02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.01.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-01-16
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040116023
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- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
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- Tag1904-01-16
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Anzeigen-PretS die 6 gespaltene Pctitzeile 25 Reklamen unter dem Redaktion-strich (-gespalten) 75 vor den Familieunach- richten (Sgespalten) 50 Tabellarischer und Ziffernlatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ossertenanuahme 2ö (ezcl. Porto). Extra-Beilagen (gefalzt), uur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbrförderung >ll 60.—, mit Postbeförderung 70.—. ^nnahmrschtuß für Änzrigeu: Abend-Au-gabr: Bormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Alljetgen sind stets an die Expedtttsu zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet voa früh 8 bi- abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz tu Leipzig. Nr. 28. Sonnabend den 16. Januar 1904. Var Llichtigrte vom tage. * Der Kaiser hat Heute die beiden Häuser des preußischen Landtages mit einer Thronrede eröffnet. * Meldungen über den angeblich bevorstehenden Rücktritt des EhefS des MilttärkabtnettS werden dementiert. * Die Nachricht, daß die wasserwirtschaft lichen Borlagen dem preußischen Landtag alsbald nach seiner Eröffnung würden zugehen können, bestätigt sich nicht. * Im Interesse des religiösen und des politischen Friedens beantragte GrafMoyin der bayerischen ReichSratskammer, das bayerische Land- tagSwahlrecht der Geistlichen aller Kon fessionen abzuschaffen oder zu beschränken. * In Wiener Hofkreisen verlautet, der Herzog Philipp von Orleans beabsichtige, sich von seiner Gemahlin, der Erzherzogin Marie Dorothea, Tochter des Erzherzogs Joseph, wegen Kinderlosigkeit der Ehe scheiden zu lassen. * Trotz der Kriegstreibereien in der japanischen Presse hofft man, daß Rußland und Japan sich auf der Grundlage bestimmter Interessensphären in Ostasicn und einer neutralen Zone in Korea einigen werden. Aar lvira er im seinen Orten? ox Die Antwort der japanischen Regierung auf die russische Note ist gestern beim russischen Ministerium des Aeußern eingelaufen und man ist gegenwärtig mit der Prüfung derselben beschäftigt, lieber ibren Inhalt ver lautet noch nichts Identisches, doch scheint so viel fest zustehen, daß Japan auf zweierlei besteht, einmal auf der „freien Tür" für den Handel aller Nationen in der Mandschurei und die formelle Anerkennung der faktischen Souveränität Ebinas über die Mandschurei und Korea. — Der japanische Gesandte in London, Hayashi, soll einem Vertreter des Reuterschen Bureaus folgendes erklärt haben: Ich habe fesigestellt, daß die Meldungen darüber, daß llch Rußland an die Türkei wegen Gewährung der Durchfahrt der Schiffe der Russischen Schwarzmeerflotte durch die Dardanellen gewandt und daß England der Türkei Vorstellungen über diese Angelegenheit ge macht haben soll, der Begründung entbehren. Allgemein glaubt man, daß eine solche Verletzung der Vertragsbestimmungen wahrscheinlich nicht eintreten werde. Ich habe nichts von einer Intervention gehört, und ich fürchte, die Dinge haben ein Stadium erreicht, in welchem eine Intervention als zu spät kommend bezeichnet werden kann. Tie auS Berlin kommende Meldung, nach der Japan einen Gegenvorschlag, betreffend die Neutralisierung von Teilen Koreas und der Mand- schüret gemacht haben soll, sind unbegründet. Was wir wünschen, ist, ein freundschaftliches Abkommen zu erreichen, durch welches Rußland sich zur Politik der offenen Tür erklär« und die Souveränität Chinas über die Mandschurei anerkennt. Ter amerikanische Staatssekretär Hay Hal die Wüniche Japans bewundernswert zutreffend mit dem Satze ausgedrückt, es werde gefordert die Politik der offenen Tür sowohl als auch die Integrität Chinas und CbinaS administrative Kontrolle in der Mandschurei. Daß eS zu einer Intervention zu spät sein soll, ist nicht einzusehen. Vielleicht bat der japanische Staatsmann gemeint, eine Intervention erübrige sich (da beide Teile unter sich einig zu werden scheinen) und der Berichterstatter des „Reuterschen Bureaus" hat ihn absichtlich falsch verstanden. Dieser Auffassung leistet auch Vorschub, wenn der „Köln. Ztg." ausPetersburg vom l5. ds. berichtet wird, in dortigen amtlichen Kreisen werde versichert, daß es voraussichtlich in absehbarer Zeit nicht zum Kriege kommen werde. Tie Grundlage einer Möglichkeit, zu einer vollständigen Verständigung zu gelangen, sei vor handen, und die Verständigung wird für bestimmt er wartet. Die Meinung befestigt sich immer mehr, daß sie auf der Grundlage der Bildung von Interessensphären unter Errichtung einer neutra len Zone in Korea ausgeführt wird. Die beiderseitigen Truppenverschiebungen in Korea bezw. an der Grenze trügen, wie man hier ausführt, keinen beunruhigenden Charakter und seien lediglich als Bewegungen zur Sicherheit innerhalb der beiderseitigen Interessensphären anzuscben. Die russischen Kreise sind sehr ungehalten über die englischen Berichterstatter, denen man tendenziöse Berichterstattung über die Vorgänge in Ostasien vorwirft, wodurch Unruhen hervorgerusen und die öffentliche Meinung irregeführt werde. Es seien in den letzten Tagen Nach richten verbreitet worden, die der Wahrheit widersprechen. Sonst wird uns noch, namentlich über die „KriegSvor- bereitungen", gemeldet: * London, 15. Januar. Das „Rcutersche Bureau" meldet aus Peking: Wie der britische Konsul in Niutschwang br- richtet, konzentrieren sich die russischen Truppen in Liaojang, Haitschey und Taschitschia. Von diesen Punkten aus wird Rußland in der Lage sein, das Gebiet zwischen dem Liaofluß und der Großen Mauer in Besitz zu nehmen und sich der Strecke Niutschwang-Schanhaikwan der chine sischen Eisenbahn zu bemächtigen. * London, 15. Januar. Dem „Reuterschen Bureau" wird aus Washington telegraphiert, dem Staatsdepartement sei aus Japan berichtet worden, daß dort außerordentlich eifrig Kriegs Vor bereitungen betrieben würden. Weitere dem Staatsdepartement zugegaugene Meldungen besagten, während Rußland den Wunsch der Erhaltung des Friedens an den Tag lege, bleibe seine Stellung wenigstens im Prinzip unverändert. Rußland zeige sich nicht geneigt, den japanischen Vorschlägen nachzugeben (?) * Washington, 15. Januar. (Meldung des „Reuterschen Bur.") Staatssekretär Hay und der russische Botschafter Graf Cafsini hatten heute eine lange, beide Teile zufriedenstellende Be sprechung im Staatsdepartement über die Lage in Ostasien. Cassini gab wiederum dem Staatssekretär nachdrücklich die Versicherung ab, daß die Bertragsrechte der Vereinigten Staaten in der Mandschurei bei jeder Eventualität geachtet werden würden, da Rnßland glaube, daß Amerikas Interessen dort ausschließlich kommerzielle seien. * Paris, 1b. Januar. Der „Agence HavaS" wird gemeldet, I daß der Dampfer „Orel" der russischen Freiwilligen Flotte, mit 1200 Mann nach Port Arthur bestimmt, die Dardanellen passiert habe. * Wien, 15. Januar. Aus Fiume verlautet, zwei japanische Majore s ien in Ungarn eingelroffen, um massenhaft Pferde für die japanische Kavallerie und Artillerie anzukaufen. (Berl. Tgbl.) Politische Tagesschau. * Leipzig, 18. Januar. Sin nationales Heldenstück bat gestern die Mehrheit der Budgetkommission deS Reichstage- vollbracht, indem sie ge^en die Stimmen der Mitglieder beider konservativen Fraktionen, der National liberalen und des einen Antisemiten die Ostmarkenzulage für diePo st beamten strich. WaS die Polen im preußischen Abgeordnetcnhause nicht durchzusetzen vermögen, gelingt ihnen also im Reichstage mit Hilfe des Zentrums und der Sozialdemokraten! Die Postbeamten müssen nun den Zorn der Polen entgelten; ihnen wird die Ostinarkenzulagen entzogen, während andere Beamte, wie die im Ecsenbahndienst beschäftigten und die Lehrer, diesen durch die wirtschaftlichen und die örtlichen Verhältnisse gerechtfertigten Zuschuß er halten. Daß eine solche Zurücksetzung Mißstimmung unter den benachteiligten Beamten erzeugen muß, ist selbstverständlich. Zweifellos ist das auch der Zweck, den die Sozialdemokratie durch ihre ablehnende Haltung zu er reichen sucht. Gehen doch die „Genossen" stets darauf auS, Mißvergnügte zu schassen, die in die Netze der sozialdemo kratischen Agitatoren fallen. Aber eine solche Absicht kann doch daS Zentrum nicht lei'en, das recht wohl weiß, wein event. die verärgerten Postbeamten in den Ostmarken zufallen. Der Abg. ttr. Spahn hat seine und seiner Parteigenossen Haltung damit begründet, daß daS Zentrum keine Ver anlassung habe, die preußische Polenpoliti! zu unterstützen. Also dieser Politik will das Zentrum einen Knüppel in den Weg werfen! Als aber die Mehrheit der deutschen Bundes regierungen sich weigerte, in die von Preußen befürwortete Aushebung des § 2 des Jesuitengesetzes zu willigen, da war es derselbe Zentruinsabgeorvnete, der sich darüber ge waltig erzürnte und den betreffenden Regierungen bittere Vorwurfe machte. Den nichtvreußffchen Regierungen soll mithin verwehrt sein, was das Zentrum als sein unveräußerliches Recht beansprucht, nämlich gelegentlich die preußische Politik nicht zu unterstützen. Werden nun diese Regierungen im Bundes rate etwa gefügiger werden, wenn es sich um Forderungen des Zentrums handelt, denen Preußen sich beugt, und wird Graf Bülow als preußischer Ministerpräsident sich für den seiner Polenpolitik vom Zentrum in den Weg geworfenen Knüppel mit weiterer Förderung der ZentrumSpoUtik be danken? Und welche Lehre werden die Konservativen auS dem gestrigen Vorgehen des Zentrums in der Budget- kommiision ziehen? Werden sie noch weiter den Mahnungen der „Kreuzzig." folgen und dem Zentrum für seine nationalen Heldenstücke mit freundlichem Lächeln die Bruderhand drücken? Imig-Elsak und Frankreich. Im Namen „sehr vieler gebildeter Katholiken" legt ein Jung-Elsässer" in der „Germania", an den Fall Delsor anknüpfend, ein sehr bemerkenswertes Bekenntnis 98. Jahrgang. über die Stimmung der Elsässer F r a n kr ei ch gegenüber ab. Diese- Bekenntnis gipfelt in der eindringlichen War nung vor der „Ungerechtigkeit", das gesamte Frank reich für die „Tollheiten" des Herrn Combes verantwortlich »u machen. Auf EombeS allein wälzt der Jung Elsässer alle Verantwortung für die gegenwärtige Kirchenpolitik Frank reichs ab, ihn gibt er der „Verachtung" aller Katholiken preis. Aber soll daS etwa beißen, daß die Elsässer solche Gefühle aus Frankreich übertragen? Der Jung-Elsässer ant wortet hierauf: „Gewiß nicht . . . Unsere Sympathien für Frankreich sind . . weit davon entfernt, wegen der Poltrrmanieren und der pathologischen Instinkte eine- oder mehrerer Combes zu ver schwinden. Die Austreibung der Orden . . , zuletzt die Miß handlung DelsorS, daS sind Dinge, die uns den Ruf entlocken: Gott sei Dank, daß wir nicht unter einer solchen, der Menschen un würdigen Regierung leben! oder: daß die Republik nicht daS richtige Sy st em ist fürFrankreich, das wird immer klarer! Etwas Anderes können wir einfach nicht sagen. . . Wer in der Erbitterung Frankreich mit der Regierung verwechselt, wird es bei ruhiger Ueberlrgung nicht tun; die aller meisten bewahrt freilich fchon der Instinkt davor. Wir sind doch durch Blut und Kultur viel zu innig mit Frankreich verwachsen, als daß es uns möglich wäre, den Schritt zu machen." Was im Vorstehenden französisch anmutet, ist vor allem die Meinung, einen Sündenbock in der Person deS Ministerpräsidenten EombeS für die Schuld Frankreichs in die Wüste zu schicken. Doch die Opferung deS Sündenbockes ist dem Jung-Elsässer nur Mittel zum Zwecke. Sein Trachten ist darauf gerichtet, zu verhüten, daß die Elsässer durch die französische Kirchenpolitik und ihre Begleit erscheinungen mit Abneigung gegen das französische Volk erlüllt werden. Dann laßt der Jung-Elsässer das letztere durch einen Abgrund von dem Missetäter EombeS getrennt sein —, als ob nicht hinter EombeS die Mehrheit der französischen Kammer und die Mehrheit des französischen Volles stände! Die Hoffnung, daß hierin ein Wandel eintreten werde, wenn das republikanische Regierungssystem in Frankreich dem monarchischen Platz mache, verrät der Jung-Eftäffer deutlich genug. Wie aber werben sich dann die Empfindungen der Elsässer gegen Frankreich gestalten? Man muß hierauf antworten: Wenn die Elsässer schon jetzt nach der Meinung des Gewährsmannes der „Ger mania" bei Leibe nicht bös auf die Franzosen werden dürfen, so wird der Jung-Elsässer von seinem Standpunkte aus im Falle einer Wendung Frankreichs zum kirchenfreundlichea Monarchismus die Forderung erheben, daß die Elsässer eia solches Frankreich aufs zärtlichste an ihr Her; zu drücke» haben. Diese Folgerung springt in die Augen, und schon das Bekenntnis selbst redet in Bezug auf die französische» Sympathien deS Jung-Elsässers eine nicht mißzuver stehende Sprache. Damit aber die Elsässer ihren franzöftschea Neigungen auch als Bestandteil der deutschen Zentrums partei ungestört leben können, verlangt derJung-Elsässer vom Zentrum, „daß es uns so nimmt, wie wir sind, ohne uns auf die Folter zu spannen mit einer Reihe von Doktor fragen, die in das Gebiet der Theorien, nicht der Praxis ge hören." — Dies alles gibt die „Germania" an leitender Stelle ohne Vorbehalt wieder! Feuilleton. Wemeyer L Sohu. 12s Roman von M. Prigge-Brook. cv >I>N verboten. Mister Booth beruhigte sich, seine liebe Frau des gleichen, wer aber nicht kam, war Margaret. Sie hatte allerdings die Slbsicht gehabt, ihr Nackett zu holen, um eine Partie Tennis zu spielen. Kaum aber hatte sie dasselbe gefunden und wollte über die Treppe auf Deck etten, so hielt sic inne, denn Mister Wemeyer kam des Weges ge gangen; sie blieb, ihn zu erwarten, stehen. „Sind Sie mit von der Partie?" fragte sie ihn und schwenkte ihren roten Ball in der Lu t. Er schüttelte den Kopf. „Ich >wjäre ein schlechter Partner, Miß Booth", antwortete er trübe; „ich würde nur Ihren Frohsinn stören und den der anderen." „Was das betrifft, so lassen wirs drauf ankommen", suchte sie ihn zu bereden. „Die andern kümmern mich nicht, und wenn Sie wollen, spiel« ich mit Ihnen allein. Wollen Sie?" „Sie sind zu gütig!" E'N gerührter Blick traf ihre klaren braunen Augen. „Aber lassen Sie mich nur, ich bin ein zu trauriger Gesell." Die Tür zum Le'csalon stand offen, mechanisch trat Rudolf ein, das Mädchen folgte ihm. An einem Tische, der mit Zeitungen und Schriften überhäuft war, blieb er stehen. „Nnn?" sagte sie zu ihm. „Ich bitt« Sie, lassen Sie mich", sagte er geqnält. „Glauben Sie Mir, ich kann nicht." „Sie sind 'ehr böse." Das junge kindliche Ding stampfte mit dem zierlichen Fuße. „Was habe ich Ihnen gckan, daß Sie so unfreundlich zu mir sind?" forschte sie. „Sie nichts!" Ein plötzliches warmes Gefühl über kam den Einsamen. Das Mädchen vor ihm sah auch gar zu anbetungswürdig auS. Er nalnn ihr daS Rackett an der Hand. „Wenn Tie noch wollen, ich bin dabei." Ein Iubelruf dankte ihm. Flink wie eine Eidechse lief sie den dnnkl«n Gang nach der Kabine zurück. „Ich hole Pas Rackett!" ries sie idm zu und entschwand. Er wog das leichte Ding in der Hand. „Tor, der ich bin! Al- ob zwei Mädchenangen, und seien sie noch so lieb und schön, mich könnten meinen Schmerz vergessen lassen; aber sie ist gut, und ich mag sie nicht kränken." Ta war sie auch chon wieder mit Pas Rackett und einer Hand voll roter Bälle. „Vorwärts mit fri'chem Mut!" Trällernd eilte das junge Mädchen die Stufen bis znm Deck hinan. „Mama, Papa, wir spielen!" rief sie den Eltern zu. Mister Booth schnitt eine Grimasse von allen ungesehen hinter seiner Zeitung. Seine Frau sah ihrer Tochter ver- wundert nach. „E n merkwürdiges Kind", sagte sie seufzend. „Hast du eine Ahnung, woher sie nun schon wieder die en M-ster Wemeyer kennt? Sicht ihn gestern zum ersten Male." Ihr Mann hielt cs nicht für nötig, sie aufzuklären, wo er am gestrigen Abend seine Margaret fand. Es paßte ihm diesmal in seinen Kram, und er war ein schlauer Nankee, dem das Geschäft überall zuerst kam. Nach einer Viertelstunde erhob er sich und schlenderte gemächlich ans die andere Seite des Schiffes, wo ein Tennisplatz abgcsteckt war. Eine Anzahl junger Damen und Herren vergnügten sich bei dem graz'ö en Spiel. Seine Tochter, sowie Mister Wemeyer suchte der be- sorgte Vater anfangs vergeblich. Auf seine Frage er- widerte man ihm, die beiden haben kurze Zeit mitgespiclt, sich dann entfernt, da zu viel 'Mitspieler seien, was man morgen ändern müsse. Ohne mehr als flüchtigen Dank eilt MDer Booth mit Riesenschritten dem Steuer zn. Sein Ahnen hatte ihn nicht betrogen. Tenn wie am Abend vorher, genau an derselben Stelle, dicht neben ihren Gefährten gelehnt, >aß Margaret und redete eifrig auf ihn ein. Er sah unendlich müde und deprimiert aus. Von beiden ungeselxn, nahm der Amerikaner auf einem Haufen Taue Platz. Er konnte alle- hören. „Sic sollen mir erzählen, iveshalb Sie immer traurig sind", examinierte das Mädchen. „Erzählen Sie mir lieber von sich, von Ihrem Leben daheim", wich er ihr aus. „Ich sagte Ihnen schon, an mir ist nichts Interessantes, ich bin ein traur gcr Gesell." „Tas sollten Sie nicht immer sagen!" ecserte sic. „Aber ich will großmütig sein und den Anfang machen, damit vergeht die Zeit, und bei den andern langweile ich mich immer: die reden nur von ihren Kleidern und höchstens noch vom Bräutigam " .Haben Sic denn einen?" „Bewahre! TaS ist es ja eben; wer ihn hat, mag in Gottes Namen andere damit öden. Weshalb ich mir aber mit einer imaginären Person die Zeit vertreiben lassen soll, verstehe ich nicht. Tie andern verstehen mich nicht, und so kommt es, daß ich lieber allein bin oder mit Ihnen." „Sehr schmeichelhaft." Rudolf verbeugte sich leicht. „So sollen Sie nicht reden, sonst gehe ich umd komme auch nicht mehr zu Ihnen. Scheußlich! Da sagt man immer, das Schönste auf der Welt soll eine Seereise sein; ich wollt', wir wären drüben, ein Stück der Heimat näher, Marionhouse." „Ist das der Name Ihrer Farm?" Sie nickte. „Ist er nicht schön? Pa hat ihn der Ma zu Ehren so genannt, als Großvater starb und er an Stelle von dessen Blockhaus eine elegante Billa baute. Sie liegt entzückend inmitten schöner Gärten, und rings um sie her um erheben sich die Scheunen und Ställe, sowie die Häus chen für die Leute. Ach, das ist schön!" „WaS kann denn nur so wunderschön sein in dieser Ein samkeit?" fragte der Deutsche erstaunt. „Was? — Nun, die Natur! Können Sie sich daS denn nicht denken? Bei uns da ist noch Natur: die meilen weiten Strecken Wald, so herrlich und schön, wie Tic ihn nicht aus Ihren Träumen kennen; denn was ist deutscher Wald? Ein Nichts, allerhöchstens zwei- bis dreihundert Jahre alt, während bei uns O, Sie sollten sie nur sehen, die Rieseneichcn, die zehn Männer nicht zu um spannen im stände sind, verwachsen mit Lianen u-nd Schlinggewächsen, zu deren Vertilgung man sich der Axt bedienen mutz. Und was gibt's erst für Blumen! Orchideen seltsamster Art, Blumen mit Tierleibern. Pa zählt an hundert Arten in unserer Nähe. Und erst die andcren Blumen! Manche von ihnen sah ich in Deutschland auch, aber, behüt Gott, wie klein, wie erbärmlich klein, wie Ab klatsch unserer grotzen nnd schönen." „Tie wissen schön zu schildern, Mttz Booth", gab Rudolf träumerisch zu. „Fast könnte mich's verlocken, Ihr Wunderland anzusehen." Sie sprang wie elektrisiert auf und legte ihre Hand auf feinen Arm. „Tun Tic da-, Mister Wemeyer", sagte sie warmherzig und impulsiv. „Ich denke, mein Vater wird sich freuen und — Ma auch!" „Wctterhcxe du!" Der Riese war von seinem Seile haufen ausgestanden und stand vor den beiden. „So sicher bist du deiner Sache? Aber was wahr ist, ist wahr, in dem Punkte sind wir deutsch geblieben, wir halten auf das Gastrecht und würden un- in der Tat Ihres Besuches freuen." Für jetzt wurde nicht weiter gesprochen, das tönende Gong rief Herren und Damen zur Toilette und später zu Tisch. Die Tage der Ueberfährt gestalteten sich für Rudolf Wemeyer immer angenehmer. Er hatte Stunden, ja fast Tage, an dcn«n er nicht dazu kam, sich in seinen Gram zu versenken, er fand einfach nicht die Zeit dazu; denn Miß Margaret nahm ihn in Anspruch mit der Naivität sehr verzogener einziger Kinder, und seit er gar das Glück ge- habt, Nick, ihr«n kleinen Pinscher, aus den Händen eine rohen Matrosen zu befreien, der das ihn mit den Zähnen bedrohende kleine Vieh über Bord fliegen lassen wollte, kannte ihre Dankbarkeit keine Grenzen. Sie nannte sich die Freundin des jungen Deutschen, dessen Schwermut sie dauerte, wenn sie auch von der Ursache nicht- ahnte. So oft sie konnte, suchte sie seiner habhaft zu werden» und Rudolf, dem ihr frisches Wesen gefiel, den ihre jung« Schönheit anzog, ließ sich fang«» und gab sich mit träume rischem Behagen dem ungewohnten Glücke zeitweisen Ver gessens hin. War Margaret nicht da am späten Abend, wo das Ver- deck meist leer wurde, nahm ihn dann Booth in Beschlag, plauderte von seinen Hoffnungen und Plänen, holte Rudolfs Rat zu ihnen ein und klagte ihm seine Not be züglich eines Leiters. Wenn er nun in New Aork auch keinen fand. Am meisten aber zog den jungen Mann Misst- Mary Booth an, die Mutter Margarets. Sie war trotz zwanzigjähriger Anwesenheit im fremden Lande deutsch geblieben von Grund ihres Wesens aus. Sic hatte sich auch bemüht, deutsche Art und Sitte auch in ihrem Hause einzubürgern und darin bis zu einem gewissen Grade Glück gehabt; ihr ganz zu willfahren, sträubte Booth sich jedoch. Bor allem hatte er bei Margaret- Er- ziehung darauf hing-ewirkt, sie absolut frei !ich entwickeln zu sehen. Kein Verbot, kein Wille l-atte den ihrigen je gekreuzt, und so war es gekommen, daß das verwöhnte Kind des Reichtums alles, was eS begehrte, für erreichbar hielt. Dabei b.'ieb Margaret bescheiden, der Mutter Ein- flutz, und daß sie natürlich blieb, lag in den Bedingungen, unter denen sie aufgewachsen ivar. Wie Rudolf sich zu Mjssis Booth hingezogen fühlte, so empfand sie für den jungen Mann «ine fast mütterliche Gesinnung. Und das kam so: Ihr erste- Kind, ein Knabe, Henri genannt, war ihr im dritten Lebensjahre durch einen schrecklichen Unfall entrissen. Zu jener Zeit arbeitete Mister Booth unweit der Farm mit seinen Leuten im
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