01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.09.1902
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-04
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020904019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902090401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902090401
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-04
- Monat1902-09
- Jahr1902
-
-
-
6104
-
6105
-
6106
-
6107
-
6108
-
6109
-
6110
-
6111
-
6112
-
6113
-
6114
-
6115
-
6116
-
6117
-
6118
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
BezugS-PreiS der Hauptexpedtttou oder den tm Stadt» bezirk und den Vororten errichtete» Aus» gabestellen abgeholt: vierteljährlich 4.80, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Lau» 8.80. Durch die Post bezogen jür Deutschland u. Oesterreich vierteljährlich^«, jür die übrige» Länder laut ZeitungSpreislrste. RrLartio» und Erpeditton: Johannt-gaffe 8. Fernsprecher I8S und 222. FMaluuprdtttorrrrr: Alfred Hahn, Buchhandlg, Uaiversität-str.3, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. KüntgSpl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße 6. Fernsprecher Amt l Nr. 1718. -u-k. — Haupt-Filiale Serlin: Königgrätzerstraße 116. Fernsprecher Amt VI Nr. 3393. Nr. M. Morgen-Ausgabe. MpziM TagMaü Anzeiger. ÄmLsölatt des Königlichen Land- nnd Amtsgerichtes Leipzig, -es Aatües und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzetgen-PreiS die 6 gespaltene Petitzeile 25 Reklamen uuter demRedactionSstrich (4 gespalten) 78 vor den Familtenuach« richte» (6 gespalten) 80 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenaullahme 25 (excl. Porto). Ertra»veilagen (gesalzt), nur mit der Morgeu-AuSgabe, ohne Postbesörderung 60.—, mit Postbesörderung 70.—» Auoahmrschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgeu-LuSgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen Pud stet» au die Expedition -u richte». -- Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geöffnet von früh S bi» Abend» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. Donnerstag den 4. September 1902. 98. Jahrgang. Zur Verständigung über den Zusammenschluß der deutschen evangelischen Landeskirchen. V. L. Der nunmehr in den Protokollen gedruckt vor liegende Sachscn-Cobnrg-Gothatsche Antrag, der es der Eisenacher K i r ch e n c v n f e r c u z geschäftlich wog lich gemacht hat, in einstimmigem Beschlüsse das Bedürfnis; eines engeren Zusammenschlusses der deutschen evange lischen Landeskirchen anzucrkcnncn und zur Bearbeitung dieser Angelegenheit einen besonderen Ausschub von 13 Mitgliedern einzusctzcn, und das schriftstellerische Votum, das ein hervorragendes juristisches Mitglied des Berliner evangelischen Obcrktrchcnrathes vor Kurzem abgegeben hat «Braun, Zur Frage der engeren Vereinigung der deutschen evangelischen Landeskirchen. Berlin, Mittler L Sohn) stimmen im Wesentlichen überein. Beide gehen auf Fortbildung der Conferenz hinaus, aber zu nächst nicht in dem Sinne ihrer Verstärkung durch Ver treter der L a n d e s s y n o d e n, die sie nur ausdrücklich Vorbehalten. Als unmittelbares Erfordernis; der Lage erkennen vielmehr beide, daß dem seit 1900 bestehenden ständigen Ausschüsse der Conferenz neben seiner ursprünglichen, nach innen gerichteten Ausgabe, sie in der Förderung der einheitlichen Entwickelung der Zustände der einzelnen Landeskirchen zu unterstützen, die neue über tragen werde, die g c m e i n s a m c n I n t e r c s s e n der Landeskirchen nach außen, gegenüber anderen Kirchen- und Religionsgemeinschaften, der Rcichsgesetz- gebung und der Handhabung der Reichsgcsetzc und in der Fürsorge für die deutsch-evangelischen Auslandsgcmeinden, zu vertreten. Beide erkennen, daß dann der ständige Ausschuß nicht mehr durch Kopfmehrheit der Conferenzmitgliedcr gewählt werden dürfe. Wäh rend nun aber der Gothaische Antrag die Wahl des auf 13 Mitglieder zu bringenden Aus schusses auch ferner der Conferenz überläßt und nur einen Vorschlag macht, wie dabei der Unterschied der Seelen zahlen der einzelnen Landeskirchen in der Zahl der jeder zuzutheilendcn Wahlstimmen zur Geltung kommen solle, verwirft Braun die Wahl durch die Conferenz und ver langt, daß die — höchstens 10 — Mitglieder des Ausschusses unmittelbar durch die Kirchcnrcgicrungcn aus der Zahl der von ihnen zur Conferenz zu entsendenden Abgeord neten ernannt werden. Die unmittelbare Ernennung würde den Ausschuß ent schiedener als gemeinsames Organ der verbündeten evan gelischen kirchenregicrungen des deutschen Reiches hervor treten lassen, als eine Erwählung aus dem Schvoße der Kirchenconferenz. Dagegen hat der Referent über den Gothaischen Antrag, Gencralsuperintendent I). K retsch- mar, geltend gemacht, daß der ständige Ausschuß dann die Conferenz allzu sehr in Schatten stellen und, wenn er neben der wichtigen neuen Ausgabe die ursprüngliche be hielte, eine Stellung über die Conferenz gewinnen würde, mährend doch umgekehrt eilt Ausschuß der Conferenz von ihr Rechte und Pflichten zugcwicscn erhalten und von ihr controlirt werden müßte. Nun ist aber die Conferenz nicht selbstständige Trägerin irgendwelcher eigenen Rechte, die sie verleihen könnte. Sie wird selbst von den Kirchen - rcgierungen immer neu beauftragt, und diese können es sehr wohl richtig finden, so wichtige Aufgaben, wie die jetzt als gemeinsame deutsch-evangelische anerkannten, einem von ihnen selbst bestimmten engeren Kreis der Confercnz- abgcordnctcn unmittelbar zu übertragen. Dagegen liegt kein Grund vor, den ständigen Ausschuß nicht, wie schon zweimal, auch ferner nach dem hergebrachten Ver fahren aus der Wahl der Conferenz hervorgchcn zu lasten, wenn — die neue wichtige, nach außen gerichtete Aus gabe ihm vorenthaltcn und einem neuen, von den Kirchen regierungen unmittelbar zu ernennenden Ausschüsse über tragen würde, dem dann mit mehr Recht der in dem Gothaischen Anträge gewählte Name Kirchen verb a n d, oder genauer Verband der deutschen evange lischen Kirchenregierungen, zukämc. Dieser Verband würde zunächst nach Braun's Vorschlag mit der Conferenz da durch Zusammenhängen, daß seine Mitglieder zugleich Mit glieder der Conferenz wären. Es wäre aber durchaus natürlich, wenn die Kirchcnregierungcn nach oem Gothaischen Anträge die Conferenz beauftragten, den Bericht des Verbandes cntgegenzunehmen und zu erörtern. Ein Ergebniß der Erörterung würde für die Kirchenregicrungen dasselbe Gewicht haben, wie jedes andere Ergebniß der Eisenacher Verhandlungen, und könnte unter Ulnständen auf die fernere Haltung des KirchcnvcrbandcS cinwirken. Wenn so der nach innen gerichtete ständige Ausschuß und der nach außen wirkende Kirchenverband scharf auscin- audergehalten würden, fiele auch der letzte Borwand weg, diesem nicht nach Braun's Vorschlag Berlin zum festen Sitz und den Präsidenten des Berliner evangelischen Ober- kirchenrathes zum Vorsitzenden zu geben. Sollte sich dennoch diese oder jene Kirchcnrcgierung ablehnend verhalten, so würde sie damit nur auf die Ehre verzichten, an der Arbeit des Kirchenvcrbandcs bcthciltgt zu sein, die Kirchencon- ferenz aber weiter beschicken können. Es ist jedoch zu hoffen, daß der Drcizehner-Ausschuß und nachher die außer ordentliche Conferenz von 1903 und alle Kirchenregie rungen die Richtigkeit des Braun'schcn Satzes anerkennen: „Preußen erstrebt nicht eine Stellung, die allenfalls auch ein Anderer ausfüllcn könnte, sondern der deutschen evan gelischen Kirche muß an einer Stelle geholfen werden, wo ihr eben nur von der preußischen Landeskirche geholfen werden kann." Deutsches Reich. ' /S Berlin, 3. September. (Welfe nthum und Sedan fest.) In dem Wahlkreise des verstorbenen Centruins- und WelfenführerS Windthorst hatte man den Sedantag „Satan Stag" getauft. Daran wird man erinnert dadurch, daß das Hauptorgan der Welfenpartei unter der Ucberschrift „Zum Capitel Patriotismus" zunächst mit Genugthuung fephalten zu dürfen glaubt, nur noch in wenigen Städten im deutschen Reiche werde alljährlich das Sevanfest gefeiert, und dann gegen die städtischen Behörden in Osnabrück wettert, die 300 Mark für die Feier in der Stadt selbst und 50 Mark für die Feier in einem Vororte bewilligt haben. Das Blatt hetzt die „Steuerzahler" gegen die verschwenderischen Stadlväter auf. Die „Stadt väter" sind die Repräsentation der Steuerzahler, sie bandeln also wohl kaum im Gegensätze zu diesen, wenn sie für ein nationales Fest eine Summe bewilligen, die für eine Stadt von 50 000 Einwohnern eine Lappalie genannt werden kann und den einzelnen Steuerzahler sicherlich sehr wenig belastet. Die Hetze wird also sicherlich nichts fruchten wohl aber beweist sie, wie verhaßt dem Welfenthume die bei Sedan errungene Einigung Deutschlands ist. Das Blatt meint, eine Eriunerungsfeier an die große Zeit von 1870 müsse den Bürgern der Provinz Hannover die Erwägung nahe legen, daß, wenn die wölfische Herrschaft fortbestanden hätte, 1870 niemals hätte zur Wirklich keit werden können. Wer sich aber darüber klar ist, dem muß es allerdings schwer fallen, im Banne des WelfenthumS zu bleiben. Und so begreifen wir sehr wohl, warum die Sedan-Gedenkfeier dem welfischen Blatte ein Dorn im Auge ist. Berlin, 3. September. (Zur Frage der Arbeiter- Wittwen- und -Waisen-Pensionen.) Die Düssel dorfer Ausstellung hat bereits eine reichhaltige Literatur bervorgcrufen. Besonderes socialpolitisches Interesse in der Reihe dieser literarischen Erscheinungen erweckt und verdient ein soeben im Auftrage vom Bergischen Verein für Gemein wohl herauSgegebenes Werk von Georg Kolk eck und vr. Franz Ziegler, betitelt „Private Wohlfahrtspflege für Fabrik arbeiter, Beamte und ihre Familien, in organischem Zu sammenhänge mit der socialen Reform des Reiches, nebst typischen Beispielen und Formularen aus der Praxis" (Ver lag von Bruer u. Co., Berlin). Es stellt die Entwickelung der Bergischen Stahlindustrie in den Mittelpunkt und gewährt durch die Darstellung von der Entstehung und Entwickelung der Wohlfahrtseinrichtungen einen höchst anschaulichen Ein blick in die social-ökonomischen und sittlichen Verhältnisse der Remscheider Fabrikarbeiter, so daß hauptsächlich nach dieser Richtung das Werk ein reiches Ouellenmaterial auf einem Specialgebiete socialpolitischer Forschung gewährt und den Beweis liefert, wie Bedeutendes auf dem Wege der Privat- WohlfabrtSpflege zur Lösung von Arbeiterfragen geleistet werden kann. Von den 15 Abschnitten des Buches beansprucht neben dem Capitel über Krankenversicherung ein hervorragendes Interesse der Versuch der Gesellschaft der Bergischen Stahl- Industrie zur Gründung einer Arbeiter-Pensions-, -Wiltwen- und -Waisencasse. Vorausgreifend bemerken wir, daß dieser Versuch von Erfolg gekrönt war. Diese Casse ist im Jahre 1896 mit der ausgesprochenen Absicht gegründet, unter Verzichtleistung von Beiträgen der Arbeiter neben der Fürsorge des Reiches und der Gemeinde, Pensionen zu gewähren, welche, zusammengenommen, dem Pensionär die Mittel zu einer bescheidenen Lebenshaltung bieten sollten. Diese Pensionen stellten in erster Linie eine Ergänzung der noch nicht an dem sogen. Beharruugszustand angelaugten Invalidenrente (d. i. der Zeitpunkt, an welchem die allmäh lich steigende Invalidenrente in 50 Jahren ihren Höhepunkt — in Lohnclasse IV 390 pro Jahr, in Lohnclasse V 450 pro Jahr erreicht) dar. Weiter sollte die be scheidene Armenunterstützung, auf welche Arbeiter-Wittwen und -Waisen bei dem Fehlen einer für sie bestimmten reichs gesetzlichen Sonder-Versicherung vorläufig fast noch immer angewiesen sein werden, eine Erweiterung erfahren durch Bewilligung von Wittwen- und Waisen-Unterstützungen; letztere gewissermaßen als Ersatz für die noch immer ausstehende und nur mit bedeutenden Mitteln zu unterhaltende staatliche Wittwen- und Waisenver sicherung. Der Bestand dieser Pensionscasse betrug im Jahre 1896 100 000 und belief sich im Jahre 1901 auf 198 000 (rund). Den Stand der Pensionen zu An fang jedes Rechnungsjahres seit 1896 giebt folgende Ueber- sicht an: Geschäftsjahr Höhe der bewilligten Pension rc. zu Anfang des neuen Rechnungsjahres Anzahl der Pensionen zu A Wittwen nfang des Jahres Waisen acuen 96 97 6000 10 12 13 97,98 7150 11 1ä 17 98,99 7791 11 18 20 99/1900 9141 12 22 19 1900,01 11476 17 23 19 Versicherungstechnisch ist der Fortbestand der Arbeiter- Wittwen- und -Waisen-Pensionscasse gesichert. Allerdings, so bemerken die Verfasser, wird mau sich bewußt bleiben müssen und sich in dieser Beziehung von vornherein auch keinen Täuschungen bingeben dürfen, daß eine Gewinnbetheiligung der Arbeiterschaft, wie sie in den Zuwendungen der Bergischen Stahlindustrie zum PensionSsondS zum Ausdruck kommt, nur möglich ist, wenn ein Gewinn überhaupt erzielt ist. Auf die fetten WirthschaftSjahre sind jetzt magere ge folgt, und eS ist sicher, daß daö ganze Wirthschastsleben sich gegenwärtig in einer Periode geringerer Erträgnisse be findet, in welcher alle Ansprüche auf das bescheidenste Maß zurückgcschraubt werden müssen. In Folge dessen wird in Zukunft auch auf eine so reichliche Dolirung deS Pensions fonds, wie dies bisher der Fall war, kaum zu rechnen sein. In Consequenz einer solchen etwaigen Einschränkung würde sich natürlich die Ansammlung des Foods zunächst verzögern. Sollte sich ergeben, daß dieselbe mit den wachsenden Bedürf nissen nicht im richtigen Verhältniß steht, so würde eben nichts Anderes übrig bleiben, als die Leistungen, wie es von Anfang an von der Bergischen Stahlindustrie in ihrer Be kanntmachung schon vorgesehen war, zu vermindern, falls die Arbeiterschaft eS nicht vorziehen sollte, etwaige Ausfälle aus eigenen Beiträgen selbst zu decken, was vielleicht zu empfehlen wäre. * Berlin, 8. September. Ter geschästsführcnde Allo schuß deS Inuungsverbandcs deutscher Bau gewerks m c ist e r har den Staats- mrü städtischen Be hörden gemäß einem Beschlüsse des Jnnungsverbandes Nanrens des deutschen Baugewerbes nachstehende Reso lution über die Beschaffung billiger Arbeiter wohnungen zur Kenntnißnahme und mit der Bitte um Berücksichtigung unterbreitet: „1) Das Bestehen einer allgemcinenWohnungs- noth kann zur Zeit nicht anerkannt werden; die Arbeits löhne sind gegenwärtig so hoch, daß jeder solide Arbeiter sich eine seinen Verhältnissen entsprechende Wohnung beschaffen kann. 2) Die Steigerung der MicthSpreise für Wohnungen ist hervor gerufen durch die erhöhten Arbeitslöhne, durch die Minder leistung der Arbeiter, wie sie sich vielfach bemerkbar macht, durch gesteigerte hygicinischc Anforderungen an die Wohnungen, durch häufig zu Weik gehende einschränkende Bestimmungen der Bau ordnungen, durch die Spekulation der Banken und Terrain gesellschaften, durch Bauspcculamcn und durch Einschränkung der Rechte der Vermiether und, besonders in den größeren und großen Städten, durch den übermäßig hohen Preis der Bau stellen. Es ist ein Unding, wenn für die mäßig große Baustelle, zum Thcil noch auf freiem Felde gelegen, der gleiche Preis, wie für das darauf zu errichtende Bauwerk gezahlt werden muß. 3) Es entspricht nicht der Gerechtigkeit, daß Staat oder Stadl aus öffentlichen Mitteln, also auf Kosten aller Steuerzahler, die Ballgesellschaften, Baubanken, Acricngescllschaften u. s. w. unter stützt durch Hergabc von Bauland zum Eigenthum oder im Erb baurecht, durch Gewährung von billigen Baugcldcrn oder durch Ucbcrnahmc von hohen Hvpoihekcn unter dem ortsüblichen Zins fuß, sowie durch Zinsgarantie. Soll Gerechtigkeit in solchen Maßnahmen bestehen, dann müssen alle Bauunternehmer, welche öffentlich ausgestellten Bedingungen entsprechende Wohnhäuser Herstellen, die gleichen Vergünstigungen erhalten. 4) Es ist un zulässig, daß aus öffentlichen Mitteln bezahlte Beamte un entgeltliche Arbeiten für gemeinnützige Ballgesellschaften und ähnliche Unternehmungen leisten. Durch solche Eingriffe in die freie Concurrenz wird die Privatbauthätigkcit lahmgelcgt, der bauende Mittelstand geschädigt uud eher eine Wohnungsnot h herbcigcführt als einer solchen vorgcbcugt. 5) Es wird cm pfohlcn, überall da, wo sich ein allgemeiner Wohnungsmangel zeigt, sachverständige Ausschüsse zu bilden, um die örtlichen Ver hältnisse zu prüfen und Hilfsmittel vorzuschlagen. Eine gründ liche Abhilfe versprechen wir uns aber nur dann, wenn cs ge lingt, dem Baustcllcnwuchcr Einhalt zu rhun." * Berlin, 3. September. (Ultramontane Cigarren.) Eine Cigarrenfabrik in Westfalen versendet, wie in der cen- trumöfeindlichcn katholischen Zeitschrift „DaS 20. Jahr hundert" zu lesen, eine Neclame für ihre Cigarren, in der folgende Stelle zu finden ist: „Dem Andenken großer Männer gewidmet." Raschlebend, wie unsere Zeit nun einmal ist, gehen oft die größten und wichtigsten Ereignisse nur allzubald im Trubel des Alltagsleben unter. Große Männer, auf deren Reden ganze Völker lauschten, werden oft leider nur zu bald vergessen. Nicht so mit unsern Vor kämpfern für „Wahrheit, Freiheit und Recht": Ludwig Wiudt- Feuilleton. Lin Ausflug nach Jehol. Nachdruck vcrboten. Aus Peking, im Juli, schreibt man uns: Mehrere deutsche Landsleute sind kürzlich von einem an interessanten Beobachtungen reichen Ausflüge zurück gekehrt, den sie dem berühmten kaiserlichen Jagd- parke bei Jehol abgestattet haben. Von einem Theil- uehmer der Reise werden mir folgende anschauliche Schil derungen von Land und Leuten zur Verfügung gestellt. Vor dem Nordthvre der Tatarcnstadt bestiegen wir bet prachtvollem Sonnenschein unsere Ponies zu einem AuS- fluge, der uns über eine Strecke, die ungefähr der Ent fernung zwischen Hamburg und Berlin glcichkvmmt, zu einer der anziehendsten Stätten alter chinesischer Herrlich keit bringen sollte. In nördlicher Richtung ging cs in die grüne, lachende Ebene hinein, die Peking auf allen Seiten umschließt, wie die goldene, ewig glänzende Ein fassung eines blind gewordenen Edelsteines. Wir ver folgen die große VcrkchrSstraße, die Peking mit dem Norden über Koupckvn und Lamamiao (Dolonnor) ver bindet. Aber obwohl eine der lebhaftesten Handelsstraßen, auf der alljährlich viele Tausende von Kamcelkarawancn dahinzichen, kommt sie an Beschaffenheit wohl kaum einem schlechten Landwege in der Hcimath gleich. Bald so breit, daß bequem zchnWagcn neben einander hcrfahrcn könnten, wird sie gleich darauf — tief in den Löß cingeschnitten — so schmal, daß ein Ausweichen für Wagen und Reiter schwierig ist, nie aber wird sie durch mehr bezeichnet, als durch in die Felder mehr oder minder deutlich cingc- fahrcne Wagenspuren. Für Anlage oder Erhaltung der Straße ist zweifellos nie etwas geschehen. Was sie nun aber als große Straße kennzeichnet und was allen anderen völlig abgcht, sind die zahlreichen großen Karawansereien oder Gasthöfe, die man in den an ihr gelegenen Ortschaften, und zwar in bestimmten, nach einer Tagereise bemessenen Abständen, findet. Das Fehlen dieser großen Gehöfte, oder besser, das Fehlen jeder Möglichkeit der Unterkunft an Straßen, die nicht alte Handelsstraßen sind, zwingt eben jeden Reisenden, sich stets an jene zu halten. Unser Weg führt uns durch eine sehr anmuthigc Land schaft, zu beiden Seiten grüne Saaten oder frisch gepflügte Felder, auf denen man allenthalben die Leute bei der Arbeit mit den verschiedensten Arten von Kcldgeräthen sieht; dort wird von merkwürdig zusannnengcstelltcn Ge spannen — bald ein Ochse mit einem struppigen, elenden Pony oder einem Esel, oder auch ein Pony mit einem Esel oder Maulthicr — der chinesische Pflug über die braune Erde gezogen, die er mit seiner für unsere Begriffe winzigen Pflugschar nur leicht aufritzt — ein Zeichen, wie wenig der Boden der Arbeit bedarf. Dort steht ein Mann breitbeinig auf der leichten, ganz aus Holz gefertigten Egge, die von einem Ochsen oder Pony gezogen wird, hier vcrthetlen Leute die in kleinen Häufchen regelmäßig über den ganzen Acker verstreute, vorher mit Dünger vermischte Erde, dort kutschirt eine Junge einen Esel, der ein leichtes Gcräth zur Herstellung und Vertiefung regelmäßiger Furchen für den Anbau von Mais, Rüben oder Kartoffeln hinter sich herzieht: zwei kleine, nm einen Stock in einer Entfernung von etwa IV2 Fuß sich drehende Stcinwalzcn. Alles Geräthe, die uns wie aus der Urzeit stamnrcnd an- muthcn, vielleicht auch wirklich aus ihr herstammen, die aber doch genügend sind, um diesem Boden die reichsten Schätze abzugewinnen. Ein nicht seltenes Bild auf den Feldern ist eine ganze Familie, deren Mitglieder, jedes eine andere Function ausübend, in einem Guß die Be stellung des Ackers vollenden: an der Spitze marschirt der Aelteste, den Pflug lenkend, den ich in den ärmsten Ge birgsgegenden sogar von zwei Menschen gezogen sah, da hinter länft der Nächste mit einem Sack, aus dem er die prüparirte Düngcrerde in die Furche fließen läßt, dahinter der Dritte, der aus der engen, slaschcnähnlichen Mündung eines hohlen Flaschenkürbis den Samen in feinem Strahl in die Furche streut, dahinter der Vierte mit einer Gieß kanne und hierauf der Fünfte auf einer Egge stehend und damit die kleinen Furchen znschüttend. Der Sorgfalt^ wie auch der Schnelligkeit, mit der der chinesische Landmann seine Feldarbeit verrichtet, kann man seine Bewunderung nicht versagen. Es wird so häufig von Reisenden in Nordchina als ein Hauptmangel im Landschaftsbilde das gänzliche Fehlen der Bäume hingcstcllt. Ich kann nur sagen, daß ich als den Hauptreiz der Landschaft in Tschili gerade den Rcich- thum an Bäumen, und zwar prachtvollen, alten Bäumen, betrachte. Wenn man auch vergeblich nach einem Walde nach unseren heimischen Begriffen sucht, so wird man voll dadurch entschädigt, daß jedes der zahlreichen, eng bei einander liegenden Dörfchen gänzlich versteckt ist in präch tigen, hochgewachsencn Pappelu, Ulmen, Akazien oder Obstbäumen, die mit ihren mächtigen Zweigen alle die kleinen Lehm- oder Stcinhäuschcn völlig einhüllcn. Ferner heben sich zwischendurch allenthalben kleine Haine oder Baumgruppcn aus den Feldern hervor. Sic umgeben stets Gräber reicher Familien, denen die Bäume den nüthigcn Schutz gegen die Einflüsse böser Geister geben sollen. Die Gräber der Annen allerdings erscheinen in dem Braun der Felder nicht anders als Maulwurfshügel, und man hat erst den Eindruck von Grabanlagcn, wenn eine größere Anzahl von ihnen zusanunengclcgt sind. Ucberhaupt ist es nur der reiche Chinese, welcher viel Pflege auf die Familien gräber vcnvendct, mitunter sogar fast ruinöse Ausgaben dafür macht. Dagegen verführt -er arme Chinese oft geradezu pietätlos, zum Mindesten sehr nichtachtcnd nrit den Gräbern seiner Eltern, und es vergehen nicht viel Jahre, bis der crwerbheischcndc Pflug die Pietät besiegt und die spärlichen Grabhügelchen dem übrigen Felde gleich macht. Da ich gerade beim Vergleiche chinesischer Landschasts- eigenthümlichkeiten bin, die als Ersatz für uns lieb gewordene heimische dienen können, will ich gleich noch Zweierlei erwähnen, das mir auf einer Tour stets Bilder aus der Hcimath vorgczaubcrt hat. Vor den Eingängen der meisten chinesischen Dörfer sinder man kleine Hänschen, die ganz merkwürdig au die Hciligcnhäuschen erinnern, die man ans Bayern oder anderen süddeutschen Gegenden kennt. Sie dienen auch in der Tbat ähnlichen religiösen Zwecken; cs sind Buddha häuschen, vor denen ein gläubiger Reisender wohl hie und da ein paar Kerzen opfert. Und daun haben wir in Nord china einen Ersatz für unsere deuischen alten verfallenen Burgen und alten Schlösser, die von den Bergen grüßen, in den vielen alten, romantisch gelegenen Tempeln, die, mit zinnengekrönten Litauern und häufig sogar mit Wall graben umgeben, von den Spitzen der höchsten Berge so trotzig ins Thal herabschauen, wie nur eine unserer Burgen. Ich will nicht sagen, daß sie das Hcimathsbild voll ersetzen können, sie bringen es vielmehr gerade durch die häufig frappante Aehnlichkeit dem Beschauer ins Gc- dächtniß zurück. Ich sagte vorhin, daß ein chinesisches Dorf besonders durch das dichte Grün seiner Bäume einen überaus an- muthigen Eindruck macht, aber es überrascht durch noch etwas Anderes, worüber man sich in Europa meist anderen Vorstellungen hingiebt: durch seine tadellose Ordnung und Reinlichkeit. Und das macht sich umso mehr fühlbar, wenn man aus dem fürchterlichen — übrigens auch bei Chinesen berüchtigten — Schmutz der Hauptstadt herauskommt. Die große Reinlichkeit in den Dörfern erklärt sich vielleicht weniger aus der besonderen Vorliebe ihrer Bewohner dafür als aus ihrer Sparsamkeit, in der sie nichts un genutzt lassen wollen. Dieses Motiv hat z. B. den Berus der Unrathsammler, die täglich mehrere Male, einen Korb a»f dem Rücken und eine Gabel in der Hand, die Straßen mit der größten Sorgfalt absuchen, hcrvorgcrufcn. Und als weitere Ursache der Reinlichkeit auf den Straßen und in den Höfen der Dörfer erscheinen die kleinen, schnell füßigen, schwarzen Schweine, denen sicher nichts entgeht, was dem spähenden Auge des UnrathsammlcrS vielleicht verborgen geblieben. Jedenfalls ist der Erfolg dieser zwei zusammcnarbcitendcn Factorcn ein ausgezeichneter. (Schluß folgt.)
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- No fulltext in gridpage mode.
- Show single page
- Rotate Left Rotate Right Reset Rotation
- Zoom In Zoom Out Fullscreen Mode