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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-08-10
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192508103
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19250810
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19250810
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1925
- Monat1925-08
- Tag1925-08-10
- Monat1925-08
- Jahr1925
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 10.08.1925
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184. L. veile»« znm VIesaer Laacklatk. Montag, 10. August 10?S, uvrnvs. 78. Jayrg. M zmmiiiiimiie rnsie m WM» MemW M IkMlM. ob». Zu den viele« Probleme« de, internationalen Polittk arbvrt, soweit Deutichlanb von ihnen berithrt wird, nicht zuletzt da» de» Anschluss«» de» »och verbliebenen Heinen Oesterreich» an da» deutsche Mutterland. Die inter nationale Prell« dekchllfttstt sich auch »it birsem Problem. Kn Anstland mehren sich die «nkchlnstsrenndliche« Stimme«, viel bemerkt wird «in Leitartikel von I. St. Leo Strachev» in der angesehenen konservativen Wochenschrift «The Svec- tator". Der Versals«» unterstreicht, baß durch den Eintritt Oesterreich» in die deutsch« Republik da» -den Friedens freunden Europa» bedenkliche preuhische Junkertum ein entscheidende» Gegengewicht erhalten würbe". Wenn man von den Aeuherunaen gegen da» preubtsche Junkertum ab steht, dann geht noch immer au» den Ausführungen de» eng-' lischen Blatte» hervor, bah gerabe jene AuSlandSkreise, die in der Uederlieserung de» prruhischen Konservatismus eine Gefahr für den Weltfrieden erblicken, keine Ursache baden, im Namen de» Weltfrieden» gegen -en Anschluß Oester reich» an Deutschland ,u protestieren. Gtrachey sagt: „Ein Etnschlutz Oesterreichs in da» Deutsche Reich würde, da« können wir al» sicher annehmen, der Sache de» Friedens in Europa nur zustatten kommen." — Der Pariser „Mattn" unterzog den neu ernannten österreichischen Gesandten in Berlin, Dr. Frank, einem Interview über den Anschluß. Dr. Frank sagte u. a.: „Gewiß ist da» Oesterreich des Ver trage» von St. Germain von keiner unmittelbaren wirt schaftlichen Katastrophe bedroht. Wenn «S aber in seiner gegenwärtigen politischen Struktur verbleiben müßte, ist es unweigerlich dem langsamen moralischen und wirtschaftlichen Untergang geweiht. Der Lebensstandard der Oesterreichcr ist in ständigem Sinken begriffen, und Oesterreich wird ein Bettlerstaat werben und dem übrigen Europa, das selbst verarmt ist, zur Last fallen. Die einzige Hilfe gegen einen solchen Verfall ist der Anschluß an eine größere politische und wirtschaftliche Einheit. Deutschland ist schon seiner Lage nach am besten dazu geeignet." -- Der „Matin", der überhaupt der starken Anschlußbewegung in Oesterreich volle Beachtung schenkt, betont, daß auch die österreichischen Sozialdemokraten in ihrer Gesamtheit Anschlußfreunde sind und tröstet Nch schließlich mit folgender Behauptung: „Die einzige Partei, die gegenwärtig noch gegen den Anschluß ist, ist die chrtstlich-soziale de« Dr. Seipel. Sie allein ist die Verteidigerin eines autonomen und unabhängigen Oester reichs. Sei« sie am Ruder ist, versucht sie durch den Wieder aufbau Oesterreich» den Gegnern vor Augen ,u führen, daß der Staat lebensfähig sei." — Demgegenüber kann man die Aeußerung eines der Charakterköpfe der christlich-sozialen Fraktion betrachten, die brS Prälaten Hauser, der in einer Begrüßungsansprache sagte: „Ich hoste auch zuversichtlich, daß unser kleiner Freistaat nicht all zu lange mehr so schwach und klein und allein bleiben werde: im Gegenteil hoffe ich zu Gott, daß auch wir bald den rettenden Hafen, -en Anschluß an unser großes deutsches Brudervolk in die ser ober jener gangbaren Weise finden werden." — Die schwedische Presse, voran die grobe Stockholmer Tageszei tung „SvenSka Dagbladct" tritt scharf und unzweideutig für jHi' A^s-hlr-ß Oesterreichs an Deutschland ein GeriMssiml. Es« politischer Beleidigungsprozcß. Die Gegensätze Mischen christlicher und weltlicher Schule, die seit der Re volution besonders scharf in Erscheinung getreten sind, und die de» öfteren auch zu heftigen politischen Kämpfen nicht nur innerhalb der Schulgemeinden geführt, kamen am Sonnabend in einer größeren Verhandlung vor dem Schöf fengericht Dresden zur Verhandlung. Am 23. März d. I. hatte die sogenannte weltliche Richtung der 38. Dresdner Volksschule zu einer DiSkuisionsversammlung einaeladen, bezw. eine solche veranstaltet, die aber nicht zu Ende ge ¬ führt werden konnte, und die dann am 2V. Mai ihre Fort setzung gesunden. Zu der letztgenannten Versammlung waren insbesondere die christlichen Kreise und vornehmlich deren Leitung und Führung «ingeladen. Da» Hauptreferat hielt der Lehrer Genosse Marx, der die angeblichen Vor teile der weltlichen Schule in allen Farben und nach jeder Richtung hin schilderte. Als Vertreter der christlichen Richtung hatte man dem bekannten Pfarrer Schulze von der FriedenSkirche zunächst eine halbe Stunde lang bas Wort erteilt, «vorauf daun eine allgemeine Debatte einsctzte, in deren verlause mindestens ein Dutzend Personen jeweils 5 Minuten lang gesprochen haben und zwar immer abwech selnd je ein Vertreter der weltlichen oder christlichen Rich tungen. ES ging in jener Versammlung zeitweise sehr lebhaft zu, die Ansichteu kamen scharf zur Debatte, die Ge müter platzten heftig aufeinander. Für zwei dieser Ver sammlungsbesucher und Debattercdner sollte diese Diskus sionsversammlung aber ein gerichtliches Nachspiel haben. ES waren dies ein Prokurist Schamlott und ein gewisser Richter. Diese beiden Vertreter der christlichen Schule sollen in jener Versammlung die Lehrerschaft ganz allge mein beleidigt und dabet mit ausgeführt haben, dir Kinder lernten nichts mehr in der weltlichen Schule. So soll Richter, von Beruf Hutmacher, geäußert haben, die Lehrer seien Revolutionsgewinnler, sie hätte«« im Jahre allein ein viertel Jahr Ferien usw. Wegen dieser und ähnlicher Aeußerungen von weltlicher Lehrerseite bezw. von der Geg nerschaft zur Anzeige gebracht, hatte das Schulamt Straf antrag gestellt und die Staatsanwaltschaft Dresden in öffentlichen« Interesse ein Verfahre«« eingeleitet. Diese vorgenannte Angelegenheit bildete de«« Gegenstand der Verhandlung. Beide Beschuldigte bestritten nachdrücklich, datz sic sich strafbar gemacht haben, sic verwahrten sich da gegen, den Lehrerstand als solchen beleidigt zu haben. Prokurist Schamlott will das weltliche System beleuchtet und an deren Erfolge» oder vielmehr Mißerfolgen Kritik geübt haben. Es sei Angeklagtem garnicht möglich gewesen, sich anders auszudrücken als wie geschehen. Ter zweite Angeklagte Richter betonte, er habe das Wort „Nevolu- tionsgcwinnler" keinesfalls gebraucht, auch ihm habe jede Beleidigungsabsicht gefehlt. Als erster Zeuge wurde Ober lehrer Gruner lDissidentj gehört, der den weltlichen Eid leistete, und zunächst eine Gesamtdarstellung der Versamm lung gab. Ter Zeuge belastete die beiden Angeklagten ganz allgemein, Schamlott soll aushetzend, Richter herausfordernd gesprochen haben, der letztere hätte auch einen höhnischen Gcsichtsausdruck gehabt und die Lehrer als die größten Revolutionsgewinnler bezeichnet, die erregten Bersamm- lungsbesucher bet dieser Gelegenheit auch gefragt, ob sic auch ei«« Vierteljahr Ferien haben. Auf Vorhalte des Vor sitzenden erklärte Zeuge aber, es seien von der« Angeklagten Schimpfworte nicht gefallen. Pfarrer Schulze als zweiter Zeuge sührte aus, Schamlott habe sachlich und nicht so scharf und erregt gesprochen wie die Gegner über die christliche Schule und deren Anhänger geredet. Richter habe nach seiner Meinung und zwar aus der Erregung heraus etwas über das Ziel geschossen, er sei nicht der redegewandte Mann, der seine Worte abzuwägen versteht. Zeuge will dann im Schlußwort die gemachten Aussührungen etwas eingerenkt haben. Das Gericht verzichtete hierauf auf die Vernehmung der anderen geladener« Zeugen. Staatsanwalt Dr. Große forderte die Bestrafung, die Angeklagten hätten versucht, ihre in der Versammlung getanen Ausführungen abzuschwächen, der Lehrerstand sei ganz allgemein ohne sach liche Grundlage beleidigt worben. Ter Verteidiger trat den Ausführungen des Anklagevertreters entgegen, eS herrsche heute ein System der Snstemlosigkeit, die Leistun gen in der Schule seien zurückgegangen, man brauche da nur die Denkschrift der Staatsregierung nachzuprüfen, deren Feststellungen noch darüber Hinausgehen, was man de«« Angeschuldigten zur Last lege und als Beleidigung an sehe. Die Ausführungen seien in Wahrnehmung berechtig ter Interessen getan worden, beim Zeugen Gruner muß ein Irrtum vorliegen, es sei die Gesamtheit zu betrachten, eine Beleidigungsabsicht kann nicht als sestgestellt angesehen werben. Das Gericht erkannte aus Frettprechang der An geklagten. In der Begründung führt« AmtSgertchtSrat Dr. Glafcy auö, die AuSiagen de» Zeugen Gruner erschiene» dem Gericht durchaus glaubhaft, sie waren der Urteilsfin dung zugrunde zi« legen. Die Ausführungen der Angeklag ten erfolgen in Wahrnehmung berechtigter Interessen, bei Schamlott gingen sie tn keiner Weise über die sachliche Form hinaus, der Inhalt seiner Worte war zweifellos kränkend aber straflos. Es war für ihn schwer, sich ander» auszudrücken wie geschehen. Bei Richter steht fest, baß er den Ausdruck NevolutionSgewinnler gebraucht hat, c» fei nicht erwiesen, daß er sich absichtlich im Ausdruck vergriffen, deshalb waren beide Angeklagte mangels ausreichenden Beweises einer Formalbeleidigung freizusprechen, die ent- stanbcnen Kosten der Staatskasse aufzuerlegcn. K—g. Landgericht. Die vierte Ferienitrafkammer des Dres dener Landgerichts unter Vorsitz deü LandgerichtsrateS Dr Krug verhandelte alö zuständige Berufungsinstanz an zwc Sitzungstagen in der Strafsache gegen den Schriftsteller unk Syndikus Georg Müller wegen Freiheitsberaubung. Ist- dieser Angelegenheit sand arn 7. April ein Termin vor dem Amtsgericht statt, der mit der Verurteilung dcS Angeklag ten zu vierzehn Tagen Gefängnis geendet halte Aus den Berichten war zu entnehmen, daß Angeklagter einen Ge richtsvollzieher Seidel in seiner Wohnung eingesperrt hatte Gegen dieses llrteil war sowohl vom Angeklagten wie auch von der Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt worden In breitester Form kam die Angelegenheit nochmals zur Erörterung. Am ersten VcrhandlungSrage bekam Ange klagter gegen 3 llhr nachmutagS plötzlich einen Tobsucht anfall, er schrie mehrfach nach Gift und mußte schließlich der Gefangenansralt wieder zugcführt, der Termin selbst abge brochen und auf Sonnabend vertagt werden. Anläßlich deK Tobsuchtsansalles hatte aber auch des Angeklagten Ehefrau einer« Ohnmachlsaufall erlitten. Nach auderweiter vielstün diger Verhandlung wurde Generaloverarzt a. T. Reuneckc als ärztlicher Sachverständiger gehört, er knüpfte an da» bereits vor einiger Zeit erstattete Gutachten deS Professors Tr. Reiß, des Leiters der Tresdner Heil- und Pslegeanstolt an, der Angeklagten als geistig gemindert zurechnungsfähig bezeichnete und dabei ausgesührl, er habe einen hypomani scheu Charakter. Dr. Bennecke führte aus, die Manie sei eine Gemütskrankheit, hier schlage der Paragraph 51 ein. Ter Angeklagte lei ein Mensch von hypomanischen Charak ter, sein starker Affekt sei nur äußerlich, innerlich liege aber keine Bewußtseinsstörung vor. Tie außerordentlich geltet, gerte Phantasietätigkeit lasse sich besonders daran erkenne», daß Angeklagter leicht aus dem hundertsten inS tausendste komme. Obwohl Müller ein Asfektmensch ist, so liegt ein Strafausschließungsgrund nicht vor, infolge seiner geistigen geminderten Zurechnungsfähigkeit sei er aber milder zu be urteilen. Der Anklagevertreter beantragte Erhöhung der Strafe auf einen Monat Gefängnis, Müller bat in reichlich zweistündigen SchlußauSführungen um Freisprechung bezw. um eine Geldstrafe und Zubilligung einer Bewährungsfrist. Tas Gericht verwarf die Berufung der Staatsanwaltschaft, hob daS Urteil der Borinsranz aus und verurteilt Ange klagten wegen Freiheitsberaubung zu zweihundert Mark Geldstrafe hilssweise zu zehn Tagen Gefängnis. Die Zu billigung einer Bewährungsfrist wurde abgelehnr und t» der Begründung deS Urteils betont, daß der SchulbbeweiS in vollem Umfange wie in der Vorinstanz a!S erbracht an gesehen worden ist, daß aber für diese bereits so lange Zeii zurück liegende Tat in erster Linie auf eine Geldstrafe zuge kommen sei. Spritschieber oor Gericht. Vor dem Groben Schöffen gericht in Halle «Saale! hatten sich die Svritschieber Rutsch!« und Genoßen zu verantworten. Rutschke hatte in den Jah ren 1923 24 mit Hilfe seiner Mitangeklagten und deS in! Ausland geflüchteten BankbirektorS Reich vom Monopol amt Sprit zum Verkauf inS Ausland bezogen, ihn aber im Jnlande weiterverkauft, wodurch er den FiSkuS bei jedem Liter um 3.80 Mark schädigte. Ferner haben die Angeklag ten die Zollbehörde gerauscht. DaS Gericht verurteilt« Rutschke zu 1)s Jahren Gefängnis, 598 848 Mark Geldstrafe Der Geiger vom Birkenhof. Ei», Heideroman von Fritz Gantzer 10. Forltetzung Nachdruck verboten. Bernd Helmers trat bedachtsam hinzu, nachdem er die Sinnende lange heimlich betrachtet. In stiller Bewunde rung. Das war ein Bild für sein Malerauge: das junge Mädchen auf dem Stein, umrahmt von dem purpur-vio letten Tuche zu ihren Füßen, überschüttet von rotgoldenen, lohenden Strahlenbündeln der sinkenden Sonne. Ein Märchen, das er als Knabe besonders gern gelesen, wurde in ihm lebendig: „Die Heideprinzessin." „Heideprinzessin l" sagte er leise, als er dicht hinter Sabine stand. „O Gott!" In heißem Erschrecken wandte sie sich zurück und starrte Bernd Helmers entsetzt an. Ja, so hatte er sich ihr Gesicht gedacht: tiefgründige dunkle Augen, einen weichen Mund, eine klare Stirn, Und das Kinn eine gewisse Härte verratend. Sie hatte sich in Hast erhoben. Der anfänglichen Furcht machte eine verlegene Scheu Platz, die sie Bernd nur noch liebreizender erscheinen ließ. Er lächelte sie an. „Da liegt man unter einem allen, schwarzen Wacholderbusch, verträumt die Zeit und weiß nicht, daß kaum zehn Schritte entfernt die Heideprinzessin ihr schönes Reich hütet." Wieder gebrauchte er da« ihm vorhin plötzlich in den Sinn gekommene Wort. Sabines klare Stirn bewölkte sich. »Ich bin keine Prinzessin," sagte sie schroff. »Für mich doch," beharrte er lächelnd, „und wenn Sie mich auch noch so böse ansehen. Uebrigens kleidet Sie das zornige Gesicht gar nicht." Er beobachtete mit stillem Vergnügen, wie e» sich noch mehr verfinsterte, und daß sie gewillt schien, sich zu ent fernen. „Das wäre," lenkte er nun ein, „seit langen Stunden der erste Mensch, dem ich in dieser glücklichen Einsamkeit begegne. Und der wollte «nir nun kurzerhand davon laufen? Gibt es nicht! Also nicht die Heideprinzesfin! Gut. Aber was dann?" Sabine zauderte. Was berechtigte diesen Fremden, derartige Fragen zu stellen? Aber als sie dann in seine freundlichen, Hellen Augen sah, die sie so treuherzig an blickten, schwand ihr Mißfallen. »Ein Bauernmädchen vom Dirkenhof." „Darf man auch den Namen wissen?" „Oh, schon ja. «Sabine Larsen'? „Vas klingt hübsch: Sabine Larsen. Das ist über haupt ein Name, der mir gefällt: Sabine. Den mag ich gern. Und ich heiße Helmers, Bernd Helmer«. Und da ich nun einmal von mir spreche: Zurzeit obdachlos. Ein durch die Welt Fahrender. Hungrig und etwas müde. Würden Sie mir sagen, wo ich eine Herberge zur Nacht finde? Nicht_mel» zu wett und billig. i Sehen Sie, dort drüben. Eine „Von dort kam ich. Und das Zurückwandern liebe ich „Dann müssen Sie nach Lüttorp gehen. In einer guten Stunde sind Sie da." „Lüttorp, so? Und Sie? Ich meine, wohin gehen Sie?" „Ich gehe nach Hause." „Nach dem Birkenhof. So sagten Sie ja wohl?" Eie nickte zustimmend und sah ihn erwartungsvoll an. Er stand zaudernd. Etwas gar Heimliches, ein stilles Verlangen regte sich in ihm. Schade, daß dies reizvolle Zusammentreffen so bald wieder vorüber sein sollte. „Da müßten wir uns also dann wohl Lebewohl sagen?" „Ein Stück könnten wir noch Zusammengehen, wenn Sie wollten. Der Weg nach Lüttorp führt in der Nähe des Birkenhofes vorüber." „Aber natürlich will ich," freute er sich. „Solch eine schöne Retsegenossin hat man nicht alle Tage. Dies Glück darf man sich nicht entgehen lassen." Im raschen, frischen Schreiten gingen sie selbander. Taktmäßig setzten sie die Füße. „Das läuft sich nett, zu zweien," meinte Helmers. „Es gefällt mir, einen Weg genoß zur Seite zu haben." Ein lustiges Lächeln zuckte um seine Lippen: „Wenn Sie Ihr Schatz nun so neben mir sähe! Der würde schön eifersüchtig sein." Sabine krauste die Stirn. Etwas Unangenehmes, Peinigendes stieg in ihr auf. Dann sagte sie, sich jäh zu ihm hinwendend: „Ich habe keinen Schatz." „Sieh, sieh, also noch frei! Aber ich glaub's nicht. Solch ein junges Mädchen hat doch ganz gewiß seinen Liebsten. Noch dazu, wenii's Augen im Kopf hat wie Sabine Larsen." „Ich bleibe sofort stehen, gehe keinen Schritt mehr, wenn Sie das Schmeicheln nicht lassen." „Oho! Sie können so nett in Zorn geraten." „Natürlich, sehr. Wenn Sie mich zum besten haben l" „Ich denke gar nicht daran. .. Ihre Augen sind doch schön l« Sabine mochte ihre vorhin ausgesprochene Drohung nicht wahr. Aber sie schloß die Lippen hart und blickte jtarr in die schnell herabsinkende Dämmerung. Die Heide wurde gemach grau. Alle Farben ver blichen, alles Licht starb. Ein seiner, weißer Nebel stieg auf und spann sich wie ein duftiger Schleier übe« die Ebene. Allmählich begrub er die Fernsicht. Es m-". Sabine hatte den Sprechenden mit blanken, wie funkelnden Augen angesehen. Einer, der durch die Welt reiste! Der das tat, wonach ihr Sinnen stand. Die Person des Fremden war ihr plötzlich näher gerückt. Und als er lächelnd schwieg, sagte sie, bei weitem freundlicher und ent gegenkommender als vorhin: „Der nächste Ort ist Brackervörde." Sie wies auf das nicht ferne Dorf, das vom glühenden Licht der sinkenden Sonne überschüttet war. „Sehen Sie, dort drüben. Eine halbe^tunde weit." nicht" schrumpfe die Weite zusammen, als verenge sich die Weü. Und nun lag es bereits wie der dicke Dampf von schwelen dem Feuer über der Heide. Sabine war schon lange aufmerksam geworden. Als es sich immer mehr dichtete, schritt sie schneller aus und sagte: „Es kommt vom Moor herüber. So dick und schwer wie im Herbst. Der Weg geht Ihnen verlor«^ wenn wir nicht schneller lausen." - --Mt „Sollte da« möglich sein?" bezweffeüe HekmerL"dW „Sie werden kaum noch nach Lüttorv rüberkommen. It einer halben Stunde ist es wie eine dichte Wolke rtn«mn. Dann verirrt man sich sehr leicht. Das Elmsdahler Moor ist nicht wett. . . . Wer weiß ..." § „Ja, allerdings. Das weiße Zeug verdichtet sich rasend." „Ich finde mich selbst kaum noch zurecht. Ich glaubst der Weg nach dem Birkenhof geht hier rechts ab." Sie blieb überlegend stehen und sah ihren Begleit« unschlüssig an. „Wenn Sie sich nur nicht verlaufen," sagt» sie ängstlich. „Ja, aber ich kann doch nicht auf der Heide näch tigen. Da muß ich schon mein Glück versuchen." Sie streckte ihm zögernd die Hand hin. Als sie noch scheu überlegte, ob sie ihm anbieten dürfe, lieber mit nach dem Birkenhofe zu kommen, drang ein Ruf durch den Abend. „Sabine!" „Der Vater!" sagte sie aufatmend und rief eilt „Hier l* zurück. „Warten Sie noch einen Augenblick," bat sie dann. Gleich darauf stand Thom. Larsen bei ihnen. Er war voller Bestürzung, Sabine in der Begleitung eines Mannes zu sehen. . . . Sein Herz zitterte, während ein freudiges, lachendes Vermuten durch seinen Sinn fuhr. . . . Sollte das etwa. . . gar. . . . Aber nein, wie konnte das fein! Vor Jahr und Tag wollte der ja nicht Heimkommen, an den er eben, voll von hoffender Sehnsucht, gedacht. Und als er dann sprach, klang seine Stimme traurig, leise über* spönnen von Unwillen und Verdrossenheit. „Warum kommst ->« nicht eher heim,Sabine? Wo bleibst du? . .. Wir Haren auf dich gewartet und waren in Angst. Sieh doch den Nebel!" „Er Iain so schnell, Vater, ehe man's recht dachte, war er schon da. . . . Und der Herr hier will noch nach Lüttorp, Vater. Was meinst du?" „Daß er nimmer nach Lüttorp kommt. Die Heide ist tückisch, wenn der Nebel in der Luft hängt. Das Elmr- dahler Moor gibt keinen wieder, den es nahm." Ein kurzes Schweigen war entstanden. Sabine« Herz blut pochte in hartem, erregtcin Takt gegen die es ein- engende Wandung. Auf ihren Lippen lagen Worte, die sie nicht auszusprechen wagte. Die Worte: „So komm mit! Bielbe auf dein Birkenhofe!" Und Thom Larsen schmieg in Hartnäckigkeit auch. Er schien gewillt, im nächsten Augenblicke davonzugeheii. unbekümmert um da- Schicksal des Fremden.
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