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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.11.1901
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-11-22
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19011122010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901112201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901112201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-11
- Tag1901-11-22
- Monat1901-11
- Jahr1901
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Bezugs. Preis f» der Hauptexpedition oder den iin Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährlich.4! 4.50, bei zweimaliger täglicher Zustellung in» HauS 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 8. Man abonnirt ferner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rügland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egnpten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch dir Expedition dieses Blattes möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um >/,7 Ubr, die Abend-Ausgabe Wochentags um 6 Uhr. Nedaction und Expedition: Johannisgasse 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm's Sortim. Umversitätsstraße 3 (Paulinnm), LouiS Lösche, Katbarinenstr. 14, Part, und KönigSvlatz 7^ ALend-Ausgabe. MMcr Tageblatt Anzeiger. AmkMatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Raches und Rolizei-Äintes der Ltadt Leipzig. Nr. 596. Freitag den 22. November 1901. Anzeigen-Preis die ögespaltene Petitzeile 25 Reklamen unter dem Redactionsstrich (4 gespalten) 75 ,H, vor den Familirnnach» richten («gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahmr 25 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung ./e 60.—, mit Postbeförderung .6 70. . Ilnnahmeschluß für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: Bormittags 10 Uhr. Morgen.Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bet den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Lrieg in Südafrika. Der Boykott -er englischen Schifffahrt, wie cr don holländischen Hafenarbeitern vorgeschlagen ist, findet wenig Antlang bei den Arbeitern der übrigen Nationen. Am wirksamsten würde der Boykott in England selbst sein. Aber selbstverständlich sind die englischen Arbeiter dafür nicht zu haben. Sehr bezeichnend ist die englische Antwort auf eine von einem deutschen Socialdemokraten in England veranstaltete Umfrage in dieser Angelegenheit. Die Antwort lautete u. A.: Die deutschen Socialisten, die gebildetsten Socialisten der Welt, werden wohl wissen, wie sie sich zu stellen haben: auf Seiten Paul Krüger's mit seiner Bibel, oder auf Seiten der unver gleichlich höher entwickelten socialen Organisation, wie England sie darstellt. * Haag, 21. November. Die Zeitung „Vaderland" be richtet, der gestrige Beschluß des Verwaltungsrathes des Schiedsgerichtshofes sei debattelos und mit Einstimmigkeit gefaßt worden. Der Präsident sei damit betraut worden, die Betheiligten zu unterrichten. Präsident Krüger werde keine Mittheilung erhalten, da er den Antrag der Vertreter der Boeren nicht unterzeichnet habe. * London, 22. November. (Telegramm.) Es be stätigt sich, daß der von der Zollbehörde in London zurück gehaltene Dampfer vier Geschütze an Bord hat. Die Besatzung besteht aus 42 Mann. Es heißt, an Bord befänden sich für 2l4 Jahre Lebensmittel. (Reut. Bur.) * London, 22. November. (Telegramm.) In Gulway (Irland) wurde an Stelle des zum Peer ernannten konser vativen Morris der Nationalist Lynch mit 1247 Stimmen in das Unterhaus gewählt. Der konser vative Gegencandidat erhielt 473 Stimmen. Lynch hält sich gegenwärtig in Paris auf; erhateineZeit langdieauf Seiten der Boeren kämpfende irländische Brigade befehligt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 22 November. Herr bhamberlain hak auf seine erste Frechheit, die eine so tiefe Bewegung in Deutschland hervorgerufen hat, eine zweite folgen lassen. Nach beglaubigten und von ihm selbst bisher nicht bestrittenen Meldungen hatte er am 25. October in Edin- burg gesagt: „Die Zeit kommt jetzt, wo es nothwendig sein mag, strengere Maßregeln zu ergreifen, um die Aufständischen und die Guerillabanden zu bekämpfen. Wenn diese Zeit da ist, wird die Regierung Präcrdenzfälle für Alles, was sie thun wird, in dem Vorgehen jener Nationen finden, die Englands Vorgehen als Barbarei und Grausamkeit verurtheilen; aber sie wird sich doch nie dem nähern, was diese Nationen in Polen, im Kaukasus, in Bosnien, Tonkin und im Kriege von 1870 thaten." Und jetzt, aufmerksam gemacht auf die Entrüstung, die er in Deutschland durch diese Auslassung geweckt, spricht er den Entrüsteten die Vernunft ab. Freilich tritt er zugleich einen kleinen Rückzug an, indem er behauptet, er habe lediglich das Verhalten der britischen Behörden in Transvaal durch den Hin weis auf die bei allen civilisirten Nationen unter ähnlichen Um ständen beobachtete Haltung rechtfertigen wollen. Aber auch diese Rückzugsbehauptung ist noch eine Beleidigung Deutsch« lands, das niemals im Kriege ein Verhalten beobachtet hat, das mit dem von den britischen Behörden in Transvaal beobachteten verglichen werden könnte. Dieses erneute Schimpfen auf einem Rückzüge charakterisirt Herrn Chamberlain besser, als irgend etwas Anderes; es beweist aber auch, daß der sehr edle Herr die derbste Antwort nicht nur verdient, sondern auch ohne Schaden an seiner Gesundheit vertragen kann. Um so mehr ist es zu be dauern, daß die „ Nordd. Allgem. Zig." in ihrer schon telegraphisch gemeldeten Antwort auf jene beiden Flegeleien nicht schärfere Worte der Abwehr findet. Das osficiöse Organ ist so freundlich, das von Herrn Chamberlain behauptete „Mißver- ständniß" den — Berichterstattern über die Edinburger Rede in die Schuhe zu schieben, und also sich den Anschein zu geben, es glaube, daß der Redner weniger Beleidigendes habe sagen wollen, als die wochenlang von ihm nicht berichtigten Steno graphen ihn hatten sagen lassen. Das ist mindestens sehr höf lich. Aber das deutsche Regierungsorgan hat doch wenigstens endlich eine Antwort gefunden, und das ist nach seinem langen und befremdlichen Schweigen immerhin mit Freuden zu be grüßen. Das Ansehen der deutschen Armee, so sagt die „Nordd. Allgem. Ztg.", stehe viel zu fest, als daß es durch „falsche und unpassende Vergleiche" berührt werden könnte. Das trifft vollkommen zu, und es bleibt be dauerlich, daß die „Nordd. Allg. Ztg." soviel Zeit gebraucht hat, ehe sie sich in dem gedachten Sinne vernehmen ließ. Wer von dem deutschen Regierungsorgane eine Kundgebung gegen die erste Beleidigung Chamberlain's erwartet und gefordert hatte, dachte nur an eine Kundgebung solcher Art. Wenn die „Nordd. Allg. Zeitung" jene Forderung mit der Behauptung ablehnt, die Kund gebungen des verletzten deutschen Nationalgefühls hätten keiner „Aufklärung oder Belehrung" bedurft, so kann durch diese Aus flucht im Ernste das bisherige Schweigen aller anerkannten Re gierungsorgane nicht im Mindesten gerechtfertigt werden. Wäre die „Nordd. Allg. Ztg." mit einer sehr gemäßigten Antwort auf Chamberlain's erste Frechheit rechtzeitig zur Stelle gewesen, so würde sie sich höchstwahrscheinlich die Antwort auf Chamberlain's neueste Frechheit haben ersparen können. Denn Mr. Chamber lain würde sich wohl gehütet haben, angesichts der Kundgebung eines anerkannten Organs der deutschen Regierung die Deut schen, welche ihrem Unwillen über die Verletzung des deutschen Nationalgefllhls Ausdruck geben, für „unvernünftig" zu erklären. Nach dieser Leistung Chamberlain's war es unerläßlich, daß die „Nordd. Allg. Zig." den Chamberlain'schen Ausdruck der Ver wunderung über die deutsche Empfindlichkeit als „ungerecht fertigt und ungehörig" zurückwies. Das deutsche Re- gierung'sorgan hätte vielleicht noch hinzufügen können, daß es erst der Kundgebungen des deutschen Volkes bedurft hat, um Chamberlain zu dem Versuche einer Abschwächung seiner ersten Frechheit zu bestimmen. An dieser Thatsache ändert die Ein leitung nichts, die Chamberlain seiner Abschwächung jetzt voraus geschickt hat. Nachdem Chamberlain einmal von einer „ künst - sichen Agitation" betreffs der deutschen Kundgebungen ge sprochen und jene Kundgebungen außerdem für „unver nünftig" erklärt hat, wird auch der Reichskanzler Graf von Bülow im Reichstage diese „ungerechtfertigten und ungehörigen" Worte Chamberlain's richtig stellen müsse n. Hoffentlich findet er einen der Veranlassung angemesseneren Ton, als die „Nordd. Allg. Ztg.", und bereitet dadurch den Pro testlern gegen die Volkskundgebungen die verdiente „Ueber- raschung". Das Osterfest fällt im nächsten Jahre ungewöhnlich früh, und es dürften deshalb die parlamentarischen Osterferien t sowohl im Reichstage als im preußischen Landtage ! bereits etwa am 20. März beginnen. Die Gestaltung der ver schiedenen Abschnitte der Session Wird naturgemäß auch für den Gang der parlamentarischen Arbeiten nicht ohne Be deutung sein. Zunächst werden die Verhandlungen sowohl über den Reichs- als «den Staatshaushalts-Etat verhültnißmäßig be schleunigt werden müssen, wenn sie vor der Osterpause beendigt sein sollen. Das ist aber nothwendig, wenn die Etatsfestsetzung zu dem verfassungsmäßigen Termine, am 1. April, möglich sein soll. Im klebrigen läßt sich der Gang der Reichstagsarbeiten noch in keiner Weise absethen, da man nicht weiß, in welchem Tempo die Zolltarifvovbage zur Erledigung kommen wird. All gemein nimmt man an, daß die erste Lesung vor Weihnachten erledigt werde. Für den preußischen Landtag ist, abgesehen vom Etat, die Zeitsrage diesmal wenig bedeutend, da nicht beabsichtigt ist, ihm in der nächsten Tagung größere organische Gesetze vorzu legen. Insbesondere ist die Vorlegung eines Gesetzentwurfs über die Unterhaltung der Volksschulen für die nächste Tagung nicht beabsichtigt. Zu dieser Frage schreiben die „Verl. Pol. Nachr.": „Abgesehen davon, daß, bevor mit einem solchen gesetz geberischen Plane vorgegangen werden kann, die Gewähr gegeben werden muß, daß die Dinge nicht wieder einen Verlauf nehmen wie im Jahre 1892, bietet die Lösung der Ausgabe selbst er hebliche sachliche Schwierigkeiten, deren Ueberwindung noch nicht völlig gelungen sein dürfte. Es gilt insbesondere, mit der Durchführung des in der Verfassung vorgesehenen Communal- princips für die Unterhaltung der Volksschulen solche Ein richtungen zu verbinden, welche, wie die Einrichtung der städti schen Schuldeputationen, die Möglichkeit gewähren, die Ver waltung der äußeren und der inneren Angelegenheiten der Schule in sachgemäßer Weise zu vereinigen und so mit der gerechteren Vertheilung der Schullasten auch eine Verbesserung des Volks schulwesens herbeizuführen. Bei der Durchführung dieser Ab sicht aber 'werden sich Neuorganisationen schwerlich vermeiden lassen, deren sachgemäße Vorbereitung nicht leicht zu überwinden den Schwierigkeiten begegnet. Schon deshalb wird für di« nächste Tagung auf die Vorlegung eines Schuldotatio.esgesetzes nicht zu rechnen sein." Voraussichtlich wird bas ProvinzialdotationS- gesetz, abgesehen von Vorlagen zur Verbesserung und Er weiterung van Verkehrseinrichtungeni. das Hauvt- stiick des gesetzgeberischen Pensums dieser Tagung bilden. Der Athener Bibelübersetznngs - bonflitt scheint sich zu einer nationalen Angelegenheit ersten Ranges auswachsen und das ganze Hellenenvolk ausregen zu wollen. Wie uns aus Athen depeschirt wird, fand dort gestern bei den Säulen des olympischen Jupiters eine von Studenten orga- nisirte Versammlung von 20 000 Personen statt, wo bei cs zu Zusammenstößen zwischen Studenten und der be waffneten Macht kam und Schüsse gewechselt wurden. Die Versammlung beschloß, energisch die Excommuni- cationderUebersetzer des Evangeliums zu verlangen. Nach Schluß der Versammlung zogen di« an der Kundgebung Betheiligtcn durch die Stadt. 'Die Studenten um lagern noch immer die Universität. Die Geschäftsräume der Zeitungen „Akropolis" und „Asty" werden militärisch bewacht. — Bei den Kundgebungen gaben einige Theilnehmer auf den Ministerpräsidenten Theotokis Schüsse ab, ohne jedoch zu treffen. Nach einer weiteren Meldung ist doch noch Blut geflossen. Man berichtet uns: * Athen, 21. November. Bei der beute von den Stu denten gegen die Uebersetzung der Bibel veran stalteten Protest Versammlung wurden sieben Personen getödtet und etwa 30 verwundet. zahlreiche Personen erlitten leichte Verletzungen, darunter der Polizeipräfect. Bei dem leicht erregbaren südlichen Naturell der Demon stranten hat es also eine förmliche Schlacht an der altclassischen Stätte gegeben, und so leicht werden sich oie Gemüther nicht be ruhigen. Der angeblich drohende Verlust des „kulturellen Ueber gewichts" des Hellenismus im Orient, der mit der Zurücksetzung des klassischen Griechisch zu gewärtigen sein soll, macht den Athener Theologen, scheint es, mehr Scrupel, als der thatsäch liche Verlust des Vertrauens der ganzen gebildeten Welt auf grie chische Redlichkeit, der bekanntlich eine Folge der unglaublichen Behandlung der griechischen Staatsgläubiger bei ven ver schiedenen Finanzkatastrophen ist. Regenerirt sich Griechenland in dieser Hinsicht und ist cs im Stande, die verlorene Achtung wiederzugrwinncn, so wird das seinem Prestige auch im Orient weit mehr Vorschub leisten, als die eifersüchtige Cottservirung der Lorbeeren einer etwas sehr alten Vergangenheit. Die beiden südamerikanischen Republiken bhile un d Argen tinien haben nie einen guten Faden mit einander gesponnen. Fortwährend in den letzten Jahren mußte man befürchten, daß er reißen werde, und auch jetzt ist plötzlich, nachdem kurz vorher die freundschaftlichsten Versicherungen zwischen den beiderseitigen Re gierungen ausgetauscht waren, die Sache wieder auf des Messers Schneide. Wie uns aus New Dork gemeldet wird, soll, einer De pesche des „New Aork Herald" aus Buenos Aires zufolge, die chilenische Frage wieder e r n st geworden sein. Die „Tribuna", das Organ des Präsidenten Rocca, melde, vor wenigen Tagen noch habe es den Anschein gehabt, als sei die Frage rndgiltig geregelt, aber die chilenische Cabinetskrisis habe die Lage geändert. Chile behaupte, die Argentinier seien die Eindringlinge, und sage, «s wolle keine Erklärungen geben in Bezug auf den Bau von Straßen und Brücken in dem um strittenen Gebiete, bis Argentinien befriedigende Erklärungen gegeben hätte, betreffend die Zugehörigkeit von Ultima Esperanza. Argentinien sei entschlossen, mit Energie vorzu gehen, doch sei es nichtsdestoweniger nicht wahrscheinlich, daß ein Conflict die Folge sein werde. Argentinien wisse, daß der chilenische Gouverneur von Punta Arenas in jener Gegend, in welche die Argentinier eingedrungen sein sollen, Autoritätsrechte ausübe.— Daß auf Seite Argentiniens keine große Geneigtheit beliebt, »8 zum Ausbruche von Feindseligkeiten kommen zu lassen, erhell: uuch äus einem von Santiago nach New gc kabelten Telegramme des Inhalts, der argentinische Minister des Auswärtigen, Alcorta, habe Chile die volle Versicherung ge geben, daß eine Verletzung des chilenischen Gebietes nicht vor gekommen sei und kein Grund zur Beunruhigung bestehe. Es wird nun davon abhängen ob man inSantiago denVersicherungen der argentinischen Regierung ohne Weiteres Glauben schenkt, und hierauf wird wieder von Einfluß sein, wie die Umbildung, resp. die Neugestaltung des chilenischen Cabinets ausfällt, worüber noch nichts verlautet. Deutsches Reich. O Berlin, 21. November. Der Colonialrath berieth in seiner heutigen Nachmittagssitzunig über den Be richt des Ausschusses für die Prüfung des Entwurfs einer Ver ordnung wegen Regelung 'der Arbeiterverhältnisse Kameruns. Der Bericht gab Anlaß zu einer principiellen Erörterung der wirthschaftlichen Lage Kameruns, wobei den hervorgetretmen Schwierigkeiten gegenüber aus dem Colonial- rathe heraus auf die schweren wirthschaftlichen Kämpf: hinge- wiesen wurde, die auch fremde, heute blühende Colonien in ihren Anfangsstadien gehabt hätten. Auf 'Grund der sachverständigen Untersuchungen der natürlichen Verhältnisse Kameruns dürfe man Vertrauen auf di« Zukunft der dortigen Unternehmungen haben und müsse fortfahren, Eapital und Arbeitskraft daran Feuilleton. Die Marmorliebe. Eine Hofgeschichte von Jean Bernard. Nachdruck vrrbote«. Baron v. Eder hatte die Worte nicht verstanden, aber bemerkt, daß unten am Taselendc Einer das Bild ernst betrachtet hatte; cr stand daher auf und ging hinab, da er das Bild ohnehin zurück haben wollte. Mit Ernesti war er nur flüchtig bekannt und auch erst seit neuerer Zeit. „Darf ich mir mein Bild wieder erbitten?" „Gewiß, lieber Baron", versetzte Elimar, „bitte, nehmen Sie doch ein wenig hier unten bei uns Platz. Ich sagte eben, das Ding da, ich meine die Büste, komm« mir bekannt vor " „So? Me heißt der Bildhauer?" „Oho, so meine ich's nicht, aber die Büste habe ich schon gesehen. Wenn ich nicht irre, besitzt sie Weraschck „Ah, Weraschck, wer ist das?" „Ein Kunstliebhaber, ein Mäcenas, «in reicher Mann und im gewöhnlichen Leben Bankier, es genügt, nicht wahr?" „Sie kommen öfters in sein Haus, Herr Ernesti?" „O nein, Herr Baron, aber ich hatte einmal «inen kleinen Auftrag — und bekam bei der Gelegenheit den Wintergarten des Krösus zu sehen. In diesem Garten befinden sich viele Mar morkunstwerke, deren Sujets meist der Mythologie entnommen sind. Dort glaube ich auch diese Büste gesehen zu haben; sie wivd zu der Gruppe der VenuSbilder gehören." „Hierin irren Sie sich jedenfalls, die Büste ist sicher nach dem Leben gearbeitet und antikisirt in keiner Weise; sie athmet förmlich modernes Leben. Sehen Sie den Schmuck, di« Haartour, daS lebendig« Auge " „Ja, sicher, ich meinte auch mrr wegen der offenherzigen Be handlung der Arbeit den Venuscharakter erkennen zu müssen." „So, dos ist etwas Anderes. Ich halte die Büste geradezu für ein« Porträtbüste einer auch jetzt noch recht jugendlichen Per sönlichkeit " „Woraus schließen Sie daS, Baron? Sie setzen mich in Er staunen. Wie kann man dergleichen an einem Kunstwerke er kennen?" Baron v. Eder fühlt«, daß ihn seine Phantasie fortgerissen hatte, ungereimtes Zeug zu reden; er bemerkte kleinlaut, daß er für seine Vermuthung allerdings kein« Gründe angeben könne; man glaubte, der gemiithliche Baron habe bereits zu tief ins Löwenbräu geschaut und lächelte nock> über ihn, als er schon wieder oben bei seinen Bekannten saß. Diese quälte er durch seine Fragen nach dem Bankier Weraschck so lange, bis man ihn bei allen Heiligen bat, doch endlich von interessanteren Angelegenheiten zu reden. Das brachte ihn zur Besinnung und Ruhe, er wußte vorerst genug und durfte nicht auffällig werden. Er macht« die Kneiperei noch eine Weile mit und schloß sich dem Bildhauer Ernesti an, weil dieser in der Nähe der „Vier Jahreszeiten" wohnte. Ernesti that ihm den Gefallen, von freien Stücken noch Einiges über Weraschck zu erzählen. „Man erzählt sich, daß der Bankier aus Südrußland stammt und als junger Mann in das Bankhaus Herden kam. Thatsache ist, daß er nach Herden's Tod die Wittwe heirathetc. Kinder find nicht vorhanden. Die nunmehrige Frau Weraschck leidet seit Jahren an Lähmungserscheinungen, trotzdem werden bis weilen Gesellschaftsabende im Hause abgehalten. Ein« Nichte des Bankiers, eine Baronesse Nutkorow, steht seit einiger Zeit an der Spitze des Haushaltes." Am folgenden Tage Vormittags verließ Baron v. Eder schon wieder den Gasthof und wandte sich der inneren Stadt zu, um bald vor dem Bankhause Herden Halt zu machen. Nach kurzem Zögern trat er ein. „Herr v. Weraschek zu sprechen?" „Wen darf ich melden und was ist Ihr Anliegen?" „Baron Eder, wünsche Papiere zu kaufen." Er gab seine Karte hin; doch rasch erschien der Commis wieder. „Herr v. Weraschek bedauert unendlich, keine Zeit zu haben. Unser Herr Prokurist wird Ihnen mit Vergnügen durch Rath zur Seite stehen!" „Thut mir auch unendlich leid, allein, meine Angelegenheit kann nur mit dem Herrn Chef erledigt werden. Wann hat Herr v. Weraschek Zeit?" „Das ist unbestimmt, Herr Baron, indeß dürfen Sie über zeugt sein, daß unser Herr Prokurist " „Haben Sie mich Herrn v. Weraschck denn gemeldet?" „Ja doch, wie werde ich nicht!" „Gut, dann muß ich ihm schriftlich don dem Empfange hier Mittheilung machen. Ich habe die Ehre So stand er wieder auf der Straße und überlegte ärgerlich, was zu thun sei. Dieser Herr Weraschek konnte ja jeden Tag keine Zeit haben; er mußte Gewißheit haben! In die Privat wohnung, zur Besuchszeit! Ja, so mußte es glücken. Er ging in ein Restaurant und frühstückte, dann begab er sich neuerdings nach dem Weraschek'schen Hause, das gleich neben dem Geschäfts locale lag. Er war angenehm berührt von der Vornehmheit dieses Treppenhauses, ihm imponirte weniger die Pracht und der Luxus, der schon hier herrschte, als der gute, feine Geschmack, der überall zu Tage trat. Zögernd stieg er die Stufen empor und klingelte; er erhielt die Antwort, Herr v. Weraschek sei nicht zu Hause. Aber so ließ er sich nicht abweisen, er fragte nach der gnädigen Baronesse und gab seine Karte. Bald darauf erschien eine Kammerzofe im Corridor, grüßte freundlich und sagte: „Gnädige Baronesse haben nicht die Ehre, den Herrn Baron zu kennen. Sie läßt bitten um Nennung der Angelegenheit, welche den Herrn Baron hierher führen." „Ich bin auf Veranlassung des Herrn Professor v. Meyer- heimb hier, der mir sagte, ich würde in einer gewissen Kunst angelegenheit am besten durch Herrn v. Weraschek oder durch die gnädige Baronesse Auskunft erhalten. Ich bin aüs Liebhaberei Kunstschriftsteller und der gnädigen Baronesse sicher unter dem Namen Reden bekannt. Ich wünsche aber unter keiner Bedingung lästig zu fallen." Das Mädchen verschwand — und bat bald darauf den Baron, näher zu treten. Hosrath Eder legt« ab und befand sich endlich im Vorraum, der durch Portieren vom Empfangssalon geschieden war. Einige Augenblicke später theilt« sich die Portiere und ein reizendes Mädchenantlitz ward sichtbar. „O bitte, Herr Baron, ich stehe zu Diensten." Franz kam der Aufforderung nach und saß alsbald im Salon der Baronesse gegenüber, die ihn mit ihren großen, schwarzen Augen erwart'mgsvoll omschaute. Franz mußte unwillkürlich lächeln, als er diese erwartungsvolle Miene sah, zumal er noch nicht recht wußte, was er sagen sollte. Bei Lichte betrachtet, befand er fick, dieser selbstbewußten Dame gegen über in Verlegenheit. Ob sie ihm das anmerkte? „Gnädige Baronesse, eigentlich wollte ich nur eine kleine Frage an Ihren Herrn Onkel richten in einer Kunstangelegenheit, aber ich dachte mir dann, Sie könnten mir vielleicht auch Auskunft geben." „O gerne, wenn ich dazu jm Stande bin." „Ich hoffe wohl! Diel in Künstlerkreisen verkehrend, machte ich auch die Bekanntschaft des Bildhauers Ernesti, der mir seinen Reden noch am geeignetsten schien, den Auftrag, den ich auS- fllhren lassen soll, in Marmor zu vollenden. Herr Ernesti sagte mir nun, wohl zur Empfehlung, daß er auch für Herrn v. Wera schek eine kleine Arbeit in Marmor ausgeführt habe, die im Wintergarten des Herrn aufgestellt wäre. Ich hätte nun aller dings diese Arbeit Ernesti's gern gesehen, um zu erkennen, ob man ihm ohne Risico den geplanten Auftrag übertragen könne. Darum erkundigte ich mich an jenem Abend nach Herrn von Weraschek bei Herrn v. Meyerheimb, ob ich den Herrn Bankier mit meinem Anliegen belästigen dürfte. Die Auskunft über di: Liebenswürdigkeit Ihres Herrn Onkels lautete so brillant, daß ich den Muth gewann, hierher als Bittender zu kommen." „In der That, Ihr Anliegen ist sehr bescheiden, und ich schätze mich glücklich, Ihren Cicerone machen zu können, darf ich bitten, mir zu folgen? Die kleine Arbeit Ernesti's ist im Wintergarten untergebracht; Sie können sich bei dieser Gelegenheit, falls c» Ihnen beliebt, auch die anderen Marmorsachen anseben." „O, das ist reizend, ich bin mit Ihrer gütigen Erlaubniß so frei." So schritten sie nebeneinander durch eine Reihe von Sälen und Zimmern, über Corridore, und standen endlich vor einer hohen Glasthüre. Die Baronesse drückte auf einen Knopf, worauf die Thüre geöffnet wurde; sie traten in den wunderbaren Garten ein und Feodora Nutkorow waltete ihres Amtes als Cicerone, indem sie, bald links, bald rechts deutend, die von Gebüsch oder Blumen umrahmten Statu-n kurz erklärte. Hofrath v. Eder schaute anscheinend mit dem lebhaftesten Interesse überall umher, in Wahrheit von der Angst beseelt, e» möchte irgendwo ein Marmorbild verborgen stehen, das er nicht zu sehen bekam und daS vielleicht gerade das gesuchte war. Der Garten dehnte sich so und die Wege liefen nach der breiteren Mitte zu ost zwei- und dreifach parallel, daß seine Besorgniß nicht unbegründet war. Zum ersten Male in seinem Leben vernachlässigte der Baron die Unterhaltung mit einer so liebenswürdigen Dame, er machte nur selten eine Bemerkung, um sich gleich darauf ängstlich um zusehen, ob kein Bildwerk übergangen sei. „Seien Sie ohne Sorge, Herr Baron, ich werde Sie schon zur rechten Zeit auf da» Ernesti'sche Kunstwerk aufmerksam machen." .,V g*wtß."
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