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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-01
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192508012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19250801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19250801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1925
- Monat1925-08
- Tag1925-08-01
- Monat1925-08
- Jahr1925
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 01.08.1925
- Autor
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Neu!« schleppen müssen, größer als der ganze Kerl."- Denn!! Lao sind Bengel» von 18—18 Jahren, und da» beste daran! fist nur, daß man ihnen kein Denkmal setzen braucht, denn, ffie.bauen kich selbst au«, wenn auck nicht in Marmor Das mondSne Rom. Bon Lurt Bauer. eiuem Eisenbahnwagen zweiter Klasse auf der Strecke Zwischen Verona und Bologna fragte mich ein deutscher Hand- lungsreisender, ob ich in Rom Bescheid wüßte. Natürlich filauülc ich, es gälte dem Vatikan, dem Forum oder einer svnsltgrn Eigenheit der ewigen Stadt. Um so erstaunter war ich, als er diese Auskunft von mir verlangte: „Wo kann man in Rom Foxtrott tanzen?" So etwas war mir vorher noch iiicht passiert, und es war mir doch von wissensdurstigen Fremden schon genug passiert. Es war mir vorgekommen, daß jemand z. B. in der Peterskirche von mir wissen wollte, wie man am nächsten zum heiligen Vater gelangen könnte, oder das: mich ein anderer ans dem Kapitol nach dem Ver bleib der kapitolinischen Gänse fragte. Aber zum Foxtrott- Lanzen war noch niemand yach Rom gekommen. Und ich befand mich in größter Verlegenheit um eine passende Ant wort. Ich suchte in meiner Erinnerung. Je mehr ich mir die Sache überlegte, desto weniger unsinnig erschien mir die Frage meines Reisegefährten. Die alte Ruinen- und Mu- seumsfiadt mit ihrem in Jahrtausenden ergrauten Weltgeiste versank in die Ferne, und vor mir tauchte daS moderne Rom ans. dies internationale Stelldichein aller Nationen mit sei nem ncrvenanfpcitschenden Hasten und Jagen, seinen frcnde- heischenden Lebcnsimpulscn und seinem Aufwand an tradi tioneller Pracht und moderner Eleganz. > Freilich, was die Berliner Nachtleben nennen, gibt öS in Rom nicht. Tie klimatischen Verhältnisse zwingen den Süd länder, früh schlafen zu gehen und verhältnismäßig früh auf- z'usiehcv. Der Fremde paßt sich diesen Gewohnheiten im allgemeinen an. So ist eS z. B. schwer, ein Restaurant zu finden, in dem man nach Ulir abends noch Speisen verab reicht erhält. BiS in die späte Nacht hinein ziehen sich eigent lich nur die Theatervorstellungen. Trotzdem hat sich das mondäne Leben auch in Rom neuerdings seine Stätten ge schaffen und dehnt seine Veranstaltungen ost weit bis nach Mitternacht aus. Vcraeblich zwar würde der Lebemann die Att-rschwcifungen deS Berliner oder Pariser Nachtlebens suchen. DaS Gewicht liegt hier mehr auf Eleganz und An- mut^ Und weil der Römer den Tanz seit altersher liebt, gleichzeitig aber auch auf neueste Mode hält, so haben Fox trott Xnd Shimmn die alten Nationaltänzc abgelöst und sind jetzt bei allen derartigen Festlichkeiten an der Tagesordnung. Die erste Rolle im mondänen Leben RomS spielt — cs urgg recht grotesk erscheinen — der Monte Pincio. Der Rei sende kennt diesen besuchtesten der Hügel Roms nur von sei ner Abendandacht angesichts der PetcrSknppel her. Er weiß aus dem Bädcker, daß sich dort um Sonnenuntergang die vornehme Welt der ewigen Stadt, vom Principe bis zum Kardinal in ihren Autos und Eguivagen zusammcnfindet, um das erhabene Panorama, dessen Gipfelpunkt am Horizonte die gewaltige Pctcrskuppel bildet, in Augenschein zu nehmen. ÄüSgerechuct an dieser geweihten Stelle hat sich das mon dänste Tanzlvkal RomS hingebant, dessen Räume noch an läßlich des Heiligen Jahres in neuer Pracht umgestaltet und erweitert wurden. Am Tage sieht dieser Pavillon aus wie Er erhob sich und trat in den Hellen Lichtkreis, den die Lampe warf. Ein Lächeln stand auf seinem Gesicht. Ein frohes, überzeugtes. Er wünschte herzhaft eine »Gut- Nacht" und ging. Er wartete daheim einen vollen Tag und noch einen, war am Ende des zweiten doch von Unruhe erfüllt und sah ost über die Heide, ob nicht einer vom Birkenhof käme. In der auf den zweiten Tag folgenden Nacht schlief er nicht. Mitten in der Nacht stand er auf, ging nach dem Schulzimmer hinüber, nahm die Geige von der Wand und begann ein wunderlich verworrenes Spiel, aus dem es wie Angst und Sorge und Warten klang. Ein yaar spät vom Kruge heimwärtstorkelnde Lüttorper blieben unter den Fenstern des Schulhauses stehen und lachten. Am nächsten Tage hieß es von Jürgen Sievern: „Der Schulmeister ist verrückt geworden; er hat den Fleder mäusen und Nachtschwalben zum Tanz aufgespielt." Gegen den Abend hin kam einer. Er brachte noch viel, was zu Bedenken geneigt war, und er redete manches, was ihm die Unentschlossenheit auf die Zunge legte. Aber Jürgen Sievern sah unter allem schwerfälligen, abwägenden Zaudern wie unter einer Tünche das im Grunde vorhandene starke Empfinden: Wenn'« dem Jungen zum Besten gereicht, so wollen wir's nicht zum Gegenteil bringen. Und er war frohen Sinnes voll und hatte der outen, starken Worte gar viel, die am Ende auch Thom M'sens Seele frei machten, daß er beim Abschied sagte: Ma sei es denn, Herr Sievern, der Heinz soll ein Must kante werden." L „Ein Sichtiger, feiner," lachte Iuraen Sievern und Müg Thom «orfen herzhaft aus die Schütter, „einer, von Wi die Leute, sagen sollen: der versteht'-! Der kann'»! K' soll sie lachen und weinen machen mit feinem Spiel. Mrfsn, mir lst's, als hättet Ihr mir die Welt und alles, Küs darum ist, geschenkt. Geht heim und sagt dem Heinz: Är Schulmei ter von Lüttorp lacht." K' - 'L- _ — — — — — — — — D>Äie beiden letzten Tage vor dem Scheiden von der WA l Sie waren wie in Hast gekommen. Ts hatte sich aWLwie in treibender Eile aneinandergefügt. .:-/- llnd wenn nun die Sonne noch zweimal hinter der fMen Hügelkette hinabgesunken war, gleichsam in maßloser SchMheit sterbend, dann würde sie Heinz Larsen lange, länge dort nicht oerpammen sehen. .'- Lange, lang« di« und da» nicht sehen, hören, emp finden, was die Heid« bot! Das war der Kehrreim, des keiner Seels s«i1 Wochen «in Zittern gab. Das kam täg» lich, stündlich wieder, wi« ein« im Ohr liegende weha Melodie, von der »an nicht loskommt, weil man deq Text vergessen hat «md sich vergeblich bemüht, ihn zu finden. Und je näher der Lag de» Scheiden» kam, desto gewisser und häufig«» stellt«» sich diese ihn beunruhigenden Gedanken bei ihm «in. Jmmrr deutlicher und gewisses empfand er: Ich hänge mit allen Fasern meines Seiner an dem Stück Erde, das ich verlassen muß. _ - Und daneb«n wußte er ein heimliches Freuen in sich« in Erwartung der bunten, fernen Fremde und im Träumeq von Jeiner Zukunft goldenem, blanken Garten. j - Was von beiden überwog, was ihn stärker packte,! vermochte er nicht zu entscheiden. Der Widerstreit der ihm bewegenden Gefühle, Stimmungen machte ihn unruhig und trieb ihn zu änsamen Wanderungen »der die z» «stlem Leben erwachende Heide. > > War es vielleicht das, was den Abschied so schwer machte, daß er die Stätten feiner Jugend gerade jetzt beim Beginn einer neuen Leben-rperiode verlassen mußte?. Die Märztage waren ko. still und beiter, so m^rm uvd «in harmlose» Spetsehaus, von besten Terrasie man einen er. habenen Blick über die Stabt genießt. De» Abend» jedoch füllen sich seine prächtigen Säle mit allein, wa» Rom gerade an eleganter Lebewclt in sich birgt. Da fischt sich der feurige Italiener die blonde Miß »um Tanze. Eine leichte schwei gende Konversation in allen Sprachen dnrchrauscht die Wände, und wo eben noch Andacht herrschte, tönen die -länge de» schwülen Foxtrott durch die Nacht. Sie'klingen besonders weithin im Sommer. Dann steht man ein freies, durch Ver zäunung abgeschlossenes Plätzchen aus dem Pincio von bun ten Lampions erleuchtet, und die Teilnehmer haben den sel tenen Genuß, sich im Anblick der PeterSkuppel im Shimmn zu wiegen. Ich weiß nicht, ob Papst Pius lX. diese Anlagen der Oesfentlichkeit überlasten haben würde, wenn er etwas Derartiges voransgeahnt hätte. Man muß schon auf daS Altertum zurückgchen, als Messalina vier ihre wilden Orgien abhielt, um den Foxtrott an dieser Stelle einigermaßen zu rechtfertigen. So hoch wie in diesem Jahre ging eS dort übrigens nie zuvor her. Da war zunächst das Einweihungs fest, dann aber im Frühling das Roscnfest. Große römische Geschäftshäuser hatten sich daran beteiligt. Selten war eine so verschwenderische Blnmcnfttllc gesehen worben. Alle Teil nehmer, namentlich die Damen, wurden geradezu mit Rosen überschüttet. Die Elite der römischen eleganten Welt jedoch trifft sich zu den Daneing-tcaS in dem Luxushotel „Excelsior". Es sind die Vertreter der römischen Aristokratie, vermischt mit der internationalen Diplomatie. Sie finden an den winter liche» Nachmittagen statt. Wer schöne vornehme Frauen be wundern will, sucht zu diesen recht kostspieligen Veranstaltun gen Zutritt zu erhalten. Man findet hier die verschiedensten Typen nebeneinander, von der römischen Priucipessa bis zur türkischen Haremsschünlieit oder zur reichen Amerikanerin, die dabei ihren blendendsten Edelstcinschmuck zur Schau trägt. Auch andere Luxushotels, vor allem das Hotel de Russic, veranstalten gelegentlich Dancing-teas. Sic sind nicht ganz so vornehm, aber dafür auch bedeutend billiger. Ihren Gipfel punkt pflege» die in Rom so beliebten Kostümfeste zu bilden, zu denen besonders die Karnevalszeit reichen Anlaß bietet. Vergeblich wird man indessen in Rom das suchen, was man so gewöhnlich unter zweideutigen Lokalitäten versteht. Nur ein einziges Unternehmen gibt cs, daS „Variete Marg herita", in dem sich Pariser Schmutz breit zu machen wußte. Hier allerdings kann man tatsächlich Vorführungen finden, die den Aufenthalt in höchstem Maße widerwärtig erscheinen lassen. Der Italiener geht eigentlich auch nicht dorthin, um sich zu amüsieren, sondern um „eS gesehen zu haben", wie er einen solchen Besuch sophistisch zu entschuldigen pflegt. AlS richtiges Nachtlokal, wohl das einzige Roms, gilt nur die sog. „Bonbonniörc". Aber selbst hier gibt es nicht viel Süß holz zu naschen, und der deutsche Schieber vermag, bei seiner Pnlle Sekt sitzend, nur ziemlich enttäuscht einem recht dezen ten Tanze zu folgen. Außer dieser eigens der eleganten Lebewelt dienenden Lokalitäten besitzt Rom noch ein Restaurant, bas durch seine Originalität einen guten Teil der internationalen Eleganz anlockt. Ursprünglich mar es eine einfache Trattoria mit Weinbetrieb, in der die deutsche Kolonie sich an be stimmten Tagen zu versammeln gewohnt mar. Als aber nach dem Kriege das mondäne Leben von Paris auf Rom Übergriff, verwandelte sie sich schnell in das eleganteste Re staurant im Innern der Stadt. Ich meine das Basilica Nlpia. Man befindet sich hier auf den Grundmauern des alten Forum Trasanum und eS ist nichts geringeres gut. Immer schwebte eine fruchtbare Weiche in der Luft, ! daß man den Pulsschlag des neuen Werden» zu spüren I glaubte. Hatte die Heidelerche schon je so innig gesungen, denn Heuer? Und das Ginstergesträuch trieb so freudig seine feinen, grünen Spltzchen, und die Wacholderbüsche stanoen so ernst, so maßlos ernst, so dunkel und düster und boten sich dennoch wie gute, liebe Freunde den Gruß, hatten das graziöse, feine Wiegen und Verbeugen, wenn die weichen Wellen der Märzlust mit innigem Berühren an ihnen vorüberschwebten. Ja, oie Heide war arm und karg und ernst, und doch reich und froh. Sie gab unendlich viel dem, der es ver stand, sich von ihren Reizen beglücken zu lassen. Gegen den herbduftiges Atmen mit sich führenden Märzsturm ankämpfend, oer aus Südwest blies und mit Hellen Tönen aus frischer Kehle eine Frühlingsgeschichte um die andere erzählte, schritt Heinz über die weite, graue Ebene dahin, auf Lüttorp zu. Er wollte Herrn Sievern Lebewohl sagen. Morgen mit dem frühesten würde er sich auf den Weg nach Hamburg machen. Es war ein eigenes Wandern im Frühlingssturm der sinkenden Sonne nach. Blauschwarze Schwaden geballten Gewölks zogen in Hast auf, wurden zerstreut und verjagt. Immer von Zeit zu Zeit gab es einen Durchblick auf die flammende Abendröte, die wie ein Brand am Horizont stand. Dann blieb das sagende Heer der Wolken plötz lich aus, und nun leuchtete Ler Abendhimmel in allen FarbentSnen und gab der Heide eine Beleuchtung, daß es schien, als blühe sie. Ein rosenroter Schimmer spann sich über die Ebene. Das starke Brausen schlief ein, und nur noch ein leises Wehen, das wie das Atmen eines Schlummernden war, machte die Lust fast unmerkbar er beben. Heinz blieb stehen und empfand: das Land deiner Jugend grüßt dich zum Abschied, es gibt dir etwas, das dir unvergeßlich sein soll, mit in die Fremde. Oder auch: Sieh, so schön bin ich: Und du willst mich verlassen? Bleib vei mir! Und wenn du doch gehsi> so wirst du dich nach meiner Schönheit krank sehnen. Denn nicht» aus der Welt ist schöner denn ich, deine Heidel Das Herz des Jünglings tat erregten, schnellen Schlag. Es fuhr ihm wie unsinnig gegen die Wandung seines Leibes. Und sein Wem ging hastend über die Lippen. Wohin rissen ihn diese Sekunden? Töteten sie das andere in ihm mit dem urplötzlichen Schlage klarer Erkenntnis: Du kannst nicht los, du mußt bleiben? Ach nein! Hinweg und hinan! Jürgen Sievems Stimme glaubte er hinter sich zu vernehmen: „Der Kunst wegen muß man alles opfern können, sonst wird man kein Künsüeri" Und da lächelte Heinz Larsen, und im mählichen Ver blassen der Sonnenröte schritt er weiter. Im Abend grau schon kam er nach Lüttorp. Jürgen Sievern sagte bet seinem Eintritt: „Ich wußte es, daß du noch einmal kommen würdest, und er wartete Lich. Setz' dich dorthin, wo noch Licht ist, ich muß dir noch manches sagen." Und er begann eine lang same Wanderung durch den Raum. Die Hände hatte er auf den Rücken gelegt und den Kopf trug er gesenkt. So war es feine Art, wenn er in der Schule über etwas ihn stark Interessierendes sprach. Heinz kannte da« an ihm. Er schob sich gewisser zurecht und wartete gespannt. Nach einer Weile begann Jürgen Stevern: „Denn du nun morgen kortgehst, so ist das geradeso, als wenn ein Schiffer aus das Meer steuert, so ungewiß für die Fahrt und di« Erreichung des Ziels. Der Schiffer hat schon seinen Kompaß, und die Wonbüna seines Schiffes ist tzst. al» die antike Avst» oer Basilika de» ttlvio. »i» man 'n einen modernen Siestcmration»betrieb umaewandelt Hai. Sie ist in zwei Etagen «inaestellt worben, deren obere das Re staurant einnimmt, während sich in der unteren, noch aus dem antiken Originalfußboden eine Var eingenistci hat. Ran sitzt hier auf niedrigen, mit värenselle» bekleidete» Bänken und Stühlen. Ferner sollen in antike Terrakotta- lcimpchen eingesetzte elektrisch« Birne» und sonstige Bruch stücke der Vergangenheit dem Besuch« da» Gefühl ver leiben, bei Ulpia zu Gatte zu sein. Tatsächlich geht «» dabei hoch her. Damen und Herren in aulgewähliettrr Abend- iollctie sitzen beim luculltschen Mahle. Wieder sieht man vier die verschtedenbftrn Nationen in buntem Durcheinander, sogar ägyptische Frauen im Scbleierschmuckr. Daneben wir ken dann allerdings die reisenden Engländerinnen und Deutschen, die irgend eine Neugierde oder gar der Zufall hereinführie, ziemlich deplaciert. Da» hindert aber nicht den die Musikkapelle leitenden Troubadour, sich auch zu ihnen zu setzen und ihnen ein ueavolitcmiicheS Liebeslied mit Guitarrebegleitnng vorzntragen — natürlich gegen klingende Münze. Gewiß daS moderne Rom bat heute auch oem mondänen Großstadtleben seine Stätten cingeräumt. Aber sie treten doch noch nicht genug in den Vordergrund de» Geiamtein- drncks, um die gewaltigen Erinnerungen der einstigen Welt stadt übertönen zu können. Allerlei Humor. . Die neueste Mode. „Also Sie können mir versichern, daß Sa» der letzte Stil ist?" fragt die Dame die Verkäuferin beim Kleiderlaus. „AVer gewiß. Gnädigste, die allerletzte Neuheit." „Und ist die Farbe auch echt?" „Davon können Sie überzeugt sein. Wir haben das Stück drei Monate im Fenster gehabt." Lenbachs Vergnügen. Zu Lenbach kam einmal ein sehr reicher Berliner Bankier, um sich zu erkundigen, wieviel er für sein Porträt verlangen würde. Der Meister sah sich den Auftraggeber an und forderte eine Riesensumme. Entsetzt rief der Herr: „Aber das ist ja ein ungeheuerer Preis! Kürzlich habe ich ein von ihnen gemaltes Bild BiSmarcks für die Hälfte gekauft." Darauf erwiderte Lenbach ruhig: „DaS kann schon fein. Aber den Fürsten Bismarck zu malen, war für — Vergnügen." Er braucht eS. „Ihr Sekretär ist Ihnen mit 20M Mark durchgcgangen, höre ich. Haben Sic denn keine Anstalten gemacht, daS Geld wiederznbekommen?" „Ach nein, brr arme Kerl braucht es. Meine Tochter ist mit ihm." Das Erinnerungszeichen. „Der Sturm kam mit un geheurer Gewalt", erzählte das Opfer des Tornado seinem Freunde. „Im Nn war bas HauS in alle Winde zerstreut. Ich weiß nicht, wie ich dem Unheil entging. Ich . . ." „Ach, da fällt mir etwas ein", unterbricht ihn der Freund plötzlich. „Ich habe ja heute noch gar nicht an meine Frau geschrieben." Gut gemeint. „Der Salat schmeckt ja scheußlich", sagt der jungverheiratete Ehemann. „Hast Du ihn denn ge waschen?" „Aber gewiß", antwortet das Frauchen gekränkt, „und sogar mit parfümierter Seife." Wohnungsnot. „Warum heiratet Ihr denn nicht?' „Wir bekommen keine Wohnung." „Könnt Ihr denn nichs bei Euren Schwiegereltern wobnen?" „Nein, die wohne: schon bei ihren Schwiegereltern." Kompaß" kann ihm ebensogut zum Teufel gehen. Nun merke auf, mein Sohn! Horst du gut zu?" > „Ich hör« alle-, Herr Sievern," erklärte Heinz mit er stickter, benommener Stimme und sah seinem Lehrer ge, wiffer in da» feierliche Gesicht. _ . „Behalte es auch. Die Nadel deine« Kompasse«, da ist deine Fähigkeit wesst auf ein einziges Wort. Sag« es mir!" „.Kunst', Herr Sievern." , . „ „Recht. Und auf den Gipfel mußt du rauf, «erde also nicht müde, laß die Radel nicht ausschlagen und auf Laschheit, Trägheit, Gleichgültigkeit zeigen. Denn dann steuerst du vorbei und gerätst auf da» seichte Watten, meer, das alle Stümper befahren. Es wär« eine Schande, wenn du dahin dich verirrtest. Willst du das?" „Nein, ich will den rechten Kurs innehalten.* „Das ist dein« verdammte Pflicht und Schuldigte^ mein lieber Steuermann und Matrose. Hoiho l Setze alle Segel auf und halte dein Steuer mit beiden Fausten. Wetter: Dein Kahn muß feste Planken haben. Hat er auch. Denn ich halte dich für einen charakterfesten jungen Mann. Aber ich sprach von Stürmen vorhin. Siehst du, di« kommen dir ganz sicher, so sicher wie die Nacht auf den Tag jetzt kommt. In solcher großen Stadt bläst der Sturm an allen Ecken. Da verfolgt dich auf Schritt und Tritt die Versuchung in allen Schattierungen. Gib iHv überall «inen Fußtritt und kehre ihr dann den Rücken zu. Bleib dir in allen Lebenslagen treu. Dann hast du dein« gute Segelbrise, die sich steif in die Segel setzt. Und end lich noch eins. Paß' gut auf: fange keine Liebschaft an." Der Redende schwieg und blieb vor Heinz stehen und legte ihm die Hand auf die Schulter. Sah ihm ganz fest in die Augen und fuhr fort: „Du wirst rot, mein Sohn l Hast du etwa schon eine Liebschaft? Heinz beteuerte da» Gegenteil. „Ich glaube es schon. Aber die Gefahr ist groß. Du bist in dem Alter, wo dich jede Weiberschürze Feuer sangen lassen kann. Und sowa» zersplittert di« Kräfte eines Menschen, der ein Streber sein soll. Streber dürfen ^ich mir Liebesgeschichten nicht abgeben, sonst werden ihnen J§rge»g Sievern nahm seine Wanderung wieder auf, schritt versonnener denn vorhin, ging gebeugter und schob oie Augenbrauen hart aneinander. Al» er sprach, war in seiner Stimme ein wunderliches Gemisch von Erregung und Trotz mit einem leisen Beiklang von Weh. „Ich kann dir oa eine kleine Geschichte erzählen von einem, der das an sich erfahren hat. Ich erzähle fls nur dir, hörst du? Andere geht das nicht» an. Du weißt also, was du zu tun hast. Jener eine war so in deinem Atter und hatte dasselbe vor wie du. Hohe Ziele hatte er sich ge steckt. Was wollte er nicht alles I Und am Ende ist rein gar nichts aus ihm geworden. Lächerlich, nicht wahr? Nun ja, es ist allerdings lächerlich, wenngleich es besser wäre, darüber zu weinen. Schuld an dem kläglichen Ausgang trug nicht nur das .Talentchen'. Vergaffte sich da der junge Mann von neunzehneinhalb in eine Sänge rin, die seinen Jahren ungefähr gleich kam, ihm aber an Begabung bei weitem überlegen war. Ein bildschönes Weib, Jungk Der junge Mann war rein behext. Er flanierte mehr auf den Straßen umher, als gut war. Die Geige verstaubte reinweg. Der Herr verbummelte. Schließ lich fand er Gelegenheit, sich der Sängerin zu nähern und ihr sein Fahlen zu offenbaren. Ra, und was meinst du? Mitleidig, hoheitsvoll, spöttisch — wi« man will — lächelte sie und sagte dann: „Mein 0,der, junger Herr" — das ^junger" unterstrich für fingerdick — „ich bezieh« eine MouawMe vop taufend Das koaner. Sie mir
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