das langt ja gar itt' zum — Heirathen!" „Hat ihm schon, den Mac Mahon! Freilich langt es itt'! Ein frischg«backener Amtsrichter hat auch Wichtigeres zu thun, als ans Heirathen zu denken! Da heißt es zuerst, dem dritten Staatsanwalt die gebührende Reverenz erweisen, sämmtlichen Nöthen die Gefühle der Ergebenheit zu Füßen legen und vor dem Landgerichtspräsidenteu den Kniefall der Dankbarkeit be- thätigen!" „Nein, sind das aber Vorschriften!" „Freilich! Und in Kemple (Kempten) geht's noch glimpflich! Das Ceremoniell in der königlichen Haupt- und Residenzstadt München soll geradezu „spanisch" sein, weil die Excellenz der königlich bayerischen Gerechtigkeit Abends itt' zum Bier geht!" „Ah!" „G«l, Muetti, da guckst! Du wirst aber noch ganz anders gucken, wenn ich 'mal so eine wichtige criminelle Untersuchung zu führen und den Verbrechern Herz und Nieren zu visitiren habe!" „Ah, muß das ein Amtsrichter Alles könne?" „Alles muß er wissen, kennen und können! Ging'S 's nach Vor schrift, ein Richter müßt' gescheckter wie Salomo biblischen An gedenkens sein! Na, auch wir Juristen schütten Wein ins Wasser, Pardon, umgekehrt, und pantschen. Aber auf den ersten Fall freu' ich mich sozusagen königlich! Da will ich meine Weisheit leuchten lassen, geradezu bengalisch!" Wie verklärt blickte die Matrone auf den „g'studrerten" Sohn, sie war in diesem Augenblicke ausgesöhnt mit dem Tausch von Theologie und Jus. Der Amtsrichter in «po wünschte nun aber gute Nacht und erklärte, arg müde zu sein vom vielen Reden. Nach herzlichen Küssen zog man sich zurück. Eugen hüpfte die Holztrepp« so frisch und vrrgnügt hinauf zu seiner Kammer, daß di vorgeschützt« Müdigkeit unschwer als lustiaer Schwindel erkannt werd«« konnte. Müllerchen war aber schon weg und sah die Gemssprüngc ihres Einzigen nicht. Lange dau«rte das Still halten in der Kammer nicht, den jungen Rechtspraktikanten mit Allgäuer Blut in den Adern gelüstete es nach dem Huigart bei Nachbars Cilli und dem „Fölenschnaps"*), daher denn auch bald das Elternhaus hübsch still verlassen ward. Auf dem Strählet» mäßigte Eugen den allzu stürmischen Schritt, es fiel Hm ein, daß die dicht bevorstehende Richterwürde ebenso ihre Berücksichtigung verdiene, wie die Beurtheilung des Ganges zum Heimgarten in den Augen des Allgäuer Volkes, wonach scharf unterschieden wird, ob einer zur Föle „geht" oder „springt". Don einem Springer heißt es dann, er sei übermäßig in ein Mädel vernarrt, allzu eifrig bemüht um dessen Gunst, und der „Springer" steht daher nicht in besonders gutem Ansehen. So „ging" denn Eugen gemächlich die kurze Streck« zur Sägemllhle, und, da die Hausthür unverschlossen war, schlank weg in's Haus, um im Flur die gut bekannte Thür zur Wohn stube aufzudrllcken. Fröhlich eintretend in di« von einer Lamp« traulich erleuchtete Stube, fragte der Besucher: „Händr an guete Huigart«? Grüß Gott beinander!" Und Nachbars Cilli, des Sägemüllers schwarzhaarige, leb frische, wenn auch nicht gerade schöne, so doch anmuthtge Tochter erwiderte, aufstehend vom Stuhl: „Grüß Gott, o, Nachbar! Bischt wohl huigärtig?!" **) „Wohl!" lachte Eugen und fügt« hinzu, daß man Hm die Freude des Wiedersehens nach so langer Abwesenheit kaum ver übeln könne, und auf alten Allgäuer Brauch halte er Viöl, wenn gleich Studicnlauf und Lebensstellung di« Einhaltung der Sitten und Bräuche erschweren. Cilli meinte halb im Scherz, halb im Ernst: „Ja, ja, der H«rr Doctor vom Criminal wird sich schon verändert haben usse (draußen) in der Stadt Kempte!" „Ischt itt' so gefährlich! Und selles Bissel« Lieb' zu Nachbars Föl hat der criminalische Docter alleweil noch im Herzle!" Cilli ervöthete und suchte dem Gespräch «ine andere Wen dung zu geben durch den Hinweis, daß der Vater, arg müde von *) „Fölenschnaps", Krirsberwaffer oder Enzian von Fölen (jungen Mädchen) am Schluß der abendlichen Zusammenkunft (Heimgarten) kredenzt, steht bei den Burschen hoch im Ansehen und wird, weil eine Gunstbezeugung bedeutend, viel begehrt. Ein uralter Brauch, der auch im oberbaycrischen und steierischen Alpenlande üblich ist. Vergleiche: vr. Reiser, Sagen, Ge bräuche u. s. w. im Allgäu. Kempten, Kösel. **) Huigärtig hier im Sinne besuchslustig und gesprächig. einer Wanderung, auf der „Gutsche" (Bank) liege, daher zur Be grüßung erst aufgeweckt werden müßte. Zugleich fragte das Mädchen, ob dem „Huigart" irgend eine Erfrischung Angeboten werden dürfe. „Freilich! Was haft Brauch rscht!" meinte Eugen und schalkhaftes Lächeln lag tn seinen blauen Augen. Cilli schritt elastisch zum Wandschränkchen und entnahm dem selben eine Flasche nebst Gläschen, um ohne Ziererei ein Gläschen Enzian dem Besucher zu reichen mit treuherzigem „Wohl be komm' 's!" „Vergelt' 's Gott!" sprach Eugen untd leerte das Gläschen auf einem Schluck. Kichernd meint« das schalkhafte Mädchen: „Ihr hiind aber großen Durscht!" „Wo d' Lieb' tribt, ischt kui Weag itt' zu krsst!" lacht« der Besucher. „Arg wit ischt der Mag itt'!" So scherzte das Paar ein Milchen, bis Eugen dann sich zu erkundigen begann nach den Erlebnissen Cilli's in der langen Zeit seiner Abwesenheit von der Heimath, untd allmählich sprach er dann auch von seinen Lebenshoffnungen und der bevorstehenden Ernennung. Cilli ward ernst, eine Wehmuth drückt« sich in ihrem Antlitz auS, und weich klang daS Bedauern, daß der Herr Amts richter dann wohl wenig oder gar nimmer in's Brrgheimakle kommen, die Nachbarschaft wohl ganz vergessen werde. Dagegen protestirte Eugen unter der Betheuerung, daß «in echter Ällgämr seine Heimath nie vergessen könne, roohin immer das Schicksal ihn verschlagen möge. „Und denkt der Mann der Heimath, vergißt er auch der Nachbarn itt'. Darauf kann sich die Jungfer verlassen!" „Das wär' wohl sehr schön! Aber mein', ein Stadtrichter ischt ein großer Herr, viel zu vornehm für unser eines!" „Ob ich just in eine große Stadt komme als Amtsrichter, daS ischt noch keineswegs festgesetzt. Sicher ischt aber, daß ein Amtsrichterke noch lange kein großer Herr ischt! Sein Gehalt langt ja nicht einmal zum — Verloben, vom Heirathen gar nicht zu reden." Gedehnt, und eine Enttäuschung kündend, klang daS „So?" „Na, es muß ja itt' gleich im ersten Jahr der Anstellung geheirathet sein! Bleibt die Braut treu und hält der Verlobte sein ehvlich' Manneswort — vor'm Altar kommt das Pärl« dcm« schon zufamme!" Cilli hielt horchend im«. „Wa, hascht, Cilli?"
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