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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.02.1901
- Erscheinungsdatum
- 1901-02-17
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-190102170
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-19010217
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-19010217
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-02
- Tag1901-02-17
- Monat1901-02
- Jahr1901
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 17.02.1901
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Vez«g»-Pre» « der Hauptexpedittou oder den im Stadt bezirk uad den Vororte» errichtete« Aut« oabestelle, adgeholt: vierteljilhrlich 4 60^ bei zweimaliger täglicher Zustellung tu- Hau- ^il 6.60. Durch die Post bezöge» für Deutschland u. Oesterreich: vierteljährl. S. Man abonuirt ferner mit entsprechendem Postaufschlag bei deu Postaustalteu in der Schweiz, Italien, Belgien, Holland, Luxem burg, Dänemark, Schweden und Norwegen, Rußland, de» Donaustaateu, der Europäisch«» Türkei, Egnpteu. Für alle übrigen Staate« tp der Bezug nur unter Kreuzband durch die Expedition diese- Blattes möglich. Die Morgen-kluSgabe erscheint um '/,7 Uhr, die Lbend-Au-gabe Wochentags um 6 Uhr. Le-actio« und ErveLitto«; IohanntSgaffe 8. Filiale«: Alfred Lahn vorm. O. Klemm'- Gorttm. LnwersitLtSstraße 3 (Paulümm), LouL Lösche, Katharinenstx. 14, Part, und König-Platz 7. 88. MMrUaMalt Anzeiger. Änttsölatt -es Königkichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Mathes und Motizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. Sonntag dm 17. Febmar 1901. Anzeige«.Preis die 6gespaltene Petitzeile LS H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (SgespaUen) 78 H, dar den Famlliennach- richten (S gespalten) 60 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungea und Offertrnannahme 86 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-AuSgabe, ohne Postbesörderung ^l 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Jinnahmeschlub für Anzeigen: Ab end-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck u«^ Verlag von L. Volz in Leipzig. 95. Jahrgang. Rus der Woche. Die Meldung, daß der sehr betagte General v. Werder, der einst unter sehr viel ander» gelegene^ Verhältnissen den guten Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland ge dient hat, mit besonderen Aufträgen des Kaiser- dem nächst nach Petersburg sich begeben werde, wird von der „Nordd. Allz. Zig." als unzutreffend bezeichnet; hinzu gefügt wird, daß Mißverständnisse zwischen Berlin und Petersburg nicht bestänven. Die letztere Behauptung muß überraschen; hatte doch erst dieser Tatze ein zur vorbehalt-losen Bertheivigung der auswärtigen Politik benutzte- Berliner Blatt r- für sehr glaub lich erklärt, daß der General eine gewisse Spannung zwischen den beiden Reichen beseitigen solle. Ob eine solche Spannung zwischen den Hofen bestehe, sei nicht bekannt ge worden, dagegen sei e- unzweifelhaft, daß die russiiche Politik in China der deutschen seit geraumer Zeit ernstliche Schwierig keiten bereite, und ,eS wäre daher nur begreiflich, wenn darüber auch in amtlichen Kreisen einige Verstimmung herrschte". Wir wissen natürlich nicht, welcher OfficiösuS io diesem Falle besser informirt ist; Verstimmungen zwischen verschiedenen Regierungen bestehen aber zweifellos und sie haben jedenfalls nicht ausschließlich ihre Quellen in deu ckinesiichen Verwickelungen. Deutschland ist freilich durch seinen Cdina-Vcrtrag mit England und über haupt durch eine in der Geschichte fast beispiellose Intimität mit dem Inselreiche für alle Fälle gedeckt. Ober doch nicht? Jedenfalls ist eS Großbritannien durch dieses Berhältniß in der Frage, di« ihm am meisten zu schaffen macht, der südafrikanischen. Und was da- werth ist, gebt aus den Darlegungen deS Lord Salisbury in der Adreßdebatte hervor. Der englicke Premier hält die glückliche ^Beendigung des BoerenkriegS für keine leichtere Aufgabe, als die gewesen, die die amerikanischen Nordstaaten im Secessionskriege zu be wältigen gehabt hätten. Dieser Krieg aber bade vier Iabie gedauert; der südafrikanische währt erst knapp anderthalb Jahre, Deutschland muß also noch für mehr als zwei Jahre aus Verwendung zu guten Diensten gefaßt sein. DaS recht deutlich zu Tage getretene Unbehagen über die dem Grafen Waldersee bereitete Stellung und die sehr tiefen Besorg nisse über den Stand der auswärtigen Dinge überhaupt haben den Veulschen Reichstag uicbt an einer raschen, rem sachlichen Erledigung der Cbinavorlage gehindert. Der Aufenthalt, deu Herr Bebel verursachte, war kurz und wäre »och kürzer gewesen, wenn der Kriegsminister nicht hätte befürchten müssen, durch die Jgnorirung der Ahlwardtiaden des social demokratischen FübrerS irgendwo anzustoßen. AuS dem Hause trat nur Herr Slöcker, für den keine Partei oder Gruppe verantwortlich ist, den tbeilweise sogar unter Verzicht aus die Berücksichtigung ihrer Unmöglichkeit aufgelischien Hunnen- Erfindungen deS Amateur-Chinesen entgegen. Der Reichstag hat recht daran gethan, seinerseits Herrn Bebel monologisiren zu lassen; ob er auch richtig verfuhr, als er die Cbina- Dorlage nicht zum Anlasse benutzte, über Vie auswärtige Politik der Regierung und was daran hängt Erkundigungen einzuzieben, se, dahingestellt. Jedenfalls wird er die nächste beste Gelegenheit dazu benutzen müssen. Im Uebrigen gilt von den Verhandlungen deS Reichs tages, wie auch deS preußischen Abgeordnetenhauses, was gegen End« der achtziger Iabre ein hervorragendes ReichstagSmilglied von ihnen sagte. Der inzwischen verstorbene Herr war einer der eifrigsten Besucher des Parlaments gewesen und hatte niemals mit der Anerkennung zurück gebalten, daß er, der von Hause eine gründliche politische Bildung besaß, „früher" auS den Verhandlungen viel gelernt habe. Als er aber „später" einmal längere Zeit von der Tbeilnadme an den Sitzungen abgehalten war, bemerkte er nach gründlichem Studium der stenographischen Berichte und noch sonstigen Ermittelungen über da« Versäumte: Man verliert wirklich nicht-, wenn man weg- hleibt. Das darf auch Der sagen, der ausnahms weise die Beratbungen der letzten Wochen nicht zu ver folgen in der Lage gewesen ist. Reichstag und preußische- Abgeordnetenhaus behandelten längere Zeit hindurch gleiche Gegenstände: die Polenpolitik und die Theater- eensur. Die beiden Körperschaften baden nickt-Greifbare- »u Tage gefördert. Odwobl im Reichstage dank der aus schlaggebenden Stellung deS CentrumS der polnische Ton und »m Abgeordnetenbause die Sprache de- deutschen Selbst erhaltungstriebe- überwog, ist da- Ergebniß hier so un befriedigend wie dort. Die Regierung har eS dem Anscheine nach aufgegeben, in der Polenfrage auch nur noch national correct zu reden. Der Staatssekretär v. PodbielSki vertrat im Reichstag seine materiell einen Rückzug vor dem Polen- thum darstellende „Sprachenverordnung" mit Worten, die deutlich erkennen ließen, daß eine mildere und schwächlichere Antwort auf polnische Provocationen gar nickt denkbar War, und im Abgeordnetenhause schwiegen die Minister gerade zu den herausforderndsten polnischen Angriffen und Gracchenklagen oder sie ließen einen Regierung-- commissar etwa- murmeln, was man nicht verstand. Wir geben anscheinend in der Polenpolitik auch in den Aeußerlichkeiten wieder caprivistischen Gewohnheiten ent gegen, die man in der Sache überhaupt niemals ernstlich gelassen hat. In der Frage der „Theatercensur" haben die Land tagsverbandlungen in sofern etwa- genützt, als eine Reihe im Reichstage von freisinniger Seite leichtfertig vorgebrachter Bebauptungen dort widerlegt wurde. Die Regierung fand, und da- ist bezeichnend, mehr Zustimmung mit der Er klärung, auf dl« Eensur nicht verzichten zu wollen, al« mit der Kundgabe der Bereitwilligkeit, dies« prophylaktische Wirksamkeit in die Hände von Schriftstellern zu legen. In der Tdat würde der letztere Weg zu einen TerroriSmu« von Schulen und Richtungen fübren, der ärger wäre al- ein gelegentlicher Mißgriff. Zustimmung fand und verdiente die Regierung auck im Großen und Ganzen mit der Begründung der Nichtbestätigung zweier zu Ge- «e'ndebeamten gewählten extremen Radicale». Die Herren hatten durch ercesfive Arußerungen die Grund- zu der Annahme geschaffen, »aß sie außer Stand« wäre», ein Gemeinwesen, dessen Angehörige verschiedenen politischen Richtungen anbängen, objectlv zu verwalten. Aber dasselbe wurde einem Consexvativea nachgewiesin und der ist zum Landratb ernannt worden. WaS Minister von Nhein baben zur Vertheidigung sagte, daß nämlich der con- servative Herr ein in unbestritten unpassenden Ausdrücken abgefatzte« Wablflugblatt nur unterzeicknct, nicht verfaßt bade, war mehr als schwach und eS klang wie ein Plaidoyer auf geminderte Zurechnungsfähigkeit. Die Wirren in China. Eine hübsche Geschichte über eine diplomatische Wendung Li- Hung-Tschang'S wissen verschiedene englisch« Blätter zu erzählen. Wir wir schon kurz meldeten, sollte im Auftrag« der chinesischen Regierung ein specieller Gesandter nach London gehen, um dem König Eduard zum Tode seiner Mutter zu con- doliren und ihn zu seiner Thronbesteigung zu beglückwünschen. Zu diesem Zwecke war am Hoflager in Singanfu der Mandarin unbestimmter Clafle Pohsi ausgewählt und «durch Li-Hung- Tschang dem britischen Gesandten in Peking, Sir Ernest Satow, präsentirt worden. Als nun der Vertreter Großbritanniens über die Personalien deS Herrn Pohsi genau Aufklärung verlangte und zu wissen wünschte, ob sein Rang auch der hohen Mission und der Würde des britischen Herrschers entspräche, stellte sich heraus, daß dieser Mandarin keineswegs ein« höhere Rangstufe bekleidete und nicht im General- oder Gesandten-Range steht. Diese Entdeckung erregte selbstverständlich in der britischen Ge sandtschaft in Peking Entrüstung, und Sir Ernest Satow hatte eine sehr aufgeregte Unterredung mit Li-Hung-Tschang, der sich alsdann in seiner ureigensten, aalglatten Manier aus der Affäre zog, indem er dem Gesandten erUärt«, daß Pohsi zwar vor der Hand allerdings nur ein untergeordneterMandarin sei,aber durch seine „literarische Bildung" und die zahlreichen von ihm be standenen Staatsexamina doch auf dem „geistigen Niveau" eines Vicekönigs stehe und dadurch begründeten Anspruch auf die Mission habe, die ihm zugedacht sei. Trotzdem war Sir'Ernest rücksichtslos genug, diesen „vielgeprüften" Mandarin nichtz anzu erkennen, uffd, damit nicht genug, die ganze englische Presse be-^ klagte sich bitter über diese Impertinenz. Man wittert ein« Be einflussung Li-Hung-Tschang'S durch seine russischen Freunde und legt deshalb dem Vorfall mehr Gewicht bei, als er sonst verdienen würde. Es wird energisch darauf hingewiesrn, daß das englische Prestige in China unter einer solchen Dreistigkeit auf jeden Fall leiden würde, und England habe in dieser Hin sicht drüben nicht mehr viel zu verlieren. * Berlin, 16. Februar. Nach einer der Direktion der Schantung- Eiienbahn-Gesellschaft im Drabtweqe zugeaangenen Mittbeilung auS Tsingtau ist die Gleisverbindung zwischen Tsingtau und Kiautschau am 9. Februar vollendet worden. Der Krieg in Südafrika. Tie Kopflosigkeit in der Eapeolonie. Aus Capstadt, 23. Januar, schreibt man uns: Es ist recht interessant, die durch den Einbruch der Boeren in die Cap- colonie entstandene Panik in ihren verschiedenartigen Be kundungen zu verfolgen. Zunächst waren di« Banken von der Panik ergriffen, so daß selbst solche, die kaum 15 deutsche Meilen von Capstadt entfernt ihren Sitz haben, eS für gerathen sanden, ihre Werthsachen schnell nach Capstadt in Sicherheit zu bringen und die Banken zu schließen. — Die Regierung beeilte sich, das Kriegsrecht in immer neuen Distrikten zu proclamiren, so daß jetzt mit Ausschluß einiger Hafenstädte daS ganze Land darunter steht, obschon ja nicht genügende Truppen vorhanden sind, dasselbe überall aufrecht zu halten. Und die Werbetrommel wurde mit Macht gerührt, oder besser, gleich «in Dutzend Werbebureaux in Capstadt geöffnet, um die nöthigen Mannschaften zur Unterstützung der Truppen zu gewinnen. Wer nur reiten und einigermaßen schießen kann, ist für 5 täglich b« freier Verpflegung willkommen. Was für eine Musterkarte von zu errichtenden „Armeecorps" mit schönklingenden Namen, um anzulocken, gicbt es nicht, wie: Prince of Wales Light Horse, Commandeur in Chief Body guard, Imperial Liccht Horse, Kitchener ScoutS, Warren Mounted Jnfantry, Colonial Defence Horse (die berüchtigten Bra-banditti), DnScollS Scouts, South African Conffabulary, CyclistS Corps, Medikal Staff Corps, Railwav Pioneer Regiment, die wegen der größeren Leben«- gefahr, der sie sich aussehen müssen, 1 täglich extra bekommen. Aber trotz des guten SoldeS können diese „Corps" nur mit Mühe auf eine Stärke von durchschnittlich 500 Mann gebracht werden. In allen Städten und Städtchen werden außerdem „Town- auards" (Bürgerwehr) gebildet, die sich meist aus den Reihen der JingoeS recrutiren, und deren manche nicht gerade im besten Leumund stehen. Als ein Curiosum verdient hier noch erwähnt zu werden, daß man in De Aar ernstlich daran denkt, auS Knaben von 10—16 Jahren ein Cadettencorps zu bilden, da« als Hilfs- oder ReservecorpS für den Townguard dienen soll, und daß man dort sehr hohe Erwartungen auf diese- Hilfscorps setzt. Das Stand recht giebt der Militärbehörde jetzt auch daS Recht, alle brauch baren Pferde zu fordern gegen einen mäßigen Preis, und wo Jemand abgeneigt ist, die Thiere, die er für seine Wirthschaft selbst nöthig hat, zu verkaufen, sie zu requiriren für irgend einen ProiS, den das Militär bereit ist, nach dem Kriege zu zahlen, falls der bisherige Eigenthümer sich loyal betragen sollte; im anderen Falls bekommt er gar nichts. Man braucht eben sofort 50000 dieser Opferthier«, um den Krieg fortsetzen zu können. Die Landwirthschaft wird darunter zu leiden haben, denn die in die Colonie eingefallenen Boeren requiriren ihrerseits außer Leben-Mitteln auch die besten Pferde (solche, die an freies Leben schon gewöhnt sind), so daß dir meisten Boeren ihrer drei haben, ein» zum reiten, und zwei, um Proviant und Munition zu tragen. Dadurch besitzen diese BoerencommandoS eine solche Be weglichkeit, daß man ihnen nicht beikommen kann. Di« Proclamirung de- Standrecht» brachte e» mit sich, daß man di« Waffen aller Art einzog, um einem allgemeinen Auf stande vorzubeugen. Neben wenigen guten Gewehren sieht man denn auch Leute die defecten Schießprügel, selbst solche, wo die Theile mit Bindfaden zusammengebunden find, mit spöttischer Miene abliefern. Und mit welcher verächtlichen Miene nun erst die Knaben ihr, Alraun» (Windbllchsen) dem gestrengen Herrn Commandanten einhändigen, kann man sich denken, denn die Nichteinlieferung auch dieses Spielzeugs kann Haueuntersuchung und eine Ordnungsstrafe bis 500 Pfd. Sterl. (10 000 <^) nach sich ziehen. Auch Piken, 'Dolche, Speere und Assagaien, ode> auch Theile derselben, werden besonders eingefordert. Die Jingo- presse nennt diese harmlosen Curiositäten eine „soiious urenaae" für di« öffentliche Sicherheit. * Eapstadt, 15. Februar. (Telegramm.) (Meldung des „Reuter'sckeu Bureaus".) Die Eingeborenen stellen hier infolge deS Auftretens der Pest die Arbeit ein. Eine Abordnung begab sich im Namen von 5000 Eingeborenen zu der zuständigen Behörde und machte ihr die Mitlheiiung, daß die Eingeborenen wegen der Pest nicht mehr arbeiten wollen und nach ihrer Heimalh zurückzukehreu wünschen. Die B-Hörde hat ihnen die Erlaubniß nicht ertheilt. Die Arbeiten in den Docks ruhen. Deutsches Reich. -7- Berlin, 16. Februar. (Ein neues Gift für das Volk.) D«r „Vorwärts" lenkt, wohl nicht ganz unbeeinflußt durch die Rücksicht auf das Interesse der socialdemokratischen Budiker, die Aufmerksamkeit auf die Likör- und Branntwein- Essenzfabrikation, deren unheilvolle Wirkung für die Volksgesundheit außer Frage steht, wenn die dem „Vorwärts" von sachverständiger Seite zugegangenen Mittheilungen über die Zusammensetzung solcher Essenzen zutreffen. Nach diesen von sachverständiger Seite stammenden Mittheilungen sollen die fraglichen Essenzen, z. B. Fuselöl, giftig«s Bittermandelöl u. s. w. enthalten. Daß das socialdemokratische Centralorgan vor dem Ankauf derartiger zur «Schnapsbereitung dienender Essenzen waryt, ist durchaus berechtigt. Aber mit Warnungen allein ist es nicht gethan. Der verständige Theil der Bevölkerung hört vielleicht auf solche Warnungen, sehr viele, weniger einsichts volle Leute dagegen schlagen sie in den Wind. Darum ist unseres Erachtens gegenüber dem neu ausgetretenen mißbräuch lichen Handel mit Spirituosen die Ergreifung gesetzlicher Maßnahmen umsomehr am Platze, als der Verkauf der Brannt- -veir.-^.^nzen nicht einmal oen Beschränkungen int erliegt, die sonst su. den Kleinhaaocl mit Branntwein vom Gesetzgeber getroffen sind. Unter „Kleinbandel" mit Branntwein wird wenigstens in den so genannten älteren Provinzen Preußens jeder Handel mit Mengen von weniger als einem halben Anker verstanden, der nicht in hölzernen Gebinden oder dem Geschäftsgcbrauche gemäß in etiket- tirten, versiegelten Flaschen stattfindet. Mithin ist der Verkauf von Branntwein-Essenzen, der natürlich in etikettirten, ver siegelten Flaschen bewirkt werden kann und ohne Zweifel bewirkt wird, keinerlei Beschränkungen unterworfen. Will man also Beschränkungen dieses Kleinhandels mit Spirituosen herbei führen, so wird man gesetzliche Bestimmungen treffen müssen, die dem Reichsgesetz über die Verwen dung gesundheitsschädlicher Farben oder dem ReichSgeseh über die Verwendung von Blei und Zink bei Eß-, Trink- und Koch geschirren ähnlich sind. Das zuerst angeführte Gesetz ordnet an, daß zur Herstellung, Aufbewahrung oder Verpackung der zum Verkaufe bestimmten Nahrungs- oder Genußmittel, sowie zur Herstellung kosmetischer Mittel, zum Verkauf bestimmter Spielwaaren, Möbelstoffe, Bekleidungsgegenstände, Kerzen, künstlicher Blumen und Früchte, Schreibmaterialien u. s. w. ge- sundheitSschädliche Farben nicht verwendet werden dürfen. Gleich- falls durch Reichsgesetz ist bestimmt, daß Eß-, Trink- und Koch geschirre und sonstige zur Herstellung, Aufbewahrung oder Ver- Packung dienende Geräthe und Aehnliches nur bis zu einem be stimmten Garde blei- oder zinkhaltig sein dürfen. Daß lediglich gesundheitsschädliche Farben und blei- oder zinkhaltige Ge säße d«r Fürsorge des Gesetzgebers unterliegen sollen, läßt stch schlechterdings nicht behaupten. Steht es fest, daß di« Brannt wein-Essenzen ebenfalls gesundheitsschädliche Stosse, ja sogar giftige Bestandtheilc, enthalten, so hat der Gesetzgeber umsomehr die Pflicht, einzuschreiten, je größere Verheerungen gerade diele Art gesundheitsschädlicher Stoffe anvichten kann. L. Berlin, 16. Februar. (Die württembergische Landwirthschaft und die Getreide; ölle.) Nach dem sechs demokratische Mitglieder der zweiten württembergischen Kammer für «ine Erhöhung der Getreidezölle votirt haben, be müht sich die „Frankfurter Zeitung" mit verdoppeltem Eifer um den Nachweis, daß die württembergische Landwirthschaft an einer Zollerhöhung gar nicht interessirt sei: nur 5 Procent der württem- bergischen Landwirthe sollen von den Getrekvezöllen Nutzen haben. Bewiesen wird diese Behauptung von dem Hauptorgan der süddeutschen Demokratie durch folgende Statistik. Von den württembergischen Landwirthen haben 99 722 1—5 Hektar im Besitz; diese Kleinbauern — um die Besitzer noch kleinerer Par zellen zu übergehen — bildeten die Hauptmasse der bäuerlichen Bevölkerung, und bei ihnen könnte von Getreideverkauf nicht die Rede sein, die meisten müßten noch Getreide hinzukaufen; 5—10 Hektar besitzen 36111 Landwirthe, 10—20 Hektar 17 546; auch diese Mittelbauern hätten nur zum kleinen Theile Getreide zum Verkauf; Großbauern mit 15—20 Hektar gäbe eS nur 7010, Be sitzer von 50—100 Hektar nur 417. — Auf Grund dieser Statistik ist die „Franks. Ztg." zu ihrer Behauptung gelangt. Wie wenig letztere aber mit den Thatsachen übereinstimmt, geht au» den nachstehenden Angaben hervor. Es ist ganz falsch, zu sagen, daß erst die Besitzer von 20 Hektar an Getreide verkaufen. Selbst ein Nationalökonom wie Professor Conrad, d«r be kanntlich keineswegs ein Agrarier und kein Freund einer Zoll erhöhung über die jetzigen Sätze hinaus ist, hat über den frag lichen Punct wörtlich geschrieben: „Einen Aortheil von dem Zoll hat nur derjenige Landwirth, der mehr producirt als er ge braucht, und daS ist erst bei einem Umfange der Ackerfläche von mindestens 2 Hektar an der Fall. Dazu kommen noch einige ländliche Tagelöhner, die an Naturalliefe rungen mehr erhalten, als sie gebrauchen." — Demnach sind schon unt«r den 99 722 württembergischen Kleinbauern, die einen Besitz von 1—5 Hektor haben, Zehntausend«, die Getreide verkaufen können. Nach der Beruf»- und Gewerbezählung vom Jahre 1895 gab e» in Württemberg 797 575 landwirthschaftliche Klein betrieb« von 2—20 Hektar, 231 264 bäuerliche Betriebe von 20 bi» 100 Hektar, 25012 Großbetriebe von 100 und mehr Hektar. Don der gesummten landwirthschaftlichen Fläche kamen 68,4 Proeent auf die Betriebe von 2—20 Hektar, 19,8 Procent aus die Betriebe von SC—100 Hektar und nur 2,1 Proeent auf die Großbetriebe von 100 und mehr Hektar. Angesichts dieser amt lichen Zahlen und der obigen Darlegung Conrad's wirkt die Be hauptung der „Franks. Ztg." geradezu komisch. (-) Berlin, l6. Februar. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgem. Zig." erklärt: Die Nackrickt eines hiesigen Blattes, daß fick der Generaladjutant v. Werder zur Beseitigung von Mißverständnissen nach Petersburg begebe, entbehrt jederBegründung. Solche Mißverständnisse bestehen nicht. (D Berlin, 16. Februar. (Telegramm.) Die „Nordd. Allgem. Ztg." schreibt: Ein in den Niederlanden erscheinende» Blatt, das sich schon mehrfach als unzuverlässig erwiesen hat, bringt die Nackrickt, daß der deutsche Generalkonsul in Capstadt, v. Ltndrqnist, einen Conflict mit dem dortigen englischen Gouverneur Mtlner gehabt und darüber tele graphisch nach Berlin berichtet habe. Wir stellen fest, daß an zuständiger Stelle von einem solchen Vorfall nicht daS Mindeste bekannt ist. (DaS betreffende Blatt (Wochen schrift) batte behauptet, Sir Alfred Milner bätte Herrn v. Lindequist, der Beichwerde wegen der Gefangennahme und gröblichen Behandlung eines Deutschen erhoben, die Tbüre gewiesen und sich geweigert, den deutschen Generalkonsul ferner zu empfangen. D. Red.) G Berliu, 16. Februar. (Telegramm.) Abgeordneter Rickert, dem wegen eines Herzleiden» vor einigen Tagen vom Arzte unbedingte Ruhe geboten worden ist, wird sich, wie die „Liberale Correspondenz" hört, zur weiteren Er holung nach dem Süden begeben. L. Krefeld, 16. Februar. (Privattelegramm.) Der kürzlich verstorbene Landtagsabgeordnete Seyffardt hat testamentarisch der Stadt Krefeld 150000 --t für VolkS- sckulzwecke und dem Vaterländischen Frauenverein 1000 vermacht. -r- Altenburg, 16. Februar. Nachdem die Regierung von Sacksen-Meiningen zur Steuerung der Wobnung-noth und zur Errichtung von Arbeiterwohnungen 300 000 dem Landtage zur Verfügung gestellt Hal, scheint unsere Regierung etwas Aehn- licdeSvorzuhaben. Wenigstens bat siesick vorgenommen,Mißstände in den WohnungSverbältnissen, welche durch die Zunahme der Bevölkerung in einzelnen Städten des Landes hervorgecufen sind, zu beseitigen. Um diesen Zweck zu erreichen, sind zu nächst die Sladträtbe von Altenburg, Schmölln, Meuselwitz und Kabla veranlaßt worden, Commissionen einzusetzen, welche die Wobnungsverbältnisse sorgfältig untersuchen sollen. Zu diesen Beratbungen werden sowohl die Bezirksärzte, als auch der Gewerbeinspector herangezogeu werden. V. Rudolstadt, 16. Februar. In der LandtagSstich- wabl im Landkreis Königsee ist Landrath Bock-KLnigsre gewählt worden. tll. Meiningen, 15. Februar. Im Landtage führte heute eine Interpellation der socialdemokratischen Abgeordneten, welche außerordentlichen Maßnahmen die Regierung zu treffen gedenke gegenüber den vom Grafen Posadowky im Reichstage anerkannten traurigen Verhältnissen der im Meininger Ober lande in der Spielwaareninduftrie beschäftigten Be völkerungskreise, zu langen Erörterungen. Abz. Hofmann begründete die Interpellation; ihm antwortete StaalSratb Schalter, welcher zugab, daß üble Verhältnisse bestehen, aber erklärte, die Regierung bemühe sich, solche soviel als möglich zu bessern. Weitere Verbesserungsvorschläge werde sie gern entgegennebmen, prüfen und, wenn angängig, in die Thal umsetzen. — In einer zweiten Sitzung am Nachmittag, die mehrere Stunden dauerte, wurde die Debatte über den Gegenstand fortgesetzt. Genebmigt wurde die Aufnahme von Darlehen für die Griffelbrüche (94 700 Mark), zur Errichtung eines ElektricilälswerkeS und für das Steinacher Eisenwerk (30 000 ^S). (D Cronbcrg, 16. Februar. (Telegramm.) Prinz Heinrich ist heute Vormittag von hier zum Besuche des Kaisers und der Kaiserin nack Homburg gefahren. Er kehrt Nachmittag voraussichtlich zurück und reist morgen früh nach Kiel ab. Oesterreich-Ungarn. * Pest, 16. Februar. (Telegramm.) Im Abgeord netenhaus interpellirt Franz Kossuth den Minister präsidenten über die Erwerbung des chinesischen Ge bietsstreifens in Tientsin. Redner fragt, ob die Er werbung mit Zustimmung und unter Berücksichtigung der Interessen Ungarns geschehen sei und, falls dies nicht ge schehen, warum der Minister deS Aeußern es unterlassen habe, den gesetzlichen Einfluß der ungarischen Regierung zu re- spectiren. Frankreich. Ausstand. * Chalou für SaSne, 16. Februar. (Telegramm.) Auch gestern und beute zogen größere Trupp» Aus ständiger in die Werkstätten der Metallarbeiter und er zwangen die Einstellung der Arbeit. Die verschlossenen Tbore einer Werkstatt wurden von den Unruhestiftern erbrochen. Als sich die Ausständigen anschickkeu, in geschloffenem Zuge nach der Stabt zurückzukehreu, versperrten ihnen Gendarmen und Soldaten den Weg und nahmen 25 Verhaftungen vor. Orienr. Bulgarisches Ministerium * Sofia, 16. Februar. (Telegramm.) DaS Ministerium Petrow bat seine Entlassung gegeben, da e- seine Mission mit der Durchführung der Wahlen als beendet betrachtet. Marine. C> Berlin, 16. Februar. (Telegramm.) Cont« - Admiral v. Sckuckmonn wird von seinem Posten al» Obrrwerst- director in Wilhelmshaven mit dem 31. März entbobeu und zur Versüguna deS Ehest der Marineslotion der Lstsee gestellt- Eapitän zur Lee Modrig wird mit dem l. April zum Öderwerftdirrctor in Wilhelmshaven ernannt werden. D Berlin, 16.Februar (Telegramm.) L. MS-„Branden- bur a ", Eommondant Lopitän zur Ser Rosendahl, ist am 15. Februar in Lsingtau ringttrofsru.
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