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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.05.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-05-13
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020513021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902051302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902051302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-05
- Tag1902-05-13
- Monat1902-05
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Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren sür Nachweisungen und Ossertenannahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—. Ännahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr, Anzeigen sind stets an dle Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 2D. Dienstag dm 13. Mai 1902. 86. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Li« ßreleS Streiflicht auf die Lage i« der Capcolonis wirft ein soeben aus Südafrika eingetroffener Brief eineS angesehenen Boeren im Felde. Er schildert hauptsächlich den Zustand im Westen der Capcolonie bis Anfang März dieses Jahres und bestätigt im vollen Umfange, was wir jüngst darüber berichtet haben. Die Boeren haben sich zwischen Calvinia, Kenbardt und dem Oranjefreistaatc ganz häuslich eingerichtet. Die Eng länder haben in diesem Gebiete zwar einige Garnisonen — Cokiep, Kenhardt und Upington — besetzt mit Hotten totten unter englischen Officieren, aber diese Besatzungen wagen es selten, sich in offenem Felde mit den Boeren zu messen. Im Februar zogen 300 Eingeborene und Eng länder anS Kenhardt aus, um sich des von den Boeren und aufständischen Holländern geernteten Getreides zu bemäch tigen. Sic überfielen auch einen kleinen Trupp von vier zehn „Aufständischen", die jedoch so lange heldenmüthigcn Widerstand boten, bis Boeren-Eonnnandant Latcgan mit 70 Boeren ihnen zu Hilfe kommen konute. Diese zwangen die Eingeborenen und die Engländer mit einem Verluste von 60 Todten und Verwundeten zum Rückzüge. lLord Kitchcner hat darüber nichts zu melden gemußt.) Kurze Zeit darauf nahm Boeren-Commandant Schoe rn a n n mit einigen Leuten des Mariy'schen Commandos bei Hillienfontein (im Süden der Kupferminen von Ookiep) und an -er Bahnlinie nach Port Nolloth den Engländern eine große Menge Vorrüthe, darunter 1200 Sack Getreide, weg; weiter nahm er 13 Eingeborene ge fangen, die eines der Blockhäuser an -er Bahnlinie ver- theidigten. Commandant Maritz ist von seiner schweren Verwundung, die er in der Nähe von Fraserburg davon getragen hat, wieder hergestellt, und zum Range eines Becht-Generals befördert worden. Die Boeren folgen einem wohlerwogenen und groß angelegten Kriegsplane, der die Grundlage für alle Operationen auf dem gesummten Kriegsschauplätze bildet. .... Wie wir an der Hand von Thatsachen schon wiederholt und erst neulich wieder durch De la Rey's amtlichen Rapport nachweisen konnten, handhaben die Boeren trotz ihres bald dreijährigen Lagerlebens Gesetz und Ordnung so regelrecht und strenge, als wenn sie sich des ungestörtesten Friedens erfreuten. Es werden Ehen vorschriftsmäßig ge schlossen, Erbschaften dem Gesetze gemäß ausgemacht, Be hörden rechtsgiltig eingesetzt — jeder District in der süd afrikanischen Republik sowohl, wie im Oranjefreistaat, hat z. B. einen Landdrost —, Vergehen und Verbrechen nach Recht und Satzung geahndet. Hierfür einen neuen Beleg. In Snthcrland (im Südwestcn der Capcolonie) waren zwei Boeren, die „loyal" geblieben waren, der Spionage und des Einverständnisses mit den Engländern überführt worden. Die Beiden wurden daraufhin vor den Gerichts hof der Boeren gebracht und in ordentlichem Verfahren zu 100, bezw. 150 Pfund Sterling Buße vcrurtheilt, die auch erlegt wurde. Dieser Vorfall beweist auch neuerdings schlagend, daß sich die Boeren als die »numschränkten Herren des Landes fühlen, da sie sonst sicher nicht mit dieser Gemüthsruhe und in aller Form des Rechtes die Verletzung der Neutralität bestrafen könnten. Politische Tagesschau. * Leipzig, 13. Mai. Die Entschließung des Kaiser», dem Wunsche der Be- wobner der Reichslande entgegenzukommen und in einen an nehmbaren Modus der Beseitigung des Tictatur-Paragraphe» zu willigen, veranlaßtjdie „Nat.-Lib. Corr.", an die Schwierig keiten zu erinnern, die zu überwinden waren, um die deutsche Mission in Elsaß-Lothringen ihrer Erfüllung entgegenzuführen. Die 1871 dem Reichstag gemachte Vorlage wegen Ein verleibung von Elsaß-Lothringen in daS deutsche Reich führte im Reichstage u. A. zu einem lebhaften Zusammenstoß zwischen Klerikalen und Nationalliberalen. Bei Beraibunz deS Schulwesens im Reichslande trat am 25. Mai der Abg. Or. Moufang, Domcapitular in Mainz, als Wortführer derSchul-und Bekenutnißfreiheit auf und bezeichnete den deutschen Schulzwang als das „unerträglichste Slaalsmonopol", als die „Tyrannei der Tyranneien", rühmte die Verdienste deS katholischen Klerus um die Pflege des deut schen Sinnes in den von ihm geleiteten elsäsischen Schulen und stellte für den Fall, daß ihm mittelst des weltlichen Schulzwanges die Herrschaft über den Jugendunterricht ent zogen würde, eine schwere Störung des religiösen Friedens in Aussicht, der bisher dort geherrscht habe. Ihm antwortete der badische Nationalliberale Kiefer. Er erinnerte an den katholischen Würdenträger, der beim Verrathe Straßburgs an Ludwig XIV. die Hauptrolle gespielt, erinnerte an die Vasallendrenste, die der katholische Klerus im Elsaß dem schlimmsten Feinde seines Deutschthums, dem zweiten Kaiser reich, geleistet, berief sich auf die Erfahrungen des Sckul- streitö in Baden, wo der Klerus gegen den neuen OrtSscbul- rath von 1864 jahrelang Himmel und Erde in Bewegung gesetzt und im Jahre 1870 auf Befehl seines Ordinariats sich eben diesem Gesetze geräuschlos unterworfen habe, nach dem es längst in Stadt uud Land sich eingebürgert hatte, und schloß mit den Worten: „Seinen deutschen Berns wird Preußen nur erfüllen, wenn es in seinem inneren Wesen fortschreitet mit der Zeit, mit der Idee deS modernen Staats, und fürwahr, rin moderner Staut, der um den Preis polizeilicher Unterstützung die Schule auslieferte an die Kirche, würde nicht würdig sein, Deutschland zu führe», und auch nicht im Stande sein, Deutschlands Geschicke zu erfüllen." Nach den Wahlen zur zweiten Legislaturperiode traten die elsaß - lothringischen Abgeordneten zum ersten Mal in den Reichstag. In feierlichem Zuge, die beiden Bischöfe voran, alle Geistlichen im Ornat, erschienen sie im Sitzungssaal und nahmen auf den äußersten Bänken der Rechten Platz. Sofort brachte Abg. Teutsch und Genossen den Antrag ein: Der Reichstag wolle beschließen, daß die Bevölkerung Elsaß-Lolb- ringens, welche, ohne darüber befragt worden zu sein, dem deutschen Reich durch den Friedensvertrag von Frankfurt einverleibt worden, sich speciell über diese Einverleibung aus- zusprechen berufen werde. Der Antrag kam in der Sitzung vom 18. Februar 1874 zur Verhandlung. Bevor man in die Berathung eintrat, Übergaben Teutsch und Genossen dem Präsidenten einen neuen Antrag, wonach der Reichstag denjenigen Abgeordneten von Elsaß-Lothringen, welchen die deutsche Sprache unbekannt sei, gestatten solle, sich bei der heutigen DiScussion der französischen Sprache zu bedienen. Der Präsident erklärte, daß nach der Geschäftsordnung über einen Antrag sofort nur dann abgestimmt werden dürfe, wenn kein Mitglied der Versammlung widerspreche. Der Abg. Braun rief mit kräftiger Stimme: „Ich widerspreche", worauf Teutsch seinen Antrag in geläufigem Deutsch entwickelte. Während der Hauptantragsteüer im Sinne und Geiste der französischen Protestpartei den Frankfurter Vertrag als einen Act der Gewaltthat des Siegers gegen den ohnmächtigen Besiegten und die Abtretung von Elsaß-Lothringen ohne Zu stimmung der Bevölkerung als ungiltig erklärte, trat ihm der Führer der ultramontanen Abgeordneten, der Bischof von Straßburg, ohne Weiteres mit der kurzen und feierlichen Erklärung entgegen, daß die katholischen Elsässer und Lothringer keineswegs gewillt seien, den Frankfurter Vertrag, der zwischen zwei großen Mächten abgeschlossen sei, in Frage zu stellen. — Von Bedeutung für die rasche Wendung in dem Verhalten der elsaß-lothringischen Ultramontanen dürfte jedenfalls gewesen sein, daß von dem Augenblick ihres Ein tritts in den Reichstag daS Interesse und die Taktik der CentrumS Partei für sie entscheidender wurde, als die Rück sicht auf die elsässisch französische Partei. Der Antrag wurde mit allen gegen 23 Stimmen abgelehnt (für ihn stimmten die Polen, die Socialdemvkraten, der Däne Kryger, der Welfe Ewald und der Abg. Sonnemann-Frankfurt). Die 15 Elsaß-Loth ringer enthielten sich der Abstimmung, da man ihnen durch den Schluß der Debatte die Möglichkeit abgeschnitten habe, ihre Stellung zur Sache zu erläutern. Bald darauf beantragten die Abgg. Gerber, Winterer und Genossen zum ersten Male die Aufhebung des Dictatur-Para- graphen. Der Reichstag ertheilte der Regierung ein ent schiedenes Vertrauensvotum, indem eine Mehrheit von 196 Stimmen jede weitere Erörterung des Antrages ablehute, welcher vor Allem auf Seiten der Ultramontanen eine leb hafte Unterstützung gefunden hatte. Als der Canonicus Gerber am 23. März die sofortige Einführung Les Preß- gesetzeö für Elsaß-Lolhringen verlangte, secundirte ihm die Fortschrittspartei. Dabei ereignete sich ein parlamentarischer Zwischenfall. Fürst Hohenlohe, der nachmalige Reichs kanzler, batte in feiner Eigenschaft als jeweiliger Präsident erklärt, daß und warum er nicht für gut befunden, einen von einem Redner gebrauchten Ausdruck zu rügen, und hatte an gegeben, wie er denselben verstanden; er batte auch noch von einem' zweiten AuSdrucke desselben Redners gesagt, er habe auch den nicht gerügt, obgleich es ihm lieber gewesen sein würde, der Ausdruck wäre nicht gebraucht worden. Nach dieser Erklärung des Präsidenten begehrte und erhielt der fortschrittliche Abgeordnete v. Hoverbeck das Wort „zur Ge schäftsordnung" und wandte sich an jenen Redner, der kein Anderer als Herr Miquel war, mit ter Aufforderung, seine beiden Ausdrücke zu erläutern oder zurückzunehmen. Dieser äußerte darauf, daß er seinen ersten Ausdruck in dem vom Präsidenten bezeichneten Zusammenhänge gebraucht habe und daß er ibn nicht zurücknehme. Darauf rief Abg. v. Hover beck: Dann beantrage ich bei dem Herrn Präsidenten hiermit den Ordnungsruf. Die Veranlassung zu dem Anträge lag in der Bemerkung des Herrn Miquel: „Von Herrn Teutsch, der sich nur vorübergehend als Gast im Reichstage betrachte, habe man etwas mehr Bescheidenheit erwarten dürfen." Die zweite Miquel'sche Aeußerung ging dahin, daß Herr Teutsch auf der Rednertribüne des Reichstags Beleidigung auf Be leidigung gehäuft und schließlich fogar der deutschen Nation die Eigenschaft der Bildung abzusprecken „die Narrheit ge habt habe". — Wie ändern sich die Zeiten! Die Beseitigung des Diclaturparagraphen ist, nachdem ;chließlich das intransigente Protestlerthum im Reichstage beinahe abgestorben ist, von letzterem selbst als wünschenswerth hingeslellt worden. Der deutschen Nation die Bildung abzusprechen, hat seit Herrn Teutsch kein elsässischer Protestler mehr gewagt; das bleibt jetzt den Polen, dem Herrn v. CzarlinSki und Consorten Vorbehalten! Die „Lieberlcgende" ist, wie der Telegraph bereits ge meldet hat, nun auch von der „Germania" völlig aufgegebeu. Das ist dem klerikalen Blatte augenscheinlich sehr schwer gefallen, denn noch unmittelbar nach der letzten Erklärung der „Nordd. Allg. Ztg.", daß „alle Behauptungen über An erbietungen, die der Kaiser dem verstorbenen CentrumS- führer direct oder indirekt gemacht habe, gänzlich aus der Lust gegriffen" seien, hielt die „Germania" daran fest, daß Herrn vr. Lieber indirecte Anerbietungen gemacht, aber von ihm abgelehnt worden seien. Sie schrieb nämlich: „Im Uebrigen kommt es hier nicht so sehr daraus an, ob „Anerbietungen" Seiner Majestät des Kaisers an Or. Lieber direct oder indirect mit Wissen und Willen des Kaisers er- folgt sind, sondern ob von irgend einem hoch gesielten Beamten dem Abg. vr. Lieber auch ohne Vorwissen des Kaisers derartige Anerbietungen gemacht worden sind. Wir halten letzteres nicht für ausgeschlossen, so wenig wie wir das Anerbieten eines Ordens sür den Abgeordneten vr. Lieber von irgend einer „einfluß reichen" Seite für unwahrscheinlich erachten. Aber wie wir den Abgeordneten vr. Lieber gekannt haben und kennen, konnte bei ihm von derAnnahme solcher freundlichen „Anerbietungen" ohne den ausgesprochenen „direkten oder indirekten" Wunsch und Willen Sr. Majestät überhaupt nicht die Rede sein. Derartige Vor schläge mögen ohne Fühlung mit der höchsten entscheidenden Stelle erfolgt sein; aber sie sind unserer Kcnntniß nach ab gelehnt worden, wie wir auch persönlich von der Ablehnung anderer Vorschläge für eine Ordensauszeichnung wissen, bei denen Se. Majestät ebensowenig „direct oder indirect" betheiligt gewesen ist." Aber ein Freund des Verstorbenen, der wohl befürchten mochte, daß gegen derartige Auslassungen der ossiciöse Dementirapparat noch weiter in Bewegung gesetzt werden würde und Unliebsames zu Tage fördern könnte, veranlaßte die „Germania" zum Abdruck einer Darstellung, die weitere officiöse Erklärungen überflüssig macht. Im Wesentlichen lautet diese Darstellung: „Bor mehreren Jahren, als Minister v. Miquel noch im Amte war, halte dieser hervorragende Staatsmann bei einem zufälligen Zusammentressen eine Unterredung mit vr. Lieber. Im Lause derselben äußerte Herr v. Miquel unter Anderem, es sei doch recht schade, daß die hervorragende Be gabung vr. Lieber's sür staatsmännische Geschäfte nicht direct sür Reich oderjStaat nutzbar gemacht werden könnte dadurch, daß vr. Lieber in ein höheres Reichs- oder Staatsamt trete; ob er vorkommenden Falls nicht dazu geneigt sein würde? Ob nun diese Bemerkung des Ministers ernst gemeint, oder nur eine ta;on «Io parier, oder ein Klopfen auf den Busch war, lasse ich dahingestellt sein, daraus kommt es auch nicht au; jeden falls war es keine in höherem Auftrage gemachte Eröffnung. — Die Antwort Vr. Lieber'» ist charak teristisch für ihn; diese humorvolle, mit einem kleinen Tropfen Bosheit getränkte Antwort lautet: Wenn schon, dann erschiene mirnur ein Amt begehrenswerth, das des preußischen Finanzmini st er». Nur sehr wenigen näheren Freunden hat vr. Lieber über dieses Gespräch Mittheilung gemacht und auch dann um absolute Discretion gebeten. Der Beobachtung Lieser Diskretion halte ich mich nach Frnilleton. 10) Der Mttitärcurat. Roman von Arthur Achleitner. Nachdruck verboten. Geschäftig entfachte Tcrcsiana auf dem offenen Herd der Malga ein qualmend Feuer und stellte auf dem drei beinigen Rost das Gefäß mit Milch, sowie einen Tigel mit Polenta zu. Doctor Chiste hatte neben -em mächtigen, stetngefügtcn Herd Platz genommen und gierig verschlangen seine Feuer augen die graziöse Gestalt des Mädchens und jede der zier lichen Bewegungen. Teresina fand es zwar auffällig, daß der Advocat den Vater in die Kanzlet bestellte, doch nicht auf ihn wartete, aber Sorge empfand sic über den Besuch -cs Herrn nicht; wahrscheinlich wird der Advocat die Käsezicgeln zählen und die Leinwand besichtigen wollen. Als Milch und Polenta fertig gekocht waren, aß Doctor Chiste mit einem wahren Wolfshunger, dessen Befriedigung dringender erscheint, denn die Augenweide an den Körper reizen des hübschen, harmlosen Mädchens. Dann aber wünschte der junge Welsche den gewohnten schwarzen Kaffee. Verblüfft gestand Teresina, daß Kaffeebohnen weder in der Baita, noch im Häuschen zu Ronzo zu finden seien, denn Girollamos seien ganz arme Leute. „Dafür habe ich welche, gleich gerieben, mitgebracht, und Du bist eingeladen! Koche schwarzen Kaffee, stark, heiß und süß. Zucker habe ich genug mit!" Beglückt ob dieser Einladung bereitete Teresina den würzigen Trank und nahm herzlich dankend einen blechernen Becher voll Kaffee an, dessen Inhalt sic mit Ent zücken schlürfte. „Nun eine Cigarette, und der Pranzo ist beendet! Willst Du auch rauchen, Teresina?" Schier gierig bejahte das Mädchen, und paffte kleine Wölkchen in die dumpfe Hüttenluft. „So, Kleine, nun setz' Dich zu mir, wir wollen eine ora vakorsvols a^Ii avaavC halten!" „Muß das sein, gnädiger Herr?" „Natürlich! Wie soll ich denn sonst in die Stimmung kommen, dem leidigen Proceß gegen Tuch eine angenehme Sette abzugewinnen?" „Ich gehorche, gnädiger Herr! Aber seien Sie barm herzig, verjagen Sic uns nicht!" „Dich sicher nicht, Kleine, so lange Du ein artig Kätzchen bist und nicht kratzest! Der satt» keroos aber werde ich die Krallen stutzen!" Demüthig setzte sich Teresina wie befohlen neben den bereits stark erregten jungen Mann, der die Cigarette weggcworfen hatte, um die Arme frei zu haben, mit denen er das Mädchen nun leidenschaftlich umfing. „O nein, Signor! Habt Erbarmen! Ich bin so traurig, weil Tonio fort!" jammerte die Kleine. „Dem Tonio wird cs gut gehen drüben! Er wird auch eine andere Sposa finden! Dafür wirst Du meine Spvsa sein!" riefe Chiste, das Mädchen wiederholt küssend. Hierbei überhörte der junge Mann das Nahen eines Besuchers, und plötzlich ward -er Nobile mit elementarer Wucht ergriffen und zur Seite geschleudert. Tonio stand mit flammenden Augen, wie ein rächender Gott, in der Kammer, schier schäumend vor Wuth und mit dem Messer wild fuchtelnd. Aufjauchzcnd warf sich ihm Teresina an die Brust, um klammerte den Geliebten, Gott für die rechtzeitige Rückkehr und Rettung dankend. Der Advocat benützte den günstigen Moment, um flink die Flucht zu ergreifen. Teresina hielt den Wiedergckehrten von der Verfolgung ab und berichtete Tonio, wie der falsche Nobile das Spiel getrieben. Erst nachdem Tonio ausgetobt, konnte er -er Geliebten erzählen, wie an der Grenze im wilden Gebirge daS Heim weh ihn gepackt habe und ihm der Gedanke gekommen sei, eS könne nicht mit rechten Dingen zugehcn. „Hier bin ich daheim, hier bin ich geboren, ich gehöre Dir und zu Euch. Wenn es sein muß, werd' ich in Gottes Namen Soldat des Kaisers, diene die Zeit ab, und bleibe heimathsbcrechtigt in Austria. Die Signori können thun, was sie wollen, sie haben Geld, können überall gut leben. Wir aber sind arme Teufel, und haben nichts als die Heimath im wilden Ge birge. Die lassen wir uns aber nicht nehmen! Sollen nur selber auswandern nach Italien, wenn eS ihnen in Austria nimmer paßt! Was für die Signori ist, taugt nichts für unS arme Leute! Ich bin glücklich, ich glaube recht ge handelt zu haben, mein Gewissen ist ruhig. Aber leid thut es mir, daß ich dem Herrn nicht den Stahl zwischen die Rippen gestoßen habe! Verdient hätte eS dieser falsche Nobile!" „ES ist bcsset so! Du bist just zur rechten Minute ge kommen! Freilich wird uns der Advocat nun den Garaus machen!" „Soll es nur wagen! Ich weiß ein Mittel: Schickt uns der falsche Tropf, der miserable Mädchenjäger das Gericht herauf, springe ich hinunter und schrie cs durch ganz San Giorgio, was für ein Lump der Nobile ist! Dann ist er gerichtet! Kann dem Teufel seine Großmutter heirathenl" Spät trennte sich das Paar, und in der Nacht kehrte Teresina glücklich und zufrieden nach Ronzo zurück. Achtes Capitel. Manche Anzeichen für eine Verschlechterung der poli tischen Lage, dazu die aufreizende Sprache der welschen Blätter, die offen zu Gewaltthätigkeiten behufs Befreiung aus Sclavenkettcn auffordcrten, Ankündigungen von Volksversammlungen just für die Manövcrzeit, kleine Putschversuche in Orten ohne Milttärbesatzung, mochten den Commandanten des Jägerregiments veranlaßt haben, vorsichtshalber -en Hauptsitz der Signori und „Patrivten" nicht völlig von Truppen zu entblößen. Es erfloß daher der Befehl, daß in San Giorgio wie in Rasso je ein Zug Jäger unter dem Commando eines Leutnants zurückzubleiben habe. Für San Giorgio ward außerdem bestimmt, daß dem Zugscommandanten Hiller Leutnant von Sternburg beigegcben wird. Es war für beide Officiere eine große Ueberraschung, im Garnisonstädtchcn zurückbletben zu müssen, während das Regiment inS Manöverfeld nach dem Norden und an die deutsche Grenze zieht. Hiller zeigte sich nicht eben er baut ob dieser Verfügung, sagte aber selbstverständlich kein Wort darüber und übernahm gehorsam den Zug. Baron Sternburg aber machte aus seiner Freude, für einige Wochen dienstfrei zu sein und der Marchcsa huldigen zu können, dem Freunde gegenüber kein Hehl und bat Hiller, ihm möglichst oft Urlaub zu gewähren. Curat Corazza hatte keine Veranlassung, inS Manöver feld zu ziehen nnd blieb in San Giorgio, nun gewisser maßen ein Civilpriestcr, der täglich die heilige Messe liest, sein Brevier betet und die übrige Tageszeit seinen Studien sich widmen kann. Zu solchem Bchufe hatte sich Corazza einen Koffer voll alter Werke von der Landesbibliothek kommen lassen, die alten Schmöker wurden hübsch auf den Fußboden deS Arbeitszimmers auSgebreitet und der be sonderen Sorgfalt der Domestika mit der Weisung empfohlen, daß die Berührung dieser entliehenen, kost baren, unersetzlichen Werke mit sofortiger „Dienstent lassung und nachfolgendem Tode" würde bestraft werden. Dieser Ukas halte zur Folge, daß Krau Benatti dieses Gemach überhaupt nicht mehr betrat, und das Frühstück wie die Speisen zu Mittag und Abend nur bis zur Thür trug, wo Hochwürden wohl oder übel das Tablet in Empfang nehmen und dann selber in die Stube tragen mußte. Am ersten Tage dieser Neuerung glaubte Corazza, seine Haushälterin durch Zuspruch umsttmmen zu können; doch Frau Benatti war einmal kopfscheu und bockbeinig geworden, sie fürchtete die Bücher genau so stark wie die Dienstentlassung und blieb bei ihrer Weigerung. Der Curat fand schließlich diesen Rcspcct vor wissenschaftlichen Werken in der Ordnung und fügte sich lächelnd in die Neuerung. Daß der Wohn- und Studirraum nun sehr schnell ver staubte, der Wirrwarr sich immer mehr vergrößerte, dar- genirte den Curaten nicht weiter. Die Hauptsache war, daß die Bücher und der gelehrte Herr Ruhe hatten. Mit dem weltvergessenen Studium sollte es aber nichts werden. Corazza erhielt wenige Tage, nachdem das Bataillon ausgerückt war, und welche Thatsache in den Zeitungen mit schlecht verhaltenem Jubel verzeichnet ward, einen Bries eines Amtsbrudcrö, des Pfarrcnraten aus Ronzo, des armen Dörfleins hoch oben im Gebirge, mit der herzlichen Bitte, anszuhelfen für einige Wochen, was- maßen der Dorfcurat in dringenden Angelegenheiten ver reisen möchte, und der CollcgtssimuS Corazza ja zur Zeit in Folge Abrückung des Regiments dienstfrei sei. Der Cnrat unterbrach die Lectüre, um den Zeitungs schreibern die Pest an den Hals zu wünschen, und steckte eine Cigarette in Brand. Dann las Corazza weiter. Es hieß des Ferneren in dem Briese des Einödpfarrers: „Für Deine Dienstleistung kann ich, arm wie die Mäuse meines Widums, eine Geldcntschädignng nicht leisten, dafür aber fehlen im Pfarrhausc, lies: Baracke, Wein und Nahrung, sowie eine Domestika, eS ist zur Bedienung nur ein alter Knecht aushilfsweise zn haben, der sich mit einem täglichen Usmsnlo nck nlturn begnügt, und im Nothsall auch die Esse kehrt. Die Lust in Ronzo ist sehr gut, und falls mein hochverehrter AmtSbruder lungenleidend sein sollte, wird meine Luft sicher Heilung gewähren. Hils mir, Collegissimus, ohne Deine Aushilfe kann ich nicht abreisen, ich muß aber fort und das schnell. Bringe mir Deine Zusage gütigst selbst nebst etwas Fleisch, ich habe seit nun zwei Monaten keines gesehen, und weiß nicht mehr, wie Fleisch schmeckt. Meßwein auf einen Monat ist vorhanden. Rauchest Du, so wirst Du ahnen, wie eS Einem zu Muthe ist, der seit einem Quartal keine Cigarette im
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