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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.02.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-02-22
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040222029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904022202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904022202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-02
- Tag1904-02-22
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1232 auch nn Saale — eventuell in den Reihen der Musensöhne selber sitzend — teilzunehme»." Die» Pröbchen genügt. An Len Augen des hohen Senat» sind die Journalisten unehrlich im Sinne des Mittelalter», sie können „unmöglich" mit -en Man darinen an einem Tische sitzen, und wenn sie einmal zur Grube fahren, so werben sie hinter der KirchHvfsmauer begraben. Kür eine Stätte, von der Aufklärung un humane» Denken auSgehen soll, sind die Herren reichlich rückständig. Der Mut her Konsequenz. Bor einigen Tage» ist in Königsberg i. Pr. ein junger Leutnant abgeurteilt worden, der siebzig Kalle von M i tz- handlungen aus dem Gewissen hatte. Die Verhand lung fand unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt und die Berichterstatter mußten nicht nur den Sitzungssaal, son der» auch da» Gerichtsgebckude verlassen. Selbst verständlich ist nun in Königsberg des Raunens, Flüsterns und MunkelnS kein Ende. Da die Oeffentlichkeit dcS MilitärprozehverfahrenS nun einmal grundsätzlich an erkannt ist, sollte man auch in der Praxis den Akut der Konsequenz haben, der immer noch höher steht, als der Mut der Inkonsequenz, den manche Leute so beredt zu rühmen wissen. Oxeuftjerua hat Recht. Bon Oxenstjerna stammt ja wohl der Ausspruch, man ahne gar nicht, mit wie wenig Weisheit die Staaten re giert würden. Eine neue Bestätigung dieses Ausspruchs bringt die Broschüre des famosen Herrn Scherl, aus der wir noch einmal die Tatsache hervorheben, daß am 28. Dezember 1903 die Konzessionsurkunde derSparlotterievon den beteiligten Res - sortministern unterschriftlich vollzogen war. Nur der einmütige Protest der Presse hat also das Ministerium von einem Schritte zurückgehalten, der sich unter keinem Gesichtspunkte rechtfertigen ließ — denn daß Volksverdummung ein Programm- punkt sei, können wir nicht glauben. Den verwässerten „Lokalanzeiger" in einer Millionenauslage kolportiert zu sehen, da» hätte dem mutigsten Patrioten die Freude am Vaterland« nehmen können. Sind wirklich die Minist?r Herrn Scherl „aufgesessen", wie der Wiener sagt, oder hat sich Herr Scherl so hohe Protektion zu verschaffen gewußt, -aß die Minister von vornherein am Widerstande ver zweifelten? Wie dem auch sei, durch die Feststellung der erwähnten Tatsache hat Herr Scherl dem Minister des Innern ein« schwer«, aber verdiente Schlappe beigebracht. Mädchenhandel nach der Türkei Unser Korrespondent schreibt aus Konstantinopel: Am 13. d. M. fand im russischen Konsulat eine neuerliche Versammlung aller hiesigen fremden Konsuln zur Beratung der Frage, betreffend den Mädchenhandel nach der Türkei, statt. Der k. und k. Konsul v. Zepharovich war rum Be richterstatter de» SubcomitsS, welches mit den näheren Er hebungen und bestimmten Vorschlägen betraut wurde, bestellt. Der Bericht des Subcomitss besagt, daß vorderhand, da man auf die verschiedenen Gesetzgebungen Rücksicht nehmen muß, nur ein Generalplan ausgearbeitet werden konute, und daß Detailmaßregeln im Laufe der weiteren Erfahrungen sich ergeben werden. Der Bericht hebt ferner hervor, daß eS sich nicht um Aufhebung der Prostitution in Konstantinopel handeln könne, was eine philantropische Utopie wäre, sondern nur darum, gewaltsame Verkuppelung, Mißbrauch der Autorität und die Anwendung von Verführung-Mitteln zu verhindern. Demnach wäre den Opfern des Mädchenhandels Schutz in den folgenden Fällen zu gewähren: auf Ersuchen der Eltern, Vormünder und anderer natürlicher Protektoren; im Falle, wenn die Opfer selbst den Wunsch aus sprechen, ihren Lebenswandel zu ändern: wenn dieselben noch nicht die Majorenuität erreicht haben, und schließlich, wenn sic durch Betrug, Mißbrauch der Autorität oder durch Fälschung ihres ,/tut civü" verkuppelt wurden. (Bekanntlich lassen die Mädchenhändler die Opfer in die Pässe meistens fälschlich als ihre Frauen, Töchter, Schwestern oder Dienerinnen eintragen. Zu diesem Zwecke schlägt der Bericht vorderhand einige wenige, aber praktisch leicht durchführbare Maßregeln vor und gibt dann an, mit welchen Müteln dieselben durchgeführt und unterstützt werden müßen (auch von den inländischen, das heißt heimat lichen, Behörden und anderen Faktoren). Selbstverständlich ent ziehen sich diese Maßregeln einer öffentlichen Bekanntgabe und Besprechung. Bezüglich des Mädchenhandels von Konstantinopel nach Kairo, Alexandrien, Bombay, Buenos Aires und Rio de Janeiro drückt der Bericht den Wunsch aus, daß die in Frage kommenden Konsulate sich, abgesehen von den Lokalmaßregeln, mit den dortigen Konsulaten ins Einvernehmen setzen, damit dieselben sich an der Aktion gegen die Bekämpfung des Mädchenhandels entsprechend beteiligen. Der Bericht betont am Schlüsse, daß das Subcomite seine Aufgabe keineswegs als beendet betrachtet und daß noch vieles vorzuschlagen sein wird, beispielsweise, um den befreiten Opfern ein Asyl in Konstantinopel zu bieten usw. Die Generalversammlung nahm mit Befriedigung das Resultat der Arbeiten des Subcomitss und des demselben beigegebenen ComstsS der Dragomane (des österreichisch ungarischen, des russischen, der rumänischen und der serbischen Konsulats) zur Kenntnis und drückte denselben, sowie dem Bericht erstatter den wärmsten Dank aus. Der Beschluß über die Durch führung der vorgeschlagenen Maßregeln wurde der nächsten Ver sammlung Vorbehalten. Es sei bei diesem Anlässe konstatiert, daß in den letzten Wochen von dem k. und k. Konsulat vierzehn Mädchen (im Alter von achtzehn bis achtundzwanzig Jahren) repatriiert, fünf Kuppler zwangsweise abgeschobeu und zwei Besitzer öffentlicher Häuser (österreichische Staatsangehörige) gezwungen wurden, dieselben zu schließen. Deutsches Deich. * Leipzig, 22. Februar. * Paul Göhr«, mit den: ständigen Attribut „der Ehe malige", hat Aussicht, wieder für einige Zeit aktiv zu werden. Wie die „Chemnitzer Reuest. Nachr." melden, hat eine gestern in Gelenau adgehaltene sozialdemokratische Partei versammlung den ehemaligen Pastor und Reichstagsabgeord neten Paul Göhre für den verstorbenen Rosenow zum Reichs tagskandidaten für den 20. sächsischen Wahl kreis Zschopau-Marienberg aufgestellt. * Gegen eine prcutztsch-sächsische Eiscnbahngemcinschaft macht das Organ der sächsischen Konservativen „Das Vaterland" wieder Stimmung. Es zieht dabei als Eides helfer den angeblichen Mißerfolg der preußisch-hessischen Eiseubahngemeinschaft an. Die Frage war auf dem ost sächsischen nationalliberalen Parteitage vom Abg. vr. Vogel angeschnitten worden. * Berlin, 22. Februar. * „Geuossen"-Gehälter. Vvm preußischen Münster für Handel und Gewerbe wurde in der Sitzung des preußi schen Abgeordnetenhauses vom Freitag die gutbeglaubigte Nachricht wieüergegeben, daß die Stellen der Rendan ten größerer Krankenkassen ungewöhnlich hoch, bis 10 000, ja selbst bis 17 000 jährlich dotiert sind. Diese Stellen werden bekanntlich, so weit die So zialdemokraten die Kassenverwaltungen be herrschen, Veteranen der Partei verliehen und zwar nicht wegen ihrer besonderen Tauglichkeit für die Führung der Kassengeschäfte, sondern teils als Belohnung für die der Partei geleisteten Dienste, teils um ihnen durch Ver schaffung einer guten und gesicherten materiellen Lage die Möglichkeit zu gewähren, in der sozialdemokratischen Agitation mit voller Kraft mitzuwirken. Die „B. P. N." weisen darauf hin, daß die „Genossen" die Aerztehonorare nur deshalb beständig -rückten und die Aerztekonflikte herbeiführten, um die Mehrausgabe für die hohen Be soldungen der Rendanten auszugleichen. Nicht über flüssig sei daher die Erwägung, ob es nicht notwendig sein werde, diesem Mißbrauche der Krankenkassen, ihrer Einrichtungen und Mittel zu sozialistischen Parteizwccken einen nnrksamen Riegel vorzu schieben. * Mangel an Kühlung mit der Oeffentlichkeit wirft die konservative „Schles. Ztg." der Regierung vor. Das Blatt schreibt: Im Innern Preußens und Deutschlands schlagen Stunden, deren Ernst wir nicht über den Rätseln der ostasiatischen Kriegs depeschen vergessen dürfen. Es mahnen uns zwei Glockenschläge, die kurz aufeinandergefolgt sind. Ter erste war der einmütige Protest der Presse aller Parteien gegen den Beschluß des preußischen Staats ministeriums, das Scherlsche Sparsystem einzuführen; der zweite war der Einspruch aller Parlamentarier und aller Zeitungen gegen den Versuch einer Hofkunstdiktatur. In wenigen Monaten hat die Regierung zweimal die ge samte öffentliche Meinung gegen sich ausgebracht, nicht etwa in Hauptfragen der Politik, wo sie zu Zielen des Gemeinwohles ihre Ueberzeugung nötigenfalls gegen Parlament und Presse durchzusetzen berechtigt und verpflichtet wäre, sondern um nichts und wieder nichts, offenbar nur aus Verkennung dessen, was der Zug der Zeit ist, aus Mangel an Fühlung mit den treibenden Kräften, aus Ueber- schätzung gewisser Einflüsse und Unterschätzung anderer. * Unbequeme Parteigenosse«. Die „Lib. Korr", das Organ der Parteileitung der Freisinnigen Vereinigung, erklärt, daß die mehrfach erwähnten, in der ilf e" und in der „Berl. Zt g." erschienenen Gedichte nicht den in der Freisinnigen Ber einigung herrschenden Ansichten entsprächen, und daß die Partei für sie nicht verantwortlich gemacht zu werden wünsche. — Die sozial-liberale Ehe läßt sich unglücklich an. — Eine AuStrittSerklärung auS der sozialdemokra tischen Partei. Die Zustände im Lager der Charlottenburger Sozialdemokraten erfahren eine neue drastische Illustration durch eine AuStrittSerklärung, welche der bisherige „Genöße" Distrikts- arzt a. D. von Oppell-Kapstadt Berliner Blättern zur Ver öffentlichung übersendet. In dem Begleitschreiben an die Re- daktionen sagt der Genannte, daß die sozialdemokratische Partei leitung „jegliche Bemühung seinerseits, ausklärcnd in der Arbeiter» chaft zu wirken, durch systematisches Totschweigen zu verhindern uche, ebenso wie man den öffentlichen Vortrag totzuschweigen ver acht habe, den er am 12. Februar bei Buggendagen über das Thema „Meine Abrechnung mit der sozialdemokratischen Partei leitung" gehatten habe." * Sölu, S1. Februar. In der angekündigten überaus zahlreich besuchten Volksversammlung wurde von neuem aufs schärfste gegen die Maßnahmen der Kölner Regierung protestiert und erklärt, daß die Re gierung die Krankenkassen vergewaltige und bei spielsweise zu -en früheren Einigungsverhandlungen einen Medizinalrat entsandt habe, der selbst dem Aerzte- verein angehüre. Man will gegen die Maßnahmen der Regierung im Berwaltungs st reitverfahren bis zur letzten Instanz vorgehen. Die Verhandlungen im Reichs- und Landtage hätten ergeben, daß man -ort über die Kölner Verhältnisse nicht informiert gewesen sei. Es sei verschwiegen worden, daß bei dem Eingreifen -er Regierung eine Anzahl Kaffen über die von der Re gierung geforderte Aerztezahl verfügt habe. Nachdem der Verein der Industriellen sich der Sache angenommen, dürfte in der Angelegenheit des Kölner Aerzte- streits noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. * Rudolstadt, 20. Februar. In der jüngsten Sitzung des Landtags erklärte der Staatsminister mit deutlichen Worten, daß die Staatsregierung dem Wesen der Sozialdemokraten Rechnung zu tragen durchaus geneigt sei und zwar ganz im Sinne aller ordnungsliebenden Untertanen Untertanen, die nicht gewillt seien, die Bersassuna und die Gesetze zu respektieren, müßten es sich gefallen lassen, daß gegen sie die ganze Strenge des Gesetzes in Anwendung gebracht werde. * Mainz, 21. Februar. Gestern fand hier unter dem Vorsitze des Oberbürgermeisters Beutler-Dresden eine Versammlung von Vertretern der an der Aufrechterhaltung der indi re ktenAbgaben auf Lebensmittel interessierten Stadtgemeinden statt. Es wurde beschlossen, einen aus zehn Stadtvertretern bestehenden Ausschuß zu bilden, der beim Bundesrat und Reichstag wegen Beseitigung deS K 13 des ZolltarifgeseyeS oder doch wegen Verlängerung der daselbst festgesetzten Frist vorstellig werden soll. * Aus Darmstadt wird der „Franks. Ztg." über einen Zwischenfall in der hessischen Kammer gemeldet: Vor Schluß der Landtagssitzung vom Freitag ereignete sich ein Aufsehen erregender Zwischenfall. Der Vorsitzende Haas verlas folgende vom Abg. Reinhart (nat.-lib.) und 13 Genossen unterschriebene Interpellation: „Für die Linie Butzbach-Lich ist seinerzeit ein Staotsbeitrag von 20 000 E pro Kilometer bewilligt worden. Nach umlaufenden Gerüchten soll der Abgeordnete, der seinerzeit für diese Linie lebhaft eingetreten ist, für die Pari-Unterbringung nicht börsengängiger Prioritäten bei den beteiligten Gemeinden eine Provision von 33 000 von dem Betriebsunternehmer erhalten haben. Wäre das Gerücht wahr, so würde das zeigen, daß der Staatszuschuß ohne Notwendigkeit bewilligt worden wäre. Wir fragen daher an, was der großherzoglichen Regierung über diese Angelegenheit bekannt ist." Die Interpellation richtet sich gegen einen im Hause an wesenden fraktionslose» Abgeordneten, der bei ihrer Verlesung den Sitzungssaal verließ. — Ferner hat die hessische Zweite Kammer einstimmig einen Antrag an genommen, durch den die Regierung aufgefordert wird, im BundeSrate zu beantragen, daß den ReichStagSabgeord- neten Anwesenheitsgelder sowie freie Eisenbahn fahrt durch das ganze Reich während der Legislaturperiode gewährt werde. In der Erörterung bezeichnete ein Zentrums abgeordneter die ablehnende Stellung der preußischen Regie rung im Bundesrate gegenüber diesem Wunsche des Reichs tags als „eine Brüskierung der Volksvertretung". Ausland. Frankreich. * Möline un» »er russische Krieg. SoissonS,21. Februar. In einer Versammlung der republikanischen Bereinigung hielt Msline eine Rede, in der er sich gegen die Angriffe wandte, die die revolutionäre Partei gegen die Armee ge macht hat; „und doch", so führte Redner aus, „müssen wir eine Armee ersten Ranges, eine starke disziplinierte Armee haben, sowie eine mächtige Marine. Der russisch-japanische Krieg droht, ganz Europa in Brand zu stecken. Wünschen wir von Herzen, daß tue russischen Truppen triumphieren. Denken wir namentlich an den Tag nach dem russischen Krieg. Es ist Zeit, au Stelle der Spaltung der Politik wirklich nationale Brüderlichkeit zu setzen. AfrSa. * Lapwtuisteriu«. Kapstadt, 21. Februar. Das Ministerium ist nunmehr gebildet. Premierminister ist vr. Jameson. Amerika. * Panama. New Dork, 21. Februar. Nach einem Telegramm aus Panama von gestern ist vr. Amador zum Präsidenten eingesetzt und hat ein Ministerium ernannt. Heer und Flotte. * Kuszarttllerieschieszschulc für Rekruten. Nach einer kaiser lichen Verordnung soll, wie die „Nat.-Ztg." hört, ein besonderer Beurlaubtenstaud der Fußartillerieschiebschnle ans Reserveoffizieren der Fußartillerie, die bei ihr geübt haben und solchen Unteroffizieren und Mannschaften, die bei ihr gedient haben, gebildet werden. * Die „Hohenzoleru" hat für die bevorstehende Frühjahrs- reise folgenden Stab an Bord genommen: Kapitän z. S. v. Usedom als Kommandanten; Korvettenkapitän Walter Engelhardt als I. Offizier; Kapitänleutnant von der Osten als Navigationsoffizier; die Kapitänleutnants Grafen v. Oeynhausen, Haß und die Ober- lentnants z. S. v. Harthausen, Richter und Frhrn. v. PaleSke als Wachoifiziere; den Marme-Stabsingenieur Stemmeyer und den Marine-Jngenienr Rapp, sowie den Marine-StabSarzt vr. Brack- mann. * Zwei Stapelläufe sind für die Frühjahrsmonate d. I. fest- gesetzt; sowohl der kleine Kreuzer „Ersatz Merkur", den der Stettiner Vulkan baut, als auch oer Neubau „Ll" auf der Werft der Aktiengesellschaft Weser bei Bremen, sollen mit Beginn d«S Sommerhalbiahres ihre Bauhellinge verlaßen haben, um bis zum Herbst der Marineverwaltung zur Aufnahme der Probefahrten zur Verfügung zu stehen. In dem Neubau „Ersatz Merkur" wird das eiste größere Schiff für unsere Flotte fertiggestellt, das eine Tur- binenmaschinen-Änlage besitzt, über die der Kaiser sich letzter Tage hat einen Vortrag halten laßen. Lolonial-Nachrichlen. , * Der kaiserliche Gouverueur vou Samer»» Herr v. Puttkamer hatte im Herbst eine Reise io das Tschadsee-Gebiet unternommen, über welche er im „Deutschen Kolonialblatt" berichtet. Unter anderem er wähnt der Gouverneur auch einen originellen Brief, den ihm der Sultan von Mandara aus Mora zur Begrüßung sandte. Das Schriftstück war in arabischer Sprache ab- gefaßt und hatte in deutscher Uebersetzung folgenden Wort laut: „Brief von Omaru, Lamido von Mandara. Ich schreibe diesen Brief an den Gouverneur von Kamerun, den ich grüße. Ich schreibe diesen Brief, denn der Gou verneur ist der Befehlshaber von allen Weißen und Schwarzen in all diesem Lande. Wer hier im Lande nicht gehorcht, den bestraft der Gouverneur. Der Gouverneur paßt auf alles auf, er leidet nicht, -aß einer dem andern etwas nimmt. Ich sende diesen Brief in -er Hoffnung, daß der Gouverneur gesund ist, und hoffe, daß der Gou verneur nicht zu stark unter der Sonne zu leiden har. Wenn ich höre, daß der Gouverneur ins Mandaraland kommt, will ich Boten zum Empfang schicken und für alles sorgen. Alle Leute in Mandara wissen, daß ihr Vater zu ihnen kommt." leipziger Angelegenheiten. 22. Februar. * Aerzte und Ortskrankenkasse. Die Verhandlungen zwischenAerzten und Ortskrankenkasse sind nun, wie in einer gestern abend abgehaltenen Sitzung der Vor - ständederärztlichenBereinigungeu bekannt gegeben wurde, endgültig gescheitert: die Aerzte verharren auf ihren Forderungen und sind entschloßen, nicht eher Frieden zu schließen, als bis die Ortskran- kaffe die Verträge gelöst hat, die sie mit aus wärtigen Aerzten abgeschlossen hat. Da die Orts krankenkasse darauf sich nicht einlassen wird, sind alle weiteren Verhandlungen arrSsichtslo». Es kommt nun darauf an, ob es der Kaffe gelingt, bis zum 1. April Er satz für die ihr Amt ntederlegenden Aerzte zu schaffen. Davon wird wahrscheinlich auch die Stellungnahme der Regierung abhängen. * Kaiserlicher Diszipliuarhof. Vom Kaiserlichen Disziplinarhof, welcher heute im Reichsgerichts, gcbäude ein« Sitzung hatte, ist das Urteil der Disziplinär- kammer in Kassel bestätigt, durch welches der Ober- postpraktikant Richard Wagner aus Hanau mit Dienstentlassung ohne Pension verurteilt ist. Wagner hatte sozialdemokratische Tendenzen vertreten und sich offen als Sozialdemokrat bekannt und „dadurch sich der Achtung unwürdig gemacht, welche di« Stellung eines Be- amten bedingt." Die Berufung Wagners, welcher eine Pension beanspruchte, hat der Disziplinarhof zu- rückgewiesen. * Ernennung. Der König hat den außerordentlichen Professor der Hautkrankheiten und Direktor der UniversitätS- iij Ein angenehmes Erbe. Roman von Viktor von ReiSner. «Nachdruck verboten.) „Mit dir werde ich morgen noch abrechnen" — ver sprach ihr die Mutter — „du hast dich wieder in einer Weise benommen. Laß es wohl am besten sein wird, dich ins Pensionat zurückzuschtcken." „Aber, liebe Mama, ich habe doch nicht mehr getan als alle anderen ..." „Schweig" — rief die Mutter empört — „ich will mich heute nichr noch mehr erregen, als ich es ohnehin schon bin. Oh, mein Gott" — stöhnte sie — „daß meine Nerven das aushalten konnten, ist mir fast un begreiflich." Herr von Höchstfeld legte ihr beruhigend die Hände auf die Schulter. „Nun ja, liebe Eveline, daß deine Nerven heute re bellierten, ist freilich kein Wunder" — meinte er — „indes . . ,<Heute?" — unterbrach sie ihn gekränkt — „Willst du damit vielleicht sagen, daß ich sonst keine Nerven habe?" „Ich wollte, ich könnte es sagen" — brummte er un deutlich in den Bart, worauf für eine Weile eine kleine Pause eintrat. „Und welcher.Ton und welche Anschauungen in dieser Gesellschaft herrschen" — fing Frau von Höchstfeld von neuem an — „ich weiß wirklich nicht, ob wir das Kind überhaupt noch mitnehmen können!" „Na, weißt du, Mama", — meinte Erna schnippisch und ohne im Moment zu bedenken, wie viel sie schon auf dem Kerbholz hatte — „ich glaube, an so etwas ge wöhnt man sich." Frau von Höchstfeld war einfach sprachlos — aller dings nur für einen Augenblick, denn alsbald ergoß sich über Erna ihr ganzes Sündenregister. Der Major ging indes kopfschüttelnd auf und nieder, endlich wurde es ihm doch zu viel, und er erinnerte seine Frau, daß sie sich ja diese Predigt für morgen vor- behalten hatte. Sie sah ihn daraufhin mit einem bitterbösen Blick an, schwieg aber. „Na ja, liebe Alte, du bist heute ein wenig zu streng" — suchte er sie zu besänftigen — „vergiß doch nicht, daß sie hier um ein paar Jahrhunderte zurück sind. Unsere Ahnen werden sich auch in einem freieren Ton unter- halten haben, das ist doch weiter nicht so schlimm — mit den Wölfen muß man eben heulen." „Du und dein Sohn, ihr mögt heulen, ich und Erna nie!" — entgegnete sie pikiert. Erna hatte die Schelte schon längst wieder abgeschüt- telt und erklärte keck: ,LSas Erich kann, kann ich auch!" — doch als sie Mamas streng verweisenden Blick auf sich ruhen fühlte, fand sie es doch für angczeigt, klein beizugeben, und sich zaghaft an die Mutter heranschmeichelnd, sagte sie — „es war ja gar nicht so schlimm, wie du dir das vor- stellst. Die besten Witze, bei welchen am allermeist«» ge lacht wurde, machten die jungen Herren auf Kroatisch — sic müßen freilich ein bißchen toll gewesen sein, da sie mir nicht einmal Vladoj übersetzen wollte." „Bladoj? Was für ein Vladoj?!" — inquirierte Frau von Höchstfeld streng, ich erinnere mich nicht, daß mir ein Herr dieses Namens vorgestellt worden wäre." „Aber, Mama, das ist ja der Leutnant, der mir so stark den Hof — der mit mir so nett war" — verbesserte sich die Kleine errötend — „er meinte auch . . ." „Es ist genug" — schnitt ihr Frau von Höchstfeld das Wort ab — „übrigens, hieß der nicht Bi-bi-ma-ma?" Erna hätte am liebsten vor Vergnügen aufgekreischt, doch sie traute dem Frieden noch nicht recht und rief des halb nur, in verstohlener Freude mit den Füßen trampelnd: „Liehst du, du kannst seinen Namen auch nicht aussprcchen. Denke nur, er heißt: Bi-e-li-ma-ri-no-vitsch! Und weil ich das nicht so leicht über die Zunge bringen konnte, so meinte er, ich solle ihn einfach bei seinem Tauf namen ,-Lladoj" rufen, ihm würde es nur Spaß machen. Findest du das nicht komisch?" „Allerdings, sehr komisch!" — entgegnete die Mama, jedes einzelne Wort scharf betonend — „noch komischer finde ich es aber, datz-mcine Tochter . . Durch Erichs Eintritt, der so lange im Stall geblieben mar, »m die richtige Wartung der Pferde zu überwachen, und nun mitteilte, daß es stark auf zwei Uhr gehe, wurde Mamas Sermon unterbrochen. Erna atmete erleichtert auf. „Du bist wohl recht müde, liebe Mama?" — fragte Erich teilnahmsvoll. Diese nickte. „Das kannst Lu dir wohl denken, mein Kind. Ich glaube, heute werden wir alle ungewiegt einschlafen." Erna konnte nicht anders — und wenn es ein Kopf stück kostete, sie mußte laut aufktchern. „Na, was hast du denn schon wieder?" — fragte der Vater. ,-OH nichts", erklärte Erna schmunzelnd — „ich dachte nur, wie drollig es wäre, wenn Mama beim Schlafen gehen noch gewiegt werden müßte!" „Ungezogenes Kind" — schalt die Mama, obgleich sie innerlich selbst lächeln mußte — „nun rasch zu Bett, hoffentlich hast du m-rgen einen artigeren Tag." „Du meinst heute, Mama, es ist doch schon längst nach Mitternacht!" Krau vou Hüchstfeld seufzte. „Ach ja, das war ein schwerer Tag. Die vielen wildfremden Menschen mit ihrer beunruhigenden Herz lichkeit, dann dieser Pfarrer, von dem man nicht weiß, ob er es gut oder schlecht meint, dann du, Erwin, und auch Erich, die ihr euch als Säufer produziertet . . ." „Na, höre einmal!" ,Hawohl, als Säufer" — beharrte sie — „ich werde noch Jahr und Tag daran zurückdenken — an dieses Bi-bt-car-bonikum." ,-vilikum" — verbesserte Erna lachend. „Nun laßt es für heute genug sein" — machte Herr von Hüchstfeld der Unterhaltung ein rasches Ende, griff nach einem Leuchter — Erich und Erna folgten seinem Beispiel — und nach kaum einer halben Stunde lagen die zwei alten E — Erwin und Eveline, und die zwei jungen E — Erich und Erna, im festen, gesunden Schlaf. Nach Verlauf einer weiteren halben Stunde erwachte Herr von Höchstfel- durch grellen Feuerschein, der von den Wirtschaftsgebäuden her in das Schlafzimmer drang. Lautes Stimmengewirr und immer erneut heranrollende Wagen schienen ein Unglück nur zu bestätigen. Er hatte das Nötigste angezogen, als auch schon Erich anklopfte, um die Eltern möglichst schonend von dem ausgebrochenen Feuer zu unterrichten. Frau von Hüchstfeld, an allen Gliedern zitternd, im Neglige und die Nachthaube auf dem Kopfe, stürzte zur Tür hinaus. „Ist das die Feuerwehr, die wir anfahren hören?" — fragte sie bebend. „Mer, Mama, hier gibt es doch gar keine Feuer wehr — das werden wohl Bauern mit Wafferfäffern sein." Erich wollte davoneilen, aber der Vater hielt ihn noch zurück. „Sorge du dafür" — schärfte er ihm ein — „daß, falls das Feuer herüberschlägt, unsere wichtigsten Sachen in Sicherheit gebracht werden." „Mein Schmuck", schrie Frau von Höchstfeld entsetzt auf, und Erna, in Unterrock und Frisiermantel, flog nach ihrem Schlafzimmer zurück, um ihr — Tagebuch vor den gierigen Flammen zu retten. Der nächste Weg nach dem Hofe führte über die breite Treppe durch den Salon. Den Leuchter in der Han-, stürzte Erich voraus, der Major, gleichfalls mit einem Leuchter, hinterdrein, dann kam Mama Hüchstfeld mit fliegenden Haubenbändern und schließlich Erna, krampf haft daS Tagebuch an sich pressend und dabei immerzu gellend ,-Hülfe! Hülfe!" schreiend. Im Nu hatte Erich die Tür aufgesperrt. Mit einem Ruck stieß er sie weit auf, und mit einem zweiten blieb er wie angewurzelt auf der Bordschwelle stehen. ,-Was ist denn geschehen?" — fragte die Mama, nahe am Weinen. Aber noch hatte sie nicht recht aus gesprochen, als ihnen schon vielstimmiges Lachen und übermütige „Gute Morgen!" entgegendröhnten. Die ganze Familie Hüchstfeld stand wie ver- steinert da. Graf Stepenaz und der Pfarrer waren die Ersten, die den Salon betraten. „Na, was sagen Sie dazu, ist daS eine Ueber- raschung?" — wandte sich der Pfarrer vergnügt schmunzelnd an Frau von Höchstfeld. Diese sah ihn perplex an. ,LSir dachten, es sei Feuer ausgebrochen" — stotterte sic endlich, noch in voller Erregung. „Ach, was denn nicht noch, Feuer — das sind ja unsere Fackeln", belehrte er sie. „Du großer Gott, und wir sind so schrecklich darüber erschrocken!" „Das macht nichts, darin liegt ja eben der Witz" — meinte er strahlend vor Vergnügen — „Sie werden erst nach und nach auf den richtigen Geschmack kommen." Fortsetzung folgt.
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