Delete Search...
Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.07.1905
- Erscheinungsdatum
- 1905-07-01
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190507010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19050701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19050701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1905
- Monat1905-07
- Tag1905-07-01
- Monat1905-07
- Jahr1905
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.07.1905
- Autor
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
102 „Was war beängstigend anzusehen, Mce? Deine un- verständlichen Andeutungen machen mir große Sorge." „Paul 'ist wieder Michl Hause gekommen, kaum eine Stunde, nachdem er fortgegangen war. Minna hatte ihm ausgemacht, und sie kam ganz entsetzt zu mir in die Küche, so sehlr war sie bei seinem Anblick erschrocken." „Also dtoch! —fiel der Piolizeidirekdor ein,, und wie in tiefem Schmerz zogen seine Mundwinkel sich her ab. „Ich ahnte es ja seit' Tagens daß sein Zustand sich wieder verschlechtern würde." „Mer es ist nicht das, Papa — wenigstens! wollte er durchaus nicht krank sein, als ich auf Minnas' Ne- richt ins Wohnzimmer liest um ihn zu fragen. Er ging auch ganz straff und elastisch umher — nur sein Gesicht war so blaß, so furchtbar "blaß — und seine Augen — aber es kann jq auch sein- daß es mir in meiner Auf regung schlimmer vorkam,und es wohl unrecht vvn mir. Dich so zu ängstigen." „Nur weiter-" drängte Harmening, dessen Hände jetzt i ebenfalls zu zittern anfingen. „Wach sagte er? Wes halb war er nach Hause gekommen? Oder was ist sonst geschehen?" „Ich weiß gar nichts. Er sagte eigentlich nichts wei ter, als daß ich ihn mit'allen Fragen verschonen und ihn nicht stören sollte, denn er hätte ein paar sehr not wendige Miefe zu schreiben. Darauf ging er in sein Zimmer und schloß die Tür hinter sich zu." „Und dann — dann kamst Tu hierher?" „Noch! nicht gleich Ich guckte erst durch das Schlüssel loch Er hatte sich w irklich hingesetzt und angefangen, zu schreiben. Aber gleich darauf warf er die Feder wieder hin und griff sich mit beiden Händen an das Haar. Da bei hörte ich ganzsdeutlich,! "wie er schluchzte." Der Polizeidirektor war aufgesprungen, um zu klin geln. „Meinen Uebcrzleher, Hellwig — meinen Hut! Schnell, ich habe keine Zeit zu verlieren! — Hast Du noch mehr gesehen, Alice?" „Ick- klopfte an die Tür; da sprang er empor und rief mir, ohne aufzumachten, ganz wütend zu, daß ich ihn doch endlich in Ruhe lassen sollte. 'Es war ein Ton, wie er khn mir gegenüber noch nie angeschlagen hat, und seine Stinrme klang "so fremd und so heiser, daß mir's Mit einem'Male unbeschreiblich bange wurde, und daß ich mich! Hals über Kvpf anzlog- Dich zu holen. Wie er da mitten im Zimmer stand, das leichenblasse'Gesicht gegen die Tür gewendet- da hat er ganz so ausgesehen, wie —" „Wie so rede doch!- Mädchen!" „Wie einer, der sich ein Leid antun will, Papa!" Unter plötzlich ausbrechenden 'Weinen 'hatte sie es hervorgestoßen. Ohne sich nm den Wiedereintritt der Ordonnanz zu kümmern,, erfaßte dec Polizeidirektvr wie ein Verzweifelnder ihre beiden Handgelenke. „Und da konntest Du fortgehen — da ließest Tu ihn allein?" „Er ist nicht allein," schluchzte die arme Kleine. „Heinz ist ja bei ihm. Und er hat mir versprochen, nicht von seiner Seite zu Weichen, ehe Du kommst." „Heinz? Welcher Heinz? — Herr von Liebenow etwa?"' , Alice nickte. „Er ist ja doch sein bester Freund — und wenn einer Macht über ihn Hat,, so ist er's. Ich traf ihn zufällig gerade vor unserm Hause. Und er war gleich bereit, hinaufzugehen, als ich ihm die Ursache meiner Aufregung nntteilte. Du bist hoch nicht böse/ Papa, daß ichs ihm sagte'?". „Wie kann ich wissen- ob Du recht daran getan hast, da ich doch von alledem nichts begreife! Jedenfalls wer den wir auf der Stelle nach! Hause fahren. — Helfen diaH Ihnen Ms dem Dispositionsfonds eine Gratifikation tzuteik wttd. Sie werden sie brauchen können," IN dem finsteren Gesicht des Schutzmannes, der jetzt dicht vor seinem Vorgesetzten stand, zuckte es schmerz lich „Gott weiß, Herr Direktor! Wenn man eine kranke Fran und sechst Sinder hat —" „Pa ja, es ist «ine schwere Aufgabe. Aber Sic werden sich schon durchringen, Berkholtz! Sorgen Sie nur dafür, daß Ihre Hände jederzeit so rein bleiben wie bisher. Das ist für einen Polizeibeamten das höchste Gesetz und die heiligste Pflicht. Mit dem Bewußtsein der Rechtschaffenheit läßt sich schließlich auch das schwerste ertragen. So — und nun nehmen Sie das für Ihre Kin der! Es kommt nicht von dem Polizeidirektior, sondern von Ihrem ehemaligen Hauptmann, der Ihnen sein kameradschaftliches Interesse bewahren wird, so lange Sie es verdienen." Mit freundlichem Druck hatte Harmenings weiße, wohlgepflegte Hand das Goldstück/ das sie unauffällig aus der Westentasche genommen, in die knochige Rechte des Schlußmanns gleiten lassen. Unmittelbar darauf mackste sie eine gütig verabschiedende Bewegung. „Meinen Dank, Herr Direktor, meinen herzlichsten Dank! Ohne Ihren Beistand hätte ich ja längst —" „Schon gut, lieber Berlholtz, schon gut! Sie können jetzt gehen." Der Polizeidirektor war wieder allein, und ein lei ses Lächeln spielte um seine Lippen. Vielleicht machte er sich selber humoristische Borwürfe wegen seines Leicht sinns, amtliche Verdienste eines Untergebenen aus seiner nicht eben verschwenderisch gefüllten Privatschatulle zu belohnen. Mer er hatte sich solcher sträflichen Leicht fertigkeit wohl schon fo oft schuldig gemacht, daß er die Hoffnung auf Besserung ausgegeben hoben Mochte. Kaum eine Viertelstunde hatte er weiter in seinen Akten gearbeitet, als die Ordonnanz abermals die Tür des Arbeitszimmers! öffnete. „Das gnädige Fräulein, Herr Direktor!" Ueberrascht blickte Harmening auf. „Alice — Tu? — Und so erregt? Mein Gott- es ist doch nichts" ge schehen? — Paul sah in den letzten Tagen so schlecht aus — ist er krank?" Hastig, mit ersichtlich immer mehr gesteigerter Angst hatte er diese Fragen an das junge Mädchen gerichtet, das Mit lebhaft geröteten Wangen und ungestüm atmen der Brust auf ihn Mgeeilh war. Sie schüttelte djen Hübschen, dunkelhaarigen Kopf, und die Worte der Erwiderung kanten zunächst noch ab gerissen und stoßweise heraus. „Ach. diese Treppen — . ich bin so — so g-laufen. J-ühle nur- wie mir - der Puls klopft, Papa! — Ich muß mich erst einen Augen blick setzen. So — nun ist es schlon besser. Ja, es ist wegen Paul, haß ich Dich aufsuche. Aber ich glaube nicht, daß er krank ist — ich glaube, es — cs ist " „Ja, was denn, Kind? Ich ahne wirklich nicht —" „Ich glaube, es ist etwas noch Schlimmeres^ Papa!" Auf dem Gesicht des Polizeidirektors kam und ging die Farbe. „Schlimmeres als Krankheit? Du willst da- mit doch nicht sagtzn, daß er —" „Ach nein, nein! Vergib mir, Papa, wenn ich Dich erschreckt habe. Es ist ja vielleicht alles nur Einbildung von mir, und dann sollst Du mich meinetwegen tüchtig ausschielten. Mer es war so beängstigend anzusehen, und «S ließ mir keine Ruhr. Ich mußte Durchaus hersahren, . Dich zu holen." Er Hatte sich neben sie auf das Sofa gesetzt und nahm Ihre kleinen, vor Aufregung zitternden Hgüde in , die seinigen, wie wenn er sie damit zur Ruhe zwingen wollte. ; or „Wozu bedarfst Du einer Hilfe? — VW D» -Sch«, - schien sein bittender Mick sie um ihre Begleitung zu er suchen. Sie müßte hie Aufforderung auch sogleich verstan den haben, denn sie trat unmittelbar nach.ihm über die Schwelle und zog die Tür des Zimiirers hinter sich zu. Vater und Sohn waren allein miteinander. Mit einer ungestümen Bewegung schleuderte der Polizeidirektor seinen Hut auf den Tisch „Mas bedeutet das> Paul? — Wie soll ich mir Dein Benehmen erklären? Und wie kommt dieser Fremde dazu,, solch: Reden zu führen?" Langsam hätte sich der Gefragte von seinem Stuhle aufgerichtet. Wie ein Erwachender- der sich aus der Schlaftrunkenheit in die Wirklichkeit zu rückzufinden'sucht, strich er sich mit her abgezehrten, krankhaft durchsichtigen Hand über die feuchte Stirn und dürch das zerzauste schwarze Haar. „Was hat er gesagt/ Papa?, — Ich weiß es nicht. — Ja- ich glaube, er sagte, daß er mir helfen wolle. — Aber das ist ja alles Unsinn. Mir kann niemand mehr helfen." Sie mir in meinen Ueberzieher, Hellwig! So — ich danke Ihnen! — Und nun schnell!" 2. Mit 8er Behendigkeit eines Jünglings war der Po- lizeidirektor die zwei Treppen zu seiner im vornehm sten Viertel gelegenen Wohnung so schnell empvrgeeilt, daß feine Töchter Mühe gehabt hatte, ihm' zü folgen. Wer seine Hand bebte so, daß Sekunden vergingen, ehe er den Schlüssel in das Schlüsselloch der Flürtür ge brachst: hatte, und im Korridor mußte er stehen bleiben, um wieder zu Atem Ul kommen. Aus dem ZiMMer seines Sohnes» hörte er eine ernste, ruhige, volltönende "Männerstimme. Und seine Lippen bewegte, sich lautlos wie zu einer stummen Danksagung, daß er noch nicht Ku spät' gekommen war. Tann öffnete er, ohne vorher anzukliopfen, die Tür. Ein Mick genügte ihm, die'Situation zu erfasst«. Der, welcher eben gebrochen hatte, stand an dem Tische inmitten des Zimmers, ein stattlicher, blondbär tiger Manu von etwa dreißig Jahren. Sein bübsches Gesicht war tiefernst, und er hatte sich in der Haltung eines teilnehmenden Trösters über den andern herabge neigt, der völlig gebrochen in einen Stuhl gesunken war und' den Kopf auf di« über den Tisch geworfenen Anne' gelegt hatte. Tas Knarren der Tür und das plötzliche Ver stummen des Sprechenden gab dem offenbar von tief ster Verzweiflung Ergriffenen Veranlassung, den Kvpf zu erheben. Ein gramverwüstetes "schmales Gesicht von wirk lich erschreckender, fast leichsnhafter Mässe kehrte sich den beiden Ankömmlingen zu. Ter andere legte mit festem Truck die Hand auf sein« Schütter und sagte: „Du wirst Deinem Vater alles offenbaren, Paul — und Du. wirst ihm auch Mitteilen, was ich Dir soeben gesagt habe.' Es ist meiner Ueber- zeugung nach noch kein Grund zur Verzweiflung vor handen." Dann trat er mit höflicher Verbeugung zu dem Hausherrn. „Ich hoffe, Herr 'Direktor, dchtz Sie meiner herzlichen Freundschaft für Ihren Sohn diese EinMischuüg Ur gute halten werden. Ich darf vielleicht' später noch um die Ehre einer kurzen Unterredung bitten/1 Harmening, der ersichtlich nur mühsam seine unge duldige Erregung beherrschte- bejahte Lurch eine stumme Kopfbewegung, und der andere verließ das AimMer. Als er an Alice vorüberging/ die zögernd und unschlüssig hinter ihrem Vater fliehen geblieben war, und' deren Augen seit dem Moment ihres Eintritts mit ängstlicher Spannung an dem Gesicht des Mondbärtigen hingen, j Stillschweigen hoch genug bezahlen ließ, machte den — Verfluche nach Vater — dem Dich gebracht — unauslöschliche ein — Dieb." Mit beiden Händen schmalen Schultern dies Stehenden, um sie in schütteln. , „Sprich keinen Unsinn/ Junge. Was Du da sagst, ist nicht wahr — eSHannt nicht wahr sei«. Du hast Schul den gemacht — leichtsinnige Schulde» vielleicht. Ader etwas Schlimmeres hast Du nicht getan. So rette doch — das ist ja» um den Erstand zu verlieren." „Doch, Papa. — Was könnte es mir jetzt «ach hel fen, zu leugnen! Ich habe viel Schlimmere» getM — ' ich habe gestohlen — und nicht nur Sn einziges Mal > habe ich gestohlen — nicht erst heute Htter gestern, son dern feit Monaten — so lange schon- daß ich gar nicht mehr sagen kann wie oft." Tonlos und, heiser war da» schreckliche SeMudniSl , über seine Lippen gekommen. » Mit einem qualerpreßten Aechtzen ließ der Polizei direktor die Hände von den Schullern des Unglückliche» gleit« und kehrte sich ab-, umi ein paar unsichere Schritte durch! das Zimmer Hu machen. ^Sekunde uat Sekunde verging, ohne daß er Sn Wort gesprochen hätte. Da begann der junge 'Mann, vielleicht nur, well ihm dies Schweigen unerträglich war, yon neuem zu reden. Aus deu Rand des Tische» 'gestützt und die Auge» starr auf das Muster Des" Teppichßs geheftet, fuhr er mit demselben klanglosen Tonfall fort: „Ich hatte wie- , der Schulden gemacht- und ich hatte nicht mehr den Mut, sie Dir zu beichten. Meine SLubiger drängten, und» gerade in dem Augenblick- wo ich nicht mehr aus Und ein wußte, wurde Mir die Vertretung deS erkrankten Kassierers übertragen. Hunderttausende gingen täDch dürch meine Hände — und die Kontrolle war.lässig- Da, als man mir gedroht hatte, sich am nächste« Tage an . Dich zu wenden, unterlag Ilch zum erstenmal." „Und dann fandest Tu Gefallen an dem mühelose« Geschäft? Nun konntest Tu ja das Leden nach Gefallen genießen! — O, über die Schmach — über die Schmach!" „Ich mußte mein Verbrechen wiederholen, um da» erste Loch zu verdecken. Mer ich wollte natürlich alles wieder ersetzen, und well ich kein anderes Mittel wußte, begann ich an der Börse zu spekulieren. Ein klliner Maller, der vermutlich die Währheft ahnte und sich fei« genug bezahlen ließ, machte den Lttr- mittler für meine Geschäfte. Mer ich hatte kein Glück, und das Loch, das ich zustiopfen wollte, wurde immer größer, bis — nun, bis! heute die Entdeckung kam." Harmening griff sich cm die Schläfen. Der ganze, unermeßliche Jammer seiner Seele spiegelte sich ans. seinem Gesichjt. „Und dgs alles soll wahr sein?! — Ich soll wirklich daran glauben?! Mein Sohn — ein Dieb, ein entlarvter Verbrecher? Es ist doch so — nicht wahr? Sagtest Tu nicht/ Deine Schuld fei bereit» entdeckt?" Paul nickte ohne aufzüfehen. „Doktor Delmvnte rief mich heute früh in sein Privatkabinett und sagte mir'» aus den Kvpf zu. Ich weiß nicht, wie er dazu gekommen ist Verdacht geg« mich zu hegen. Aber er erklärte mir, daß er in der letzten Nacht selbst die Kassenbücher revi diert und di« fakschrn Eintragungen sestgestellt habe, «ll denen ich mir immer von einem! Tag Ulm andern zu Hel- fen suchte." „Er hat natürlich bereits Anzeige gemacht?'" „Nein. Er sagte- dpßf er zuvor" mit Dir über die Angelegenheit Rücksprache nehmen werde und trug mir
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview
Next Page
Forward 10 Pages
Last Page