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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-09-26
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030926018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903092601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903092601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-09
- Tag1903-09-26
- Monat1903-09
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Bezugs-Preis st« der Hanptexpedition oder deren Ausgabe stellen abgeholt: vierteljährlich 8 —, bet zweimaliger täglicher Zustellung inS Hau» 8.78. Durch die Post bezogen für Deutsch- land u. Oesterreich vierteljährlich .4 4.86, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Redaktion und Expedition: JohanniSgasse 8. Fernsprecher 183 und 222. FMatevprditi-nei,: Alfred Hahn, Bnchhandlg., UniversitSt»str.3, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. Königspl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße 34. Fernsprecher Amt I Nr. 1718. Haupt-Filiale Berlin: Larl Duncker, Herzgl. Bayr. Hofbllchhandlg., Lüpowstraße 16. Fernsprecher Amt VI Nr. 4608. Morgen-Ausgabe. MiWgcr Tageblatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Aales und des Nolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 25 Lj. Reklamen unter dem RedaktionSstrtch (»gespalten) 78 H, vor den Familtennach» richten («gespalten) 80 H. Dabellarifcher und Ztffernfatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanaahme 28 H (»xcl. Porto) Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohue PostbefSrderuug SO.—, mit Postbeförderung 70.—^ Ännahmetchlvß für Anzeigen: Ibeud-Au-gabe: vormUtag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Di« Expedition ist wocheutag» ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi» abeud» 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. M. 97. Jahrgang. Sonnabend den 26. September 1903. Unsere bitten wir das Abonnement auf das IV. Vierteljahr im Interesse pünktlicher Weiterlieferung jetzt zu erneuern. Neu-Abonnenten machen wir darauf auf merksam, daß jedes Postamt sowohl Bestellungen auf Vierteljahrs-Abonnements zum Preise von Mk. 4.50 für das Vierteljahr wie auch Monats-Abonnements zum Preise von Mk. 1.50 für den einzelnen Monat entgegennimmt. Die militärische Bedeutung der türkisch-asiMchen Eilenbchnen. V. IV. Welch große Bedeutung die Eisenbahnen als Ver kehrs- und Transportmittel für die Kriegführung haben, wie ihr intakter und wohlgcregelter Betrieb nächt nur für die Mobilmachung, sondern auch für Len Verlauf der Operationen von entscheidendem Werte ist, das lehren nicht nur das Studium des Krieges von 1870/71, sondern ebenso sehr auch die Ereignisse des türkisch-russischen Feld zuges. Und wohl ans Eirund der hier gesammelten Er fahrungen haben sich ganz besonders die obersten"HeereS- leitungen in der Türket wie in Nußland seit langen Fahren mit den Fragen des Baue? wichtiger Mtlitür-Eisenbahnen und mit den Errichtungen für die Sicherstellung von Truppentransporten im Mobilmachungsfalle beschäftigt. Für vielleicht keine der europäischen Großmächte ist aber auch bas Vorhandensein hinreichender Schienenwege i«nd einer hiermit verbundenen gut vorbereiteten militärischen Organisation des Eisenbahnwesens von so ausschlaggeben der Bedeutung, wie für die Türkei. Dies zeigt schon ein Blick aus die Karte des ausgedehnten türkischen Besitzes in Europa und in Kleinasien, sowie eine Uebersicht über die Dislokation des ottomanischcn Heeres in den beiden vorgenannten Erdteilen. Al- allgemein bekannt darf ja wohl vor ausgesetzt werden, daß das türkische Heer im Frieden in 7 OrduS ober Armeekorps eingeteilt ist, von denen jedoch das 7. OrduS für eine etwaige Verwendung in Europa außer Betracht zu lassen ist, da seine Unter- Vringung an der Norbküste des Roten Meeres dasselbe zu weit vom Mutterlande entfernt hat und außerdem die poli. tischen Verhältnisse hier schwerlich ein Entblößen von be trächtlichem Truppenteilen zulassen werden. Es bleiben also nur 6 Armeekorps zu berücksichtigen, mit denen die türkische oberste Heeresleitung für den Kriegsfall in Europa ernstlich rechnen kann, wobei jedoch auf die eigen artige militärische Einrichtung aufmerksam gemacht wer- den muß, daß keines dieser Armeekorps, wie wir später noch sehen werden, geschloffen ans europäischem Boden steht. Besonders nachteilig fühlbar gemacht haben sich diese Verhältnisse bis zum Jahre 1889, zu welcher Zeit in Klein asten noch keine Eisenbahnen gebaut waren und die Truppen im Kriegsfälle von dort her vermittels Fuß marsches und bann Seetransports hätten herangezogen werben müssen. Erst im Jahre 1889 wurden unter deutscher Leitung die anatolischen Bahnen begonnen, und wenn auch dieselben für Militärtransporte in größerem Stile bisher keine Verwendung gefunden haben, so steht doch ohne weiteres fest, daß mit ihrer Hülfe etwa 100 Ba. taillone in der verhältnismäßig kurzen Zeit von höchstens 14 Tagen nach dem europäischen ttriegsplatze befördert werden können. ES bedarf keiner ausführlichen Kommentare, um sich vorznstellen, welche Bedeutung diese Heeres- verstärkung für den Fall haben würde, wenn beispielS- weise in dem Augenblicke der gegenwärtigen Unruhen aus dem Balkan weitere Komplikationen für die Türkei ent stehen sollten. Wenn man dann noch dazu erwähnt, daß auf türkischem Gebiete in Europa insgesamt nur 12 Divi- stonen mit 192 Bataillonen untergebracht sind, während in ganz Kleinasten noch 421 Bataillone ottomanischer Truppen — da- 7. Orbu ist auch hierbei nicht mit einberechnet — ftehon, dann hat man ein vollständiges Bild von dem Um. fange besten, was die Eisenbahnen in Kleinasten leisten müßten, wenn sie die gesamte türkische Armee auf dem Kriegsschauplatz in Europa versammeln wollten. Das mären die anatolischen Eisenbahnen allein mit ihren End- »unkten in Konia und Angora natürlich nicht im stände und auch die von Smyrna nach Dtnair und mit Anschluß «m di« anatoltsche Bahn nach Aftum Karahtffar geführte Bahn würbe für diese Zwecke nicht ausreichen. Vielmehr können diese Linien nur das 1., das 2., bas 8. Armeekorps komplettieren, die ihre Generalkommandos zwar in Kon stantinopel, Adrianopel und Saloniki haben, aber noch mit 9 Divisionen im westlichen Kleinasien stehen, darunter die zum 2. Armeekorps (Adrianopel) gehörende 8. Nizam- Diviston in Konia in einer Entfernung, die nach unseren Begriffen weit über die Grenzen des Befehlsbereiches eines Armeekorps hinausgeht. So vorteilhaft und notwendig unter solchen Umständen der Bau -er vorgenannten Eisenbahnen in Kleinasien für die türkische Heeresverwaltung geivesen ist, so wenig reichen dieselben für alle Bedürfnisse auS nnd mehr als die Hälfte der Armee würde unter solchen Verhältnissen bei dem voraussichtlich schnellen Verlaufe heutiger Kriege für die Ereignisse in Europa viel zu spät kommen. Vom 4., 5. und 0. Armeekorps, die in Armenia, Syrien und Meso potamien disloziert sind, haben nämlich viele Truppen- teile heute bis zur nächsten Eisenbahnstation bis zu 2000 Kilometer Fußmarsch zurückzulegen und, bei aller Aner kennung für die Marschleistungen -er türkischen Truppen, solche Entfernungen würben ihre Leistungsfähigkeit doch voraussichtlich übersteigen. Nun hört man freilich viel fach denEtnwand, daß dieTürket auch bei ernstcnVerwicke- lungen auf dem europäischen Kontinent bas in und um Erzinghiam dislozierte 4. Armeekorps nicht heranziehen würde, weil dasselbe bet dem steten Vordringen der Russen von Tiflis her unentbehrlich sei. Aus demselben Grunde müßten auch die Hauptkräfte deS 6. Armeekorps (Generalkommando Bagdad) in Mesopotamien belassen werden, so daß für diese Truppen die Herstellung eines direkten Schienenweges nach dem europäischen Festlande zu gar nicht im Vordergründe des militärischen Interesses stehe. Diesen Ansichten ist zunächst gegenttberzustellen, daß es trotz der bedrohlichen Nähe der Russen im Kaukasus keineswegs als ausgemacht, ja nicht einmal als wahr scheinlich gelten kann, daß die Türken die 112 Bataillone und 206 Eskadrons des 4. Orbu und die 80 Bataillone und 80 Eskadrons deS 6. Orbu dort, wo sie gegenwärtig sind, belassen werden, falls ernste Verwickelungen a>F dem Balkan ein möglichst starkes Aufgebot militärischer Macht dort notwendig machen und selbst Rußland zu den Gegnern der Türkei gehören sollte. Denn, welchen Gang in solchem Falle auch immer die politischen und militärischen Ereig. nisse nehmen werben, die Entscheidung über Sein und Nichtsein wird für bas türkische Herr «Md den Bestand Les ottomanischen Reiches doch stets auf europäischem Boden liegen, und hier der Stärkere zu sein, wird und mutz daher Las Ziel der türkischen obersten Heeresleitung sein. Um in diesem Sinne die Operationen -er Armee zu unter- stützen, wirb die zu bauende Bagdabbahn von außer- ordentlichem Werte sein und es u. a. ermöglichen, daß von der Station Diarbekir aus, die im Bereiche Les 4. Orbu liegt, die ersten Truppen dieses Armeekorps bereits in drei bis vier Tagen und von Bagdad aus die ersten Militär transporte aus dem 6. Ordu in vier bis fünf Tagen über Konia und die anatolische Bahn in Skntart an der West- küste von Anatolien anlangen, wobei naturgemäß Vor- aussetzung ist, -atz der Bahnbetrieb kriegsfähig organisiert und der Schienenweg an keiner Stelle durch feindliche Unternehmungen unterbrochen ist. Auch für den Fall, baß türkische Truppen an der Norb- ostgrenze Armeniens versammelt werben müssen, wird das Vorhandensein von Eistmbahnen von außerordent licher Bedeutung sein und die 700 Kilometer weite Ent- fernung der beiden Generalkommandos in Bagdad und Erzinghiam ganz erheblich verkürzen. Beispielsweise würden dadurch auch die in Kerkuk in Mesopotamien dis- lozierten Truppen (12. Nizam- und 22. Redifdivision) des 0. Ordu in kürzester Frist in der Lage sein, der in Diar- bekir stehenden 18. Rebifdivision des 4. Orbu die Hand zu reichen und gemeinschaftlich mit ihr zu operieren. AuS dem vorstehend kurz skizzierten Bilde wirb er sichtlich, welch erhebliche Vorteile die Türkei non einem hinreichenden, sachgemäß cxngelegten und ebenso orga- nisierten Bahnnetze in Kleinasien haben kann, falls kriege rische Verwickelungen ein rasches Versammeln ihrer Armee notwendig machen. Deutsches Neich. --- Berlin, 2b. September. (Parteitag und Ge- werkschaft.) In der gewerkschaftlichen Presse können Urteile über den sozialdemokratischen Parteitag zur Stunde naturgemäß nur vereinzelt vorliegen. In einem der wichtigsten GewerkschaftSbläiter aber, im Organ des Buchdruckerverbandes, findet sich bereits eine fast 9 Spalten füllende Betrachtung über den Dresdener Tag, nachdem dasselbe Organ schon tn der vergangenen Woche gegen die „Akademiker" schart Stellung genommen hat. Was in der ausführlichen Kritik deS Buchdrucker, organs ungemein auffällt, ist die Art, wie eS mit dem per- iönlichcn Streit sich abfindetl An den persönlichen In vektiven sich zu stoßen, nennt das Buchbruckerorgan gegen- über der tn Dresden angeblich geschlagenen „Geistes. schlacht" banal ustb tröstet sich mit der allerdings unbe streitbaren Tatsache (an welche die Sozialdemokratie so häufig nicht denkt), daß die Menschen keine Engel sind. Gerade in einem Gewerkschaftsblatte von der Statur des Buchdruckerorgans solche Ansichten, die angesichts der kritischen Artikel sehr vieler sozialdemokratischer Zeitungen doppelt merkwürdig sind, zu hören, wäre schwer verslünd- ich, wenn man nicht die dabei obwaltende diplomatische Absicht herausmerkte. Offenbar nämlich geht das Buch- druckcrorgan über den persönlichen Hader so großmütig hinweg, weil es seinen revisionistischen SLand- punkt gegenüber Bebel und gegenüber dem Parteitags- beschluffe völlig aufrecht erhält. Anknüpfend an die bekannte schroffe Kriegserklärung Bebels an die bürgerliche Gesellschaft schreibt der „Korrespondent", nach dem er Bernsteins Darlegungen anerkannt und ge- rühmt hat: „Mit der Erklärung Bebels werden alle die feinvcrästeten sozialen Bestrebungen, die — und den Mut muß man haben, dies einzugestehen — auch im Bürgertums der Vorwärts, und Aufwärtsentwickelung unserer Nation und damit der Arbeiterschaft dienen, zu ersticken versucht. Hier ist der Haß ein schlechter Berater, und wenn die Ar beiterschaft sich davon leiten ließe, könnten die Gewerk- schäften je eher je lieber einpacken.." — DaS Buchdrucker, organ erinnert weiter an die P a r t e i be tr i e b e, denen nach der Logik Bebels die Arbeiter gleichfalls als Tod feinde gegenüberstehen müßten, da sie tn kapitalistischer Manier betrieben würden, erteilt dem „Genossen" k>. Friedeberg wegen seiner Befürwortung des Generalstreiks, dieser „a l l e r g e s ä hr l t ch ste n D u m m he i t", einen Tettenbieb und erklärt schließlich, baß mit dem Parteitags- beschlusse gegen die Revisionisten, eines Teils jeder machen könne, was er wolle, baß andcvn Teils aber der Partei tagsbeschluß auch in der schroffsten Form zur Anwendung gebracht werden künme. Der letzteren Möglichkeit wegen habe die Sache einen ernsten Hintergrund für jeden sozia listischen und demokratischen Arbeiter, dem eS im politischen Leben nicht gleichgültig sein könne, ob ihm in der sozial demokratischen Bewegung die Mitarbeitermöglicht sei oder nicht. Mit diesem Ergebnis seiner Würdi gung des Parteitages hat das Organ des Buchdruckerver bandes ohne Zweifel die sozialdemokratische Orthodoxie davor warnen wollen, auf arund des «Dresdener Be schlusses gegen die Revisionisten schroff vorzugehen. Man wir- ja sehen, in welchem Matze die Warnung befolgt wer- den wird. Berlin, 28. September. (Terrorismus der Sozialdemokratie und Arbeitswillige.) In letzter Zeit mehren sich die Fälle, in denen sozialdemokratische Ver bände einen ungeheueren Druck auf Arbeitswillige ausüben, um sie nicht sowohl zur Niederlegung der Arbeit, als auch zum Beitritt in die sozialdemokratischen Verbände unter Auf erlegung einer wöchentlichen, ziemlich beträchtlichen Gelbsteuer zu zwingen, oft unter Anwendung tatsächlicher Gewalt. Meistens dringen solche Vorkommnisse gar nickt in die Oeffentlichkeit, weil die arbeitswilligen Arbeiter viel zu sehr durch die organisierten Arbeiter eingeschüchtert sind. Ein paar Fälle außerordentlicher Roheit gegen vergewaltigte Arbeiter haben in den jüngsten Tagen die Gerichte beschäftigt; sie werfen aber doch nur kärgliche Streiflichter auf diese Art sozialdemokratischen Terrorismus. Augenblicklich steht die Reichshauptstadt unter dem Zeichen eräes Ausstande» der Metallarbeiter, der infolge des Eingreifens des sozial demokratischen Metallarbeiterverbandes großen Umfang an- zunehmen droht und wahrscheinlich zur Aussperrung von etwa 15 000 Metallarbeitern führen wird. Die günstige Kon junktur veranlaßte vor einigen Wochen die Gürtler und die Metalldrücker, höhere Lohnforderungen zu stellen. Wahr- scheinlich würde diese Lohnbewegung einen friedlichen Aus- gang genommen haben, da 54 Firmen sich von vornherein zu Zugeständnissen bereit erklärt batten und andere Firmen diesem Beispiel zu folgen willig waren. Da griff der Zentralverband der Metallarbeiter ein und stellte For- derungen an die Arbeitgeber, auf welche diese unmöglich eingehen können, wenn sie sich selbst nicht völlig dem sozialdemokratischen Metallarbeiterverbande auSliefern wollen. Unter anderem verlangt der Metallarbeiterverband, daß nicht der Arbeitgeber, sondern der Metallarbeitcrver- band über Arbeiterentlassungen zu bestimmen Habel Der Arbeitgeber dürfte also nicht mit seinen eigenen Arbei tern verhandeln, sondern nur mit dem sozialdemokratischen Verbände, der seinen Fabrikverbältnissen gänzlich fern steht. Dadurch würde die sozialdemokratische Organisation unum schränkt in jeder Firma herrschen. Für dieft Forderung ver langte der Metallarbeiterverband die kontraktlich bindende Unterschrift, eine Zumutung, welche die Vereinigung der Berliner Metallwaren-Fabrikanten abwies; eine große An zahl von Firmen, die der Vereinigung nicht angehören, hat sich ebenfalls dieser Ablehnung angeschlossen und die Unterschrift zu dieser Forderung des Metallarbeiter-Ver bandes verweigert. Obwohl die Arbeiter der Berliner Metall industrie mit ihren Arbeitgebern in völligem Frieden lebten, wird ihnen jetzt durch den Metallarbeiterverband ein frivoler Streik aufgedrängt, und nicht nur daS: die Arbeiter werden gezwungen, dem Metallarbeiterverbande beizutreten und jede Woche 50 von ihrem Arbeitslohn an die Kasse de» Verbände» zu zahlen; auch minderjährige Lehrlinge müssen diesen Tribut dem Metallarbeiterverbande entrichten, der sich rühmt, über die größten Geldmittel zur AuSfechtung dieses von ihm mutwillig beraufbeschworenen Streikes zu verfügen. Durch das -System des Streikposten- stehenS wird nun ferner ein ungeheuerer Druck auf die Arbeitswilligen ausgeübt; letztere wagen gar nicht, die Arbeitsstätte zu betreten. Ein Arbeitgeber, der für einen Aus ständigen einen anderen Arbeiter engagiert hatte, erhielt de» folgenden Mittags eine Karte mit den Worten: „Ick kann nick kommen; sie lassen mir nich rin." Da» System de» StreikpostenstchenS geht aber noch weiter; e» erstreckt sick auf eine genaue Ueberwachung der Akkordarbeit der noch Ardei- tenden und auf die Kontrolle der Ueberstunden usw. Gegen eine derartige Vergewaltigung von Arbeitswilligen ist da» Gesetz, wie die» auch mehrere gerichtliche Entscheidungen au» jüngster Zeit zeigen, völlig machtlo»! — Der Au»gang de» von dem Metallarbeiterverbande entfachten Kampfe- ist von höchster grundsätzlicher Bedeutung. Den Arbeitern steht da» Recht zu, sich auS ihrem Arbeitsvertrage bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen zu erzwingen; aber ein solcher Eingriff in die Betrieb-leitung, wie ihn jetzt der sozialdemokratische Metallarbeiterverband unternimmt, müßte jede» industrielle Unternehmen zu Grunde richten. Und gegenüber den Arbeits willigen macht der Metallarveiterverband von dem Koalitions rechte einen solchen Mißbrauch, daß er iu einen Koalitions zwang auSartet! * Berlin, 25. September. (Die „Genossen" über ihren Parteitag.) In der sozialdemokratischen Presse werden die abfälligsten Betrachtungen über den Dresdener Parteitag fortgesetzt. Die dem „Genossen" von Vollmar nahestehende ,Münch. Post." beginnt heute über dieses Thema eine Artikelserie und bemerkt u. a.; Wenn von einem Erfolg dieses Parteitages geredet werden kann, so wird eö wohl nur der negativ« sein, daß die organi sierten Massen aufgerüttelt wurden, damit sie sich für all« Zu kunft derartige Schaustellungen verbitten und den Führern, die vermeinen, die Partei als Spielball ihrer Launen betrachten zu können, noch deutlicher sagen, al» e» in Dresden schon geschehen, wie wenig die Parteiseele gewillt ist, solch schmähliches Äckeifeal» Gegenleistung für unser« groß« Sache in Zahlung zu nehmen. Im „Volk-blatt sür Anhalt" sagt „Genosse" Peus dem Parteipapste Bebel folgende Liebenswürdig keiten: Vollmar, Kolb, Timm, Auer und zuletzt, aber nicht am wenigsten, Molkenbuhr haben Bebel in seiner Maßlosigkeit, tn seiner Unbekümmertheit, von der Leidenschaft eingeg«b«ne Un wahrheiten in die Welt hinauszuschleudern, so über zeugend und unwiderleglich geschildert, daß wir fest überzeugt sind, kein Parteitag habe dem wirklichen Ansehen Bebels so wenig neue Kraft verliehen, als gerade der Dresdener Parteitag. Nein, daß wir unsere ganze Meinung sagen: Der Dresdener Parteitag hat das Ansehen Bebels gerade inner halb der Partei auf da» allertiefste er schüttert. . . . Also die Genossen werden wissen, woran sie mit ihm sind. Sie werden sich über Aeußerungen Bebelscher Leidenschaft in Zukunft nicht sonderlich aufregen. Am schärfsten drückt sich die „R h einif che Ztg." au-: Wir sind sehr bescheiden, aber da» verlangen wir: man soll unsere schwierige Lage nicht noch verschlimmern dadurch, daß zu einer Zeit, wo alle» nach Taten verlangt, die oberste Partei instanz mit Zank und Stank aufwariet und dem Gegner die Arsenale füllt. . . . Wir müssen un» de» Dresdener Partei tage» schämen. Er hat nicht nur nicht» geleistet, sondern der Partei schwer verwindlichen Schaden zugefügt. Gerade die jenigen, die sich in Dresden der Rücksicht auf die Massen als Argument so vordringlich bedienten, haben die Massen auf das bitterste enttäuscht. Die sozialdemokratische Wählerschaft er wartete Taten; aber man bot ihnen widerlichen Zank, Steine statt Brot, Literatentratsch statt Belehrung und Anregung. . . . Gewiss« Parteikonsuln und Prtnzipienwächter täten gut, wenn sie nicht allein darüber wachten, daß der Partei kein Schaden geschieht, sondern sichselbersoweitinZuchtnähmen, daß von ihnen kein Schaden kommt. Das Organ der schlesischen „Genossen", die BreSlauer „Volksmacht", übt solaenbe Krtttk: In Wahrheit bot der Parteitag ein nicht» weniger al» schönes Bild, und wir würden c» begrüßen, wenn sich überall im Lande ein Entrüstung» sturm erheben würde über di« Art, wie die Verhandlungen geführt worden sind. Dazu wählen die Parteigenossen nicht ihre 800 Delegierten, damit vor ihren Augen sich zwölf oder fünfzehn der ersten Führer gegenseitig die Haare ausrausen. (-) Berlin, 25. September. (Telegramm.) An dem heutigen letzten Kongreßtage de» Internationalen Statistischen Institut» sanden um 10 Uhr die letzten Sektionssitzungen statt. Um 2 Uhr begann die Schlußplenarsitzung. Präsident Jnama-Steraegg teilte mit, daß folgende» Telegramm eingegangen sei: „Se. Majestät der Kaiser und König haben Allerhöchstsich über das freundliche Gedenken de» Internationalen Statistischen Instituts bet Eröffnung der 9. Sitzung lebhaft gesrent und lassen Euer Hoch wohlgeboren sowie allen Teilnehmern an der Sitzung Allerhöchsiihren wärmsten Dank für die Allerhöchstihne« erwiesene Aufmerksamkeit au», sprechen. Seine Majestät werden der eifrigen bedeutungsvollen Arbeit der statistischen Wissenschaft auch fernerhin Allerhöchst ihr Interesse znwenden. Auf Allerhöchsten Befehl. Geheimer Kabinett»- rat v. Lncann»." Hierauf hielt Professor Schmoller eiueu mit lebhaftem Beifall aufgenommenen Vortray über die historische Lohnbewegung von 1300 b»S 1900. G Berlin, 24. September. (Telegramm.) Die HI. Strafkammer de» Landgericht» l verbandelte beute gegen die Redakteure de» „Vorwart»" Leid und KalinSki in der Angelegenheit de» angeblichen Katsext«sel«Px»jekte». Leid ist angeklagt de» groben Unfug» und der MajestätSbeleidiaung, da die Tendenz de» Artikel» sei, den Kaiser selbst al« den ,u bezeichne«, der die höchst sonderbaren Pläne entworfen habe und betreibe und da ihm angedichtet werde, au« Angst vor einem Aufruhr sich auf die befestigte Havelinsel Pichel»werder zurückziehen zu wollen. Kabinski ist der Beleidigung de» Hofmar schall« v. Trotha angeklaat, weil er aus dessen Erklärung, von solchenPläne» nicht« zu wissen,ihn der wissentlichen Unwahr- beit zieh. Die von der Verteidigung geladenen Zeugen, der Cbef de« Militärkabineti«, Graf Huelseu-Haeseler und Major v. Zastrow, waren nicht erschienen, da sie sich auf Reisen oder im Manöver befinden. Die vernommenen Zeugen erklären sämtlich, von einem solchen Scdloßplane nickt» zu wissen. Zur weiteren Vernebmung von Zeugen wurde die Sitzung auf Dienstag vertagt.
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