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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-04-20
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190304203
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19030420
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19030420
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-04
- Tag1903-04-20
- Monat1903-04
- Jahr1903
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 20.04.1903
- Autor
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UV der Lo» Der östrrnichlschr Saale« stau ds bericht vo» Mitte April be- sagt: Der Anfang April ringet retenr Witterung«»«schlag mit kal te« Reg«, uod Schneefällen hemmte die bereit« vorgeschrltteue Vegetation vollständig. Jvsolgr der Niederschläge ist jedoch, baldi. ger Eintritt wann« Witterung vorausgesetzt, eine günstige Tat- wieiellmg aller Saaten zu «warten. Die Wintersaaten Lberwin- terteu im große» und ganzen ziemlich gut. Bon den Sommer saaten berechtige« dir srühangrbantea zn guten Hoffnungen, die später angebauteu keime« Wege« der Kälte schwer Der Zucker« rübeuanbou ist im Zug«. In vielen Rübrvdlstriktm wird d« RSbenbau wegen d« niedrig«» Zackerrübenpreisr neuerlich ring«, schränkt. ivaNaeesteurteer. Ein Leitartikel de« .Fremdenblatt'' sagt, der bewaffnete Widerstand der Albanesen i« Wllajet Kostowo habe gewissen politisch«» Kreise« und ihren Preßorganen eine gewünschte Ge legenheit gegeben, di« alte, aber stet« zugkrästige Legend« von österreichischen Int eigne« hervorzuholen. Der Artikel verweist auf eine Korrespondenz de» „Tewps". auf eine U'sküber Korrespondenz der , Rowojr Wrrwja " und auf angebliche Bries« de« Konsul« Schtscherbina und sagt dann, allen diesen lägen- hast« Ausstreuungen sei «tgeg«,«halte«, daß Oesterreich« Ungar« i« Atbani« von jeher nur zivilisatorische Zweck« ver folgt hab», indem e«, gestützt auf kapitulatlousmäßige Schatzrechte» Schul«, Kirchen und hurerani üre Elnrichttrnge» für dir kutho- lisch«« Albanern schuf, und daß e« uruerdiug» gemeinsam mit Rußland in Kvnfiautlnopel Schritte unteruomm« habe, um «i» «rigisches türkische« Vorgehen gegen dt« widerspenstige Be völkerung hervorzurufeu. Die« beweise, daß Orsterreich-Ungar» ihr« Widerstand nicht billigte oder gar ermottgir. Dir Dnrch- führung der Reform« habe voraussichtlich Schwierigkeit« be gegnen müffrn, die Mächte aber da« begoarenr Werk nicht im Sticht kaffen dürfen. Aas den gemeinsam« Schritt« in Koa- fiontiroprl gehe augenfällig andauernde Uebereinftimmung zwi schen Wien und Petersburg hervor. Solange diese bestehe, können die Friedensfreunde ruhig sein, Der österreichische Botschafter Fehr. v. Ealic« und der russische Botschafter Sinowjew wurden in gemeinsamer Audienz vom Sultan ewpsaugrn und drangen aus gründ gleichlautender Instruktionen aus rasche und vollständige Durchführung der an genommenen Reformen. Nach in Salonichi elogetroffenru Meldung,» find die Al» banesru fest entschloffeu, ein« neuen Rachraufstand zu unter nehm«, fall« da« Todrsurtril an de« Attrutäter Ibrahim voll streckt wird. Auch sei es wahrscheinlich, daß dl« albouefische Leibgarde de« Sultau« demonstrier« wird. Unabhängige bulgarisch« Blätter erklär« die Situation in Mazedonien für äußerst gefahrdrohend. Man stände am Vor abmd sehr ernster Eeeigulffr. Gleichzeitig wird die österreichische Regierung angegriffen. Der Stadtkommandant vru Salonichi trifft außerordentliche Maßnahmen, da Gerücht« zirkulieren, es würden während Osterfeieriagr sämtliche Banken und öffmtltch, Gebäude Vulgär« kn die Lust gesprengt. gtzgägkore. Di« vlämische Bewegung macht langsam», aber aufhaltsam« Fortschritte. Kürzlich hat der Minister sich genötigt gesehm, dir Aufmerksamkeit der waalschen Ge meind' Verwaltungen aus die Umgestaltung d«r Sprachzuständr in Belgien zu lenken, ivdrm er dies« dringlich empfiehlt, in d« Schul« ihrer Ge meinden dm Unterricht de« Niederländischen »bligawrisch zm «ach« und für tüchtige Lehrkräfte Sorg« zu trag«, damit die Schüler, welch« bestimmt find, ihre Studien aus den Ghmnafmr und Mittelschulen fortzosetzeo, nicht zu sehr n«bm den diärnischnr Kindern zurücksteh«» zu müffrn. Nicht« kennzeichnend so treffend den Umschwung in der waalschen rmd besonder« sranzöfirrten Bevölkerung al« di« Tatsache, daß keine Klage über dies« ministeriell« Verfüg urig tu der vaalfchm Preff« laut geworden ist. Luxemburg. vei der Verhandlung über den dentsch-lNxewburglschin Eisen- bahn, und Aollverrin-vertrag btdimte sich der Ab-«orderte Weller al« erst« dort der deutsch« Sprache. Bemerkenswert war der Schluß seiner Red», der noch d<r .Köln Zig." lautet«: .Da in Zukunft uusere Beziehung,u zu Deutschland sich noch inniger a « bisher gestalt« «erden, werd'» wir auch daran denk» müsse», der deutsch,» Sprache bei an« mehr Geltung zu verschaff«», wir »erden das Zwkisprachensytzem ausgebm und un» an eine einzig« Sprach», di« deutsch», halt« wüsten." Einem Abgeordnete», der dem Widersinn Aaidruck gab, da« Zwei- sprochrnlystrm gehöre zu den EigentLmltLkeit« der loxembur- gischt» Raffe, erwidert« Dr. Welter, daß wir ei» deut'chredevdeS Volk find vud neun Zehntel unserer Mitbürger dir französische Sprache überhaupt nicht verstehen. Sie komm« nur für die Bevorrechteten, ober nicht für da« Volk in bet,acht Die Geist- l'chkeit predig« auLschllkßllch deutsch, weil sie wohl wisse, daß sie sonst nicht verstanden würde. Dea Gebrauch de« Französisch,» vor dr» Gerichtshöfe» bezeichnet« er al« grob» Mißbrauch und hob al» «mpörrnd hervor, daß über die Beschuldigt« in einer Sprache verhandelt werd«, von der sie keine Silbe vrrst-hm Politik all« ander« Rücksicht« überwuchern soll. Statt «ine» fest« Zusamwofchlnffrl d« paatserhalteud« Partei« geg«n- über de« gemeinsamen Feinde empfehl« j,tzt dir führend« Organ« einzelner Partei« die Aufstellung möglichst vieler Zähl kandidatur«. Ja minder «mst« Zeitläufte« mag ja der ver such, aus diese Weis« rin Bild der politischen Parteivnhitltutss« zu gewinn« — auch da« ist natürlich nur in sehr beschränktem Maß« der F ll —, noch angängig sein, unser« Tage find aber für solche Experiment« so wmig al« möglich geeignet. Heute gilt es, da» Etuigend« bet d« aus dim Boden der monarchisch« Staattorduung stehend,» Parte!« voranzustrlle», nicht da« Trmnmde zu beton«. Was die vielfach erörterte Frage der Wahlparole anlangt, so ist unsere« Grachtm« daraus hivzuweis«, daß di« Wahlparole sich au« dm Ving«, au« dr» politisch« Verhältnissen von selbst ergibt. Mag «au die Hrndrllvrrträgr oder was «au immer in dm Vordergrund stellen, stet« wird «an auf die Noiweudigkit stoßrn, dm nationalen Gedanken Ichärser al« bisher zur Geltung zu bringen Diese Notwendig-- kttt sollte aber auch hiureichm, die »ichtso,iald«mokratlschru Par- teim zu gemeinsamer Arbeit, zu gemeinsamer Abwehr zusammen- ,»Iüh.«. kB««« Aus die zur öffentlicher, Zeichnung ausgrlegtrn 2SV Millio nen Mark 3«/. Reichsaulrihe find, wie bereit« gemeldet, 13758426600 Mark gezeichnet worden. Die Anleihe ist also etwa« «ehr al» 47 fach überzeichnet worden. Da« ist ei» äußerst günstig,« Resultat, da» um so erfreulicher ist, al« diesmal da« Gros der Zrichurrrg au« dem Jolande selbst flammt, denn nmumswert,« ausländische« Interesse für uusere neue Anleihe trat alltiu selten« Klankreich« hervor, da« aber al« irgendwie eulschlaggebmd für d« Erfolg dm Subskription nicht in Frage komm« kann; England und Amerika sehlm diesmal fast ganz, da sie für flüssig»« Kapital selbst genug Vrrwmdavg hab«. Im Vorjahre wurde die Reichsaulrihe 61 fach, dl« gleichzeitig ausgrlegte preußisch« Staatsanleihe 44 fach überzeiePret, da« heißt, statt der gefordert« 300 Million« Mark wnrdru »und 15 Milliarden Mark gezeichnet. Vei der 300-Millio»<u-Mark- Rrichkankihe im Johre 1901 war schon die srhr erhebliche rund 15 /, fach, Urberzrichnung aus 4621 Million« Mark erfolgt. Urbrr dir Zuteilung ist vorgestern schon dahin beschloffm vor- dm, daß die Zeichnungsstrllen durchgängig 2 der bei ihn« gezeichnet« Sunna« zur Verfügung gestellt erhalt« und wird ihn« di« Unttrverteikwg aus di« einzeln« Zeichnung«» über lasse». Hierbei soll« dir reell«» Vein er« und dl« zweifellos zu fest« Sapitalsanlag« bestimmten Zeichnung« besonder« »nd hl« zur Eintragung ku da« Reichsschuldbnch bestimmten voll be- rückfichtlgt werden. Der bei di'ser Zuteilung versLgbar bleibend« Betrag der zur Zeichnung ausgrlegteu Summ« wird vom Reichs- bankdirektorimn zur biss er« Ausstattung der klein«« Zelchuung«- prllm zur Verfügung gestellt. Schaffung ein« Reichsarzueitoxe vorgrschlagm. Der Reichs- kmzlrr hat dies« Vorschlag d« vmdelregieruogrn mit dr« Hwzusüge» «itgetrilt, daß « diese Anregung für beachtenswert halte. E« könne nur erwünscht sei», «n» aus diesen» Wege ettcheitliche und, soweit möglich, billig, Arzaeipreisr eiagesührt würdm. La« preußische Kaltu»«in«sterim» Hot sich grundsätzlich »A dem Vorschlag« rioverstand« erklärt uutrr der Vorau« ßttznng, daß die wesmtlichm Grundzüg« der preußisch« Tax, dabei zu, Geltung gelang«. WWsMW Di« Bewegung für frei« Arztwahl bei dm Krank«- saffm hat «iam wichtigen Ersolg zu verzeichne». Di« Haupt versommlong der Eismbahu-Bekt,b«krankmkoff« in Stuttgart, wdlcher dir Eismbahnrr an« dem ganz« Königreich Wärtttm tag augehöre», hat die Einführung der freien Arztwahl be schloßen. Dt« Staatsregirrung und die Grneraldinkiiorr da Msenbahne» haben sich damit schon zuvor rinverstondru erklärt. Lte Aenderuvg wird mit Beginn dr« nächst« Jahre« durch- gesührt werd«. Ihr« v-dmtung liegt mit darin, daß gleich, -estig in einem ganzen Lande «in Versuch mit der freien Arzt wahl gemacht wird. Di« sorbm veröffentlicht« amtliche Handelskatlstlk bestätigte dse Zunahme de« Handel« Deutsch-Samoa«. Die Grsmnttlusuhr während dr« Jahr,« 1902 betrug 2 397 251 Mark, der Wat der Ausfuhr im gktchrn Jahre 1691851 Mark Mn vaglrich zwischen dm Jahren 1901 und 1902 ergibt für da» letztere «in« Zunahme da Einfuhr um 675 993 Mark ist St d. H. de« Vorjahre» uod «in« Zunahme der Ausfuhr um 799159 Ma,k ist 90 v. H. de» Vorjahre«. Ei« vergleich lediglich zw schm den Jahr,n 1901 und 1902 würde nun aber »dr ««richtiges Bild geben insofern, al« da« Jahr 1901 «in« sch« schlichte Koprarrnk zu verzeichn« halt», worau« sich dieser nngrmei» starke Zuwachs da Ausfuhr «klärt. Auch fand im Jahre 1901 eine im Verhältnis zu 1900 geringere Einfuhr DM La« hatte fei,« Gründ darin, daß vrgm da bevor- Heßmdm Zollahvhung di« Geschäfte Im Jahr« 1900 ihr« Lag« so reichlich al« möglich auffülltm, um noch von dem nieder« Zoll Nutzen zu zieh«. Daher muß man die Elnsubrzuuohme mich mtsprrchrod reduzieren. Aba auch das» noch liefert da« Jeßr 1902 rin sehr ttfreul'ches Ergebnis; <« zeigt, mit allen Gorjahrm vaglichm, sowohl dm höchste» E'nfuhr- wie höchst« Anüfirhrwat. An da Einfuhr beteiligt sich Deutschland nur MA etwa 25 v. H, während etwa 50 v. H. aller Warm au« Nnstraitm und Neuseeland brzvgra werd« und di« letzter» 25 ». H. aas dir Vaeinigien Staa'rn Mffallea. Deutsche Ware ffl beliebt und wird besonder« ga» von dm »mi« Ansiedlern gckeuft, ist auch billiger trotz de« Kura,» Transport»«, zum mind,stm ab« bester al« australische oder gar amerikanisch, Ware; nur «fordert die Beschaffung gar zu lange Arft, indem zwischen Bestellung rmd Ankunft da Ware in Samoa stet« fünf bW sich* Monate vergeh«. Dir Ausfuhr wird auch im ver- nmigmm Jahr« einzig und allein von da Kopragrwinrumg be- stirmnt. Da überall aus dm Jas,la fleißig uachgepflanzt wmdr, so wird auch die Kopraproduftio» sich mit dm Jahren noch nrefmtlich steige« last«. DK Kakaoausfuhr bewertet sich ans IttOO Mark. Man muß ober hinbri bedenken, daß die «eisten Kvkaopflanznvgeo noch nicht dr trag fähigem Zustande find, und baß alle nur einigermaßen brauchbar« Früchte für Saatzwecke du Lande bleiben. I« ihrem Wochenrückblick schreibt die „N. A. Z." u. a.: La» hartnäckige Festhaltm de« sozialdemokratische« Zmtralorgau« an da „Neberrumpelungsgeschichte" aklärt sich au« den .tak tisch« Rücksichten", dt« für Re sozialdemokratische Parteileitung du Hinblick auf die bevorstehend« Wahlen maßgebend find. Wkferr Rücksichten muß auch so manche» andere dimm, da» im Wchk der Tatsachen sich al« Verdrehung und beabsichtigte Täuschung herausstrllte. Dazu rechnen wir auch die von der Sogialdemokrati« zur Schau getragene Siegeszuvnficht. E» gibt umc ein«, was diese Zuversicht einigermaßen zu rechtfertigen im Rmcke wäre: die noch Immer bei den bürgerliche« Parteien t«sch«ude Zersplitterung! Fast scheint ttk. al» ob diese AaßMkrmig ein« unheilbare wäre, und al» ob d'r Partei. Per DSter Schuld. Roman von Reinhold Ortmann. 27 In dem Salon de« Herrn August Eibenschütz, der mit kostbaren Möbeln im Geschmack des Rokoko auSgestattet »ar, glühte au« den farbigen Crystallblumen bereit« da« ÄAtrische Licht. Im anstoßenden Speisezimmer stand die Lasel fertig gedeckt, und die beiden Hausmädchen warte ten mit einiger Ungeduld auf da« Zeichen, daß angerichtet »erden solle. Auch der Herr de« Hause», der behäbig in einem der »lerlichen Sessel saß, um in seiner Nachmittagszeitung mit raschem Blick die lebten Börsenkurse zu überfliegen, zog endlich seine Uhr nnd sagte: „Sollte e« nicht Zeit sein, zu Lisch zu gehen? Mir scheint, daß wir un» heute über Ge- O»hr verspäten." Frau Eibenschütz, die an der entgegengesetzten Seite He» Salon« in leiser Unterhaltung mit ihrem Sohn be- Meisten gewesen war, wollte sich hastig erheben, aber vom Fenster her erklang LonaS frische Stimme: „Herr von Hohenbruck hat mir gesagt, daß er am Abend kommen »erde, und wir find ihm wohl die kleine Rücksicht schul- Hg, noch ein wenig auf ihn zu warten." „Ah, da« ist freilich etwas anders," meinte der Hau«- Herr. „Aber da fällt nur ein, daß ich noch einen uneröff- «eten Brief in der Tasche habe, der nur vorhin übergebe» wurde. Er wird doch nicht etwa eine Absage oc« Freiherrn enthalten?" Während er nach dem Schreiben suchte, hatte Lona ihren Platz verlassen und war an seine Seite getreten. Ans ihrem Gesicht war die lebhafteste Spannung, und sie Ä hatte kaum einen Blick auf das endlich gefundene Billet geworfen, al» ein heiße» Rot ihre Wangen färbte. Hastig » spst sie sich wieder hinter den Sessel ihre» Bater» zurück, u.evk wenn sie vermeiden wollte, daß er in ihren Mienen Men würde. „Wahrhaftig, der Brief ist von Hohenbruck," sagte Herr Gibenschtttz mit einem kleinen Anflug von Verdruß in der ob e« denn wirklich gar keinen interessanteren Unterhal tungsstoff gäbe, als die Absage des Herrn von Hohenbruck. Da« Gespräch kam in« Stocken und Doktor Heinz machte einen gutgemeinten Versuch, e« durch die Heranziehung eine« anderen Thema« zu beleben. „Hast Du schon von dem Projekt gelesen, Vater, da« seit einigen Tagen in den Zeitungen besprochen wird?" fragte er. „Ich halte eS für ein außerordentlich zeitgemäßes und glückliches, und ich hoffe, daß alle wohlhabenden Leute ihm ihre wärmste Teil- nähme zuwenden werden. Denn es handelt sich um die Gründung einer Aktiengesellschaft zur Beschaffung guter und billiger Wohnungen für die Arbeiterbevölkerung Ber lins. Auf irgend einem besonders geeigneten Terrain, na türlich nicht in zu großer Entfernung und in gesundester Lage, will man gleichzeitig eine bedeutende Anzahl hüb- scher kleiner Häuser mit Gärtchen und sonstigem Zubehör erbauen, um auch den ärmeren Leuten das Behagen eines traulichen Heims zu verschaffen und um sie in den Stand zu setzen, im Laufe der Jahre mit geringen Opfern zum Besitz einer eigenen Scholle zu gelangen." „Noch in dieser Woche >oll, wie cs heißt, eine große Versammlung zur öffentliche» Besprechung deS Planes ab- gehalten werden, und ich bin natürlich fest entschloffeu, diese Versammlung zu besuchen " Eibenschütz legte Messer und Gabel nieder und erwi derte in einem fast unfreundlichen Tone: „Wenn die Stu dien für Dein große» Werk Dich so sehr in Anspruch neh men, warum willst Du Deine Zeit mit unnützen Dingen, wie e» der Besuch einer solchen Versammlung wäre, vcr- geuden? Ist da« Projekt lebensfähig, so wird man es auch ohne Deine Hilfe zur Durchführung bringen und im anderen Falle möchte ich meinen Namen nicht gern öffentlich mit einenr mißlungenen Unternehmen in Verbindung gebracht sehen." Doktor Heinz blickte verwundert auf, denn er war nicht daran gewöhnt, daß sein Bater in dieser Weise zn ihm sprach, und er vermochte vollend« nicht zu begreifen, wie er mit seiner harmlosen Bemerkung oie Unzufriedenheit desselben erregt habe« sollte. 108,li> Stimme. „Er bedauert, nicht kommen zu können, aber er hält e» nicht für erforderlich, un» die Ursache seiner Ver hinderung zu melden. Ich muß gestehen, daß ich die Form diese« Schreibens etwas rücksichtslos finde." „Darf ich e« lesen?" fragte Lona, und ihre Worte hat- ten einen merkwürdig gepreßten Klang „Ich kann nicht glau ben, daß Herr Hohenbruck gerade heute rücksichtslos ge- gen un« verfahren sollte." Sie hatte da« Blatt überflogen, ohne dabei die an deren ihr Gesicht sehen zu lassen, und sie schien die mit pfiffigem Augenzwinkern gestellte Frage ihres Vaters, wa» denn die» gerade heute bedeuten solle, nicht zu verneh- men. Aber eine Minute später warf sie den Brief auf den Tisch und machte sich schweigend unter den Nippsachen auf einem Rosenholzschränkchen zu schaffen, al« habe sie dort eine Unordnung bemerkt, die auf der Stelle beseitigt wer den müsse. „Nun?" meinte Eibenschütz gedehnt „Warum bist Du aus einmal so still, Kleine? ES hat doch nicht etwa heute morgen zwischen Dir und Hohenbruck einen Streit gege ben?" Mit einer trotzigen Bewegung warf Lona den Kopf in den Nacken. „Welch' eine Frage! Wir haben un« von sehr gleichgiltigen Dingen unterhalten. Aber wenn Du so hun grig bist, Papo, warum gehen wir nicht jetzt zu Tisch?" Sie eilte an die Seite ihrer Mutter, und Eibenschütz erfaßte den Arm de« Doktor«, um ihm zuzuflüstern: „Da ist irgend etwas nicht in Ordnnng, verlaß Dich darauf, mein Junge. Sie wird ihm doch nicht am Ende gar einen Korb gegeben haben?" Er bemühte sich während" de» Esten», bei welchem er heute fast ausschließlich die Kosten der Unterhaltung tra gen mußte, durch allerlei Neckerei und mehr oder weni ger versteckte Anspielungen Gewißheit über seine beunruhi gende Vermutung zu erlangen, aber wie geschickt er auch seine Sache ansangen mochte, er kam bannt doch nicht zu dem gewünschten Ziel und erreichte schließlich nicht« an dere», al» daß Lona in merklich gereiztem Tone fragte,
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