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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 18.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-18
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020218026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902021802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902021802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-02
- Tag1902-02-18
- Monat1902-02
- Jahr1902
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s. - 15,44. — I.: 1-8,12 (von ). — 12,53. — 3. — 3,17. — — 1-6,41 (von . — *9,52 <am Bahnhofs). — ,29 (auch von 2,82. — 13,55 weiter. Büffet» io). — *9^0. (von Srimmal. 8. — 1-11,36 Bahnsteig IVf). - 19,12 (Bahn- zig. Vorn,.: den auf Fest« (von Belgers- l. — Rachm.: . — 1-ö,b6. - n Lausigk nur ithaia). chm.r IM — — 13,35. - . u. 2. El.). — achmu 12,00. ?orm.: 1-7,46 achm.: 72,00. - fd.25 (von oon Halle). — - 17,30 (von . — *8,15-2-. — *11,E. n Schkeuditz), ille). — 1-6,40 — -s-8,07. — 8,03 (bi- Halle achm.: 12,38. iu Halle von rsonenzug). — le Schnellzug, 4- (bi« Halle f-8,03 (Aachen- Z. - «5.37N -esheim, 1. u. k(V-Zag).— ckranstädt). — el-Hridelberg- ;,43 (Wochen- llzug Weimar 11,03 (von — *3,00. — g über Groß- hentags von !5 (von Mar» V-Zug sl. u. LU IM). - t.: 11,06. — ra). — 16,45 — Nach»,.: il. — 15,4 , Pegau). — ». Kohlsurt- m Eilenburg). '12,434h. — 8. — 19,00 kohlsurt und - 110,39. — — Nachm^ Wagenclaffe Wagenclaffe, !t Schnellzug, u wird, erpackt« ein- »uellzügen n, mit Aus» wf, die Züge er. 4nöriv8sen. lben Preisen. » „ » „ Akte. Lt). korddeutsch, d. Bl. erb. Mze W ÄtzM ÄBKtt M ÄMi Nr. N, AMU, IU. Mw IM. <Ndcnil-A«sMbc.) Amtlicher Theil. Raubmord. Belohnung! Am Ascherrntttwach, am 12. Aebrnar dieses Jahres, früh zwischen nnd Uhr ist in Wurzen in ihrem Torgauerstratze Rr. 2Z z» ebener Erde gelegenen, unmittelbar von der Stratze aus zugängliche» Laden, die 67 Jahre alte liigarrenhändlerin Jshannr Wilhelmine »erw. Möser ermordet worden. Der Tod ist eingetreten dnrch sehr schwere Schädel- und Gehirtlberleiznngen, welche mittels eines kantigen, möglicherweise mit einer Schneide versehenen Werkzeuges mit gfatzer Gewalt zugesügt worden sind. Das Mördwerkzeug ist nicht aufgefunden. Geraubt sind: . «. ruu» etwa 156 Mark, bestehend wahrscheinlich in der Hauptsache aus Gold, zum Theil auch an» Silber münze, mit einem zur Aufbewahrung dieses Geldes dienenden, kleinen, gelben Holzkästchen, einer Spar büchse mit weitzcm Blechbeschlag und der Aufschrift „übe Sparsamkeit", sowie d. vermuthlich auch Cigarren nnd Etgaretten, von deneir die verschiedensten Sorten am Thatort sich befanden. Als Thäter kommen vermuthlich nicht blos eine, sondern zwei Personen in Frage: eine Mannsperson, die im Laden den Uebersakl auf die verw. Möser auSfährte, und eine AranenSperson, welche vor der Ladenthüre auf der Stratze Wache stand und dunkle Kleidung, wohl schwarzen Rock. auch schwarze Jacke und ein Kopftuch von angeblich rothcr Farbe trug. Ss ist an,«nehme«, datz der Thäter, welcher die Flucht durch ei» in den Hof führendes Fenster ergriff und dabet ein an diesem Morgen frischgebackcnes Franzbrödchcu verlor, die Gewohnheiten der Verstorbenen, Sie Oertlichkcit und die Art der Aufbewahrung de» Geldes gekannt hat. Der Thäter hat, um von Ser Stratze ans nicht beobachtet zu werden, die Scheiben der Ladcnthür mit einem Nocke der Ermordete» verhangen und hierzu als BefeftignngSmittel eine Haarnadel ans weihe« Metall benutzt, wie sie die Ermordete nicht besatz. Diese Haarnadel befindet sich bet der Polizeiverwaltnng Wurzen zur allgemeinen Besichtigung. Das Königliche Justizministerium hat eine Belohnung vo» Fünfhundert Mark Demjenigen ausgesetzt, der solche Angaben zu machen im Stande ist, datz auf Grund derselben die Ermittelung des Thäters oder der Thäter gelingt; für -en Fall, datz Mehrere Anspruch auf die Belohnung erheben könnten, behält sich das Königliche Jnftizminikterium die Bemessung der Anthetle vor. Es ergeht Hiermit an Jedermann das -ringende Ersuche», jede Beobachtung, die zur Aufhellung des Verbrechens dienen kann, sofort hierher oder der nächsten Polizeistclle mttzutheilen. Letpzi^, den 17. Februar 1»02. Königliche Staatsanwaltschaft. Vr. «r. Gerichtsverhandlungen. Der Dnellprocetz Falkenhage«. (Schluß) Präsident: Hatten Sie den Eindruck, daß der Angeklagte auf seinen Gegner gezielt habe? Ober förster Zimmer: Ja, gesehen habe ich es nicht, ich sah nur, daß Herr Falkenhagen in der Richtung auf den Gegner hielt und daß er in dieser Lage abdrückte, vb aber dabei gezielt worden, konnte ich nicht beurtheilcn. Staatsanwalt: Aus -er Art der Haltung der Pistolen konnte man aber wohl annehüten, daß er die Ab sicht hatte, den Gegner zu treffen. Zeuge: Den Ein druck hatte ich wohl. Staatsanwalt: Wenn er die Absicht gehabt hätte, vorbeizuschießen, wohin hätte der Lauf gerichtet werden müssen? Zeuge: In die Luft oder in den Erdboden. Staatsanwalt: Es ist be hauptet worden, daß der Angeklagte put der Pistole nicht umzugehen verständen habe. Der Zeuge glaubt, daß der Angeklagte in dem Bennigscn'schen Garten selbst einmal geschossen habe. Er selber sei ja außerdem ein Jäger. Angeklagter: Die erste Kugel ist wenige Schritte vor Herrn v. Bennigsen in die Erde gegangen. Zeuge: Das habe ich nicht gesehen. G e r i ch t s a s s e s s o r v. Simon war von Herrn v. Bennigsen ersucht worden, daß er das Amt .eines Unparteiischen übernehmen möchte, womit Herr Falkcnhageu sich einverstanden er klärt haben sollte. Da Herr v. Bennigsen ihm sagte, es handele sich nm Beziehungen des Herrn Falkenhagen zu Frau v. Bennigsen, ließ er -en Gedanken an ein Ehrengericht fallen. Er kannte Herrn v. Bennigsen als einen ruhig deckenden Mann, und es war ihm kein Zweifel, -aß Herr v. Bennigsen ein ehebrecherisches Ver- hältntß festgestellt habe. Präsident: Haben Sie dabei nichts Näheres erfahren? Zeuge Gerichts assessor v. Simon: Ich war sei Juli in Springe, habe aber davon nichts gehört. Präsident: Wie war die Bestimmung über die Kampfunfähigkeit zu ver stehen? Zeuge: Es war nicht die Absicht, daß einer der Gegner getödtet werden müßte. Das Commando habe „Eins, zwei, drei, Halt!" gelautet. Vor „Drei" durften die Pistolen nichtabgeschossen, nach „Halt!" nicht mehr geschossen werden. Die Entfernung war eine ver- hültnißmüßig große, etwa 22 Meter. Präsident: Welchen Eindruck machte -er Angeklagte? Zeuge: Als ich mit ihm die Bediygungen vereinbarte, schien er mir bewegt, als ob er vorcher geweint hätte. Nach dem Aus gang des Duells wat er gebrochen. Präsident: War Herr v. Bennigsen aufgeregt? Zeuge: Es läßt sich schwer ein Vergleich ziehen. Er war ztenzlich ruhig un gefaßt. P r ästdrnr: Wurde irgendwie gegen die fest gesetzten Regeln verstoßen? Zeuge: Irgend welche er hebliche Abweichungen habe ich nicht beobachtet. Prä sident: Unerhebliche Abweichungen? Zeuge: Ja. Beim zweiten Gange hatte Herr Falkenhagen nicht, wie es festgesetzt worden war, die Waffe zu Boden sinken lasten, was ich bemängelte. Ich nahm aber an und nehme noch heute an, baß es sich um ein momentanes Versehen handelte. Zeuge bestätigt die Vorgänge beim Duell, Falkenhagen sei im Duell ganz fassungslos gewesen. Er hätte angenommen, daß er getödtet würde, da Herr v. Bennigsen als vorzüglicher Schütze bekannt war. Zeuge Landgerichtsrath v. Simmler bekundet noch, daß er von Herrn Jahn, dem Schwager des Herrn Falkenhagen, gebeten worden sei, eine Versöhnung mit dem Schwerverwundeten zu ermöglichen. Landeshaupt mann v. Bennigsen hat aber erklärt, daß an diesem Orte jede Aussöhnung absolut ausgeschlossen erscheine. Seinen Bruder hätte derselbe nicht gefragt. Dem Zeugen Sanitätsrath vr. Secbvh m (Springe) war das Gerede im Orte ziemlich bekannt. Als der Landrath ihn ersuchte, -em Duell als Arzt beizuwohnen, habe er gleich gewußt, worum cs sich handelte. Beide Gegner seien sehr auftzet^gt gewesen. vr. Ehrhorn, der als Secunbant Faklenhagen's dem Duell beiwohnte, wußte auch gleich, um was es sich bandelte. Gexichtsaflessor Jahn aus Hameln ist der Verlobte der Schniestcr deS Angeklagten. Der An geklagte hat ihm mttgktheilt, daß cS sich in dem Duell um die Frau handele. Nach den genaueren Beziehungen habe er ihn nicht gefragt. Der Angeklagte war sehr niedergeschlagen und meinte, mit -cm Leben sei cs aus. ES sei ein schöner Traum gewesen. Er stellte dann noch ein Testament zu Gunsten seiner Eltern auf und ein Legat für Frau v. Bennigsen. Er sagte, daß er die Fra» außerordentlich geliebt habe. Wie er zu der Verirrung gekommen sei, habe ich, Zeuge, nicht fragen wollen. Da er meinte, er wolle in die Luft schießen, sagte ich ihm, bei so schweren Bedingungen sei eS nicht üblich. Ich rieth ihm, schnell, ohne hinzusehen, zu schießen. Ich sagte ihm auch, daß es seinem Gegner gar nicht lieb sein würde, wrnn er in die Luft schießen würbe. Ob daS Alle« dem Angeklagten auf dem Kampfplatze in den Sinn ge kommen sei, weiß ich nicht. Nach dem Duell hak er den An geklagten im Gebüsch weinend und schluchzend angetroffen. Er rief aus: Wie bas nur möglich sei, er sei doch der schuldige Theil. Bürgermeister a. D. Schmibt in Ber lin, ein langjähriger Freund de» Abgeordneten Falken hagen, der seinen Sohn zu ihm geschickt -ave, erzählt sehr umständlich, «ie sich der Angeklagte itz verttn verhalten habe. Da Falkenhagen keine Ahnung von den Gesetzes bestimmungen gehabt habe, sei er mit ihm zu dem Justiz rath Krause, dem Vicepräsidenten des Abgeordneten hauses, einem langjährigen Freunde des Vaters, ge gangen. Dieser war nicht zu Hause, und der Bruder des selben, Rechtsanwalt Krause, rieth zur sofortigen Anzeige. Zeuge habe -cm Angeklagten, der sich mit Selbstmord gedanken zu tragen schien, bei sich festgehalten und sei mit ihm den Abend bei Siechen nnd Kompinsky und in einem East' zusammen gewesen, um von der Familie des An geklagten noch weiteres Unheil abzuwenden. Nach Vernehmung von Sachverständigen, die den Schliß als todtlich bezeichneten, wird die Beweisaufnahme geschlossen. Fran v. Bennigsen war sogleich im An schluß an die Vernehmung des Angeklagten in geheimer Sitzung vernommen worden. AuS der Aussage deS Zeugen Schmidt ist noch zu erwähnen, daß er mit dem Angeklagten in das Centralhotcl zurückgckehrt sei. In der Friedrichstraße seien sie von vielen Mädchen angesprochen worden; doch habe der An geklagte Alle entschieden zurückgewiesen. ES ergreift nunmehr das Wort der Erste Staatsanwalt Kietz zum Plädoyer. Die öffentliche Meinung ist in weiten Kreisen unseres Volkes durch mcbxerc bedauerliche Vorkommnisse auf dem Gebiete des DnellwcsenS fehr erregt worden. Dabei zeigen sich scharfe Gegensätze über die Auffassung des Duells. Während die eine Seite das Duell für ein Uebel, wenn auch bei unseren gesellschaftlichen Verhältnissen als ein unvermeidliches Uebel, betrachtet, behandelt der andere Theil cs als den menschlichen und göttlichen Einrich tungen widersprechend. Es ist nicht meine Absicht, das pro und contra hier zu erwägen. Ich stehe hier als Ver treter des Gesetzes und habe dafür einzutreten, daß der ganze Ernst des Gesetzes zur Anwendung komme. Diese Aufgabe haben auch Sie, meine Herren Geschworenen. Es ist dabei glcichgiltig, wie Sic persönlich zum Duell stehen, nnd wie Sie handeln würden, wenn praktisch diese Frage an Sie heranträte. Sic haben hier nur über das Gesetz zu wachen nnd die Ucbertrctung zur Strafe zu bringen. Ich habe von dem Ernst des Gesetzes gesprochen, der in gewissem Maße auch bei der Ducllfrage vorliegt. Die Tödtung durch das Duell ist herausgehoben aus dem ge wöhnlichen Morde und Todtschlag, und das ist ganz na türlich. Die neulich gemachten Anregungen, die Duell- tödtung gleich zu stellen dem Mord und Todtschlag, ist mcinesErachtcnsganzunmöglich. JmaltenLandrcchtwurdc unter Gleichstellung mit dem Morde und Todtschlag die Duclltödtung mit dem Tode bestraft. Davon hat man mit Recht Abstand genommen. Wenn Reformen berechtigt sind, so liegen sie in der Verschärfung der Strafbestim mungen für in frivoler Weise hcraufbcschworcnc Fälle. Ich glaube nicht, daß die Sitten nnd Gebräuche, die seit Jahrzehnten im Volke wurzeln, durch Reformen abzu ändern sind. Die den Geschworenen vorgclcgtc Schuld frage lautet: Ist der Angeklagte Falkenhagen schuldig, am 16. Januar dem Landrathc v. Bennigsen im Duelle gcgenübergestandcn und seinen Gegner getödtet zu haben? Ich habe vorhin von dem Ernste des Gesetzes ge sprochen. Datz das Gesetz hier keine schlechte Handhabe bietet, beweist, -atz für Tödtung im Duell eine Strafe Vis zu 15 Jahren festgesetzt ist. Ich hoffe, daß der Spruch so ansfallcn wird, daß man wohl von dem Ernste deS Gesetzes sprechen kann, und ich hoffe, daß, wenn daS Gericht die verschiedenen schweren Umstände berücksichtigt, Keiner wird sagen können, daß cs keine schwere Strafe ist, wenn Jemand im Alter des Angeklagten auf Jahre hinaus in Haft gehalten wird. Die anderen Vorkommnisse aus Duellen, welche die Oeffcntltchkett bewegten, waren so, daß sic zwischen einander unbekannten Personen und meist in Folge der Trunkenheit sich abspielten, wobei die Veranlassung in schreiendem Gegensätze zum Ausgange stand. Daß der Landrath v. Bennigsen durch das Ber- hältnitz -es Angeklagten zu seiner Ehefrau tief in's Herz getroffen worben war, stellt hier einen ganz anderen Sach verhalt her. Wenn es für ein Duell einen Anlaß giebt, so liegt er hier vor. Es liegt mir dann zur Beurthcilung der Schuldfragc die Aufgabe ob, das Duell in's rechte Licht zu setzen. Der Angeklagte ist wohl herauSgefordert worden, aber die Ursache war keine frivole, sondern eine ernste, und wenn Jemand Schuld an dem Duell hatte, so war eS -er Angeklagte. WaS den Landrath v. Bennigsen anbe- trifft, so muß gesagt werden, daß seine Ehre nicht ange- griffen werden konnte, wenn ein Anderer ihm gegenüber ehrlos handelte. Ich meine, daß Niemand berechtigt ge- wesen wäre, Herrn v. Bennigsen einen Borwurf zu machen, wenn er aus männlich ernster Entschließung, auS Rücksicht auf seine Kinder und Familie, nicht zum Duell geschritten wäre, aber auch ebenso wenig, wenn er aus einer anderen Auffassung heraus zum Duell schritt. In seiner Liebe und Freundschaft sah er sich betrogen. Solche Erbitterung mutzte ihn erfüllen, wenn er an feine Kinder, sein zerstörtes Familienleben dachte. Da mutz man wohl sagen, -atz Sie Forderung menschlich berechtigt war. Um so mehr ist ber Ton eine» hiesigen Blatte» zu bedauern, das von dem Landrathc in Springe schreibt, der sich „in eine Schießerei eingelassen habe". Der Ton der Verächt lichkeit paßt nicht auf eine Situation, wo die Ent schließung aus einem dnrch bittere Qual bedrängten Herzen kommt, und wo der Betreffende noch dazu auf dem Tvdtenbette lag. Der Staatsanwalt erörtert dann noch die einschlägigen Gesetzesparagraphcn und kommt dazu, daß die Schuldfrage zu bejahen sei. Es sei nicht nöthig, daß -er Angeklagte die Absicht hatte, -en Gegner körperlich zu verletzen oder zu tvdten, wenn ihm auch glcichgiltig war, was ihm ge schehe. Zum Schluffe möchte ich nochmals der Hoffnung Ausdruck geben, daß Sie der beleidigten Ge rechtigkeit zu einer angemessenen Sühne verhelfen mögen. Ich glaube, daß Sie hier mit ruhigem Gewissen Ihr Schnkdig aussprechen können; denn die Schuld, die der Angeklagte durch den Tod seines Gegners auf sich geladen hat, ist größer, als sie durch die Strafe getroffen werden kann. Wohl ist über ihn manches Unwahre behauptet worden. Es ist nicht wahr, daß er sich nach dem Duell in Berlin die Nacht hindurch herumgetricben habe. Die im Abgevrdnctenyause besprochenen Behauptungen sind auch nachher richtig gestellt worden. Ich mache ihm auch keinen Vorwurf daraus, daß er in der so furchtbaren Aufregung Sect getrunken hat. Auch sein Verhalten im Duell war durchaus tadellos. In dem einen Falle ist es nur eine instinetive Armbcwegung gewesen, was man ihm zum Vorwurf machte. Anders freilich liegt es bei den Um ständen, die dem Duell vorausgegangen sind. Es wider strebt mir, einem Manne vorn Bildungsgrade des An geklagten, der für ein« beleidigendes Wort volles Ber- ständniß hat, mit starken Worten nahe zu treten. Meine Pflicht zwingt mich aber doch, daS zu sagen: Er hat falsch und verrätherisch an Herrn v. Bennigsen in einem das ge wöhnliche übersteigenden Maße gehandelt. Er hat ein und ein halbes Jahr mit der Frau Verkehr gehabt und hat cs fertig gebracht, im Hause des betrogenen Ehemanns zu verkehren. Er hat damit daS größte Matz von Heuchelei und Falschheit gezeigt, und er hat unsägliches Elend über eine Familie gebracht. Landrath v. Bennigsen ist der Träger eines in Deutschland und über Deutschlands Grenzen hinaus bekannten und auch von den Gegnern hochgeachteten Namens. Wir können nur unser tiefstes Mitleid zum Ausdruck bringen darüber, daß dem greisen Staatsmann, der die politische Führung zehn Jahre lang in Deutschland hatte, sich ein sehr schwerer Schatten auf seinen Lebensabend senkt. Ich erinnere noch daran, was der Angeklagte sittlich ungerichtet hat in Bezug auf die Kinder. Das älteste Kind war schon in einem Alter, datz so Manches in seiner Erinnerung bleiben konnte. Die Kinder sind von ihrer Mutter getrennt worden. Die Schuld der Frau ist in der Oefsentlichkcit genügend ge kennzeichnet, aber nicht so entlastend für den Angeklagten, -atz Sie nicht mit vollem Ernste ihn schuldig sprechen könnten. Der Vcrtheiüiger erklärt in einem einzigen Satze, -aß die Geschworenen ihr schuldig aussprcchcn wür de», und er könne nur erklären, datz er-das, was der Erste Staatsanwalt ausgesprochen, als zutreffend anerkenne. Weitere Ausführungen behalte er sich bei der Bemessung deö Strafmaßes vor. Die Geschworenen bericthcn nur wenige Minuten. Ihr Spruch lautet auf schuldig. Es erhält sodann zum Strafmaß der Erste Staats anwalt das Wort: „Zu Gunsten des Angeklagten ist der Umstand in Betracht zu ziehen, datz er mit einer um so viel älteren Frau in Beziehung gestanden habe. Die Details des Verkehrs haben wir hier nicht ansklären können; aber es liegt klar auf der Hand, daß ohne ein ge wißes unstreitiges Entgegenkommen der Fran v. Ben nigsen der Angeklagte zu diesen Beziehungen nickt hätte kommen können. Gleichwohl glaube ich, -atz Sic Ver fehlungen des Angeklagten so schwerer Art sind, daß sie eine strenge Strafe erheischen." Der Staatsanwalt be antragt 8 Jahre Festungshaft. Der Ber the idig er bittet um eine mildere Beurthcilung. Er erkenne an, daß sein Mandant schwere Schul- auf sich ge laden habe. Es liege ihm fern, einen Stein auf Frau v. Bennigsen zu werfen. Sie sei eben von allen Setten ge richtet. Sic hat ja zugestehen müssen, daß sie dem Ange klagten das größte Entgegenkommen bewiesen hat. Zu Gunsten des Angeklagten müsse seine Jugend gerechnet werden. Er war damals 26 Jahre alt. Wer widersteht wohl da der Versuchung? Es würden wohl nur wenige unge Leute seines Alters eine solche Charakterstärke be sitzen. Juristisch und menschlich falsch wäre es, den Ehe brecher im Duellanten zu bestrafen. DaS Gericht vcrurtheilt den Angeklagten zu 6 Jah ren Festungshaft. Strafschärfend kam dabei der Umstand in Betracht, daß er durch den Ehebruch dem Landrath v. Bennigsen den grüßten Schimpf angethan habe, der einem Manne angethan werden kann. — Fer ner, daß er sich nicht scheute, dem von ihm Beleidigten mit der Waffe in der Hand cntgcgcnzutreten, den Kindern, denen er schon die Mutter genommen hatte, nun auch noch den Vater zn ranben. Strafmildernd wurde in Betracht gezogen, daß die bedeutend ältere ehebrecherische Frau die Hauptschuldige war. Als unwiderleglich mußten die Behauptungen des Angeklagten angenommen werden, daß cs nicht feine Absicht gewesen sei, seinen Gegner zu tödtcn. Weiter wurde berücksichtigt seine ernsthafte Reue, die er nach der That gezeigt habe. Der Angeklagte und sein Bertheidiger erklärten, daß le auf das Rechtsmittel der Revision verzichten. Der Angeklagte trat sofort, 2 Uhr 46 Min., seine sechsjährige Fcstungsstrafe an. Königliches Landgericht. 6. Leipzig, 17. Februar. In der neunten Abendstunde des 2. December wurde ein vor einem Grundstück der Ritterstraße stehender, mit einem Hunde bespannter und dem Fleischermeister T. gehöriger Handwageu, auf dem sick mehrere Fleischmulden mit zehn Pötelschinken und sünf Schweinsköpfen befanden, gestohlen. Der Wagen mit dem Hunde wurde am Svätabend in dem Hofe eines Grundstücks am Jodannisplatz vorgesunden, die gestohlenen Fleisch- waaren aber bis aus einen Schinken bei einem gewissen H. in dessen Wohnung in der Antonstraße beschlagnabmt. Am 17. December gelang »S auch, den Dieb in der Person des 26 Jahre alten Böttchers Georg Gustav Paul Sch. aus Berlin zu er» Mitteln und in einer hiesigen Herberge frstzunehmen. Sch. kam am Abend deS 2. December mit seinem Freunde, dem 22 Jahre alten Schlosser Ludwig P. aus Lublinitz vom Brühl durch die Ritterstraßr und sah daS Hundrgeschirr ohne Aufsicht stehen. Sofort faßte er den Entschluß, die Schinken zu stehlen und forderte P. zur Tbeilnabm- auf mit den Worten: „Da ist ein guter FeiertagSbraten!" AlS P. nicht gleich zogriff, saßt« Sch. den Hund beim Kopfe und fuhr fort. In der Salomonstraßr erreichte P. seinen Gefährten, sie ließen nun daS Geschirr stehen, packten die Schinken und SchweinSkvpse in die Molden und trugen sie zu dem mit Sch. befreundeten H. Dann kehrten sie zurück und fuhren daS Geschirr nach dem Johannisplahe. Die Nacht verbrachten sie bei dem 34 Jahre alten Schlaffer Gustav Max M. auS BolkmarSLors, der dafür einen der gestohlenen Schinken zum Geschenk erhielt. Als am anderen Morgen Sch. und P. die bei H. eingestellten Fleischwaaren abholrn wollten, waren die» selben, da tz. Anzeige erstattet hatte, bereits dem Eiqenthümer wteder zarückgegeben worden. Zwar gelang eS P. und Sch. zu ent kommen und nach Halle zu flüchten, als sie aber am 16. December nach Leipzig zurückkrhrten, ereilte sie ihr Schicksal. Sch. wurde weqen Diebstahls im Rückfall«, P. und M. wegen Hehlerei unter Anklage gestellt. Da Sch. zur Zeit der That arbeitslos war und sich in Noth befunden hat, wurden ihm mildernd« Umstände zu gebilligt und di« Straf« auf «in Jahr drei Monate Se- fängniß und dr,i Jahr« Ehrenr«chttvrrlost festgesetzt. P. erhielt vier Monat«, M. sechs Wochen GeiLngnitz zadictirt. Bei Sch. und P., welch« sich in Host befanden, wurde j, 1 Monat der »rkannw, als durch dieselbe verbüßt erachtet. Goethe-Gesellschaft. H Leipzig, 15. Februar. Der zwölfte volksthümliche Abend der Goethe-Gesellschaft führte die zahlreichen Theil- nehmer auf philosophisches Gebiet. Im erste»» Theil sprach Herr Lr. wvä. Löhrmann über „Das Pathologische bet Goethe", gestützt auf die Werke des Dichterfürsten und auf die Gespräche mit Ecker mann n. s. w. Er führte unter Anderem etwa Folgendes aus: Bei Goethe trifft besonders zu, daß sich die Charakter eigenschaften der Eltern auf ihre Kinder vererben. Von einer lebensklngen, tief empfindenden Mutter stammend, mar Lebensklngheit, scharfer Verstand und tiefe Empfin dung sein eigen, während er vom Vater hierzu ernste Be harrlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Lerneifer ererbt hatte. Goethe kam scheintodt zur Welt und hatte als Kind ver schiedene Krankheiten zu bestehen. Später zeigte sich An lage zur Hypochondrie und Üeberreiztheit der Nerven durch Ueberanstrengungen. Es traten Blutstürze auf, Magenbeschwerden, lauter Krankheitserscheinungcn, die auf seelische Depressionen, Hang zn mystischer Schwär merei, Mißmuth und Eifersuchtsanwarrdlungen zur Folge hatten. Goethe suchte sie mit Erfolg durch den Aufenthalt in freier Natur zu bekämpfen. Wie weit seine Ueber- rciztheit ging, zeigt sich darin, daß er bis zum Ekel am Leben kam nnd sich mit Selbstmordgedanken trug. Aber er befleißigte sich, die Selbstbeherrschung wiederzugewin- ncn. In seiner „Jphigcnia auf Tauris" sehen wir, wie er sie sich wiedererobert hat. Goethe war bisweilen weich wie ein Kind, beim Lesen von „Wilhelm Meister" und dem fünften Act der „Jphigenia" weinte er. Das Dichten kam über ihn wie ein Fieber, oft auch im Traume. In den Neigungen zum weichlichen Geschlecht war Goethe nicht von Dauer. Die angeknüpften Berhältnisse wahr ten durchschnittlich nur zwei Jahre. Trotz des hohen Alters, welches Goethe erreichte, hat er immer gekränkelt. Seine Nachkommen waren lebensschwach. Aber seine Werke sinld seine unstersilichen Kinder. Lebhafter Beifall folgte den Ausführungen des Redners, dessen Schilde rungen und Gedanken wir hier nur flüchtig skizziren konnten. Herr Münch dankte dem Redner noch beson ders und beglückwünschte ihn zn seinem kürzlich gefeierten 80. Geburtstag. Nachdem Herr Alfred Richter- Gohlis das stimmungsvolle Gedicht „Des Kindes Engel" recitirt hatte, sprach Herr Capistranus in geistvoller Weise über „Die Liebe im Weltall". Auch aus diesem Vortrag können wir nur einzelne markante Aus führungen hcrausgrcifen. Wohin wir im Leben blicken, beobachten wir ein Zusammenströmen menschlicher Schwächen. Eine solche ist in allen Schichten eines Volkes die Eitelkeit oder Ehrsucht. Aber alle diese Schwächen sind nothwendige Contraste zu den Tugenden. Wir können nns nicht denken, daß alle Menschen gleich befähigte Denker seien. Dieser Zustand wäre ein ungesunder. Er würde ein Zurückgehen der Kultur bedeuten. Wenn überall gleiche Vollkommenheit herrschte, so herrschte Ruhe und Stillstand, kein Fortschreiten der Cultur. Der Pessi mist sicht nur die Unvollkommenheiten und kämpft um ihretwillen gegen daS Leben an. Die Erde ist ihm ein Jammerthal. Er begreift nicht, daß diese Unvollkommen heiten nothwendige Contraste sind. Der Optimist ver langt nach einem Aequivalent für sein Schassen. Er findet es in der Liebe. Die Liebe ist ein mit den nöthigen Kräf ten ausgestattctes Streben nach Bereinigung zur Aus hebung des Unterschiedes. Redner kam im Weiteren auf die verschiedenen Äeußerungen der Liebe, physische Liebe, Nächstenliebe oder helfende Liebe, Vaterlandsliebe u. s. w. zu sprechen. Er gab interessante Charakteristiken dieser einzelnen Kategorien der Liebe, und namentlich, was er über die Mutterliebe ausführte, war von großer Schön heit. Dann ging er zu dem eigentlichen Thema über, -en Erscheinungen der Liebe im Weltall. Di« Sonne vertritt hier die Mutterliebe. Sie erhält ihre Kinder. Der Haß ist aus -em Weltall verbannt. Die Ausführungen des Redners wurden ebenfalls mit großem Beifall ausgenom men. Im zweiten Theile folgten dann Recitationen be kannter Dichtungen deS Dichter-Philosophen Friedrich Nietzsche durch die Herren Siedel, Münch und Oeftmann. („An Goethe", „Dem unbekannten Gott", „Das Nacht lied", „Der Wanderer", das „Tanzlied" u. s. w.) Mcherbesprechuugen. Mit Beginn des Jahres 1902 sind die trefflichen vaterländischen Romane von Willibald Alexis Gemeingut geworden. Die Hendel- Bibltothek bringt nun die bedeutendsten der Werke in ihrer wohl feilen Ausgabe und erschließt damit den Schriften dieses warm herzigen vaterländischen Erzählers die weitesten Bolkskreife. Zuerst ist soeben ausgegeben worden: „Die Hosen de» Herrn von Bredow". In den allbekannten gelben Halleschen 25-/H-Heften (Nr. 1542—1545) ist dieser berühmte Roman nun zu 1 käuflich, in Leineuband 1,25 ^!, in elegantem Geschenkband 2 Nr. 1546 führt Friedrich Halm's dramatisches Gedicht „Der Sohn der Wildniß" (geh. 25/H, Leinenband 50^) dem deutschen Publicum in neuer wohlfeiler Ausgabe zu. — Ein neues Multatuli-Bändchen bringt die folgende Nr. (1547): „Die Braut". Schauspiel in fünf Acten. Deutsch von Karl Mischke (geh. 25 Leinenband 50 ^). — In autorisirter Uebersetzung auS dem Englijchen von M. Goulven bietet der Band Nr. 1548—1561 zwei Erzählungen von Prof. I. Shield Nicholson:„ Tboth ", — „ Toxar " (geh. 1 Leineuband 1,25 -«). — AuS der großen Menge dramatischer Schöpfungen des größten Dichters der spanischen Literatur Lope de Bega bringen die Bänd chen Nr. 1552, 1553 zwei der graziösesten Lustspieldichtungen: „Seine Sklavin" und „Wozu haben sie die Augen?" (geh. je 25 /H, Leinenband je 50 ^). — Den Beschluß der dies- maligen Serie bildet Sonja Kowalewski, die Docentin für Mathe matik an der Stockholmer Universität, mit der lebensvollen Schilde rung aus dem russischen Leben „Vera Vorontzofs". Deutsch von Frieda Hoffmann. — Alle hier angeführten neuen Bände dieser ausgezeichneten Sammlung besitzen die Borzüge der Hendel- Bibliothek. Der Bücherfreund verlange vom Berlage (Otto Hendel in Halle a. S.) vollständigen Katalog. ** * * * Sten »graphische Rundschau. Monatsschrift für Stenographen und Stenogrophiesreondr. HrrauSgegeben und geleitet von Mil Richter. I. Jahrgang Nr. 1. JahreSprris (zusammen mit der stenographischen Beilage) 3 60 VertriebSstelle: Paul Baumgürtel. Leipzig, Eisenbahnstraße 45, IV. Die vor un» liegende erste Nummer der „Stenographischen Rundschau" umfaßt 8 Seiten Text. In einem Leitartikel behandelt der Herausgeber dir Lage der deutschen Stenographie, während rin zweiter Aufsatz die Systemrevision des PrüfungSauSschuffes der SabelSberger'schen Schule beleuchtet. Eine Umschau verzeichnet kurz die wichtigsten Ereignisse auf steno graphischem Gebiete, insbesondere in der GabrlSberger'schen Schule Hieran schließen sich Bücherbesprechungrn und sonstige steno graphische Mitthrilungen, während ein Berzeichniß oon Büchern und fachwiffenschaftlicheu Aussätzen den Schlutz de» HesteS bilden. <* * - Fort uitt »en Echulprogrammen! Von vr. Heinrich Müller, Oberlehrer am BiSmarck-Ghmnasium zn Dt.-Wilmers- dorf. Berlin, 1902. Verlag vo« Otto Gerhardt, Dorothernstr. 6. Letzte Nachrichten. * AugSdurg, 18. Februar. (Telegramm.) Wie die „Abendzeitung" mittheilt, ist Aneißl nicht begnadig, worden, seine Hinrichtung wird vielmehr in den nächsten Tagen erfolgen. Nerautvwrtllcher Rrdachmw Vr. Hsn». Kilchltn, in Leimitz. Für den musikalisch«» Theil Adolf Nnttzartzt in Leipzig
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