01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.04.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-04-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020419017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902041901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902041901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-04
- Tag1902-04-19
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Offertenannahme LS H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung .41 60.—, mit Postbesörderung 7V.—. Ilunahmeschluß sür Änzei-eu: Abeud-Au-gabe: vormittags 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: Nachmittag- 4 Uhr. Anzeigen sind stet- an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag- ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 96. Jahrgang. Der Vertrag über -ie Mandschurei zwischen Rußland und China. V. 8. Zwischen Rußland und China ist es endlich zu einer Einigung über -ie Mandschurei gekommen. Die beiderseitigen Regierungen haben, wie bekannt, einen Ver trag geschloffen, der das Schicksal dieses Gebietes und sein Verhültniß zu den europäischen Großmächten anscheinend Mgelt. Vielen mag der Inhalt des Abkommens auf den ersten Blick befremdlich erscheinen. Denn während man glaubte, Rußland werde sich nur unter starken Zugeständ« niffen Chinas zu einer Regelung der Frage verstehen, ent hält -er Vertrag äußerlich von dem Allen nichts. China er hält seine volle Regierungsgewalt in der Mandschurei wieder, das Zarenreich verpflichtet sich, seine Truppen zu rückzuziehen, und von -en Vorrechten, welche es hinsicht lich der wirthschaftlichen Ausnutzung der Mandschurei ver langte, ist mit keinem Worte -ie Rede. Unter diesen Um ständen ist es erklärlich, wenn -ie Londoner Presse über den Inhalt der Vereinbarung in Jubel auSbricht und von der „Nachgiebigkeit" der Ruffen spricht, -ie nur Lurch den britisch-japanischen Zweibund veranlaßt worden sei. Auch in Tokio ist man befriedigt und erblickt im Vertrage eine Niederlage Rußlands, deren Werth nicht hoch genug ver anschlagt werden könne. Prüft man indeß den Wortlaut des Abkommens, wie er im russischen „Negierungsboten" erschienen ist, so muß man zu der Erkcnntniß gelangen, daß Rußland eigentlich nichts verloren hat und sich, wie früher, in günstigster Lage in -er Mandschurei befindet. Gleich der zweite Artikel enthält eine überaus wichtige Bestimmung: China verpflichtet sich, den im Jahre 1866 mit -er Russisch-Chinesischen Bank ge schloffenen Vertrag genau einzuhalten. Dieser Vertrag war -er erste wichtigere Erfolg des Zarenreiches im Reiche der Mitte nach dem Frieden von Shimonoseki und betraf den Bau der großen Bahn, die Port Arthur mit Sibirien ver bindet und die Mandschurei an da» russische Eisenbahn netz angliedert. Der volle Inhalt beS Vertrages, der seiner Zeit den Neid der Engländer und Japaner in hohem Maße hervorgernfen hat, ist niemals amtlich bekannt gegeben worden? aber man hat doch so viel aus ihm erfahren, um die bedeutsamen Zugeständnisse von chinesischer Seite sofort zu erkennen. Wir wollen nur kurz auf die Thatsache Hin weisen, -aß die mandschurische Bahn die Spurenweite der russischen Linien besitzen muß, um den Handelsverkehr" zwischen beiden Ländern zu erleichtern; ferner, daß, im Falle von Streitigkeiten zwischen der Verwaltung der ost- chinesischen Eisenbahn mit der sibirischen und Uffurt-Linie, -er russische Finanzminister die Entscheidung treffen muß; endlich, baß die russische Regierung das Recht erhielt, zum „Schutz ihres Bahnmaterials" bestimmte Truppen an den größeren Stationen aufzustellen. Das sind doch jedenfalls wichtige Bestimmungen, -ie dem Zarenreiche in der Mandschurei eine bevorzugte Stellung sichern müssen. Alles dieses hat China abermals anerkannt, Rußland hat gar nichts pretSgegeben und kann deshalb nicht als auf -em Rückzüge begriffen hingestellt werden. Trotz der Räumung der Mandschurei wird -ie zarische Regierung also immer noch die Möglichkeit besitzen, gewisse Truppenabtheilungen in der Mandschurei zu halten. Es steht daS mich nicht zum jüngsten Abkommen im Wider spruch. Es heißt dort freilich, daß die Chinesen die Eisen bahn und deren Angestellte schützen müssen, aber im Ver trage vom Jahre 1896 ist ausdrücklich -er Fall vorgesehen, -aß die chinesischen Behörden ihren Pflichten nicht nach kommen. Daß man in Petersburg unter -en gegenwärtigen Verhältnissen keinen Grund zur Unzufriedenheit finden sollte, ist nicht anznnehmen. Außerdem bestimmt das jüngste Abkommen, daß die Russen nur dann ihre Truppen aus der Mandschurei zurückziehen sollen, wenn keine ,.Wirren" in China ausbrechen und die Handlungsweise anderer Mächte" sie nicht an dieser Absicht hindert. Das ist doch jedenfalls eine weitgehende Klausel, die die ver schiedensten Deutungen gestattet und die die Räumung der Mandschurei im Grunde in unbestimmte Ferne rückt. Die Russen haben freie Hand behalten. Wir wollen endlich die Bestimmung -es Vertrages erwähnen, nach welcher die Chinesen sich mit Rußland verständigen müssen, falls im Süden der Mandschurei Eisenbahnen gebaut werben sollen. Es ist nicht gesagt, ob diese Verständigung nur dann, wenn China -er Baumeister ist, vor sich gehen soll, ober auch, wenn andere europäische Staaten BerkehrSanlagen in der Mandschurei beabsichtigen. So viel aber ergtebt sich jeden falls, Laß Rußland hierbei eine entscheidende Stimme er hält und über den Bau von Eisenbahnen in China ein ge wichtiges Wort wirb mitsprechen können. In einer Krage hat das Zarenreich dem Anscheine nach allerdings nachgegebcn. Wie schon erwähnt, enthält daSAb- kommen über die Privilegien Rußlands bei -er wirthschaftlichen Ausbeutung -er Mand schurei nicht das Geringste. Ob man das über haupt in Petersburg gefordert, steht nicht mit voller Sicherheit fest; mehr als Gerüchte waren es nicht, die über diese Sache verbreitet waren; aber sie trugen ent schieden das Gepräge des Wahren. Sin derartiger An spruch entspricht vollkommen der russischen Taktik, die in Persien bekanntlich erfolgreich ins Werk gesetzt worden ist. Nun, wie die russischen Forderungen ursprünglich gelautet haben mögen, die etwaigen Wünsche, die mandschurischen Naturschätze allein zu verwerthen, sind unter allen Um ständen aufgcgeben worden. Darüber können die Eng länder und Japaner sich sicher freuen. ES war wohl auch nicht zum Geringsten die Befttrchtung, Rußland könne die goldhaltigen Bergwerke in seinen ausschließlichen Besitz nehmen, die die beiden Inselstaaten zum Widerstande gegen -aS Vorbringen des Zarenreiches bewogen. Da diese Ge fahr beseitigt ist, so giebt man sich im Uebrigen zufrieden, obwohl die Russen politisch ebenso fest wie früher in der Mandschurei dastehen nnd von einem Sinken ihres Ein- flusftS in Peking eigentlich nichts zu bemerken ist. Deutschland darf ebenfalls Genugthuung em- «finden, baß die reichen Bodenschätze der Mandschurei nicht von einem Vtaate monopolistri werden. Der dentsch« Unternehmungsgeist, der immer neue Gebiete er obert, wird sich -ie Gelegenheit nicht entgehen lassen, auch in der Mandschurei sich zu bethätigcn. Politisch haben wir dort keine Interessen, aber der Eintritt in die wtrthschaftliche Coucurrenz kann um so weniger ver wehrt werden, als deutsches Capital bereits im benach barten Korea betheiligt ist. Auf dieseWeise wird der Vertrag, was die wirtschaftliche Seite anbelangt, schwerlich irgend wo auf Widersprach stoßen. Seine politische Bedeutung aber wir- den Engländern und Japanern trotz der augenblick lichen Zufriedenheit noch manche ernste Gorge bereiten. Der Krieg in Südafrika. Die AriröenSverhandluusen. * Haag, 18. April. (Telegramm.) Der Boerendelegirte DolmaranS erklärte einem Berichterstatter, daß ihn, von dem im „Nieuwe Rotterdamsche Courant" heute verzeichneten Gerücht, nach dem die FriedenSverhandlungen in Südafrika abgebrochen worden sind, nicht- bekannt sei, und daß er durchaus keine Kenntnis über die Einzelheiten de- Gange- der Verhandlungen habe. * London, 18. April. (Telegramm.) „Daily Expreß" ver öffentlicht die Bedingungen der Boerenführrr, welche die Be gnadigung der Rebellen, indeß mit WahlrechtSentziehuag für fünf Jahre, di« Aufhebung der Lerbaanungsproclamation und die Rückkehr Krüger'« nach Südafrika umfassen. Schalk Burger soll gewillt sein, die Bedingungen rückhaltlos anzunehmen, während Delarey und de Wet auf der völligen Amnestie der Caprebellen bestehen. Sin Verräthrr * London, 18. April. (Telegramm.) Der britenfreundliche Borre HanS Sauer hielt in Bradford eine Rede, in der er er- klärte, bezüglich der Frage, ob der Boerenkrieg gerecht sei, brauche da- britische Volk sich keine Gewissensbisse zu machen. Unzweifel haft hätten nach Majuba die Holländer Südafrikas den Entschluß gefaßt, de» Uaion Jack au« Südafrika zu verdrängen. In Allem, wa- sie thate», hielte» sie diese- Ziel im Auge. Die Panafrikander« idee wurde vou Männern von großer Findigkeit unter Hofmeyr'S Führung mit merkwürdiger Hartnäckigkeit verfochten. Sauer be zweifelte den günstigen Ausgang der gegenwärtigen Unterhand lungen. (Magdeb. Ztg.) vom Kriegsschauplätze. Eine Depesche der „Morning Post" auS Pretoria meldet, daß die britischen Operationen in allen Theilen des Kriegsschauplatzes mit großer Energie und Entschlossenheit betrieben werben. Seit'Ankunft der Boerenführrr in den britischen Linien am 22.März sind die Boerenstreitkräfte um 861 Mann au Todten, Verwundeten, Ge fangenen und solchen, die sich übergaben, her abgemindert worden. Der Oranjestaat ist fast gänzlich von den Boeren gesäubert. Ueber die Gefechte gegen General Kemp bei Nootvalim westlichen Transvaal und gegen Beyers südlich von Pietcrsburg liegen nunmehr Einzelheiten vor, die Kitchener's knappe Meldungen ergänzen und er kennen lassen, -aß, wenn auch die Boeren in beiden Ge fechten nicht erfolgreich waren, sie -och mit größter Bra vour kämpften und besonders Delarey's Leute unter Kemp zeichneten sich Lurch selbst von den Briten anerkannte außerordentliche Tapferkeit und Todesverachtung aus, und man geht wohl nicht irre, daß Las Fehlschlagen -es An griffs auf Kekewich's Colonne wesentlich eine Folge der Abwesenheit des selten tüchtigen und militärisch begabten Obergenerals war, der durch Theilnahme an der sogen. Friedenskonferenz gezwungen ist, seine Leute weniger ge wandten und erfahrenen Führern zu überlassen. Der britische Erfolg von Rootval ist die erste wichtige Action unter der durch Methuen's Verwundung bedingten neuen Leitung -er Operationen im westlichen Transvaal durch General JanHamilton. Nach dem Gefecht von Brakspruit recognoscirte der General mit den Colonnen General Walter Kitchener's, der Obersten Rawlinson und Kekewich in der Gegend des Hart River. Bei Groot Hart River kamen die Briten in Berührung mit dem Feinde, der, sobald er die Absicht eines Angriffs erkannte, Ver stärkung von Wolmaranstad hcranzog und so seine Zahl auf 1500 Mann brachte. Oberst Kekewich scheint die Avant garde geführt zu haben, und als seine ersten Fühler an eine Höhe herankamen, entdeckten sie die Boeren zu Pferde in ciner Art BerettschaftSstellung, und eS war zu spät, noch zu melden. Die Boeren ritten sofort an — -er Angriff soll die Form eines regulären geschloffenen Cavallerie- Angriffs gehabt haben, indem die Boeren theilweise Knie an Knie ritten — und warfen die Borhut Kekewich's. Sie ritten bi» auf 80 Meter an die Hauptabtheilung heran, die abgesesien war und die Attaque mit vernichtendem Feuer empfing. So erklären sich auch die enorm hohen Verluste der Boeren und die sehr geringen Verluste der Engländer. Auf 80—40 Meter von der britischen Linie enisernt, brach der Angriff und die Boeren warfen ihre Pferde herum und galopptrten in einer Schwenkung an der Linie der Briten entlang davon. Die Leiche des Lom- Mandanten Potgieter, der den Retterangriff ge- führt hat, wurde auf 20—80 Meter von der britischen Feuerlinie entfernt liegend aufgefunden. Die Colonnen Rawlinson und Kekewich nahmen unter General Jan Hamilton'» Führung die Verfolgung der Boeren auf. Dieser Angriff der Boeren ist ein schlagender Beweis da für, daß ihre DiSciplin im Verlaufe des FeldzugcS sich außerordentlich entwickelt hat, denn im Anfänge des Feld zuge» kamen derartige Attaquen nicht vor und waren ein fach unbekannt. Der Correspondent de» „Standard" in Pretoria sagt: „Mit der Tapferkeit, die die Boeren in jenem District stet» ausgezeichnet hat, ritten sie über eine fast keine Deckung gewährende Ebene bis dicht an un» heran." Der Erfolg gegen Commandant Beyer» bet Holiospoort nnd die Wegnahme de» verschanzten Pylkop durch Oberst Colenbrander im Norden, etwa SO Meilen südöstlich von Pi«ter»Lurg, gründet sich in erster Linie auf -ie artilleristische Ueberlegenheit der Briten. Mit Retterei allein folgte Colenbrander den Boeren zunächst, sperrte die Zugänge zu dem zer klüfteten Bergdistrict von Moltpspoort ab und eilte dann nach Pietcrsburg zurück, uni Artillerie und Infanterie herbeizuholen, welch letztere auf Wagen transvortirt wurde. Mit siebe «Geschützen eröffnete der englische Oberst am 8. April in der Frühe Las Feuer auf den Ein gang von Moltpspoort, und bis zum Nachmittag dauerte die regelrechte Kanonade an. Dann war die Stellung zum Sturm reif und Füsiliere unter Oberst Murray, der schwer verwundet wurde, stürmten den Poort. Langsam zogen sich -ie Boeren, stets fechtend, von Stellung zu Stellung zurück, und zum Schluß mußte noch der sehr schmierige Pylkop gestürmt werden. Der Pylkop war der Schlüssel zn dem ganzen fruchtbaren Thale, in welchem Beyers schon so lange ungestört herrschte, und als er den Briten in die Hände fiel, war auch das Lager der Boeren, das er schützte, verloren. Die Operationen hier sind noch nicht beendet und die Briten hoffen, daß ihnen Beyers selbst diesmal nicht ent gehen wird. Er wird aber wahrscheinlich schon Mittel nnd Wege finden, seinen Rückzug auszuführen. Im östlichen Transvaal ist soeben ein Treiben von Bruce Hamilton beendet worden, welches er von der Heidelburg-Linie gegen die Standerton-Linie aus führte. Auch hier sollen die Verluste der Boeren schwer sein, und so würde trotz -er außerordentlichen Tapferkeit, welche sie auf allen Theilen des Kriegsschauplatzes gezeigt haben, die letzte Woche eine unglückliche für sie gewesen sein. Deutsches Reich. -7- Berlin, 18. April. (Ultamontane Stimmungs mache in der Schulpolitik.) Die Ausstreuung un- controlirbarer Nachrichten zum Zweck der politischen Stimmungsmache scheint beim Centrum je länger je mehr in Aufnahme zu kommen. Eben erst haben wir in Bezug auf daS angebliche Anerbieten hoher StaatSämter an Herrn vr. Lieber in dieser Hinsicht ein artige- Stück erlebt, und schon tischt die „Köln. VolkSztg." auf- Neue eine ähnliche Nachricht auf. Dieses Mal betrifft sie vr. von Miquel und die Schulfrage, für deren Lösung in klerikalem Sinne sie die Wege bereiten soll. Als Gewährsmann läßt das rheinische CentrumSorgan einen beim Falle des Zedlitz'schen VolkSschul- gesetzeö sehr angesehenen, mit Namen leider nicht genannten con- servativen Politiker auftreten, dem vr. von Miquel gesagt habe, daß die Regelung der Schulverhäitniffe, wie sie in einem Tbeil Oldenburgs, nämlich im Herzogtbum Oldenburg, be stehe, auch für Preußen das rechte „Expedient" sei. Diese oldenburgische Schulverfassung überträgt für die Protestanten die Schulaussicht — um es kurz zn sagen — einem evange lischen Oberschulcollezium von überwiegend weltlichem Cha rakter, sür die Katholiken dagegen einem überwiegend geist lichen Oberschulcollegium unter dem Vorsitz eines bischöflichen OfficialS. Einen derartigen Zustand soll vr. von Miquel deshalb für den wünschenSwerthen erklärt haben, weil er den Wünschen der Bevölkerung entspreche: ein vernünftiger Staats mann, der dauerhafte Zustände schaffen wolle, müsse solche Wünsche berücksichtigen. Auf die Autorität eines namenlosen Gewährsmannes hin wird diese Geschichte natürlich schlechter dings nicht geglaubt werden können. Und das um so weniger, je mehr innere Gründe gegen die Richtigkeit jener Erzählung sprechen. ES erscheint ausgeschlossen, daß vr. von Miquel, wie eS nach den Angaben der „Köln. VolkSztg." der Fall sein müßte, in seiner Unterhaltung mit dem namenlosen Con- servativen über die Schulfrage gar nicht von dem Interesse gesprochen haben sollte, das in Schulfragen der Staat im Gegensätze zu den Wünschen der Bevölkerung bat. Ein zweiter innerer Grund gegen die Richtigkeit der obigen Er zählung ist von Herrn vr. Lieber im Herbste de- Jahres 18S9 beigesteuert worden, vr. Lieber hat am 24. September zu Mainz auf dem hessischen Katholikentage seinen viel er örterten Angriff gegen vr. von Miquel gerichtet, indem er sagte: „Ich kann nicht Alle- sagen, waS ich weiß, ich kann aber Wohl sagen, daß es einen sehr einflußreichen Herrn im preußischen Staatsministerium giebt, der nicht- sehnlicher wünscht, al- daö Centrum aus seiner ausschlag gebenden Stellung zu verdrängen..." — Bekannt lich war mit dem einflußreichen Herrn im preußischen Staats ministerium vr. vou Miquel gemeint. Wollte aber, wir der CentrumSfübrer behauptete, vr. von Miguel daS Centrum au» seiner ausschlaggebenden Stellung verdrängen, so konnte er unmöglich die ihm setzt zugeschriebene Auffassung der Schul frage haben; denn die Ueberantwortung der staatlichen Schule an «ine geistliche Leitung, wie sie den Wünschen des KlerikaliSmuS entspricht, ist ein sicheres Mittel, die auSschlag- gebende Stellung deS CeutrumS zu befestigen. Selbst wenn vr. vou Miquel beim Falle d«S Zedlitz'schen BolkSschulgesetzeS die ihm jetzt in der „Köln. VolkSztg." zugeschobene Ansicht über die Volksschulfrage gehabt batte, mußte er sie logischer Weise im Jahre 18SS, wo vr. Lieber so scharf gegen ihn inS Zeug ging, preisgegeben haben. Wäre letzteres nicht der Fall gewesen, dann würde auch der zweite Angriff, den vr. Lieber zu jener Zeit gegen vr. von Miquel richtete, unverständlich oder unpolitisch, selbst vom CeatrumSstandpuncle aus, erscheinen. Bei diesem zweiten Angriffe, der am 22. October 1899 zu Mülheim a. d. Ruhr in einer Versammlung de» Volksvereins sür daS katholische Deutschland erfolgte, sagte Vr. Lieber: „Niemandem mehr als un-, kann «S so voll kommen gleichgültig sein, wer jemals auf dem einen oder anderen Ministersessel in Preußen sitzt." Di« Mobilmachung vr. Lieber'» gegen Herrn von Miquel bat daS rheinische ErntrumSvlatt Anfang Deermber 1899 in der Artikelserie „Vom Minister ohne Verantwortlichkeit" fortgesetzt. Dieser ganz« Feldzug Ware vom klerikale» Standpuncte aus uubearriflich, falls vr. von Miquel in der Schulfrage ein Mann »ach dem Herzen deS lUtramoatauiSmu« gewefeu wäre. Daß der Rückblick auf die angeführten Momente der neuesten Mär der „Köln. VolkSztg." den Schein der Glaubwürdigkeit von vornherein nimmt, wird von keiner Seite bestritten werden können. * Berlin, 18. April. Zur Auffassung der Frage über die Auslegung der Paragraphen 152/53 der Gewerbe ordnung über die Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen getroffenen Verab redungen ist vom preußischen Ministerium des Innern folgender Bescheid von Wichtigkeit: Taö Schreiben der künigl. Amtsanwaltschaft zu O. nebst den Strafacten wider D. wegen Vergehens gegen § 153 der Gc werbcordnung gebe ich mit dem Bemerken crgcbenst zurück, daß ich aus Anlaß der Freisprechung des Angeklagten die Frage der Auslegung deS 8 153 der Gewerbeordnung mit dem Herrn Justizminister erörtert habe. Nach dessen mit der diesseitigen Auffassung übereinstimmenden Ansicht sind unter den in 8 153 erwähnten Verabredungen auch die in 8 162 erwähnten Ver einigungen zu verstehen; es ist daher eine zur Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen getroffene Verab redung nicht nur da anzunehmen, wo durch Vereinbarung all gemeiner Maßregeln Lohn- und Arbeitsbedingungen generell günstig beeinflußt werden sollen. Die gegen einen Berab- redungözwang gerichtete Strafvorschrift trifft auch den Vereinigungszwang. Die von dem K a m m e r g e r i ch t in dem Urtheile vom 28. November 1898 bekundete abweichende Auffassung, auf die in der Ent scheidung des vorliegenden Falles verwiesen wird, ist nicht zwingend und führt zu unannehmbaren Folgerungen. Abgesehen von der unzutreffenden Auslegung des 8 163 wäre vorliegend übrigens, da ein klagbares Recht auf die Vereinsbei träge, zu deren Zahlung der Angeklagte einen Berufsgenossen zu bestimmen bezweckt hat, nicht besteht, der Thatbestand auch aus dem Gesichtspuncte der E r p r e s s u n g zu prüfen gewesen. Unter näherer Darlegung der vorstehenden Auffassung hat der Herr Justizminister die Beamten der künigl. Staatsanwaltschaft angewiesen, den angegebenen Rechtsstandpunct den Gerichten gegenüber zu vertreten, gegen abweichende Entscheidungen die zulässigen Rechtsmittel einzulegen und möglichst auf die Herbei führung einer Entscheidung des Reichsgerichts hinzuwirken. Indem ich Ew. Hochwohlgeboren hiervon Kenntniß gebe, ersuche ich Sie ergebenst, auch die Nachgeordneten Verwaltungsbehörden, soweit dies in Anbetracht der localen Verhältnisse geboten er scheint, im Sinne des Vorstehenden gefälligst zu verständigen. Von einer etwaigen Entscheidung des Reichs gerichts bitte ich, mir Anzeige zu machen, ebenso von letzt instanzlichen Entscheidungen anderer Gerichte, die mit der vor stehenden Rechtsauffassung nicht im Einklänge stehen. -Berlin, 18. April. (Automaten und Ladenschluß.) Von juristischer Seite wird der „Köln. Ztg." geschrieben: Eine bemerkenSwerthe und für die Automatenindustrie überaus wichtige Entscheidung bat der Strafsenat deS OberlandeS- gerichtS in Köln kürzlich erlassen. Es handelt sich um die Frage, ob die auf den Bahnhöfen aufgestellten Automaten dem Neunuhrladenschluß unterliegen oder nicht. Das Schöffengericht wie auch die Strafkammer batten sich auf den Stanvpunct gestellt, daß die Automaten als offene Verkaufsstellen im Sinne der Gewerbeordnung sich auch den Bestimmungen deS Neunuhrladenschlusses zu fugen hätten. Ander- daS OberlandeSgericht. Es geht von der zutreffenden Er wägung auS, daß die sowohl innerhalb wie außerhalb der BahnbosSsperre aufgestellten Automaten, die Bonbons, Choco- lade, Cigarren, Cigaretten, Eau de Cologne, Streichhölzer ,c. verkaufen, dem VerkehrSinteresse dienen. Erfahrungsgemäß werden diese Gegenstände, die für die Erfrischung, den Genuß und den Gebrauch des reisenden PublicumS bestimmt sind, in ausgedehntem Maße im Reiseverkehr benöthigt und benutzt. Der Verkauf dieser Gegenstände dient somit mittelbar den Zwecken des EisenbahnuuternehmenS und zwar dadurch, daß er die Wohlfahrt und Bequemlichkeit der Reisenden befördert. Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb die auf den Bahn höfen aufgestellten Automaten anders zu behandeln sein sollten als die im Innern der Wagenabtheilungen aufgestellten, die Handtuch, Seife und dergleichen verkaufen. Die Eisen- babnverwaltung, die in ausgedehntem Maße für die Bedürf nisse des reisenden PublicumS durch Aufstellung beziehungs weise Genehmigung der Aufstellung von Automaten gesorgt hat, hat damit für ihren Tbeil anerkannt, daß die Automaten heutzutage für den Reiseverkehr uuentbehrlich geworden sind. Daraus folgt, daß der Automalenbetrieb rin Bestandtheil de» Eisenbahnunternehmen» geworden und daher nach tz 6 der Gewerbeordnung den Bestimmungen diese» Gesetzes, also auch dem Neunubrladenschluß, entzogen ist. Der Umstand, daß die Eisenbahuverwaltung nicht selbst den Verkauf in den Bahnhofsautomaten betreibt, sondern an Unternehmer ver geben hat, kann an der Zugehörigkeit dieses Automaten betriebes zum BerkehrSgewerbe nichts ändern. Ebensowenig ist die Thatsache von Bedeutung, daß die außerhalb der BahnhofSsperre aufgestellten Automaten auch dem nicht reisenden Publicum zugänglich stad. Nach diesem Urtheile muß nun auch in Preußen weiterhin die Sonntagsruhe für die auf de» Bahnhöfen ausgestellten Auwmaten Weg fällen. — Die Meldung de» römischen Eorrespoodenten der „Kreuz-Zeitung", daß die Fassung de- Dreibundver trage» in formaler Beziehung eine Abänderung erfahre und daß der Vertrag demgemäß nicht einfach prolongirt, sondern neu unterzeichnet werde, wird der „N. Pol. Corr." bestätigt. — Der LrntrumSabgeordatte Trimborn ist erkrankt und beflodet sich ta seiaer Hetmath. Dir» ist der Gruad dafür, daß die Commissioa zur Borberathung der Anträge Trimborn und Genossen betr. de» Schutz de» Handwerk» und die Gewerbeaufsicht nicht in Verathong trat. O v-u vor» »e» Llatztzpampfer» „Kr-npria, Wilhelm" »<r Mtrfuud, 17. April. Nachdem der Kaiser und der Kronprinz mit Gefolge an Bord deS „Kronprinz Wilhelm" riagetroffr» waren, fand zunächst in dem mit immergrünen Pflanze» freundlich deeorirtra Musiksalon, in welchem das daselbst befindlich« lebensgroße Bildniß d«S Kronprinzen mik frische» Frühlingsblumen in sinniger Weise geschmückt war, die Vorstellung einer Anzahl vo» Gästen statt, worauf der Kaiser und der Kronprinz sich für
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