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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 15.04.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-04-15
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040415023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904041502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904041502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-04
- Tag1904-04-15
- Monat1904-04
- Jahr1904
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Nr. 1V1. 98. 2ahrg. wäre leicht, eine Liste von 30 Zechen vorzulegen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte eingegangen sind. Kein Mensch hat sich darum gekümmert, weil man sich sagte, daß, wenn in einerZeche keine Kohlen mehr sind, die Zechen arbeiter sich eben nach a n d e r e r B es chäf- tigung umsehen müssen. Jetzt aber wird eine gewaltige Agitation im Interesse der Arbeiter entfaltet. Und dabei ist cs noch gar nicht richtig, dah die Arbeiter zu einer anderen Beschäftigung?- art greifen müssen. Es sind ja die verschiedensten Ab- Hülfernahnahmen in Vorschlag gebracht. Einmal sollen die Zechen auf Grund des Berggesetzes zum weiteren Be trieb gezwungen werden. Das ist natürlich unmöglich. Sodann sind Entschädigungen in Vorschlag gebracht. Sie zu normieren, ist unmöglich. Dagegen hat der Berg meister Engel, der Geschäftsführer des Dortmunder Bergbaulichen Vereins, einen Weg gezeigt, auf dem tat sächlich die Frage zur Lösung gebracht werden kann. Nach seinem Vorschläge sollen die Verkehrsmittel so verbessert werden, dah die von der Aenderung betroffenen Arbeiter des südlichen Reviers in das nördliche jeden Tag befördert werden können. Das Strahenbahnnetz mühte danach ausgebaut werden. Es handelt sich um Entfernungen von 8 bis 10 Kilometern. Die südlichen Bergarbeiter könnten dann im Norden die polnischen Arbeiter ersetzen. Dah die Arbeiter aber solche Strecken täglich zur Arbeitsstätte zurücklegen, kommt doch in den Großstädten lind ihrer Umgebung jetzt schon vor. Die ganze Agitation, die mit dieser Frage getrieben wird, ist eine Aufbauschung, um die öffentliche Meinung zu kaptivieren für Ereignisse, die noch kommen können und auch kommen werden." — Aus diesen schon für die Oeffentlichkeit znrecbtgemachten Sätzen hat sich doch der echte Buecksche Geist nicht ganz verbannen lassen. AuS feder Zeile spricht verhaltener Unwille, dah die Oeffent lichkeit sich mit Angelegenheiten beschäftigt, die sie eigent lich gar nichts angeben. Aber man wird lernen müssen, sich mit der Existenz der öffentlichen Meinung abzufinden und vergangene schöne Zeiten, in denen sich „kein Mensch darum kümmerte", als endgültig vorüber zu betrachten. Uebrigens wollen wir nicht verfehlen, dah das Nebenpro gramm des Ersatzes polnischer Arbeitskräfte durch deutsche etwas Bestechendes hat. Zum Schluß klagen wir aber den Anfertiger dieses offiziösen Communiguäs noch an, uns mit seinem letzten Satze eine ebenso müh- selige wie vergebliche Arbeit zugemutet zu haben: Es ist uns nicht möglich gewesen, den sicher tiefen Sinn seiner Worte zu ergründen. Ein selbständiges Kolonialamt. Die Entwicklung unsrer Kolonien ist, wie all gemein bekannt sein dürfte, wesentlich dadurch ge hemmt, daß die Gouverneure zu oft „mit einem Auge nach Berlin sebcn" müssen, weil die oberste Kolonial verwaltung nur eine Abteilung im Auswärtigen Amt bildet und erst durch deren Vermittlung die nötigen Verständigungen mit dem Reichsmarineamt, dem Reichspostamt, dem Reichsschatzamt u. a. berbeigeführt werden. Um den sich daraus ergebenden Mißständen abzuhelfen, erhebt die Deutsche Kolonialgesellschaft aufs neue die schon früher gestellte Forderung der Errichtung eines selbständigen Kolonialamts. Die „Mitteilungen" der genannten Gesellschaft äußern sich darüber wie folgt: Die Politik, welche die Entwicklung unser Kolonien zum Segen leiten soll, müßte, wie die Deutsche Kolonialgesellschaft schon ost betont hat, von dem Vorstand eines selbständigen ReichskolonialamteS geleitet werden. Die Gouverneure, auf deren Ernennung heute leider der Kolonialdirektor zu wenig Einfluß hat, sollten Zivilbramte sei», die möglichst vielseitige koloniale und wirtschaftliche Er fahrungen gesammelt habe. Man wähle Männer gereifteren Alter-, gebe ihnen achtbare Stellung, etwa wie den Ober präsidenten einer preußischen Provinz. Dies sollte insbesondere von den Gouverneuren der großen Schutzgebiete gelten. Führte doch einst Freiherr von Soden als Gouverneur von Kamerun und von Ostafrika während seiner Amtsdauer und für die Zeit seines Aufenthalts im Schutzgebiete das Prädikat Exzellenz, das selbst in den kleineren französischen und englischen Protektoraten den ersten Beamten zusteht. Neben solche Gouverneure setze man als Kommandeure der Schutztruppe Offiziere ebenfalls höheren Ranges, ältere Stabsoffiziere oder Generalmajore. Der Gouver neur müßte ihnen jedoch in jedem Falle übergeordnet sein. Auf diese Weife würde die Verwaltung gut gegliedert sein. Die Befugnisse zwischen Zivil und Militär ließen sich nicht schwer ab grenzen. Kleine Reibungen wären natürlich nicht ausgeschlossen, solche kommen aber auch in Deutschland selbst wohl vor, ohne schwere Folgen zu haben. Die Vorschläge klingen sehr verständig und finden hoffent lich bald Verwirklichung. Die Mehrkosten betragen vielleicht 40 000 können also nicht ernstlich ins Gewicht fallen. Der Berliner Nuntius. Die Gerüchte von der Errichtung einer päpstlichen Nuntiatur in Berlin wollen trotz aller Dementis nicht verstummen. Leipziger Tageblatt. Diesmal ist eS der in vatikanischen Dingen vielfach gut unterrichtete römische Mitarbeiter des „Daily Chronicle", welcher meldet: Im Falle des Gelingens der Verhandlungen würde wahrschein lich der bei dem Kaiser gut angeschriebene Abt Krug von Monte Cassino zum Nuntins ernannt werden. Er ist klug und taktvoll und seine Eigenschaft als Mönch würde gewisse, vom Papst beabsichtigte Aendcrungrn und Ersparnisse an den Nuntiaturen er leichtern. Der Papst hat seine Bereitwilligkeit erklärt, dem Deutschen Reich den Schutz seiner eigenen katholischen Missionen in aller Form zu überweisen. Ein Breve darüber wird ehestens veröffentlicht werden. Die Nachricht wird natürlich schleunigst wieder offiziös dementirt werden, und dies anmutige Spiel wird solange fortgesetzt werden, bis — der Nuntius eines schönen (?) Tages da ist. Das bayerische Kriegsministerium. Wenn jetzt in München die Ersetzung des Kriegs. Ministers v. Asch durch den vormaligen bayerischen Militärbevollmächtigten in Berlin, Frhrn. Reichl in v. Meldegg, als möglich bezeichnet wird, so darf daran erinnert werden, daß der genannte Vorgänger des Generals v. Endres auf dem Berliner Posten in der Reichshauptstadt das beste Andenken hinterlassen hat. Die Beziehungen, die Frhr. Reichlin mit Hof und Ge sellschaft, im Bundesrat und im Reichstag unterhielt und pflegte, waren jederzeit solche, daß alle Beteiligten Nutzen und angenehme Eindrücke davon hatten. Frhr. v. Reich- lin widmete sich auch mit besonderem Interesse den Auf- gaben des Roten Kreuzes. Das türkisch-bulgarische Abkommen. Die Beurteilung des türkisch-bulgarischen Abkom mens in den Kreisen, welche dem Auswärtigen Amt in Berlin nahestehen, scheint ein Berliner Telegramm der „Köln. Ztg." wiederzugeben. Es ist vom 14. April datiert und besagt: Mit einer für Kenner der türkischen Verhältnisse überraschenden Schnelligkeit ist dem Jrade, das die Durchführung des türkisch - bulga rischen Abkommens anordnet, der Befehl zur Ausführung der darin festgesetzten Maßregeln gefolgt. Schon Mittwoch abend sind den zuständigen Behörden telegraphische Weisungen zugegangen wegen der Am nestie, der Repatriierung, der Zollerleichterungen usw., so daß das Abkommen sofort nach seiner Ge nehmigung durch den Sultan auch praktisch in Kraft tritt. Gleichzeitig ist eine Kommission eingesetzt war- den, uni über die vorbehaltenen weiteren Punkte mit Bulgarien zu verhandeln. Ratsche witsch suchte am Donnerstag den Großvezier auf, um ihm für die getroffenen Maßregeln zu danken. So ist nunmehr trotz aller entgegenstehenden Schwierigkeiten das sehr heikle Werk des türkisch-bulgarischen Einverständnisses zu einem glücklichen Ende geführt wor den, zu dem sowohl die Türkei wie Bulgarien sich be glückwünschen können. Wenn auf der einen Seite Bulgarien durch den vom Für st en Ferdinand bewiesenen staatsmännischen Sinn sich selbst wie der Sache des Friedens einen Dienst geleistet hat, der überall Anerkennung finden wird, so hat auf der anderen die Türkei jetzt eine starke Rück- Versicherung gegen wieder auftauchendc Un ruhen in Makedonien, die es ihr gestattet, sich dem Werke der Reformen in ganz anderer Weise zu wid men, als es unter unruhigen, um nicht zu sagen kriegerischen, Zuständen möglich gewesen wäre. Fürst Ferdinand erhält eine gute Zensur für „staats- männischen Sinn". Wenn man sich dessen erinnert, daß dieser staatsmännische Sinn vor allem auf die endliche Erlangung des Königstitels gerichtet ist, so darf man wohl der Vermutung Raum geben, daß Fürst Ferdinand dieses Ziel beim Abschlüsse des Abkommens nicht aus dem Auge verloren hat. Es wird sich ja bald zeigen, ob Fer dinand von Koburg dem höchsten Ziele seines Ehrgeizes näher gekommen ist. Deutsches Deich. * Berlin, 15. April. * ReichSfinanzreform. Das Material des Reichs schatzamtes zur Reichsfinanzreform, welches die Budgetkommission des Reichstags auf Antrag Müller-Fulda verlangt hatte, ist Donnerstag abend fertig gestellt und den Mitgliedern der Budgetkommission zugestellt worden. In diesem Anträge fordert die Budgetkommisston Aufklärung, wie sich die Finanzlage des Reiches, insbesondere in den nächsten zehn Jahren, nach Ansicht der verbündeten Regierungen gestalten wird, besonders, welche Er höhung der Ausgaben auf Grund bisheriger Erfahrungen der bestehenden Gesetze und der noch für die Zukunft ge planten Maßnahmen zu erwarten ist, welche Mittel die Regierung vorzuschlagen gedenke, um innerhalb dex nächsten 10 Jahre das Gleichgewicht zwischen den Ausgaben und Einnahmen des Reiches herzustellen. Als Aulwort auf diese Fragen hat da« Reichsschatzamt der Budgetkommisston eiae Denkschrift überreicht, welche die Schätzung der Au«, gäbe- und Einnahmesteigerung bis 1909 enthält. Danach rechnet das Reich-ichatzamt von 1904 auf eine Steige rung der Ausgaben für das Auswärtige Amt von 15 auf 18,7 Millionen Mark, für das ReichSaint des Innern von 78.4 auf 100,96, für die Verwaltung deS Reichsheeres von 619 auf 692,7, für die Marineverwaltung von 175 auf 208,9, für das Münzwesen von 0,8 auf 1,3, für die Ver zinsung der Reichsschuld von 104,7 auf 128,3, für den all- gemeinen Pensionsfonds von 78,8 auf 95,4, für Veteranen- beihülfen von 11,5 auf 18, für die Poft- und Telegraphenver waltung von 427,4 auf 508,2, für die Reichsdruckerei vou 5,8 auf 6,8, für die Reichseisenbahneu von 78,3 auf 97,4, für die Kolonialverwaltung von 22,6 auf 24, für Kiautschau von 12,6 auf 12,7, für verschiedene Verwaltungsausgaben von 10,8 auf 11.6 Millionen Mark. Ferner rechnet das Reichsjchatzamt auf eine Steigerung der Einnahmen in der Zeit von 1904 bis 1909 für die Zölle von 490,8 aus 611,7, für die Tabaksteuer von 11,8 auf 12,2, für die Zuckersteuer von 105,3 auf 140,9, für die Salzsteuer von 50,3 auf 54,2, für die Maischbottichsteuer von 12,7 auf 13, für die Verbrauchsabgabe von Branntwein von 106.4 auf 106,5, für die Schaumweinsteuer von 4,5 auf 4,9, für die Brausteuer und Uebergangsadgabe von Bier von 29,5 auf 32,6, für die Aversen für Zölle und Verbrauchssteuern von 0,07 auf 0,08, für den Spielkartenstempel von 1,5 auf 1,8, für die Wechselstempelsteuer von 11,4 auf 14,6, für die Statistische Gebühr von 1,05 auf 1,28, für das Auswärtige Amt von 1,04 auf 1,15, für das Reichsamt des Innern von 10 auf 13,25, für die Verwaltung des Reichsheeres von 8,8 auf 10,5, für die Marineverwaltung von 0,58 auf 0,6, für das Münzwesen von 3,6 auf 5,3, für den Reichsanteil am Reingewinn der RcichSbank von 10.6 auf 12,4, für die Banknotensreuer von 0F9 auf 0,53, für die Post- und Telegraphenverwaltung von 480 auf 592,4, für die Reichsdruckerei von 8,3 auf 9,5, die Reichseisenbahnen von 96,3 auf 123,8, für die Ausgleichungsbeträge von 18,09 auf 24,59 Millionen Mark. Die Stempelabgabe für Wertpapiere und Kassengeschäfte wird von der Regierung konstant auf 74.7 Millionen Mark geschätzt. Insgesamt rechnet das Reichsschatz amt auf eine Steigerung der Ausgaben des Reiches von 1904 bis 1909 von 1694,3 auf 1925 Millionen Mark und auf eine Steigerung der Einnahmen in demselben Zeitraum von 1614 auf 1874,4 Millionen Mark. Das Reichsschatzamt berechnet ferner, daß nach der schätzungsweisen Ermittelung der Ausgabe- und Einnahmebeträge zur Deckung fehlen würden im Jahre 1905 80, im Jahre 1906 76, im Jahre 1907 68,6, im Jahre 1908 95,5 und im Jahre 1909 50,5 Millionen Mark. Eine ganze Reihe von Fragen in bezug auf neue Steuern läßt die Denkschrift des Reichsschatzamts uubeantwortet. Sie erklärt aber: „Weitere Mitteilungen bleiben der mündlichen Erörterung Vor behalten." * In Lachen Les deutschen Nationalschatzes für die Ost marken erhalten wir folgende Erklärung: Der vorbereitende Ausschuß des Comitös zur Gründung eines deutschen Nationalschatzes für die Ostmarken hat mit lebhaftem Bedauern Kenntnis genommen von der gegen die von ihm ein geleiteten und vertretenen Bestrebungen zur Selbsthülfe des Deutschtums auf völkischer Grundlage gerichteten Auslassung der „Ostmark", des Organs des Deutschen Ostmarkenvereins, die ohne nähere Kenntnis der Absichten des Comitös erfolgt ist und auf der völlig irrigen Voraussetzung beruht, daß zur Schaffung eines Ostmarken-Nationalschatzes beabsichtigt sei, einen neuen, also gewisser maßen einen zweiten „Deutschen Ostmarkenverein" inS Leben zu rufen. Die Unterzeichneten erklären namens des Nationalschatz- Comitds, daß es diesem durchaus fernliegt, den Bestrebungen des Deutschen Ostmarkenvereins entgegenzuwirken und der Erfüllung seiner Aufgaben irgendwie Abbruch zu tun. Sie sind überzeugt, daß die Art der von ihnen zu schaffenden Organisation so, wie sie beabsichtigt ist, für jeden vorurteilslos Denkenden Bedenken dieser Art gänzlich ausschließen wird. Das ComitS wird, sobald die nötigen Vorbereitungen abgeschlossen sind, den genauen Plan zur Gründung eines deutschen National schatzes für die Ostmarken der Oeffentlichkeit übergeben und auch das deutsche Volk wird sich dann überzeugen, daß der von uns eingeschlagene Weg der einfachste, sicherste und erfolg versprechendste ist, um ohne die geringste Schädigung anderer Orga nisationen das gesteckte Ziel, die Erhaltung und Förderung des Deutschtums in der Ostmark, zu erreichen. — Bromberg, 13. April 1904. Namens des ComitSs zur Gründung eines deutschen National schatzes für die Ostmarken: Em. Gin schel, Chefredakteur der „Ost deutschen Rundschau". Schulze-Nickel, Eisenbahn-Direktions-Präsi- I dent. Köppen, Rechtsanwalt und Notar. Müller, RegierungSrat. I Piehl, Eisenbahn-Sekretär. Teichert, Pfarrer. Freitag, 15. April 1VV4. * Au» den ReichStagSkommiffiourn. Die Kommission des Reichstages zur Beratung des Gesetzentwurfes, be- treffend Errichtung von Kaufmannsgerichten, genehmigte am Donnerstag den Bericht und die von der Redaktionskommission vorgeschlagene Fassung der Be schlüsse. — Die IX Kommission des Reichstages zur Vor- beratung des Entwurfes eines Gesetzes, betreffend Aen - derung des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873, hat sich gebildet und den Abg. Blell zum Vorsitzenden, den Abg. Kirsch zum Stellvertreter des Vorsitzenden gewählt. * Zur Geschäftslage de» preußische« Ut,«rtznete»hause«. Selbst der größte Optimismus in Beurteilung der Arbeit-- kraft des Abgeordnetenhauses wird sich doch schwerlich der Ueberzeugung verschließen, daß der noch vorliegende Arbeits stoff in wenigen Wochen nicht erledigt werden kann, auch nicht die wasserwirtschaftlichen Vorlagen. In den Wandel gängen des Abgeordnetenhauses verlautete gestern da« glaub hafte Gerücht, es werde Mitte Juni eine Vertagung bis zum Herbst eintreten. Während der Zeit dieser Ver tagung würden sich die Kommissionen mit den wasserwirt schaftlichen Vorlagen beschäftigen. Vielleicht findet dieses Gerücht eine baldige authentische Bestätigung. * Des Kaisers Mittclmeersa-rt. Der Kaiser besuchte Donnerstag auf dem Ausflug von SyrakuS aus noch das Fort Euryalos. Zur Abendtafel auf der „Hohenzollern" war Äanderbilt mit Damen geladen. Der Kaiser beabsichtigt, den Aufenthalt in Syrakus um einige Tage zu verlängern. — Im Zusammenhang hiermit seien die etwas sehr abenteuerlichen Vermutungen wiedergegeben, die ein gelegentlicher Korrespon dent des „Gaulois" über die Kaiserfahrt aufgestellt. Er vergleicht die Fahrten der Kaiserjacht „Hohenzollern" mit denen des „Fliegenden Holländers" und versichert, überall im Mittelmeere nenne man jetzt die „Hohenzollern" I-s Vaissvnu k'avtümo (nach der französischen Ueberseyung des „Fliegenden Holländers"). Man erzähle sich die wunderlichsten Geschichten über da- plötzliche Austauchen des eleganten Fahrzeuges, so werde u. a. behauptet, Kaiser Wilhelm lege eS daraus an, zur See mit dem Präsidenten der Republik zusammen zu treffen, der sich i» Neapel zur Heimfahrt auf der „Marseillaise" einfchiffen soll. Werden die beiden Schiffe bloß die üblichen Salutschüsse austauschen oder wird es zu Besuchen kommen? Wird Herr Loubet, der nicht zum Papste geht, sich auf das Schiff des deutschen Kaisers begebe»? Einmal an Bord, wird er den Kaiser nach Paris einladen? Wahr scheinlich sind diese Eventualitäten im ElysSe erörtert worden, und weiß man in Paris mehr darüber alS wir seefahrende Touristen." Es ist nicht angenehm zu lesen, waS der Korrespondent des „Gaulois" von einem „Daraufanlegen" schreibt. — Dem preußischen Abgeordnetenhaus tst der Entwurf eines Gesetzes, betreffend dir Erweiterung und Bervollstän- digung des StaatSeisenbahnnedes und die Beteiligung de- Staates an zwei Privat-Unternehmungen, sowie an dem Bau von Kleinbahnen zugegangen. Für die Herstellung von Eisenbahnen und zur Beschaffung der für diese erforderlichen Betriebsmittel werden insgesamt 146815 000 angefordert. — Der Gesamtvorstand deSBundeS der Industriellen beschäftigte sich in seiner letzten Quartalssitzung mit der Frage der Verteuerung der Krankenkassenbeiträae durch die er höhten Forderungen der Kassenärzte. ES wurde beschlossen, vorläufig keine Stellung zu nehmen, weil erst abzuwarten sei, in welcher Weise die beteiligten Kreise den Streit unter sich zum Aus- trag bringen würden, aber der Angelegenheit ständige Aufmerksam keit zuzuwenden und einen ständigen Referenten zu ernennen. Ferner wurde beschlossen, die Syndikats- und Kohlenfrage erneut auf der nächsten Generalversammlung des Bundes zu behandeln, und wegen Beschädigung von Industriegütern auf der Eisenbahn im Anschluß an einen Erlaß de« preußischen Eisenbahn- Ministers für die Behandlung von Möbelgütern bei den zuständigen Behörden vorstellig zu werden. — Landgerichtspräsident Goeschen, der 1898—1903 der nationalliberalen Fraktion im preußischen Landtage al« hervor ragend tätiges Mitglied angehörte, ist gestorben. Dessau, 14. April. Betreffs der hef fisch- thüringischen Lotterie erklärt Geh. Ober-Re- gierungsrat Laue, es sei begründete Aussicht vorhan den, daß der Etatsansatz von 180 000 auch in diesem Etatsjahre wieder erreicht werde: es sei gelungen, alle 100 000 Lose für die im Mai beginnende Lotterie abzu fetzen. Abg. Or. Cohn bezeichnet es als eines Staates nicht würdig, feine Finanzen von der Lage des Lotterie marktes abhängig zu machen, und bedauert, daß hier und in anderen Staaten versucht werde, den Begriff deS Lotterieinlandes immer mehr auf Kosten des Reichseinheitsgedankens auszubreiten. Red ner bittet die Staatsregierung, im Bundesrate dahin zu wirken, daß eine Reichslotterie geschaffen werde. — In letzter Lesung wird die Aufhebung des Landgestüts beschlossen und damit die Prämien gewährung für private Zuchthengsthaltung. Der Miß- erfolg des staatlichen Gestütwesens wird der Ver walt ungzurLa st gelegt. Man sollte einen tüch- tigen Landwirt an die Spitze stellen, nicht einen Kammerherrn. — Einen breiten Raum nahm die Debatte über das Verhältnis der Regierung zu dem verpachteten „Staatsanzeiger" em: kann mir das nicht denken, finde vielmehr gerade darin den Beweis, daß er zu jemandem sprach, den er nicht fürchtete." „Aha — ich verstehe", fiel der Rechtsanwalt ein. „Sie haben den Genossen Hodsons, den großen Mann mit der dunklen Brille, im Sinn." Merrick lächelte. „Sie halten also diesen Henry Carruthers, der nachmittags da war, identisch mit jenem sogenannten Jack Carrol, in dessen Begleitung Hobson am Abend bei Frau La Grange erschien?" „Jawohl, und ganz mit Recht. Moses hat ja beide gesehen und als eine und dieselbe Person erkannt." „Gewiß, das hat er. wie er sagt, und die äußere Aehn- lichkeit scheint auch groß gewesen zu sein, aber ihr Wesen und Benehmen war durchaus verschieden. Carruthers kam ohne jede Heimlichkeit an und trat vornehm und be stimmt auf, Carrol jedoch scheute offenbar das Licht. Keiner von allen Zeugen hat sein Gesicht beschreiben könnest, weil eben keiner es genau gesehen hatte. Er hielt sich stets im Dunkeln." „Alles, waS Sie sagen, stimmt. Es können zwei ver- schiedene Personen gewesen sein. Wenn das so war und Carrol den Mord beginy, so spricht dies entschieden für meine Annahme, daß die La Grange und Hobson den Plan schmiedeten und er nur das Werkzeug in ihrer Hand gewesen ist." „Nun, man kann darüber denken, wie man will, jeden- falls bin ich mir über die Rolle, die Carrol bei der Sache spielte, durchaus noch nicht klar." „Und dieser Herr Carruthers, wenn er nicht Carrol war, gibt auch zu denken", fügte Whitney bei. „Warum fuhr er plötzlich mit dem Morgenzug nach der Stadt zu rück, da er doch dem Sekretär gesagt hatte, er würde zwei bis drei Tage im Arlington-Hotel bleiben?" „Na, das würde mich nicht gerade so sehr wundern. Da« Sonderbare aber an der Sache ist, daß sich ein Mann seines Aussehens allerdings ein Billett nach New Aork löste, nach Aussage der Zugschaffner jedoch den Zug nach New Bork nickst benützte. Er muß also plötzlich seinen Entschluß geändert baben. Dagegen erfuhr ich vou einem Schaffner des fünf Minuten später nach Norden abgehen, den Zuges, daß, als der Zug sich eben in Bewegung setzte. ein Herr, auf den meine Beschreibung genau paßt, noch schnell angelaufen kam und in den Zug sprang. Der Schaffner sah ihn später mit tief in das Gesicht herab gezogenem Hut in einer Ecke des Rauchwagens sitzen." „Das kann doch nur Carrol gewesen sein!" rief Whit ney lebhaft. „Oder ein anderer", entgegnete der Detektiv trocken. „Ja, mein Lieber, an Problemen fehlt es uns nicht. Lösen Sie doch nur einmal das eine: Sie sind überzeugt, daß Brown den Kasten und den Revolver in den See warf. Ich sage: kann sein, kann nicht sein. Ich frage: wer war der Mann, den Brown kurz vor drei Uhr morgens am See stehen sah? Was machte er da? Browns Be schreibung paßt ebensogut auf Carrol wie auf Carruthers. Welcher von beiden war es? Warf der Mann etwas in den See? Und wenn — was war es?" Whitney wiegte langsam den Kopf. Dann sagte er: „Merrick, alle Achtung vor Ihrem Scharfsinn und Ihrer skrupulösen Tetailarbeit, in eine solche kann ich mich aber nicht einlassen: darin habe ich zu wenig Erfahrung. Ich muß mich von den Hauptpunkten des Falles leiten lassen." „Nun gut, so wollen wir einmal die Hauptpunkte be leuchten. Also, welche Gründe haben Sie, Frau La Grange und Hobson mit dem Morde in Verbindung zu bringen, die nicht ebenso gut auf gewisse andere Leute an- wendbar wären?" „Welchen Grund? Aber Merrick! Haben wir denn nicht jeden Grund, dieses Weib für die Anstifterin deS ganzen Unheiles zu halten? Ist eS nicht seit siebzehn oder achtzehn Jahren ihr einziges Bestreben gewesen, Hugh MainwaringS Vermögen für sich und ihren Sohn zu er langen, weil sie ein Recht darauf zu haben glaubt und —" „Halt!" unterbrach ihn der Detektiv. „Sehen Sie, das ist eben der springende Punkt. Sie glauben an die Schuld der Frau, weil sie, ohne den geringsten rechtlichen Anspruch darauf zu haben, durchaus Erbin werden wollte. Haben Sie denn aber niemals daran gedacht, daß es auch noch andere Menschen geben kann, deren Interesse an dem Tode des reichen Mannes ein viel größeres war, weil sie rechtmäßige Erben sind?" „Das ist mir allerdings noch nicht in den Sinn ge kommen", erwiderte der Rechtsanwalt erstaunt. „Aus verschiedenen zuverlässigen Quellen habe ich er fahren", fuhr der Detektiv fort, „daß Ralph Mainwaring einen jüngeren Bruder, Harold, besitzt, der auch das Geld sehr liebt, aber kein Geschäftsmann, sondern ein indolen- ter, nur seinen Passionen lebender, grundsatzloser Mensch ist, der sein Vermögen durchgebracht hat. Gleich seinem Bruder soll auch er schon lange nach der fetten amerika nischen Erbschaft gespäht haben. Gestern wurde mir ge- kabelt, daß er seit der Abreise seines Bruders verschwun den ist. Seine Klubgenossen in London nahmen an, daß er mit dem nächsten Amerikadanipfer abgefahren ist, um seine eigenen Erbansprüche geltend zu machen." „Und Sie denken", fiel der Anwalt fast atemlos ein, „daß —" Ter Detektiv schüttelte den Kopf und sprach weiter: „Ich bin bei meinen Nachforschungen auch hinter das Geheimnis Hugh MainwaringS gekommen, auf Grund dessen Hobson feine Erpressungen verübte, und habe dabei entdeckt, daß er die Hauptsache gar nicht kennt. Da Sie ein intimer Freund Mainwarings waren, enthalte ich mich näherer Mitteilungen darüber. So viel aber möchte ich Ihnen sagen: Es existieren, wahr- scheinlich gar nicht weit von hier, Erben, deren Ansprüche nicht nur der Familie Ralph Mainwaring voranstehen, sondern auch seinerzeit dem Erbrechte Hugh Main warings vorangestanden haben." Der Rechtsanwalt starrte den Detektiv an, als wenn e-c sich erst besinnen mühte, ob er richtig gehört hätte. Endlich die Sprache wiederfindend, sagte er: „Merrick, ich kenne Sie nur als einen überlegenden, wahrheitsliebenden Mann, der niemals Behauptungen aufstellt, die er nicht zu beweisen vermag, und ich muß Ihnen also Glauben schenken, lieber Ihre hiermit ver- bundenen Folgerungen werden Sie sich vermutlich jetzt noch nicht näher äußern wollen, eine Frage indessen werden Sie mir vielleicht beantworten: Glauben Sie, daß dieser Harold Mainwaring oder jene anderen mög- lickien Erben, die Sie erwähnten, persönlich erscheinen oder ihre Ansprüche durch Anwälte vertreten lassen werden?" „Das läßt sich augenblicklich noch gar nicht absehen. Vorläufig müssen Sie sich mit dem Winke über die mög lichen Streitfragen begnügen, die der Fall noch bringen kann. Zwei Hinweise indessen will ich Ihnen noch für Ihre weiteren Erwägungen geben: Glauben Sie ja nicht, daß Hobson sich für Frau La Grange in irgendwelche Gefahr stürzen wird. Erstens arbeitet er immer nur für sich und erst in zweiter Linie für den, der ihn am besten bezahlt. Und dann: Achten Sie den Privatsekretär nicht für zu gering. Meiner Meinung nach wird er Ihnen und Ihren Klienten eine Nuß zu knacken geben, an der Sie sich alle miteinander die Zähne ausbeißen werden. Haben Sie nie eine Aehnlichkeit in seinem Gesicht entdeckt?" „Sie nehmen mir die Frage vom Munde weg. Das- selbe wollte ich Sie fragen. Schon seit einiger Zeit ist mir in seinem Gesicht eine Aehnlichkeit mit irgend jeman dem ausgefallen, ich konnte aber nicht dahinter kommen mit wem. Endlich heute bei Tische wurde es mir klar. Es ist Hugh Mainwaring, dem er ähnelt. Sollte er am Ende gar ein Sohn von ihm sein, von dem niemand etwas ahnt?" „Was? — Hugh Mainwaring ähnlich?" „Nun. ist eS denn nicht das, worauf Sie mich auf merksam machen wollten?" „Nein. Wie hätte ich dazu kommen sollen? Sie ver gessen, daß ich Hugh Mainwaring lebend nie gesehen habe." „Sapperment, ja, das ist wahr! Wen meinen Sie denn?" In diesem Augenblick hörte man den Kutscher die Treppe heraufkommen. Der Detektiv antwortete daher nur kurz: „Wenn Sie von dem Ausdruck absehen, haben Sis Zug für Zug das Gesicht von Frau La Grange!" (Fortsetzung folgt.)
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