02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.12.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-12-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19021219023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902121902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902121902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-12
- Tag1902-12-19
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Reklamen unter dem Redaktionsstrich (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach- richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenanuahme 25 H (excl. Porto). Extra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L 00.—, mit Postbeförderung 70.—. Ännahmelchluß für Anzeigen: Abend »Ausgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 845 Freitag den 19. Dezember 1902. S6. Jahrgang. Die Erekution gegen Denemela. Tafte,» Lage verschlechtert sich nach den letzten Meldungen, nach denen die Aufständischen sich bereits der Stadt Valencia »ädern und die Bevölkerung der Hauptstadt dringend Castros Rücktritt verlangt. Castro hält sich verborgen und der frühere Präsident Andrate ist auf dem Wege von Columbien in Willemstad eingetrvsfen. Bon entschiedener Bedeutung ist auch die Nachricht, daß die Vertreter der Handels» und Finanzwelt Venezuelas auf eine friedliche Beilegung dringen und die übrigen füdanierila- nischen Republiken unzweideutig zu erkennen geben, baß sie nicht die geringste Lust haben, zu Gunsten des böswilligen Schuldners zu intervenieren. Namentlich Chile bat darüber keinen Zweifel gelassen. Castro scheint sich also nur noch auf Len Pöbel von Caracas zu stützen, und diese auia poxulans schlägt bekanntlich sehr leicht in ihr Gegenteil um. Kriegs- oder Fric-cnSblockadc k Unser Berliner Gewährsmann schreibt unö: Auf Grund zuverlässigster Mitteilungen halten wir es für wahrscheinlich, daß die verbündeten Mächte für die Küste Venezuelas weder die „friedliche" noch die „kriegerische" Blockade erklären werden, sondern einfach die „Blockade" schlechthin. In den völkerrechtlichen Sprachgebrauch würde dieses Ver fahren allerdings nicht Passen, da das Völkerrecht mit jenen zwei Kategorien zu rechnen pflegt. Aber das Verfahren der verbündeten Mächte würbe den bestehenden Schwierigkeiten der Lage begegnen; denn an die formelle Erklärung des Kriegszustandes wird einstweilen nicht gedacht. Was aber die Rücksicht auf die neutralen Mächte anbelangt, so würbe die völkerrechtlich vorgeschriebene Notifikation über den Eintritt der Blockade jeden Zweifel daran beseitigen können, daß eS sich llo trrctv um die Kriegsblockabe bandelt. DaS Widerstreben der nordamerikanischen Union gegen eine friedliche Blockade ist begreiflich genug. Tenn bei der frieblichen Blockade werden nicht bloß die Interessen des Handels des bescbdeten Staates, sondern auch die des Handels der neutralen Staaten ge schädigt, wenn nicht die Wirkung der Blockade darauf be schränkt wird, daß man nur den Schiffen deö blockierten Staates den Seeverkehr untersagt. (Vergl. Gareis, Insti tutionen des Völkerrechts, 2. Auflage.) Eine derartige Be schränkung der Blockade aber würde die Zwecke, die Venezuela gegenüber verfolgt werden, nicht fördern. Somit dürften fick die verbündeten Mächte zur „Kriegsblockade", wenigstens llo täcto, entschließen, wodurch die gleichmäßige Behandlung der Schiffe aller Staaten erzielt wäre. Ueber die Erregung in den Bereinigten Staaten spricht sich em Drahtbericht aus New Dork vom 17. v. Mts. folgendermaßen aus: Das Verhalten der gesamten Presse könnte fast den Eindruck Hervorrufen, als ob Deutschland in Amerika keinen Freund besäße. Unter völliger Mißachtung der englischen amtlichen Erklärungen über die gemeinsame Verantwortlichkeit für das Vorgehen Deutschlands und Englands fährt die ganze Presse, nicht nur die gelbe, fort, Deutschland heimliche, gegen »Amerika ge richtete Anschläge anzudichten, England aber von jedem solchen Verdachte freizusprechen. Die alte Lüge, Deutschland habe Amerika in der spanischen Sache in den Arm fallen wollen, was England verhindert habe, zeigt sich vollkrästig lebendig. In der gestrigen Sitzung des Senats machte sich jedoch trotz der aufgeregten Reden die Absicht, zwischen Deutschland und England zu unterscheiden, nicht bemerkbar. Der Senator Teller behauptete, das englisch-deutsche Vorgehen habe bereits Amerika bedroht; eS sei der Krieg, und den Krieg dürfe Amerika nicht dulden. Hoar meinte, die Monroelehre sei noch nicht verletzt, er fürchtet jedoch, daß sie verletzt werden würde. Stewart sagte, die europäische Eisersucht werde früher oder später zu einem Bündnis gegen Amerika führen. Daher sei es nölig, schleunigst eine große Flotte ;u bauen. Bacon sprach als Demokrat sein Vertrauen zur Regierung auS und meinte, der Versicherung Deutschlands, daß cS keine Gebietöcrwerbung beabsichtige, müsse Glauben geschenkt werden. ES sei keine Ver letzung der Monroelehre zu erkennen. Der Vorsitzende des SenalSausschusseS sür auswärtige Angelegenheiten, Cullom, bedauerte die Erörterung als unzeitig und meinte, man solle die amtliche Darlegung der Tatsachen abwarten. " Washington, 18. Dezember. Auf Empfehlung des Aus schusses sür auswärtige Angelegenheiten hat das Repräsentanten haus beschlossen, dein Anträge Tearmond, in dem der Staats- selretär Hah aus die Monroe-Doktrin hingewiesen und der- aulaßt werden sollte, Angaben über die Art der An spräche Deutsch lands und Englands an Venezuela zu machen, nicht stattzugebe». Tas Haus nahm vielmehr eine Resolution Mac Eall an, den Staatssekretär auszusordern, dem Hause in jeder Weise Ausschluß zu erteilen über eine Verständigung oder ein Abkommen mit Deutschland oder England oder über irgend welche Zusicherungen, die er von Deutschland oder England über die Art und Ausdehnung, sowie den Zweck der Demonstration gegen Venezuela cmpsaugen habe, namentlich soweit die Besetzung von Landgcbict in Betracht komme. Schließlich verlangt die Resolution, daß der Schriftwechsel über die Angelegenheit dem Hause vorgclegt werde. politische Tagesschau. * Leipzig, 10. Dezember. Ter Absentismus im Reichstage. Zu Len chronischen Leiden Les Reichstags gehört be kanntlich die Bcschlußuniähigkeit. Alles Mögliche ist versucht worden, um diesem Uebel zu steuern, aber kein Hilfsmittel schlug an, so viel auch an das Pflichtgefühl des Einzelnen appelliert wurde. Um so mehr ist auzuerkenuen, daß wenigstens in den letzten Wochen fast immer ein beschlußfähiges HauS zur Stelle war. Und gerade die Reckte und das Zentrum haben dabei erfreuliche Zeichen von Besserung erkennen lassen. Unter den Vorwänden, mit denen die Linke ihr obstruierendes Verhalten zu rechtfertigen suchte, war der hauptsächlichste der, die Mehrheit sollte gezwungen werden, wenigstens bei der Beratung eines ihr besonders am Herzen liegenden Gesetzes zahlreich anwesend zu sein. Umsomehr muß eS Erstaunen Hervorrufen, daß gerade in der Schluß sitzung, in der die Minderheit durch eine starke Anzahl den Sieg der Mehrheit in einem etwas zweifelhaften Lichte hätte erscheinen lassen können, so gering vertreten war. Konnte sie auch daü endgiltigc Schicksal nicht mehr aushalten, so hätte sie dock ihrem ganzen Verhalten während des Streites einen Anschein ter Berechtigung geben können. Von den achtundsünfzig Sozialdemokraten; die immer von der Gewissenhaftigkeit reden, mit der sie ihr Mandat ausübcn, fehlten 17 Mitglieder, also 30 Proc. Die 11 Herren der Freisinnigen Vereinigung waren in der Abstimmung nur durch 7 Mitglieder, also nur durch 50 Proc. ihres Bestandes, ver treten. Auch dieFreisinnigeVolksparleiund diesüddeutscheVolks- partei streikten zum großen Teil. Die übrigen Parteien mit Ausnahme der Polen, waren fast vollzäblig zur Stelle. Die Minorität hätte fast 150 Stimmen ausbringen und damit den Eindruck ihrer Niederlage abschwächen können. Weshalb sie cs unterlassen hat, bleibe dahingestellt. Aus jeden Fall kann sie für sich nicht mehr den Anspruch erheben, der ge wissenhafte Theil der Volksvertretung zu heißen. Kaltblütig. Ueber die Sitzung der konservativen Fraktion des Reichstags, die zu dem Zweck der Auseinandersetzung mit dem Bunde der Landwirte am Montag stattgefunden und vier Stunden gedauert hat, wird der „Schles. Ztg." folgendes geschrieben: Die Sitzung hat zu keinem eigentlichen, abschließenden Er gebnisse geführt. Man hatte allgemein angenommen, daß die Ab geordneten Freiherr von Wangenheim und Oertel die Konsequenzen ihrer Kriegserklärung ziehen würden. Aber so nahe ihnen auch der Austritt aus der Fraktion und damit auch aus der Partei gelegt worden ist, so bittere und scharfe Worte sie auch von fast allen Seiten hören mußten und so bündig die Resolution, die übrigens dem Vernehmen nach in der zahlreich besuchten Sitzung von allen gegen drei Stimmen angenommen worden ist, Len beiden an der Vundesteitung beteiligten Abgeordneten ein Mißtrauens votum erteilt — so kaltblütig erklärte» diese, keinen Anlaß zum freiwilligen Austritte zu haben; sie würden nur gehen, wenn sie dazu gezwungen würden. In der konservativen Partei herrschen Gepflogenheiten nicht, wie sie in demokratischen Parteien üblich sind. Zn einer formellen Exkludierung von Mitgliedern werden die Kon servativen sich also auch dann nicht verstehen, wenn es sich darum handelt, direkt feindliche Elemente aus ihren Reihen zu entfernen. Dagegen war und ist in konservativen Kreisen immer die Auffassung vertreten, daß Resolutionen wie die, welche die Fraktion gestern gefaßt hat, nur den Zweck haben können, die dadurch betroffenen Fraktionsmitglieder zu veranlassen, entweder einen Widerruf ihres gegnerischen Vorgehens oder wenigstens ein Bedauern darüber un zweideutig kundzutun — oder, wosern sie das ihrer Ucberzeugung nach nicht vermögen, die damit unleugbar verbundenen Konsequenzen zu ziehen und sich von derjenigen Partei zu trennen, der sie den Krieg erklärt haben. Bis jetzt hat die bekannte Resolution weder die eine noch die andere Folge gezeitigt. Und bis jetzt haben die Bundesführer augenscheinlich nicht die mindeste Neigung zum Widerruf oder zur Trennung, denn die „Deutsche Tagesztg." beklagt sich über ein „Kessel treiben gegen den Bund der Landwirte", über die „Auch- Freunde, die dem Bunde Wohlwollen, so lange er ihnen ge fügig ist und sich benutzen läßt, die aber stolz aufbegehren, wenn er verlangt, daß die ibm gegebenen Versprechungen erfüllt werden." Das klingt jedenfalls nicht nach Gefügig keit. Wenn also die reinen Konservativen die Biindler los sein wollen, so müssen sie selbst der Partei den Rücken kehren. Da das aber nicht zu erwarten ist, so wird man die kalt blütigen Biindler ferner dulden und selbst kaltblütig werden, bis irgend eine Gelegenheit den allen Herzensbund erneuert. Scheitern des deutsch-böhmischen Vergleichs. Einem gestern ausgegebenen Conimuniquv zufolge faßten die deutschen Abgeor dneten der Fortschrittspartei, Volks partei, des verfassungstreuen Großgrundbesitzes und der Agrar partei in Bödmen nach einer Beiatung deS tschechischen Gegenvorschlags einen Beschluß, in welchem eS heißt, die Ant wort der Tschechen sei eine Ablehnung aller Vorschläge der Deutschen. Die Hoffnung auf die Möglichkeit einer Ver ständigung bestand darin, daß in den letzten Jahren von den Führern der Tschechen in der Sprachensrage der Grundsatz der Gegenseitigkeit in dem beiderseitigen Sprach gebiete gebilligt wurde. Die Tschechen seien auf den schroffen Standpunkt der unbedingten Zweisprachigkeit zurück gegangen und hätten das Bedürfnis und die Zweckmäßigkeit gar nicht zu Worte tommen lassen. Die deutschen Ab geordneten Böhmens erklären, nur auf Grund der von ihnen gemachten Vorschläge in Verhandlungen eintreten zu können. Ter russische Außenminister ans Reisen. Die Wiener „Politische Korrespondenz" erfährt von zuständiger Seite aus Petersburg über die Reise deS Ministers deS Aeußern Grafen Lambsdorff nach Wien. Die Veranlassung zu dem Besuche sei der Wunsch, sich dem Kaiser Fran; Josef vorzustellen. Doch die Bedeutung des wertvollen Besuches sür die treff lichen Beziehungen der beiden Staaten werde durch den Zeitpunkt, in dem er erfolge und die begleitenden Momente erböht. Die in der makedonischen Frage von den beiden Staaten unternommene Aktion bewege sich in zweifacher Richtung, einerseits in der Durchsetzung von Verbesse rungen in der Verwaltung der europäischen Provinzen der Türkei und anderseits in der Einwirkung durch die kleineren Balkanstaaten, soweit die Negierungen dieser Staaten die Unterstützung der Bewegung hintertreiben. Die Zusammenkunft des Grafen Lambsdorff mit dem Grafen von GoluchowSk») biete vollkommen die Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch über die Methode des weiteren Vorgehens in diesen beiden Richtungen. Der Reise deS Grafen Lambsdorff nach Wien werden kurze Be suche in Belgrad und Sofia unmittelbar vorauS- gehen. Graf Lambsdorff werde sich durch eigene Wahr nehmungen und den an die Staatslenker in Belgrad uud Sofia zu richtenden Ermahnungen durch das Gewicht seiner Persönlichkeit größeren Nachdruck verleihen, als auf mittel baren Wegen zu erreichen wäre. Tie theologische Fakultät -er Universität Torpat, die einzige, die in dieser ehemals deutschen Hoch schule ihren deutschen Charakter bewahrt bat, soll nun auch auf den Aussterbeetat gesetzt werden. Wie eS heißt, ist in der beim Ministerium der Volksaufklärung tagenden Kommission zur Reform der höheren Lehr anstalten viel davon die Rede gewesen, die theologische Fakultät vollständig von der Universität zu trennen und sie in ein evangelisches Seminar umzuwandeln. Dieser Antrag ist aber, wie verlautet, nicht durcdgedrungen, dagegen soll man sich im Prinzip dahin geeinigt haben, die russische Sprache teilweise in der theologischen Fakultät einzusühren und außerdem esthnische und lettische Professoren zu berufen, die die speziellen Fächer in den Volkssprachen der Ostseeprovinzen vortragen. Die allgemeinen Fächer wiederum sollen russisch vorgetragen werden. Wie man hört, soll die genannte Neuerung bereits in den nächsten Tagen — am 25. Dezember — zu Ehren des hundertjährigen Bestehens der Hochschule veröffent licht werden. So rasch wird eS damit wohl nicht geben. Wird aber die theologische Fakultät in absehbarer Zeit wirklich „reformiert", so märe dann der letzte Rest der ehe maligen alten deutschen Kulturstätte vernichtet und lediglich „Jurjew" wäre noch vorhanden. Feuilleton. Khemnia sti's panier! Roman aus dem Studcntenlcben von Arthur Zapp. Nachdruck verdoiku. Ein Murmeln geht durch die Reihen der Burschen, Füchse und alten Herren, die mit gespanntem Interesse der Mensur beiwohnen. Nun stellen sich die beiden Sekun danten links von ihren Duellanten ans, nnd in der Mitte, weiter zurück, nimmt der Unparteiische, Zähltarte nnd Bleistift in der Hand, Aufstellung. Der Sekundant der Teutonia eröffnet die Suite. „Herr Unparteiischer! Ich bitte nm Silentium für einen gewöhnlichen Gang Schläger ans fünfzehn Minuten — eventuell bis zur Abfuhr!" „Silentium für solchen Gang!" rnst der Unparteiische. Das Flüstern nnd Lummen ringsum verstummt. Alle recken sich auf den Fußspitzen nnd strecken die Hälse vor in gespannter Erwartung. Die Füchse drücken !in geheimen die Daumen ein, nm ihrer Farbe das Glück zn er zwingen. „Auf die Mensur! Bindet die Klingen!" „Gebunden sind!" „Los!" Die rechten Arme der Duellanten heben sich kerzcn- grade mit den Schlägern in die Höhe, dann klirren sic, sich kreuzend zum ritterlichen Gruß, gegeneinander und fliegen ans das Kommando: „Halt!" noch einmal in die Auslage zurück. Schnell nehmen zwei Füchse den Pankantcn die Eor- leurmützen vvmKopf und die Kommandos znm eigentlichen Kampf ertönen noch einmal scharf nnd klar. „Bindet die Klingen!" „Gebunden sind!" „Los!" Die Gegner recken sich; sic scheinen förmlich zu wachsen. Die Augen glühen hinter der tiefen Pankbrille wild und blutdürstig. Es ist ein höchst aufregendes und für den Kenner genußvolles Schauspiel. Beide Paukanten sind au-gezeichnete Fechter. Der lange Teutone ist äugen» scheinlich der routiniertere, erfahrenere. Die Klinge ge horcht seiner Hand wie eine leichte Gerte. Seine Haltung ist vornehm, jede seiner Bewegungen von tadelloser Korrektheit. Er ficht zunächst mit einer gewissen Zurück haltung, offenbar die Fecktiveisc seines Gegners zn studieren. Kurt Gravenhorst besitzt den größeren Schneid nnd das heftigere Temperament. Mit großer Anstrengung aber zügelt er sein hitziges Blut und wacht über jede Be wegung seines Gegners und achtet sorgsam ans Deckung. Zn flottem Tempo rasseln die Speere auf einander, und vier Gänge vergehen, ohne daß ein Hieb ge sessen hat. Kurt Gravenhorst beglückwünscht sich im stillen, daß er sich ans das Dessin seines Gegners so gut eingepankt »at. In der Tat tchrt die Rcihenfolge der Hiebe deö langen Röder häufig wieder. Hackcnqnart — Durchzieher — Terz. Ter Rhenane mertr gegen das Ende des fünften Ganges, daß sein Gegner hitziger wird. Augenscheinlich ärgert es ihn, daß cs ihm noch nicht gelungen ist, seinen Gegner abzustcchen. Sein Tempo wird ein schnelleres, Kurt Gravenhorst aber nimmt sich gewaltsam zusammen und achtet wachsam ans jeden »lieb des anderen. Da plötzlich sicht er, wie der Arm des laugen Röder tiefer hcrabfintt, und, hui, haut er ihm mit Aufbietung seiner ganzen Kraft und Gewandt hcit einen Terz rein, und im nächsten Augenblick ertönt auch die Stimme seines Sekundanten: ,L>crr Un parteiischer! Ich bitte ans Gegenseite einen Blutigen ans Terz zn erklären." Der Unparteiische hat mit geübtem Auge den Schmiß bereits selbst wahrgenommcn, und seine Mütze leicht lüftend, rnst er: „Silentium! Es sitzt ein Blutiger ans Seiten der Teutonia!" Ein Surren gebt durch die Korona. Schon strahlen die Gesichter der Rhenanen im stolzen Triumphgefühl, während die Mienen der Tentonen sich verzerrend er» bleichen. „ES ist nichts", ruft da der Sekundant deS langen Röder. „Nur ein unbedeutender Kratzer!" Der Paukarzt trttt schnell hinzu, wffchi das von der Stirn rieselnde Blut mit augeseuchtctem Wattenbansch ab und nickt mit einer be» i stätigenden Gene zum Unparteiischen hinüber. Die Men» I für nimmt ihren Fortgang. I „Bindet die Klingen!" erschallt e» wieder. „Gebunden sind!" „Los!" Der kleine Aderlaß hat den Teutonen wieder ruhiger gemacht. Gelassen arbeitet er weiter, seine Kräfte auf sparend, während der Rhenane, durch den bereits er rungenen Vorteil angcstachelt, sich immer mächtiger ins Zeng legt. Zehn Minuten sind schon verstrichen. Mit heimlichem Schrecken sehen die Rhenanen, daß Graven horsts Hiebe schwächer werden, daß er von Sekunde zn Sekunde unruhiger wird, nnd daß seine Kraft zu erlahmen droht. Der Unparteiische ächt scharf nach seiner Uhr. Schon dreizehn Minuten sind vorüber. Der Teutone wird wärmer und bedrängt seinen Gegner mit kräftigem Un gestüm. Und nun ein kurzes, elastisches Znckcn in den Kniekehlen, und von Gravenhorsts Haupt fliegen abge schnittene, kurze Härchen im Bogen empor. „Halt!" rnfen die beiden Sekundanten gleichzeitig. Unparteiischer und Pankarzt treten schleunigst Hera», und in der nächsten Sekunde sprudelt ein breiter, starker Blutstrvm ans der oberen Stirn des strauchelnden Duellanten hervor. Der Arzt blickt achselzuckend zu dem Sekundanten der Teutonia hinüber, und dieser erklärt so gleich, die Mütze ziehend, mit triumphierender Stimme: „Herr Unparteiischer, wir erklären Abfuhr!" Der Unparteiische entblößt ebenfalls sein Haupt, blickt ans seine Zählkarte nnd erwidert: „Silentium! Rhenania führt ab nach dreizehn ein halb Minuten. Ans Seiten der Teutonia ein Blutiger. Mensur ex!" Der lange Röder nähert sich schnell seinem Gegner, um ihm nach altem Brauch die Hand zu schütteln. Gravenhorst verneigt sich, ein wenig unsicher, halb betäubt. Dann nimmt ihn der Pankarzt in Empfang, nm die Wunde zn nähe». Fünftes Kapitel. Am anderen Tage erschien in einer frühen Nachmittags stunde Paul Berger ganz aufgeregt in der Wohnung seines Onkels. Er traf seine beiden Cousinen in Gesellschaft Fräu lein Wredenkamps. Tic drei jungen Damen schienen eben im Begriff, einen Spaziergang anzutreten. In den Mienen des Stubent.en prägte sich ein Ausdruck von Ermüdung und Abspannung auS; sein Antlitz aber glühte vor Eifer und Wichtigkeit. „Nun ?" fragte seine jüngere Cousine und sah ihn mir einer gewissen Spannung an. „Unsere P. P. Snite ist glänzend verlaufen", berichtete er mit voller Gcniigtnnng. „Unser Senior hat den Tcu tonen ganz gehörig abgcstvchen. Er hat ihm einen Schmiß über Stirn, Rase und Lippen bcigcbracht, bis zum Kinn hinab — na, der Teutone wird noch lange daran denken." „Und die andere Mensur?" forschte Klara Hellwig. Der jnngc Rhenane kraute sich mit der Hand im Haar. „Da haben wir allerdings Abfuhr erlitten, aber Gravenhorst bat sich famos gehalten. Ich lzabc ihn nie so wundervoll fechten sehen. Lange Zeit konnte ihm der lange Röder nichts anhaben, im Gegenteil, ans Seiten der Teu tonen Ivar der erste Blutige. Wir jubelten schon und hofften ans Sieg. Da, dicht vor Schluß der Mensur, ge lang es dem Teutonen, ihn abzustcchen." Alle drei Damen waren dem Bericht mit Aufmerksam keit gefolgt; über Klara Hellwigs Gesicht senkte sich eine Wolke und mit unruhigem Flirren ihrer Augen fragte sic: „Zft'S denn schlimm?" Der Student nickte, seine Augenbrauen cmporziehend. „Ziemlich. Es ist 'n höllischer Schmiß über Schädel und Stirn. Ich habe die Nacht über bei ihm gewacht, zusam men mit Sägmüller. Jetzt sind zwei andere bei ihm. Die Eisblase darf nicht von seinem Kopfe. In der Nacht har er sogar 'n bißchen phantasiert. Was er nicht alles durch einander geschwatzt hat!" Ein verstohlener Seitenblick des Studenten glitt zn Fräulein Wrcdcnkamp hinüber, in deren Mienen sich lebhafte Anteilnahme nnd ein aufrichtiges Mitgefühl auS- prägte. Klara Hellwig war sogar ganz blaß geworden und mit zitternder Stimme fragte sie: „Ist denn Gefahr?" „Ich glaube doch nicht", versetzte der Gefragte und sah seiner Eonsine mit Ersiannen und offenbarem Un behagen in das verstörte Gesicht. „Solch ein Schmiß heilt doch wieder, du scheinst ja höllisch besorgt, Cousinchen." Das junge Mädchen errötete und stammelte verlegen: „Gewiß — er tut mir leid, der arme Herr Gravenhorst. Und wenn du doch selbst sagst, daß er Fieber hat." Paul Berger zuckte mit den Achseln und in dem Zwie spalt -wischen der Eifersucht, die er zu empfinden schien, und der Anteilnahme an dem Mißgeschick be» Kommilt-
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