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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.10.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-10-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011008018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901100801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901100801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-10
- Tag1901-10-08
- Monat1901-10
- Jahr1901
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VezugS-Preis ^» h« H»»pt»xp«dttto» od«, de» t» Etad» b«-trk n»d d«» Vororten errichteten Ins» «abestellen ob,»holt: vtrrteljührlich 4KV, bet zweimalige, tSqltcher gup«lln»e trs Hau- K.L0. Lurch dt» Post bezogen für Deutfchlaod ». Oesterreich: otertelzährl. 6. Man aboantrt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei den Postanstalten ln der Schweiz Italien, Belgien, Holland. Luxem« dura, Dänemark, Schwede» und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten. der Europäische» Türkei, Egypten. Kür alle übngen Staate» ist der Bezug nur »ater Kreuzband durch dt« Expedition dieses Blattes möglich. Dt» Morgen-Ausgab» erscheint »M V,7 Uh» Hk« Adenv-Ausgao« Wochentags n» » ühtt Lrdartiou und LrvedUisar Tohannt-gaffe 8. Finale«: Alfred «ahn vorm. O. Klemm'* Sortis. UuwrrsitLtsstrah» 8 (Paulüium^ Louts Lösche, Äathorinenstr. 14, purt. and Ksniasvlatz V. Nr. 513. Morgen-Ausgabe. MpMer TagMalt Anzeiger. ÄmtsAatt des H'öttiglichen Land- nnd Äintsgerichles Leidig, des Mathes und Molizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Dienstag den 8. October 1901. Anzeigen. Preis die -gespaltene Petitzeile SS Neelaas» »ntrr d«m «edaettonSstrlch (4-«spalte») 7* vor d«u yamtltenna^ richt»» (S gespalten) 50 H. Tabellarischer »ad Ztffernsatz entsprechend höher. — Gebühre» für Nachwelsungeo a«d Offrrteaaaaahmr SS (exrl. Porto). Grkra-Vellage» (gefalzy, ,,, mit der Morgro-Au-gab«, oha« Postbesürderung « «5.—. mit Postdesürdenuig 70.—. Aunahmeschluß fLr Anzeige«: Lb«»d-A»sgaL«: vormittags lO Uhr. M»rg«»-N»sgab«: Nachmittags 4 Uhr. Vei de» Filiale» »»d Aanahmestelle» ja «i»r halb« Stund« früher. Anzeige» stad stets a» di« Expedittoa z» richte». Li« Expedition ist Wochentags ununterbrochen gröffuet von früh S bis übeuds 7 Uhr. Druck »ad Verlag von E. Polz t» Leipzig 95. Jahrgang. Auterschie-e -es Handelsrechts vom bürgerlichen Hecht. Vr. L. Durch unser neues Bürgerliches Gesetzbuch sind die Punkte, in denen der Handelsverkehr anders und zwar strenger, beurtheilt wurde, als der bürgerliche Leriehr, bedeutend ver mindert. Man merkt dies schon auf den ersten Blick an dem geringen Umfange, den die allgemeinen Vorschriften des neuen Handelsgesetzbuches über Handelsgeschäfte und insbesondere über den Handelskauf einnehmen. Aber eine gleichmäßige Anwendung aller Grundsätze des bürgerlichen Rechts auf den Handelsverkehr erscheint doch nicht angängig, da letzterer in mehrfacher Beziehung freiere Beweglichkeit und andererseits strengere Haftung für die übernommenen Verpflichtungen erfordert. Dies zeigt sich schon in der Form, welche für den Abschluß der Geschäft« erfordert wird. Zwar gilt schon nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch« die Regel, daß die Giltigkeit der Verträge durch schriftliche Abfassung oder andere Förmlichkeiten nicht bedingt ist. Doch macht das Bürgerliche Gesetzbuch hiervon eine Anzahl von Ausnahmen; insbesondere fordert es für die Verbürgung die Schrift form, desgleichen für das Anerkennt niß oder das Ver sprechen einer Schuld, wenn nicht zugleich der Schuldgrund an gegeben wird. Also die Erklärung: „Ich bekenne, Ihnen IOOO Mark schuldig zu sein", ist nach bürgerlichem Recht« ungiltig, wenn nicht der Schuldzrund, z. B. für käuflich erhaltene Maaren oder als Miethe oder aus einem Darl'ehn, hinzugefügt wird. Für den HandelScerkhr soll hier Schrifttfo-rm nicht erforderlich sein. Die blos mündliche Zusage eines Kaufmanns, eine Summe zu zahlen, das blos mündliche Anerkenntniß seiner Schuld, sowie die münd liche Bllrgschaftsüberncchme ist also völlig wirksam. Dies gilt jedoch nur für die sogenannten Vollkaufleute, nicht aber für Hand werker und Kleingewerbtreibcnde, deren Firma nicht in das Handelsregister eingetragen ist. Für diese Personen bleibt es bei den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches, daß die Verbürgung, ein Schuldversprechen oder Schuldenerkenntniß nur schriftlich giltig erfolgen kann. Das Bürgerliche Gesetzbuch überträgt bei Vertrags strafen (Conveniionalstrafen) den Gerichten die Befugniß, eine verwirkte Strafe, wenn sie unverhältnißmäßig hoch ist, durch Urtheil auf den angemessenen Betrag herabzusrtzen. Dies« Vor schrift wird durch das Handelsgesetzbuch ausgeschlossen, wenn die Strafe von einem Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes versprochen ist. Es darf im Allgemeinen angenommen werden, daß ein selbstständiger Kaufmann, der sich zu einer Leistung unter Vereinbarung einer Strafe verpflichtet, die Tragweite seines Versprechens richtig würdigte. Vertragsstrafen, die schon vor dem 1. Januar l900 vereinbart sind, unterliegen dem richterlichen Ermäßigungsrechte nicht, wie wiederholt erkannt ist. Auch bleibt das Gericht zur Ermäßigung der Vertragsstrafe berechtigt, wenn das Versprechen von einem Minderlaufmann abgegeben 'ist. Die strengere Haftung des Kaufmanns im Allge meinen zeigt sich in folgenden Vorschriften. Der Bürge, der sonst verlangen kann, duß der Gläubiger zunächst vom Haupt schuldner Zahlung zu erhalten sucht und erst, wenn dies unmög lich ist, sich an den Bürgen hält, kann nach Handelsrecht von vornherein in Anspruch genommen w«rdcn. Das Gleiche gilt, wenn Jemand einen Credriauftrag gegeben hat. Für Klnnkautf- leute bleibt es auch hier bei dem bürgerlichen Rechte. Zinsen kann nach bürgerlichem Rechte der Verkäufer von dem Tage der Uebergab« der verkauften Sache an fordern. Wegen einer sonstigen Schuld, z. B. aus Miethe oder Provision oder Gvhalt, kann dec Gläubiger nach bürgerlichem Regste nur Zinsen fordern, wenn der Schuldner in Verzug gesetzt ist, sei es durch Ablauf des bestimmten Zahlungstages, sei es durch Mahnung. Kaufleute unter einander sind jedoch berechtigt, für ihre Forde rungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften schon vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen beträgt im Handelsverkehr 5 Procent gegen 4 Procent im bürger lichen Verkehr. — Auch in Bezug auf die Befriedigung aus einem Pfände haftet der Kaufmann als Schuldner strenger, als der Privatmann, indem zwischen der Androhung und dem Voll züge des Pfandverkaufs nach dem Bürgerlichen Gesetzbuche eine Frist von einem Monat liegen muß, nach dem Handelsgesetz buch« die Frist auf eine Woche verkürzt ist. — Ein Kaufmann, dessen Gewerbebetrieb die Besorgung von Geschäften für Andere mit sich bringt, darf einen ihm zugehenden Antrag, wenn er ihm von Jemand zugeht, mit dem er in regelmäßiger Geschäfts verbindung sicht, nicht einfach in den Papierkorb werfen, sondern muß unverzüglich antworten. Sein Schweigen gilt als Annahme des Antrags. Auch wenn er den Antrag ablehnt, hat er die mitgescndete Waare einstweilen aufzubewahren, natürlich nur insoweit, als die Waare di« dadurch entstehenden Kosten deckt. Die Anschauung, daß im kaufmännischen Verkehre jede ge schäftlich« Leistung vergütet werden müsse, hat auch zur An-- erkennung eines selbstverständlichen Anspruchs auf Provision geführt, wenn Jemand in Ausübung seines Handelsgewerbes einem Anderen Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, sowie ferner zu einem Anspruch auf Lagergeld, wenn es sich um Auf bewahrung handelt. Ein« besondere Einrichtung des kaufmännischen Verkehrs sind die kaufmännischen Anweisungen und Verpflichtungsschein«. Das Bürgerliche Gesetzbuch führt zwar Anweisungen mehr als bisher in den allgemeinen Verkehr ein. Vor Allem in einer Be ziehung unterscheiden sich aber die kaufmännischen Anweisungen von den sonstigen, nämlich dadurch, daß sic durch Indossament übertragbar sind, also leichter von Hand zu Hand gehen können. Diese leicht« Uebertragbarkeit ist nach dem neuen Handelsgesetz buche nicht nur dann zulässig, wenn die Anweisung von einem Kaufmanne, sondern auch stets, wenn sie auf «inen Kaufmann ausgestellt ist. Denn es bätt« keinen Sinn, die von Nichtkauf- lcuten auf Kaufleute ausgestellten Anweisungen von der be quemen Uebertragbarkeit auszuschließen. Zu den Anweisungen gehört vor Allem der C h e ck. Falls die jetzigen allgemeinen Vor schriften sich als unzulänglich Herausstellen, soll ein besonderes Ch«ckges«tz erlassen werden. Das Accepi eines Checks auf den Inhaber — das sind die meisten Checks — ist schon durch das ! Bürgerlich« Gesetzbuch ausgeschlossen. In mehreren Be^i'ehungen ist der Handelskauf anders cUs der allgemeine bürgerlich« Kauf geregelt. Das Bürgerliche Gesetzbuch legt dem Käufer nicht die Verpflichtung zur sofortigen Untersuchung und sofortiger Anzeige gefundener Mängel auf. Für den Handelsverkehr ist Beides unentbehrlich. Der Kaufmann darf also ihm gelieferte Maaren nicht stehen oder liegen lassen, bis er sie braucht, sondern muß si« sofort untersuchen. Eine Pflicht zur unverzüglichen Untersuchung und Mangelanzeige besteht nach dem neuen Handelsgesetzbuch? nicht nur, wie bisher, wenn Mängel in den Eigenschaften der Waare vorliegen, sondern auch dann, wenn eine andere als die bestellte Waar« oder wenn zu wenig oder zu viel geliefert wird. Auch gilt diese Vorschrift jetzt nicht nur für Distanzgeschäfte, sondern sie ist durch das neue Handelsgesetzbuch auf Platz- geschäfte ausgedehnt, denn bei diesen hat d«r Kaufmann das gleiche Interesse, schnell zu erfahren, ob das Geschäfl in Ordnung geht. Andererseits ist die Untersuchungspflicht auf solch« Fälle beschränkt, wo der Kauf für beide Theile ein Handelsgeschäft ist, also beide Kaufleute sind. Den Bankiers wird eine genau begrenzte Sorgfalt auferlezt zu Gunsten der Eigentümer von Werthpapieren, denen dieselben gestohlen oder sonst abhanden gekommen sind. Das Handelsgesetzbuch schreibt jetzt vor, daß di« Bekanntmachung des Aufgebots stets im „Deutschen Reichsanzcigcr" zu «rfolgen hat und der gute Glaube des Bankiers, her ein solches Papier er- worben hat, als nicht vorhanden gelten soll, wenn die Bekannt machung erst in dem Jahre, in dem das Papier dem Bankier verkauft oder verpfändet ist, oder im verflossenen Jahre erfolgt ist. Man ersieht aus Vorstehendem, daß der allgemeine Grundsatz, wonach Treue und Glauben den Verkehr beherrschen sollen, im Handelsrecht eine straffer« Durchführung erfahren hat, indem von dem Ersorderniß der Schriftform mehr abgesehen, die Ver- tragsfreihert weniger eingeschränkt und die Haftung aus über nommenen Verbindlichkeiten eine strengere ist. Der Krieg in Südafrika. Kesseltreiben? * London, 7. October. Ein Berichterstatter der „Times" in Südafrika berichtet in einer Trahtmeldung aus Dundee vom 5. Lclober über eine große Truppenbewegung, die sich im Südoslen von Transvaal unter Leitung Les Generals Lyttelton behufs Einschließung der Boeren vollziehe, man fürchte jedoch, daß der Feind, beunrubigt (?) durch feine Erfahrungen bei Fort Jtala, eine weitere Concentrirung vermeiden werde. Das HauptcorpS unter Botha befinde sich jedoch innerhalb des britischen Cordons, der sich nördlich von Zululand bis nach der Grenze erstrecke. Sitchener. * Loudon, 6. Lctober. Im Gegensatz zu der amtlichen Ab leugnung darf als feststehend betrachtet werden, daß zwischen der Negierung und Kitchener, sowie zwischen diesem und Milner rin heftiger Meinungsstreit herrscht. Kitchener gab thatjächlich seine Entlassung und nahm diese nur auf den ausdrücklichen Wunsch Les Königs Eduard zurück. Gesundheitszustand Srnger'S. * Haag, 7. October. (Reuter.) Die Nachricht der „Daily News" auS Brüssel vom b. October, daß Wolmarans, als er kürzlich den Präsidenten Krüger besuchte, diesen geistesschwach sand, wird von bestunterrichteter Seite für unbegründet erklärt. Wolmarans war im Gegentheil erfreut darüber, Krüger's körper- lichen und geistige» Zustaod viel besser zu staden, als bei dessen Ankunft in Europa. Schiedsgericht. * Haag, 7. October. (Reuter.) Die in den 'Blättern wieder gegebenen Gerüchte, nach denen dem Präsidenten Krüger oder der Boerenmission die Mittheilung zugegangen sei, daß der Schieds gerichtshof es ablehne, von ihrem Antrag auf eine schieds gerichtliche Entscheidung Kenutuiß zu nehmen, sind irrig. Weder Präsident Krüger, der den Antrag gar nicht unterzeichnet bat, noch die Mission hat eine derartige Mittheilung erhalten. Dies ist auch unmöglich, da der ständige Verwaltungsrath des Schieds gerichtshofes, der allein in dieser Angelegenheit zuständig ist, seit der Einreichung des Antrages nicht zusammengetreten ist. Seine Einberufung, von der in den letzten Tagen die Rede war, ist bisher nicht erfolgt. * Loudon, 7. Oktober. Der „Daily Mail" zufolge verlautet, daß über eine Zollunion, welche die Capcolonie, Natal und Laurenyo MarqueS umfassen soll, verbandelt werde. Der portugiesische Gesandte in London sei nach Lissabon ge- gangen; wie man glaubt, stehe die Reise mit dieser Angelegenheit in Verbindung. Es heißt, die portugiesische Regierung stehe dem Projecte günstig gegenüber. Tie deutsche Schule in Johannesburg gefährdet! Sie ist ein Schmerzenskind, diese veutsche Schule im fernen Transvaal, die am I. September 1807 von wohlhabenden Landsleuten in der „goloenen Stadt" ins Leben gerufen wurde, eines von den Schmerzenskindern, welche die Eltern vielleicht gerade deshalb am meisten lieben, weil sie ihnen schon so viel' Sorge bereitet haben. Siebzehn Knaben und vierzehn Mädchen öffnete damals der freundliche Schulsaal seine Pforten, und die deutschen Eltern waren angesichts der mißlichen Schulverhält- niffe in der „Südafrikanischen Republik" außerordentlich froh, ihre Kinder der Leitung eines deutschen Schulmannes und Patrioten anvertrauen zu können, der die Liebe zum fernen Vaterlande in die jungen Herzen Pflanzen und inmitten der internationalen Goldstadt dem deutschen Nachwuchs eine deutsche Bildungsstätte geben sollte. Das verantwortungsvolle Amt des Schulleiters wurde Director Weidner aus Hamburg übertragen, und unter schwierigsten Verhältnissen hat dieser Herr das Ver- trauen, das auf ihn gesetzt wurde, gerechtfertigt. Vom ersten Tage ihres Bestehens an hatte die Anstalt zu kämpfen. Da die Prioatmittel nicht ausreichten, wandte man sich an die Regierung, die aber als Gegenleistung für einen Zuschuß — der keineswegs reichlich bemessen sein sollte — der officiellen Landessprache einen breiten Platz im Lehrplan cingeräumt wissen wollte. Die Eng länder waren der Schule von vornherein wenig hold: die „xsr- mau bo^s" hatten mit ihren britischen und holländischen Alters genossen manchen Strauß auszufechten. Ein Lichtblick für die Schule war die treüe Unterstützung ihrer Begründer, vor Allem des Herrn Rolfe, die sehr große materielle Opfer brachten — auch dann noch, als die Verhältnisse in Johannesburg sich schon sehr verschlechtert hatten. Nun hat der Krieg viele dieser Männer FrrMZston» Opfer -er Alpen. Die alpinen Unfälle gehören in den Sommermonaten zu den ständigen Rubriken der Tagesblätter. Während der Hochsaison vergeht fast kein Tag ohne Hiobsbotschaft aus den Bergen, am Matterhorn und am Oberbauen, auf dem Scalettapaß und am Abendberg bei Interlaken, und jedesmal wird ein großes Jammern und Lamentiren über die „verrückte" Berggängerei daraus. Schon im Jahre 1883 hat sich der Schweizerisech Alpen club veranlaßt gesehen, gegen die alpinen Unfälle Vorkehrungen zu treffen. „In früheren Jahren hatte man Grauen vor den Bergen, in unseren Tagen spielt man mit ihnen; die eine Ueber- treioung ist so unvernünftig wie die andere, aber jene war un schädlich, die heutige kostet Menschenleben." So hob im Jahre 1883 der Schweizer Alpenclub seinen Mahnruf zur Abwehr alipner Unfälle an. Der Aufruf ist in allen Höhencurortrn, Clubhütten und an begangenen Pässen angeschlagen worden, und in kurzen, schlichten, ernsten Sätzen hat man darin aufmerksam gemacht auf die Gefahren des GebirgS und die Folgen eitlen WagemutheS. Aber es hat wenig genützt. Schon das Jahr 1888 bracht» eine erschreckende, noch gar nie dagewesene Anzahl von Hochgebirgskatastrophen, und wieder erging vom Alpenclub an alle Freunde und Besucher der Berge die dringende Bitte, „sic möchten doch ihrerseits mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln gegen ein solches Benehmen ankämpfen, unerfahrene und allzu verwegene Bergsteiger auf die Gefahren aufmerksam machen, si« an der Ausführung solcher Unternehmungen ohne die nöthigen Unterstützungen (Führer) und Hilfsmittel zu ver hindern, und sie von tollkühnen Wagnissen abzuhalten suchen." Aber alle diese Warnungen haben nichts genützt, die Unfälle mehren sich mit der stets fortschreitenden Popularisiruna des alpinen Sportes von Jahr ru Jahr; namentlich seit dem Jahre 1895 ist die Zahl rapid gestiegen. Der Alpenclub hat für die Jahre 1890 bis 1900 eine Statistik über die alpinen Unfälle durchgefiihrt; die Resultate derselben liegen noch nicht vor, ste soll»» »rst im nächsten Jahrbuche veröffentlicht werden. Da gegen ist vorläufig bekannt geworden, daß der Bergsport in den Jahren 1890 bis 1900 in den Alpen 303 Opfer gefordert hat. Noch schlimmer ist es aber in diesem Sommer zu gegangen- Nach einer Zusammenstellung in den „Münchener Neuesten Nachrichten", die auf absolute statistische Genauigkeit allerdings keinen Anspruch macht (»S fehlen in dem Verzeichnih z. B. d»r Absturz Diggelmann'S am Leistkamm in den Kur- fürsten, der Tod des Zürcher Clubisten NLf durch Lawinen- schlag am Rotthalsatt,l an der Jungfrau), sind in den Monaten Mai bis September dieses JahreS in den Alpen folgende 58 Un- glücttfiille beim Bergsteigen vorgrkommenr Im Mai verunglückten drei Bergsteiger: ein Innsbrucker Harrasser beim Aurikelsuchen am Solstein, der Württemberger Gmöhle aus Schorndorf am Pilatus und der Grazer Techniker Schocke! ebenfalls am Pilatus beim Botanisiren. Der Monat Juni brachte sieben Verunglückte: Tischler Schulck aus Hallstein am Untersberg, wo er „Gamsbleamln" suchte; die Münchner Stein und Denzel an der Benedictenwand und Wilfart am Kapuzinerberg bei Salzburgs ein Hannoveraner Ed. Kasten im Kötschachthal, die Bozener Rauer und Schrott am Grasleitenthurm im Rosengarten. Im Juli sind 22 Todesfälle zu verzeichnen: Bahndirector Preyer aus Steyr an der Ostwand des Lugauer, die Grazer Greiner und Handlos beim Blumenpflücken am Hochlantsch, die Wiener Bankbeamten Lindenfeld und Schwör am Tepla in der Tatru, der Laibacher Beamte Ur. Jan am Bratsolje- fels auf der Kleckalpe; Or. Wilhelm aus Wien und der Gschnihcr Führer Amors stürzten in Folge eines Blitzschlages vom Tribu- laun ab; am Lcvwa>fi n in Obcrkärntcn stürzte Hohenwarter aus Greifenberg, am Jfinger vor den Augen seines Bruders der Meraner Tischler Ferai, und am Stol in den Karawanken beim Blumensuchen Kralj aus Unterpörjach — sämmtliche in Oester reich. Am Untersberg fiel der Schellenberger Müller Krona- wittvogel von der Hammerstielwand ab. In der Schweiz wurde Kaufmann Kißling aus Winterthur durch Einschlagen des Blitzes am Brienzer Rothorn getödtet, dann in der Wcstschweiz ein Herr aus Vevey bei einer nächtlichen Besteigung des Milveran, ein Herr aus Territet am Rocher de Nahe, Jakob Müller aus Zürich am Scalettapaß, Edelweißsammler Herrle auf der Grütschalp, ein Engländer beim Biberg bei Kandersteg, eine Miß Bell und Mister Black nach gelungener Bezwingung des Matter horns, als die Miß beim Jauchzen auf dem Eis ausglitt und den Mister mit hinabriß. Auf der Sulzfluh am Rhätikon fiel vr. Schwarzbach aus Dresden beim Abfahren über den Schnee zu Tode, am Belchen verunglückte ein vr. Emden. Im August fanden in den Alpen 21 Fremde und Ein heimische den Tod; darunter 6 Oesterreicher und 2 Schweizer beim berufsmäßigen Edelweitzsammeln, zwei davon waren Sennen und zwei andere Bauernjungen, di« sämmtlich das Edelweiß zu verkaufen suchten- Geradezu erschütternd ist der Absturz der 13jährigen muthigen Marie Döttl, welche von ihrem eigenen Vater am Hohen Göhl in die Wände des sogenannten Wilden Freithof hinabgeseilt und dann wegen Reißens des Seiles zerschmettert wurde. Sonst fielen ab: am Kitzenfieinhorn Kaufmann Strinzinger aus Linz, Fabrikanten sohn Finger aus Erfurt am „Geleit" im Oetzthal, «in junger Lehrer aus Telfs an der Hohen Munde, der Innsbrucker Landesschütz Mayr im Wippthal, Professor Odörfrr von Preß burg an der Czerna Pascht (am „schwarzen Finger" in der Triglap-Gruppe), Gg. Peuringer auS Wien im Hollenthal an der Rax vor den Augen seines Bruders, der Bauernsohn Franz Stocker am Höchstem Im Dachsteinmassiv, am Wilden Flieger Privatier Donner aus Wien; ferner am Schiern Pfarrer Harfier aus Nürnberg, an Herzschlag in Folge der lieber- anflrengung. In der Schweiz verunglückte der Mailänder Gugelloni am Piz Rosetsch (Berninapaß), Bankbeamter Porchet in Genf an der Aiguille du Tacul durch Steinschlag, in Davos und im Canton Freiburg je ein 17jähriger Edelweißsucher, am Abendberg bei Interlaken Fabrikant Matter aus Mannheim, am Oberbauen am Vierwaldstättersee der Schriftsetzer Hurschel aus Luzern, am Pilatus Pastor Stengel aus Bernau bei Pots dam. Am Hochkönig bei Werfen erfror ein unbekannter Tourist, in der „Kleinen Fleuß" am Sonnblick in Kärnthen fiel ein bis jetzt unbekannter Tourist in eine Gletscherspalte. Don den 21 Opfern des Monats August sind 11 Oesterreicher, 2 Schweizer, 1 Italiener und 6 Deutsche. Im September sind bis jetzt 5 Touristen verunglückt: an der Riffelwand stürzte Ingenieur Brandes, welcher die Aufstellung der Apparate für drahtlose Telegraphie vom Eibsee zum Zug- spitzhaus besorgt hatte, gegen das Höllenthal hinab; an der Crado di Liga („Seewand") bei Ampezzo fiel der englische Archidiakon Pelham Buren, wahrscheinlich von einem Herzschlag gerührt, an sonst ungefährlicher Stelle ab; am Berguntschigg bei Laibach stürzte ein Gutsbesitzer und bei einer führerlosen Tour über den Schloßbergglctscher fiel eine Engländerin in eine Spalte zu Tode. Schließlich ist am Hohen Freschen im Vorarl- bergischen ein wiirttembergischer Postbeamter im Nebel ab gestürzt und schwer verletzt aufgehoben worden. Diese trockene Zusammenstellung redet in ihrer knappen Nacktheit eine traurige, aber sehr interessante Sprache. Auf den ersten Blick stellt sich heraus, daß nur ein ganz verschwindend kleiner Procentsatz der Unfälle den eigentlichen elementaren Ge fahren des Hcchgebirgs, Wetter, Steinschlag und Lawinen, zu zuschreiben ist. Ebenso springt sofort in die Augen, daß die Unfälle bei den sportmäßig betriebenen Hochgebirgstouren sehr gering sind und weitaus die meisten Unfälle in den Mittel- und Vcralpen vorgekommen sind und Leute betroffen haben, die man nicht als Alpinisten qualificiren kann — mit anderen Worten, daß es eine Ungerechtigkeit ist, wenn man den alpinen Sport an und für sich für die zahlreichen Unglücksfälle in den Bergen verantwortlich macht, wie das beinahe nach jeder Katastrophe im Publicum und in den Zeitungen zu geschehen pflegt. Persön liches Selbstverschulden ist in weitaus den meisten Fällen Ur sache oll des Unglücks, und wenn es nicht so entsetzlich traurig wäre, so müßte man manchem der Unglücklichen noch ins Grab hinein die bittersten Vorwürfe machen. Ein alpinistischer Schriftsteller hat mit Recht einmal gemeint, man müsse sich wundern, daß in den Bergen nicht mehr paffire; denn wenn jede Dummheit ihre Strafe fände, so würden die Alpen einem Kirchhof gleichen. So geht aus der obigen Zusammenstellung hervor, daß das unselige Blumensuchen am meisten Opfer fordert. Das Verlangen, im Thale mit einem selbstgepflückten Edelweißstrauß paradiren zu können, treibt manch» Sonntagi- bergbesteiger an, steile Grashalden und in brüchige Felsen, die der geübte Gänger meidet oder nur mit äußerster Sorgfalt betritt. Und je seltener die Edelweiß an den gefahrloseren Stellen durch die unsinnigen Beutezüge der Kegelklubs und Jahrgangervereine werden, um so zahlreicher werden in der Zu kunft die Abstürze der Edelweißjäger sein. Viele Opfer fordert das alpine Spaziergänger- thum, das in mangelhafter Ausrüstung, unter unverant wortlicher Außerachtlayung der Elementarbegriffe des Berg steigens und in völliger Unkenntniß der Gefahren des Gebirges blindlings und übermüthig in das Verhängniß hineinläuft. So kann es denn nicht ausbleiben, daß gerade die ungefährlichsten und harmlosesten Touren am meisten Opfer fordern. So haben der Pilatus, die Rocher de Nahe, die Rax einen eigentlichen Ruf als Unglücksberge bekommen, obschon sie alle als völlig ungefährlich bekannt sind. Daß man am Abendberg bei Inter laken, am Scalettapaß und am Oberbauen zu Tode fallen kann, ist für den Clubisten geradezu unverständlich, und nichts kann besser das Gebühren des sorglosen Sonntagsbergsteigerthums charakterisiren. Wer kurzathmig oder herzkrank ist, wie jener unglückliche Berliner Pfarrer, für den ist auch der Pilatus viel zu gefährlich; die Berge verlangen gesunde Leute, und wenn ein kränklicher oder seiner Kräfte nicht sicherer Mann ins Ge birge hineinläuft, so begeht er ein Verbrechen an seinen An gehörigen. Da keiner Instanz eine Ausscheidung der Berg tüchtigen von den Untauglichen zusteht, und wir keine Aus- hebungscommission für Berggänger haben, so muß eben jeder vernünftige Mensch sich selbst über seine Kräfte Rechenschaft ab geben, und für den Anfänger im Bergsteigen ist es besser, wenn er sich unterschätzt. Die führerlosen Touren fordern fort während noch ihre Opfer; aber auch hier sind es nicht die ge übten Kletterer, die am meisten sündigen. Wenn zwei sichere und geschulte Gänger ohne Führer auf die Jungfrau gehen, so ist das eher zu entschuldigen, als wenn ein Ungeübter allein auf den zahmen Glärnisch geht, oder wenn zwei Frauenzimmer, und wenn rS auch Engländerinnen wären, führerlos über den Schloßberggletscher bummeln. Verhängnißvoll für Geübte und Ungeübte ist vor Allem das Alleingchen, denn für den Einzel gänger kann fast jeder an sich unbedeutende Unfall zu einer tödtlichen Katastrophe werden. Der letzte der oben aufgefübrten Fälle, dos Unglück am harmlosen Hoben Freschen, zeigt drastisch, wie unheilvoll dem Alleingänger auch der kleinste Unfall werden kann. Ein Beinbruch kann den Hungertod bringen. In der letzten Delegirtenversammlung des Schweizer Alpen clubs ist ein Antrag behandelt worden, an passend erscheinenden Orten durch recht auffällige Plakate vor den Gefahren der Hoch gebirges zu warnen. Der Antrag ist verworfen worden, weil man gefunden hat, daß man dadurch weder die Waghalsigkeit, noch die Unvorsichtigkeit auS der Welt schaffen würde; Verbot tafeln für Führerlose und Ungeübte anzubringen, ginge wohl auch nicht an; die hochwoblwcise Regierung von Niederösterreich hat das vor Jahren versucht, aber kläglich Fiasco gemacht, denn die verbotenen Früchte sind ja immer süßer als die anderen. DaS beste Mittel wird wohl die Aufklärung sein, und wenn es je am Platze ist, in der Presse Unglücksfälle möglichst breit zu schildern, so Ist da« bei den Bergfieigerunfallen der Fall. L. v. X.
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