Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.01.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-01-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020129023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902012902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902012902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-01
- Tag1902-01-29
- Monat1902-01
- Jahr1902
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Bezugs-Preis in der Hauptexpedition oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgrholt: vierteljährlich 4.50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus5.50. Durch die Post bezogen jur Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. 6. Man abonnirt seiner mit entsprechendem Postausschlag bei den Postanstalten in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, den Donaustaaten, der Europäischen Türkei, Egypten. Für alle übrigen Staaten ist der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition dieses Blattes möglich. Die Morgen-Ausgabe erscheint um '/,? UH4 die Abeod-AuSgabe Wochentags um 5 Uhr. Nrdaction und Expedition: Jvhannitgaffe 8. Filialen: Alfred Hahn vorm. O. Klemm's Sortlm. Universitätsstraße 3 (Paulinum), Louis Lösche, Katharinenstr. 14, part. und Königsplatz 7. Abend-Ausgabe. MiWM T ligMalt Anzeiger. Äitüsvlntt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des RaHes und Nolizei-Ämtes der LtM Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeile 25 H. Reclamen unter dem RrdactionSstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten («gespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme L5 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrfürderung 60—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz io Leipzig. Nr. 52 Jahrgang. Mittwoch den 29. Januar 1902. Der Krieg in Südafrika. Friedeusaussichte«? DaS Brüsseler „Petit Bleu" schreibt: Die Erklärung Balfour's im Unterhause ist in London dahin aus gelegt worden, daß damit ausgedrückt werden sollte, Eng land seien von der niederländischen Regierung im Namen der Boeren Friedensvorschläge gemacht worden. Wir sind in der Lage, diese Auslegung für falsch zu er klären. Die Boercndelegirten in Europa haben keinen Fricdensvorschlag formulirt und Niemand beauftragt, einen solchen für sie zu machen. Sie wissen nicht, welche Mittheilung die niederländische Regierung der englischen hat machen können. Das Blatt fügt hinzu: Es ist nicht unmöglich, daß die niederländische Regierung in freund schaftlicher Gesinnung aus sich heraus es unternommen hat, die englische Regierung zu sondiren,' es ist auch mög lich, daß ihre Mittheilung sich nur auf niederländische Angelegenheiten bezieht, aber die Bverendelegirten stehen diesem Schritte auf alle Fälle fern. * London, 29. Januar. (Telegramm.) Zu der gestrigen Erklärung Balfonr's im Unterhause über eine Mittheilung der niederländischen Regierung bemerkt der „Standard": Balfour drückte sich mit Vorbedacht in vorsichtig gehaltenen Wendungen aus. Es wäre ver früht, von Unterhandlungen zu sprechen, bevor man ge nau wisse, welcher Art die vom Haag übermittelten Schriftstücke seien. Den Präsidenten Krüger und die mit ihm geflüchtete Umgebung aber als Unter händler anzn erkennen, würde eine unver zeihliche und thörichtc Schwäche sein. — Die „Daily News" sagen, es sei unmöglich, aus Balfour s in gesucht amtlichem Stile gehaltener Sprache zu entnehmen, ob das Cabinet auf die holländische Note geantwortet habe, die natürliche Folgerung sei aber, daß dies der Fall gewesen sei. Wenn dem so sei, so seien die Friedens- aussichten weit entfernt, denn die Verhandlungen würden nicht so plötzlich wieder abgebrochen worden sein, wenn eine Unterlage für eine weitere diplomatische Action vorhanden gewesen wäre. * London, 29. Januar. (Telegramm.) Die „Times" besprechen gleichfalls die gestrige Erklärung Balfour s im Unterhaus«: und führen aus, nichts lasse an nehmen, daß die Mittheilung der niederländischen Regie rung von größerer Bedeutung sei, als andere, nicht autorisirte Borschläge über denselben Gegenstand. „Die Mittheilung kommt selbstverständlich von einer befreundeten Regierung, nnd zwar von einer Rcgicrnng, der wir, wie wir wiederholt deutlich gezeigt haben, geneigt sind, eine solche Freiheit der Bewegung bezüglich des südafrikanischen Krieges gestatten, die anf Andere aus zudehnen uns nicht in den Sinn kommen würde. Die Antwort der Minister, hoffen wir, wird sowohl klar und fest, wie höflich und sympathisch sein." Zu der Gefangennahme Ben Viljoen s bemerkt der „Daily Telegraph": „Durch einen günstigen Zufallstrcich ist einer der gewandtesten Bocrencomman- danten in unsere Hände gefallen. Viljoen ist während Feuilleton. Rittmeister Eckhoff. Roman von A. von Trystedt. Nachdruck verbot«». „Du Närrchen!" lachte der eitle Vater, indem er das junge Mädchen dem hohen Spiegel zuwcrndte, „schau da hinein, und wenn Du auch dann noch Bedenken hegst —" Das klare Glas warf nun allerdings ein Bild zurück, wie es blendender und bezaubernder nicht gedacht werden kann. Die von der Winterluft und einer tiefinneren Erregung heiß- gerötheten Wangen ließen das zarte Weiß der Stirn, den feuchten Glanz der dunklen, herrlichen Augen, den Schmelz der tadellosen Zähne, die hinter den leicht geöffneten Purpurlippen hervorschimmerten als ein so berückendes Ideal an Schönheit erscheinen, das sinnverwirrend, herzbesiegend auf jeden Mann emwirken mußte. Mit einem flüchtigen Blick streifte Stephanie die eigenen Reize, dann lächelte sie befriedigt. Nein, wirklich, zu einer solchen Sorge, wie sie sich ihr immer wieder aufdrängte, war kein Anlaß vorhanden! „Aber es könnte sein, daß der Mann, dem Du angehören sollst, Dir lächerlich oder widerwärtig erscheint —" „Ich heirathe ihn doch, Papa. Ich verlange weder nach Liebe, noch könnte ich selbst welche geben. Ich bin kalt. Was ich an Empfindungen zu vergeben hatte, das gehörte Eckhoff. Ich bin nun heute doch noch in die fatale Lage gekommen, ihm einen Korb zu Heben. Ich habe seine Werbung zuriickgewiesen. Damit sind meine Herzensangelegenheiten ein für allemal er ledigt. Ich gehöre nicht zu den Frauen, welche mehrmals lieben. Vielleicht wäre es Eckhoff gelungen, mich zu erwärmen, die Kälte in mir in Feuer zu verwandeln, vielleicht — besser ist es, daß ich mir selbst treu bleibe. Zu einer Musterhausfrau, die am Herde hantirt und Strümpfe stopft, besitze ich nun mal nicht das Zeug, da ist es schon besser, Enttäuschungen bleiben erspart. Eckhoff gehört sicher zu den Männern, welch« alle häuslichen Tugenden von ihrer Gattin erwarten. Gut, daß das Schicksal über mich verfügt hat!" Döring machte eine bezeichnende Bewegung mit der Hand. „Sehr gut, Kind! Nun aber zur Toilettenfrage! Welche Farbe wirst Du wählen bei der ersten Zusammenkunft mit Deinem zukünftigen Gatten?" „Weiß, Papa! Ein weißes Tuchkleid, da- ist chic, und eS sieht mir vorzüglich!' der letzten zwölf Monate im District nördlich der Delagoa- bai-Eisenbahn Obercommandant gewesen. Er drang im letzten Sommer südlich dieser Linie vor und überraschte die Bictoriareiter bei Wilmanrust. Um ihn zu fangen, machte General Blood seine Umgehungsmärsche. Viljoen schlüpfte zwischen unseren Colonnen durch und entkam. Sobald unsere Colonnen ins Lager zurückgekehrt waren, war Viljoen wieder in seinem beliebtesten Jagdrevier, hielt Verbindung mit Botha im Ermelodtstrict und sandte Verstärkungen, so oft der Obercommandirende irgend eine seiner periodischen Concentrationen vvrnahm. Viljoen hat stets in dem Rufe gestanden, einer der heftigsten Gegner der englischen Partei in Südafrika gewesen zu sein, und man erzählte sich einige häßliche (?) Geschichten von ihm. Andererseits muß mau sich entsinnen, daß General Blood, der ein persönliches Interview mit ihm hatte, von dem außerordentlich günstigen Eindruck sprach, den sein Gegner auf ihn machte. Zweifellos wird er einen Nachfolger finden, der das Commandv, welches er durch einen Krtegszufall verlor, übernehmen wird. Sein Ver lust bleibt aber nichtsdestoweniger ein schwerer Schlag für den Feind, denn er war einer der erfahrensten und gewandtesten Unterführer Botha's und hielt, wenn wir den Erzählungen der gefangenen Boeren glauben können, seine Leute gut zusammen." * Halifax, 28. Januar. Drei Escadrons cana- discher berittener Schützen und ein kanadisches Feldlazareth sind heute nach Capstadt abgegangen. politische Tagesschau. * Leipzig, 29. Januar. Viel Aufklärung hat die gestrige Debatte über das I e s u i t e n g c s e tz im Reichstage nicht gebracht. Der Aundesrath besinnt sich noch, welche Stellung er zu den Rcichstagöbeschlüssen wegen Aufcbung dieses Gesetzes bezw. seines 8 2 nehmen soll, und wenn er schlüssig ge worden ist, was noch im Laufe der jetzigen Tagung er folgen soll, wird man lediglich den Beschluß s.lbst, nicht- aber die Gründe erfahren, auf die er sich stützt. Das ist, wie gesagt, nicht viel, es wird aber für uns und unsere Gesinnungsgenossen noch weniger durch die Erwägung, daß der Beschluß des Bundesraths schwerlich so lauge Hütte auf sich warten lassen und noch länger auf sich warten lassen würde, wenn die Mehrheit der Stimmen dieser hohen Körperschaft noch wie früher jeder Concession an das Centrum abgeneigt wäre. Einen rein ablehnenden Beschluß hätte man längst fassen können. Und da nun gestern aus den kurzen Erklärungen der verschiedenen Fractionsredncr hervorging, daß eine namhafte Mehr heit des Hauses die Beseitigung des 8 2 des Gesetzes wünscht oder wenigstens für ungefährlich ansieht, so liegt leider die Vermuthung nahe, daß der Bundcsrath nicht un gern auch seinerseits auf diese Beseitigung eingehen werde. Das Ccntrum kann damit ganz zufrieden sein. Es be hält den Rest des Gesetzes, gegen den cs gelegentlich wie der Sturm laufen kann, wenn im Thurme ver Partei sich wieder Risse bemerkbar machen: cs erhält Gelegenheit, in den Einzclstaaten gegen die Sondergcsetze mobil zu machen, die eine Handhabe zur Bestrafung rcichsgcsctzlich zwar verbotener, aber nicht mehr verhütbarer jesuitischer Ordensthätigkcit bieten, und bleibt überdies „Ich hätte Dich lieber in einer leuchtenden Farbe gesehen, dunkelblauer Sammet würde die entzückendste Folie für den wundersamen Schmelz Deiner Züge geben —" „Es wäre zu pieiätlos, Papa! Uebrigens verwöhne mich nur nicht gar zu sehr mit Schmeichelworten, Du galantester aller Väter! Wenn ich zur Eitelkeit neigt«, so hättest Du mich auf dem Gewissen, jawohl!" Sie lachte und sah den Vater aus großen, strahlenden Augen übermüthig an. Dann fuhr sie, die Worte mit den entsprechenden Bewegungen begleitend, fort: „Ich werde mir selbst ein Modell zeichnen, da ich am besten weiß, was mich kleidet. Es muß ein Schlepprock sein, die Taille nicht ganz glatt gehalten, auch etwas gute Spitze darf nicht fehlen. Gar zu gern möchte ich mich mit einer Blume schmücken, aber ich bin noch unentschlossen —" „Weiße Rosen, Stephanie", meinte Döring, ihren Kopf wieder dem Triimeau zuwentxnd, „hier zur Seite sehr discret angebracht, in Deinem dunklen Haar halb verborgen, die Wirkung müßte großartig sein." Sie lächelten Beide befriedigt. Wie frohe Ballstimmung fluthete es in ihnen empor, und düse oberflächliche Freude am Genuß offenbarte sich auch un- verPillt in ihren Gesichtern. Sie waren ganz froher Er wartung! Die bevorstehenden ernsten Scenen, die Testaments eröffnung, die Zusammenkunft mit d m Miterdenden erschienen sowohl Vater wie Tochter nur als Anlässe zur Einstudirung be stimmter Rollen! Sie wollten glänzen, Aufsehen erregen, An dere in den Schatten stellen, nur diese Puncte vermochte ihr leicht fertiger Sinn ins Auge zu fassen. Wie sie dort, ganz vertieft in die Toilettcnfrage, standen, und es noch bedauerten, daß Gold und Brillanten, diese macht vollen Verbündeten weiblicher Schönheit, nicht in Anwendung kommen durften, öffnete sich langsam die Thür und Frau Döring erschien im Rahmen derselben. Sie sah sehr gealtert aus. Die tiefe Trauer, die sie a-ngelegt hatte, ließ ihr ohnehin blasses, ernstes Gesicht fast düster erscheinen. Schmerzlich bewegt zuckte sie zusammen, als sie in die beiden froh erregten Gesichter sah. Eva hatte ihr bereits miigetheilt, daß Eckhoff gleich nach der Ankunft draußen im Jägerhciuschen mit seinem Schlitten wieder nach der Stadt zurückgesahren sei. Indessen hatte Frau Döring schon von anderer Seite er fahren, daß es zwischen Stephanie und dem jungen Manne zu einer Ausünandersehung gekommen sei, die Brie« für immer trennen mußt«. Langsam kam sie jetzt zu ihrem Manne heran. von den Jesuiten verschont, die unter den katholischen Klerikern und Laien zahlreiche Gegner haben: nur nicht im Centrum selbst, nicht einmal bei Spahn-Vater, der gestern den frommen Vätern Jesu abbitten zu wollen schien, was Spahn-Sohn gegen sie verschuldet. Die Berliner Leitung des Bundes der Landwirthe setzt die frevelhafte Bemühung fort, die Vertreter des Ackerbaues im Reiche mit der erlernten Parole „Alles oder nichts, 7'/r, wenigstens 7 Mindestgetreidezvll oder Verwerfung jeder Zollkarifreiorm" vom Wege des Erreichbaren wegzuschrecken. TüeseS Feldgeschrei ist in der letzten Zeit sogar noch lauter geworden und die „Deutsche Tagesztg." hat soeben sogar mit dem erzagrarischen „Westfalen" Krakehl angefangen, weil dieses Organ des erzagrarischen Westfälischen Bauervereins bemerkt Halle, daß die Vertreter des Bundes der Landwirthe unrecht lhun würden, wenn sie bei etwa eintretenver Unmöglichkeit, böbere Zollsätze zu erreichen, das ganze Werk der Zolltarif revision zum Scheitern bringen wollten. Das Verhalten des Bundes ist um so verwerflicher, als er tagtäglich ersäbri, daß die Bauern ein solches va dangue - Spiel durchaus nicht wollen. Wie in Westfalen hat man auch anderwärts denken gelernt, insbesondere auch, wie die gestern vollzogene Wahl in Döbeln zeigt, in Sachsen. Wir legen kein großes Gewicht darauf, daß der Bundescandidat, Herr Ritter gutsbesitzer Sachße, weniger Stimmen als 1898 erhielt. Die Wablbewegung ist das Bedeutungsvolle. Sie bat nicht nur gezeigt, daß die Landwirthe sich nicht mit unerfüllbaren Forderungen das Erfüllbare verderben lassen wollen, sondern auch, daß die Bundesführer mit ihrem „Alles oder nichts" gar nicht mehr den Anhängern unter die Augen zu treten wagen, wenn die Bauern durch Andere aufgeklärt worden sind. Das war in Döbeln der Fall gewesen. Es hat auf die agrarisch bearbeiteten Männer großen Eindruck gemacht, als sie aus nationalliberalem Munde die einfache, ihnen aber bis dahin vorenthaltene Wahrheit vernahmen: Die Ob struktion der Linken des Reichstags steht und fällt mit den übertreibenden Ansprüchen der Bundesleitung. Verstummen diese, dann kommt ein Compromiß zu Stande und die Opposition steht so einer innerlich wie äußerlich geschlossenen, dar.-.-r unüberwindbaren und am allerwenigsten zur Duldung eines gegnerischen Verschleppungstaktik genöthig- ten starken Mehrheit gegenüber. Noch wirkungsvoller war die ebenfalls von nationalliberaler Seite den Landwirthe» aufgemachte Rechnung, daß sie bei einem Zoll von 7 bis 7'/s wenn er zn erreichen wäre, schlechter fahren würden, als bei einem bescheideneren Satze. Sehr zutreffend wurde geltend gemacht, daß ein Zoll von jener Höhe nur kurze Zeit zu vertheidigen sein würde. Er würbe bei einer irgendwie empfindlichen Preissteigerung fallen und daß das Eintreten einer solchen in Deutschland nach zwei oder drei Jahren wahrscheinlicher sei als nach 6 oder 7 Jabren, wurde nicht bestritten. Muß aber der übermäßig hohe Zoll fallen, so zieht er den Zollschutz überhaupt mit sich. Das bat selbst der nicht übermäßig für landwirthschaftliche Zölle eingenommene Reichskanzler v. Caprivi anerkannt und wie der Anregung auf Suspendirung der Zölle, die im Jahre 1892, als die Getreibepreise sehr hoch standen, an ihn ge bracht wurde, entgegengesetzt. Die Landwirthe im Wablkreise Döbeln begriffen, daß ein zehn Jahre bindurch gewährter Zoll von etwa 5 mehr fruchte, als ein solcher von etwa 7 auf den vielleicht nicht für zwei Jahre mit Sicherheit zu rechnen wäre. Daraufhin wurde die Forderung der Berliner Bundeöleitung, wie in Regensburg, in die Tasche gesteckt. Die „Frankes schickten vorhin, Du möchtest doch einmal herum kommen, Papa." „Ist das eine Dreistigkeit!" rief Julius empört, „diese hinter listige Gesellschaft, mir so bodenlos niedrig mitzuspielen! Aber ich werde es diesen Halsabschneidern heimzahlen, ich werde es ihnen eingeben —" „Wovon sprichst Du?" fragte die Gattin mit müder Stimme, die aber doch ein tiefes Erschrecken verrieth. Julius stockte verlegen. „Ach so, da habe ich mich verplappert, Du solltest von diesen Dingen keine Kenntniß erhalten! Nur um Dir sorgenschwere Stunden zu ersparen, schwieg ich, Martha, nun magst Du es erfahren; ich schulde dem Franke eine kleine Summe, für die ich ihm Wechsel ausstellt« —" „Zwanzigtausend Mark", schaltete Stephanie schwer bedrückt ein. Die Frau sah verständnißlos von Einem zum Anderen. „Zwanzigtausend — das ist wohl nicht möglich — wozu könntest Du ein solches Capital verwendet haben?" „Wozu?" wiederholte Julius ärgerlich, „konntest Du wirk lich glauben, daß ich Jahrzehnt« hindurch in der Aussicht auf dieses Erbe die Gewohnheiten eines Bettlers ertragen würde?" „Und nun? Was soll nun werden?" preßte die bestürzte Frau zwischen den Zähnen hervor, nachdem sie Alles erfahren hatte. Julius lachte. „Vielleicht hat Franke schon Witterung von dem Tode Malchow's erhalten, und sucht nun einzulenken. Um so besser dann für uns Alle. Meine Meinung bekommt er aber trotzdem zu hören, der Heuchler, der! Und sogleich will ich herumgehen zu ihm, um mich an Neid und Mißgunst zu weiden!" „Wenn Du nur nicht neue Enttäuschungen erfährst", be merkte die Gattin zögernd, „ich sah Margot in Eckhoff's Schlitten —" Stephanie's Augen weiteten sich. Ein schneidendes Lachen ertönte. Döring runzelte die Stirn. „Gut, wenn der H«rr von Habenichts sich zu trösten weiß", sagte er, „wer an einer Gans Gefallen findet, ist des Schwans nicht würdig." Stephanie hatte schon das Zimmer verlassen. Auch Döring wollte sich entfernen. Da trat ihm seine Gattin in den Weg. „Dieses Alles wird eines Tages ein Ende mit Schrecken nehmen", mahnte sie finster, „man tritt nicht ungestraft Pflicht und Gewissen mit Füßen. Stephanie wird Deine Sünden büßen müssen, Julius, das Schicksal hält sich schadlos an unserer Tochter, und Du bist Schuld an ihrem Unglück!" Herren vr. Oertel und Sacyße wurden auffällig schweigsam und ein für den Letztgenannten erlassenes Flugblatt, unter zeichnet von „M. Otto, Pandritzsch, Mitglied des konserva tiven Vereins", verleugnete geradezu den Bund und seine Fübrer, indem er in seinem ersten Satze es bedauerlich fand, daß nationalliberale Redner „die Wünsche einiger Vertreter des Bundes derLandwirthe beimNeichS- tage dazu benutzten, Herrn Sachße als einen Candidaten hinzustellen, der begehrliche uner reichbare Forderungen von der Regierung zu er langen festhalte". Man sieht, das Vorhandensein „begehrlicher, unerreichbarer Forderungen wird nicht be stritten", eS wird auch nicht bestritten, daß der Döbelner erwählte Candidat bisher solche Forderungen gestellt hat. Er hat sie aber aufgegcben, er „hält" nicht mehr daran „fest", weil er sich mit den Parteigenossen seines Wahlkreises überzeugen mußte, daß die weitere Be theiligung an den Sportsübungen der Herren v. Wangen heim, Du. Nösicke und vr. Hahn inS Unheil führen würde. Herr Sachße hat immerhin 5340 Stimmen erhalten, aber nach der vorauSgegangenen DeSavouirung der Berliner Bundesführer, der öffentlichen Lossagung von ihnen in der Zollpolitik fällt auch nicht einer einzigen dieser Stimmen die Be deutung eines Vetos für die Parole „7 Mark oder nichts" zu. Und ganz so verhält eS sich mit den in Wittenberg- Schweinitz, in Schaumburg-Lippe und anderwärts neuerdings für und von „BundeSbündlern" abgegebenen Stimmen. lieber -ie schriftliche Hinterlassenschaft Erispi's wird der „Schlesischen Ztg." aus Rom geschrieben: Wie ja bekannt, dauert schon seit einiger Zeit der Kampf der Fürstin Linguaglofsa mit dem Testamentsvoll strecker Damiani und auch der — Regierung um -ie hinter lassenen Papiere ihres Vaters. Die Tochter Crispi's kennt entschieden mancherlei Geheimnisse aus dem po litischen Leben des letzteren und ist in anerkennenswerther Weise bemüht, seinen Nachruf gegen alle Entstellungen zn sichern. Von ihr rührten auch jene Enthüllungen über das persönliche Verhältnitz des verstorbenen Königs zum afrikanischen Abenteuer her. Es sollte eine Warnung an das politische Italien sein, sich hier nichts entwenden zu lassen. Crispi's Wittwe, Donna Lina, zeigt sich jeden« Handel mit der Regierung wie auch mit anderen geneigt; dagegen besteht die Tochter darauf, bei der Sichtung und Negistrirnng der Schriftstücke mit ihrem Vertreter zugegen sein zu dürfen. Moralisch im eigentlichen Sinne dürften wohl auch diese Schriftstücke die Gestalt Crispi's schwerlich völlig reinigen, aber sie werden zweifellos Licht über das Milieu verbreiten, in dem er leben und wirken mußte, und so ihn politisch möglicherweise vielfach entschuldigen. Dieses Milieu nun setzt jetzt alles daran, die Veröffent lichung eines Theiles der hinterlassenen Schriften zu Hintertreiben. Auch der Hof ist, wie schon angedeutet, daran bcthciligt; ähnlich der Vatican, d. h. nicht so eigent lich der Vatican selbst, als die Welt in und um diesen. Crispi hat niemals seine Gedanken vom Vatican ab schweifen lassen; besonders von 1888 ab bis zn seinem Ende hin hat ihn unablässig der Gedanke beschäftigt, den Va tican der inneren italienischen Politik dienstbar zu machen. Der Papst selbst war thatsächlich zweimal bereit, eine Art von Versöhnung einznlciten: im letzten Augenblick haben dann die Intransigenten es zu verhindern verstanden. So scheiterte auch der letzte Versuch Crispi's, die Klerikalen gegen die extremen Parteien zur Wahlabstimmung zu bc- Julius machte eine Bewegung der Ungeduld. „Das ist auch noch so «ine alte, ärgerlich« Angewohnheit von Dir, Gespenster zu sehen, wenn Andere sich freuen! Habe ich damals auch nur ein Wort des Vorwurfs laut werden lassen, als Du mit Malchow den Pact geschlossen hattest?" Du, Julius?! Du warst ja froh, daß — aber lassen wir doch das Alles ruhen, die Gegenwart ist schwer genug zu er tragen." „Und mein Princip ist es, mir «ine Bürde nach Möglichkeit zu erleichtern! Wenn dieser heimtückische Franke mir nicht den dummen Streich mit den Wechseln gespielt hätte, so wäre jetzt All«s gut! Es ist aber, als solle man nie aus der Sorge heraus kommen!" Martha hatte nur zerstreut auf seine letzten Worte geachtet. Sie war in einer so trostlosen Stimmung, sie wollte Julius noch bitten, freundlich gegen die Frankes zu sein, aber mit einer brüsken Bewegung hatte Julius sich schon abgewandt und näherte sich der Thür. Die Zurückbleibende glitt schwer in den nächsten Sessel. Ihr Kopf sank vornüber. Ein lautloses Schluchzen durchzitterte ihren ganzen Körper. Sechstes Capitel. Es war am Morgen desselben TageS. Schon zu sehr früher Stund« flammte in allen Räumen der Franke'schen Wohnung Heller Lichtschein auf. Es war gewohnheitsgemäß, daß die öltest« Tochter des Hauses, die zarte Margot, mit der Dienstmagd zusammen auf stand, um im Verein mit dieser die Reinigung der Stuben vor- zunehmen. Die beabsichtigte Schlittenparkie, an der ja auch Margot theilzunehmen gedachte, änderte daran nichts. Mochte nun ein Ball- oder gar ein Hochzeitsfest winken, die Hausarbeit mußte erst gethan werden, davon gab es keinen Dispens. Um sieben Uhr war der Kaffeetisch gedeckt. BlüthenweißeS Leinen lag auf dem Tische, schöngeformte Tassen umkränzten ihn, frische Brödchen und gute Butter, die noch nicht angeschnitten sein durfte, wucktcn sehr einladend, die Hängelampe entsandte ein klares Licht und vom Kaffeewärmer dicht umhüllt, stand die buntgemusterte Kanne auf silbernem Tablet, daneben auf sieden dem Wasser die heiße Milch und in einer wunderhübschen Krystallschale guter Stückenzucker. Margot'S flinke Händ- besorgten die täglichen Obliegenheiten im Umsehen. Sie war bereits gewaschen und frisirt. Ein Helles Morgcnkleid, da» eigentlich für d«n Sommer ge« eignet erschien und die zitrlichen Mädchenfüß« Si» über di« Knöchrl
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview