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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 09.05.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-05-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19010509027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1901050902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1901050902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1901
- Monat1901-05
- Tag1901-05-09
- Monat1901-05
- Jahr1901
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Lies«» Blatt wird de» Lesern von Dresden «ü» Umgebung am Tage vorher bereit» al» Serug5gedilbr: Abend-Ausgabe ^ ,«k. ««^r Nach «, ntchrt«» «W»ch «»,«»«; die «e»it»rr t» Drrtda, ,»d drr -ichsm, wo die Zrttmauna durch riaene Bolnc oder-ommtitionür» »rtolol. ochaltm da« Blatt an Wochnitaaai. die nicht aut Soun- oder Keirrtaoe tolaen. m t»e» Lwtlanraade» Aden»« und Mor,en« tuaeltrllt. Für «ückaadc «tnaelandler SchrM- stütle tewe «cchindlichtei l N»r»tvr«cha»tchl»k: »«t I «r. u Ww «r. rosa. Lelegramm-Adrette: «»chrschte» Lre«de». zugcstcllt, während es die Post-Abouneuteu am Morgen rn einer GejammtauSgabe erhalten. -suresgen-cack. Heg^LrrrSeL 18SV Verlag von Kiepfrh L Uetrtzardt Die Sn»ad«» von «Endioun,« «totst in der k«iU>t«etchLt>rttrIIe int den Nebenannadmettellea in Dertden bis Nachmittag« L llbr Tonn mit fteiertaas nur Marientirake os von ii biL'/,lllt>r. Die liraUisetzlninS »eile ?ca. « Silben) Ä> Pt». An timdiaunaen aut der Lrivalieile Seile « Pia die Livaltiae Zeile al-, .tiuigciLndl' oder aut Terven: so Pt,. In Nummern nach 2t»w und !>e>e> tauen I de». rwollia» ÄruudMen so, »o dev « und « Pt», uach dclouderem Tarif. Tudwartiae Auttrüae nur aegeu PorauslieMilunL. Delegdläller werden mtl 12 Pta» bercchnel- Aokltvkonant 8r. blaj. «I. äoutaoks» Lalaers. ^VsIt-.VaLstoUmix kttris 1900 <Sr»i»ck I*rlx (dSeüst« ^iiLroicluuuiL). Lmpüstüt: ^8ol»eimi«ki«er Siodevreo. A. »elicllek, »Merk. 8oüM>i. Fabrik üüuster lnbLdsr vsrsotü«!. z-oläsnsr d^LÄiI IsVÄUkklk» irt>8tiA„v«8en u. ItasQ^ Verksnlsnliilorlaes: Ü!'ö8Ü6!I'ü. lelopdc»»: -mt I, Ko. 688. Fabrik-UH Ll^rks. LivMtrLff. am 13. ckuni 1731- 1«lvpd«nr ^mt l. Ko. 683. Knssknuctzer, Korkriokor. siEvaLrenlai-i-iLam. Nr. 128. Äielikl: lRenestc Drahtbeiichte. Hofnachrichten. Landesiimode, Landeskirche, Militärgericht. Der gute Richter. Mariendorter Blutthat. Donnerstag, Y.MailWI. Neueste Dralitmeldnniien vom 8. Mai. Donaueschingcn. Der Kaiser begab sich gestern Abend und heute früh zur Anerlinhiijagd nach Rtistelbrnnn »nd Herzoginbrunn. Berlin. tPriv.-Tcl.) Das Stnatsmin > sterium trat beute Mittag unter dem Vorsitz des («rasen v. Biilom >m illeichs- sanzlerpalais zu einer Sitzung zusammen, in welcher dic Einführung der neuen Minister erfolgt. — Der Unlerslaatslekretcir Lehnerl aus dem Finanzministerium bat ans dringenden Wunsch des FinanzministerS Freiberr» v. Rheinbaben davon Abstand ge nommen. sei» Abschiedsgesuch einznrcicbe». wie er es wegen seiner erschütterten Gesundbeit beabsichtigt batte. Dagegen bat Minisierial direktor Grandke auS dem Finanzminisierinm nni seinen Abschied gebeten. — Auf der morgenden Tagesordnung des B nnde s raths siebt der Nachtragsetat des Anksicblsamtcs für private Venicherungen. die Novelle zum Gesetze über das Flaggenrecbk der Kanssarteischiffc und zuni Gesetze über dir kaiserlichen Schntztrnvven in den ostafrikanischen Stbutzgcbietrn. die Vorlage über den Bei tritt des Reiches zu den Vereinbarungen znm Schutze des gewerb lichen Eigenthuins und über den Bezug von llnsallrenten durch die Hinterbliebenen eines Ausländers in auslcindisthcii Giein- bezirken. Mittbcilnngen über Beschlüsse des Reichstags und Beim oncn. — In der B nd g et k o m m I i s i o » des Reichstags wurde heute die Beratbung der vom Abg Grnieu Klinckowström be antragten Resotution. welche die Kommiffion bereits vor Ostern beschäftigt hatte, fortgesetzt. Die Resolution ist nachträglich von, Antragsteller wie folgt sormnlirt worden ..De» Herrn Reichs kanzler zu ersuchen, oaß innerhalb der reichsverfcisstlngsmäßigcn Kompetenz bei Abschluß von Haiidelsverträge» ober bei Abschluß von Tarifverträgen der Bundesstaaten Bestimmungen über Eisen bahntarife, bei denen ausländische Produkte ans deutschen Bahnen günstiger gestellt sind als inländische, nur dann ausgenommen oder zugelassen werden, wenn sie ausschließlich für den Durchgangs verkehr bestimmt sind. Ausnahmen von borstcbenden Bestimm ungen sind zulässig bei Produkten des Bergbaues, ferner bei solchen Bodenprodukten, welche im Deutschen Reiche nicht erzeugt werde», endlich bei solchen Halbfabrikaten, welche in industriellen Betrieben erforderlich sind. Weimar. Die amtliche „Weimnrischc Ztg." schreibt: Die von verschiedenen Zeitungen gebrachte Nachricht, daß vorausiicht- licb am 15. Mai in Weimar Kvnfercnzeir der Minister lämmtlicher thüringischer Staaten wegen eines gemeinsamen Vorgehens zur Abstellung der durch die Steigerung der Matrikularbeiträge in den Staatsbudgets der Bundesstaaten entstandenen finanziellen Schwierigkeiten stattsinden würden, entbehrt der Begründung. Bamberg. Die Prinzessin Ru pp recht ist heute früh von einem kräftrgen Prinzen entbunden worden Bamberg. Heute früh stießen bei Wenneid in Unler- sranken zwei Güterzüge zusammen. Zwei Balmbcdicnstcte wurden leicht verletzt. Beide Maschinen und ln Wagen wurden beschädigt. Das Gleis ist vorläufig gesperrt. Homburg Heute früh hat entsprechend dein gestern Abend gefaßten Beschlüsse der A u s st and der Kupferschmiede be gönnen. Der Betrieb der Wersten geht indessen vorläufig »och unbehindert weiter. Es ist keine merlbare Einwirkung des AnS- standes auf den Gesammtbetrieb der Wersten zu konstatiren. da die Kupferschmiede nur einen kleinen Thcii der Werftarbeiter bilden. Kiel. In dem Prozeß der Cladt K i c l gegen den preußi schen Fiskus beschloß das Landgericht Kiel, den Beweis darüber z» erheben, in welchem Sinne die Worte der Urkunden von 1331. I3k«0 und 1461. in denen derSladt dieRccbte aus de» Haien per lieben werden, ausznfassen sind ; insbesondere soll darüber daS Gutachten von Sachverständigen eingeholt werden, ob das Wort ..Dominium" in der BerlcihiingSurkunde der Stadt ausschließlich das Recht auf den Hasen verleibt. Das Landgericht hat das Objekt des Prozesses aus ca. 5 Millionen Mark festgesetzt. Kiel. Das russische Panzerschiff..Herzog von Edinburgh", das mehrere Tage auf der hiesigen Rhede gelegen hat. ist »ach Kronstadt in See gegangen Graz. Ter großindustrielle Bwuereibesitzer Peter Rcining Hans ist im Alter von 83 wahren gestorben; sein Vermögen wird ans 30 Millionen Kronen geschätzt. Klageiisurt. Taö hiesige Garnisvngericht vernrtheilte den Korporal Bodi vom 6. Husaren Regiment, welcher einen Sol daten derart mißhandelt halte, daß der Tod eintrat, zu l>/s Jahren schweren Kerkers und Degradation. Rom. Ter Ort Mvntelibretti in den Sabinerbergcn ist seit einigen Tagen von einem schweren Erdbeben heimgemcht worden. Das Erdbeben wurde von starken! unterirdischen Grollen beniestet. Man befürchtet, daß die Erdscnknngen die Ortschaft völlig zerstören werden und sich ein Kratersee bildet. Tie Be wohner kampire» seil einigen Tagen im Freien. Zürich. Die Zahl der streitende» Gotthardtbahn- a rbeiter beträgt bereits gegen 400. Falls Heizer und Mecha niker in Göschenen. wie sw bereits beschlossen, ebenfalls die Arbeit einstellen. dürften ernstliche Schwierigkeiten nicht ansbleiben. Madrid. Der Ausstand der Straßenbahn- bediensteten in Madrid ist beendet. Barcelona. Der Ausstand der Straßenbahn- b ed i en st e t en nimmt einen größeren Umsang an. In Folge Eingreifens von Anarchisten in die Bewegung kam eS zu einer Reibe von Zwischenfällen, wobei die Kavallerie der Bürgergarde wiederholt einichreiten mußte. Unter der Bevölkerung herrscht große Unruhe. — Die Anhänger der c a ta l oni i ch en B ew eg u n g hielten eine Versammlung ab. in der die Regierung angegriffen und gegen die Einheit Spaniens protestirt wurde. Das Amtsblatt veröffentlicht einen im gestrigen Ministerrath gefaßten Beschluß, durch den die konstitutionellen Garantien für Barcelona aufgehoben werden. London. Die „Times" berichten aus Buenos Avres i Der Finanzniinliter habe MOOO Lstr.. den ganzen für den Dienst der auswärtigen Schuld am 1. Juli erforderlichen Betrag, remittirt und die argentinische Gelandtlchatt in London telegraphisch beanskragk. den betreffenden Banken die zur vollständigen Bestreit ung des Ziniendienstes der verschiedenen Anleihen erforderlichen Beträge zur Verfügung zu stellen. London. Reuters Bureau meldet ans Peking vom 7. d. M.: Die Gesandten haben beschlossen, heute eine gemein same Note an China zu richten, in der sie mitthcilcn, daß der Gcsammlbetrag der Entschädig ungsfordernngen ans 4M Millionen Taöls (1 Taöl --- 4 Mk) festgesetzt worden sei. und um Mittheiliwa ersuchen, in welcher Meise China die Zahlung zn leisten gedenke. K o n sl a n t i n o v el. Die Botschafter der betheiligten Mächte haben an die Pforte Noten gerichtet, in welchen sie gegen die an den Postsendungen verübten Gewaltakte energisch vrotestircn. die Psvrte von nun an für alle aus derlei Gewaltakten ent springende Schälen verantwortlich machen und sich weitere Schritte Vorbehalten. Die «tote, in welcher die Pforte die Auf hebung der fremden Postämter verlangt, wurde nicht beantwortet. Biele von den durch die türkische Postvcrwaltnng vertheilten Briefen der SonntagSvost waren geöffnet und eine große 'Anzahl der an türkische Adressen gerichteten Briete beschlagnahmt worden Die Vertheilung. die in größter Unordnung vor sich geht, ist noch nicht beendet. Es heißt, daß die türkischen Postvenvultungen in dcn Provinz gleichfalls Auftrag erhalten haben, die bei den fremden Postämtern cinlauscnden und von diesen obgehenden Postsendungen zurückzuhalten Es werden Zwangsmaßregcln für den Fall gevlaii!. daß für die Verletzung der Rechte der fremden Postämter nicht in Bälde zufriedenstellende Genngkhnung geboten wird. Losia. Ter llnterrichtsminister Batichow ist plötzlich gestorben. Ter frühere Minister Grekow ist rchwer erkrankt Yokohama Es gewinnt der Eindruck an Boden, daß Moronis Jtv ei» Ministerium unter Ausschluß des zetzigea FinanzministerS Watanabe bilden werde. OertlicheS und Sächsisches. Dresden, 8. Mai. — * Ihre Majestäten der Konia und die Königin be- l suchte» heute Mittag von bald 12 Uhr an die Internationale ! Knnstansstellnng: halb 2 Uhr erschien Ihre König!. Hobest iPrinzelii n Nt athilde, eine halbe Stunde später auch Se. König!. Hoheit Prinz Georg. — Prinzessin Adolf von S ch w a r z b »r g - R ud o l st a d t besuchte das Atelier des Hosvhotographen W. Hostert behufs Au> nähme einiger Porträts. — ° LandeSsvnvd e. Die heutige 10. öffentliche Sitzung gab in zweiter Beratlning a» erster Stelle dem Kirchenoefetz bc treffend die den Abgeordneten zur Svnode zu gewährende Aus tösnng debattclos ihre Zustimmung und trat darauf in die Debatte über Abschnitt 2 und 3 des Berichts über den Zustand der evangclifch-lntheriichen Landeskirche im Königreich Sachsen am die Jahre 1896 bis 1900 ein, welche von Gottesdienst und Seel sorge und der Bethätignng dcS kirchlichen Sinnes in der Gemeinde handeln. Es bctheiligten sich an der Aussprache ungefähr 40 Red ner. zum Theil wiederholt, die zu den verschiedenen Punkten de- Berichtes thcils eine Reihe von Wünschen zum Ausdruck brachten theils ergänzende oder erklärende Mittheilungen u. s. w. machten — Bericht über den Zustand der evangelisch - luthe riichen Landeskirchc aus die Jahre 1896—1900. (8. Fort setzung.) Das Beginbnißweien ist in nickt wenigen Ge ineinden neu geregelt worden. Meist sind die Begräbnrßklasien vermindert und die Feierlichkeiten etwa? eingeschränkt worden. Die Frage der Stellung der Kirche zur Feuerbestattung ist in den verflossenen Jahren wieder vielfach erörtert worden. Zunächn hatte das LnndcSkonsistorium wiederholt vor die Frage sich gestakst gesunden, ob Gefäße mit den Ueberresten durch Feuer bestattet, ! i Leichen aur Gottesäckern Aufnahme finden könnten. Nach Per nehmnng mit dem Ministerium des Innern, sowie nach Gehör des , ständigen Ansichiiffcs der Landesstmode soll nicht weiter vermehr' ! weiden, daß Gcräßc mit den lleberresten durch Feuer bestatteter j Leichen aus Gottesäckern unter die Erde gebracht werden, wenn e- . ohne jede Feierlichkeit und unauffällig, auch ohne nachmalige ! äußere Kennzeichnung der Unterbririgungsstätte als einer solchen. - die ein Aichengesüß berge, geschieht Es sind aber die Kirchen j inipeklionen angewiesen worden, die Bewilligung nicht ohne vor i gängige Zustimmung des Kirchenvorstandes zu ertheilen. In der ! Presse wie in kirchlichen Versammlungen ist aus Anlaß bestimmter ! Vorkommnisse darüber verhandelt worden, ob das geistliche Am' ! zn ermächtigen ici. bei der Trauerieier für ein der Feuerbestattung ziizmnhrendcs Gemeindeglicd sich zu bethciligen. Bis zctzt ist den Geistlichen dieie Bethcilignng untersagt Es mehren sich jedoch die Stimmen, welche im Interesse der Seelsorge an den Hinter lnsscncn ein anderes Verfahren emviehlcn. — Bezüglich de> KottesdiensteS und der Seelsorge in den Heil- und Pfleg . den Straf- und Korrekt io ns und den Erz ich u n ge Knust „ltd Wissenschaft. ck* In der morgen. Donnerstag, stattsindendcn Aufführung der »Meistersinger von Nürnberg" wird Frau Gisela Staubig! die Partie der Magdalene als erste Rolle ihres auf Engagement abzielcnden Gastspiels singen -c* Das als Nachschlagewerk allen Dresdner Theaterfreunden unentbehrlich gewordene Buch »Das Dresdner Hoitheatcr der Gegenwart", dessen erste zwei Bande von Dr. Adolvh Kohut, bezw. Ernst Roeder bearbeitet worden sind, erscheint im Herbst dieses Jahres in E. Viecson's Verlag, Dresden m neuer vollständiger Ausgabe, hcrausgegebeu von Bvdo Wildberg. Auch der vor zwei Jahren mit io großem Bestall aulgenomniene ..Dresdner Tbeater-Almauach" wird demnächst in dem gleichen Verlag in einer neuen Ausgabe erscheinen. Der gute Richter. Seit einigen Jahren erhallen die französischen Blatter in un regelmäßigen Zeitabständen von dem Echo eines Namens, dem nicht einmal dre akustischen Borthcile dcS Pariser Straßenpslasters zu Gute' kommen. ES ist dies Richter Magnaud. der schlichte Präsident eines kleinen Gerichtshofes zu Chüteau-Thierrv Ic, bau jußo. „der gute Richter", wie ihn Anatvlc France in einer gcistsprühenden und tiefsinnigen Plauderei benannte WaS bat nun Präsident Magnaud aetban, um eine stetig wachsende Povu- larität, die begeisterte Anerkennung der Einen, den heftigen Widerspruch der 'Anderen, kurz: jenes Aussehen zu erregen, das in Len modemen Großstädten allenfalls der Wirksamkeit eines An geklagten. aber kaum se der eines Richters zn Theil zn werden Pflegt? Er hat einfach, unbekümmert sowohl um den tobenden Beifallssturm gewisser Anhänger, die rinn vergeblich schon zum dritten Male em Mandat für die Depntirtenkammer angcboten haben, als auch um die überschänmcndcn Wulhausbrnche der Gegner, welche ihm schnöde Reklamestickt vorwarsen, sich damit begnügt, eine Reihe von menschlichen, milden und mitleidsvollen UrtkeilSsvmchen zu fällen, welche der landläusigcn Geriwtsvraris zuwiderkaufen, wenngleich sie in ihrer formalen juristischen Be gründung das stane und scholastische Gewand der französischen Gerichtsprozedur beibehaktcn. Eingcklcidet in die üblichen Formeln deS „atteaäu qas" und ..cm vertu qus". die sonst nur trockene Paragraphcncitate einleiten, nehmen sich die philosophischen und psychologischen Wahrheiten, mit denen Magnaud seine Urtheile begründet, allerdings wie eine recht sonderbare und verwegene Gesellschaft aus. Diese Urtheile sind übrigens soeben mit einem ausführlichen Kommentar von H. Lepret unter dem Titel ..I-es zneewsuts cla präsiävnt Llszrnsuä" (Stock, Paris 1901) erschienen, unv es wäre dem vortrefflichen Werke auch eine baldige deutsche Uebersrkung zu wünschen. Wir wollen uns hier ans ein einziges Beispiel der Maanaud- schen Rechtsprechung beschränken» weiches drei Jahre zurückdatirt. Um diese Zeit stand vor dem Gerichtshof von Ehäteau Thierrn als Angeklagte eine gewisse Louise Menard. nnverhcirathet und Mutter eines kleinen KindeS. volizeilich unbescholten, ohne eigenes Verschulden arbeitslos, überiührt und geständig, ans dem Laden eines Bäckers einen Laib Bnst gestohlen zn haben. Diese Frau war mit ibrem Kinde 36 Stunden hindurch ohne Nahrung ge blieben. Es hätte sich wobl kaum ein Gerichtshof gefunden, der ihr nicht die äußersten mildernden Umstände und die in Frankreich statthafte Rechtswohlthat des erst durch einen Wiederhälungsfall bedingten Strasvollznges (Uw Uäri aevr, gewäbrt hätte. Aber Magnaud legte Werth darauf, sic vallständig sreizuivrechen, weil sic nach seiner Ansicht auch im Wiederholungsfälle unter den gleichen Bedingungen keine Strafe verdienen würde. Und er sprach sie in seinem denkwürdigen Urtheil vollstänig frei, sttcwän gim „es sehr bedauernswerth ist, daß in unserer Gesellschaft ein menschliches Individuum, zumal wenn es für eine Nachkommenschaft zn sorgen hat, ohne eigenes Verschulden an der nothdürftigstcn Nahrung Mangel leiden kann; da der auälende Hunger im Stande ist, einem Menschen jedwede Willensbcsttmmung zn rauben , da eine sonst strafbare Handlung ihren gemeingefährlichen Charakter verliert, wenn das betreffende Individuum durch so übermächtige und gewaltthätige Umstände zu ihr hin- gedrängt wurde; da dieser gemeingefährliche Charakter völlig ver wischt wird, wenn zu den oben erwähnicn Motiven noch die Qual hinzutntt, welche eine Mutter bei dem Anblick ihres hungernden Kindes erleiden muß. u. i. w." — Aus all' diesen Gründen sprach Magnaud die Angeklagte, die sich in einem .unwiderstehlichen Zwangsznslcind" (Art. 64 des fraiizösiscben Strafgesetzbuches- bc sunden habe, vollkommen frei. Die Staatsanwaltschaft erhob Einiprch ; in der Presse wurde leidenschaftliche Für- und Widerrede laut, der Oberste Gerichtshof, vor dem der gewesene Minister präsident Goblet als Anwalt der Louise Menard anstrat, sprach die .Diebin" frei, ohne sich jedoch den Rechtsgründen der ersten Jnstaii; anznschließen. Präsident Magnaud mußte als unabsetz barer Richter in seiner Stellung belassen werden und wirkt bis deute in Chckeau-Thieriy fort. Er hat in dieser Zeit eine ganze Reihe von Freisprechungen, aber auch von Verurtheilungcn gefällt, welche dem juristischen Ohr. wenigstens für den ersten Moment, nicht minder verblüffend erklangen. Er hat geständige Kindes- mörderinncn mit dem Minimum und grausame Eltern, die ihre Kinder mißhandelten, mit dem Maximum des Strafmaßes bedacht; er hat Bettler frcrgesprochen und Verführer verurtheilt, und zwar jedesmal unter ausführlicher Analyse des individuellen Falles und unter ungewohnter, aber eigentlich gar nicht gezwungener Heran ziehung der bestehenden Gesetze. Er hat auf diese Weise zu zeigen versucht, daß in den bestehenden Gesetzesvaragrapben nicht noth- wendig blos die Dinge stecken, die gemeiniglich aus ihnen herans- genommen werden. Ein großer Theil seiner Aussprüche wurde aller dings vom Knsiationshof aufgehoben. Anntale France, der geistreiche „Historiker des zeitgenössischen Frankreich" (seine neueren Werke sichren den Sammeltitel „üistoirs oontemporsino") und wohl der tiefsinnigste französische Schristsiellec der Gegenwart, ist nun letztbin mit der Damascenertlingc seimi ebenso geschmeidigen wie scharfen und graziösen Plandcrknnsl im den vielfach angegriffenen Präsidenten 'Magnaud in die Sclnanten getreten. In einer Perlenschnur köstlicher Erzählungen schildert er die Tragikomödie der gegenwärtigen Rechtsprechung, die ein Größerer als er. Leo Tolstoi, zn mächtigen tragischen 'Akkorden erklingen ließ. Die »»bewußte Zengenabrichtnng durch den eifrigen und gewissenhaften Untersuchungsrichter, die alte Telignentin. dic in Verzweiflung geräih. als man ihr die „Freilassung" mittheil!, der Richter Bonrriche. welcher es sich zum Grnnd'atz gemacht ha!, einem nummcririen Schutzmann mehr zu glauben als hnndrik „iinnnmmeritte»" Zeugen, der angebliche Verbrecher der 'eine imaginäre Eristenz einer unichnldigen Nothlügc verdank! und d u nach kurzer Zeit Jedermann im Städtchen geiehcn zn haben de. hauptct — das sind die erschreckend wahren und furchtbaren Zeugen, welche Anatolc France in seinen anscheinend harmlosen Plaudereien gegen daä „Recht zu richten" in's Feld führt. Tic richterliche Tbätigkeii ist im Verlaine der Jabibunderic zu einem nüchternen, all;» nüchternen Geschält geworden, wo Bei brechen- und Straskonto sorgfältig gebucht werden und der Untenchied zwischen Schuld und Umchuld nicht selten nur »och durch ein verschieden ansgeiertigtes Amtssornuilar erkenntlich wird. Im Allgemeinen können im Staatsdienst nicht lauter ungewöhnliche Menschen Vcr Wendung finden, und cs ist auch gar nickt cinznsehen. warum nickt jeder durchschnittliche Mensch von gesunden fünf Sinnen, normalem Verstände und einiger Sachlenntniß den Postdicnst oder irgend ein anderes Verwciltungsamt vcr'chen kömile. Gilt aber dasselbe auch von deni Richteramt. das in die Hand eines Menschen einen inrchtbaren und zuweilen bestimmenden Einfluß aus die Schicksale Anderer legt und doch eigentlich bei seiner Ausübung die schwie rigste und seltenste aller Künste: die tiesc Menschenkenntnis: — als selvstversländlich voranssetzt ? Reicht e-S aus. wenn die Richter be. aller sittlichen Reinheit und Strenge tonst eben doch nur gewöhn lichc Maischen sind und sich nach bestem Wissen nnd Gewissen bc mnhen, das Gesetz ebemo „unparteiisch" und theilnahmslos .an zuwenden", wie etwa ein Postbeamter einen Brief abstemvcb ^ Sind außer der juristischen Sachkenntniß und der persönlichen Ehrenhaftigkeit nicht noch ganz andere Eigenschaften nothwendia. um menschliche Schickia'c ebensowie Briese stempeln und besiegeln zn dürfen? Kommt der moderne Richter nicht häufig in die Lage, über Menschen zu urtheile», deren Seelenleben ihm — wenn er eben selbst nur ein gewöhnlicher Mensch und Menschenkenner ist — aus der Beschränktheit seiner sozialen Sphäre heraus ganz unver ständlich bleiben muß? Liegt nicht in seiner Bcrufsthätigkeit, die so selten eine Probe aut das Exempcl gestattet, eine furchtbare Gefahr, sich selbst für unfehlbar zu halten? Ist endlich dic GesaR nicht bei dem sozialen Chirurgen in noch viel höherem Grade al bet seinen medizinischen Kollegen vorhanden, daß er in deik schablonenhaften täglichen Ausübung seines Amtes das Bewußt» sein verliert, in's lebende Menschensieisch zu schneiden?
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