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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.12.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-12-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041208025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904120802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904120802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-12
- Tag1904-12-08
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- Jahr1904
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Sette 2. «r. 625. 98. J-Hr». Leipffucr Taftcblall. Er bestätigt. daß die Japaner sich zum Kriege gegeu i RußiauL utzou seit Lern Ende Les chiuesi'chen ätncges v o r b e r c l t e t e u; es lei unglaublich, Satz diesem Faktum in Rußland io wenig Ausmertiamteit gewidmet wurde. Älte in Japan lebenden Russen wußten es. Drei Monate vor Ausbruch des Krieges machten die Japaner bereits kein Geheimnis aus ihrem Plan. Günsburg sollte Kohlenlieserungen für Port Arthur besorgen, sowie andere Waren, die in Japan zu haben waren. Bis Oktober vorigen Jahres unterhielten die japanischen Häuser diesen .Handel, dann brachen sic die Bcziehnngcn kurz mit der Aeußerung ab: „Wir beginnen dem nächst den Krieg mitRutzlan d." Die Lage des Geschwaders in Port Arthur wurde dadurch surckstbar. Alles aus Eurcpa herbeizuführcn, erforderte monate lange Zeit. „Plötzlich zog mich", so erzählt GiinSburg, „der Bruder .des ia panischen Minister präsidenten Katsura aus aller Verlegenheit. Er ist Besitzer großer Kohlenbergwerke und verkaufte an mich ILO OOO rKohlen , freilich nicht offiziell. Er sandte seine Agenten; 15 norwegische Dampfer wurden damit befrachtet, und unter norwegischer flagge gelang es, fast die ganze Ladung vor der Einschließung Port Arthurs binzuschaffen. Rur die letzte Sendung langte erst nach dem ersten Bombardement an." Ebenso gelang es Günsburg nach seinem Bericht, mit Hülfe von Japanern Port Arthur ncch mit anderen wichtigen Vorräten zu versehen. Günsburg weiß genau, daß Port Arthur mit Lebens Mitteln auf sehr lange Zeit versorgt ist; auch weisen leine Niederlagen einen großen Vorrat an Kleidungsstücken auf. Tee. Tabak und Zucker sind noch in reichen: Maße vorhanden, sogar 10 000 Kisten mit Branntwein. — Bezüglich des Gerüchts, die i a p a n i s ch en Fi n a n z cn würden irickit lauge mehr den Krieg anshasten, äußert Günsburg, dies trekse nicht zu. Sollte die äußere An leibe mißlingen, so wird das Geld durch Aufruf ini eigenen Lande aufgebracht, wo noch viel Kapital vor handen 'ist. Japan könnte eventuell eine Milliarde Rubel, gleich 20 Rubel pre Kopf, ausbringen. „Japan braucht unbedingt Land; sollte es jetzt besiegt werden, wird es unbedingt einen neuen Krieg vorbereiten, dann vielleicht, um die ostasiatiichen Besitzungen Frankreichs oder Englands anzngreifen. Die Engländer werden an ihren heutigen Verbündeten keine geringe Uebcrraschung erleben." Für die englischen Meldungen über die Ksblentrnnrperte ist eine Londoner Depesche bezeichnend, wonach das „deutsche" Kohlcnschiff „ Bengalia " Barry mit einer Ladung von 12 000 Tonnen Kohlen verlassen habe und der Bestimmungsort Batavia sei. Die „Bengalia" ist früher ein Dampfer der Pakctfahrt-Gesellschaft gewesen, von ihr jedoch verlaust worden. Rach einem Telegramm aus Tokio hätte der Prokurator des Prisengerichtes in Sasebo erklärt, daß das deutsche (?) Schiff „Veteran", welches bei Port Arthur beschlagnahmt wurde, samt Ladung rechtmäßige Prise sei. Die Besatzung mit dem Kapitän und 4 Offizieren habe man in Freiheit ge setzt. — Die „Morningpost" meldet aus Cardiff von gestern: Der Dampfer „Kapitän Mcnzell" erhielt Er laubnis, Kohlen zum eigenen Bedarf einzu nehmen; das Schiff muß mit W a s s e r b a I l a st Cardiff verlassen. Auf eine Anfrage, weshalb die Kohlenein nahme-über den eigenen Bedarf hinaus untersagt wird, ist vom Auswärtigen Amte keine Antwort erteilt worden. Es liegen von RußlandundJapanneue Ord- res auf Kohlen auf. Englische Kaufleute charterten in den letzten vierzehn Tagen etwa zwanzig Dampfer zum Transport vyu mehr als 120 000 Tonnen Kohle nach chinesischen Häfen für direkte japanische Rech nung. Die argentinischen Schiffe Tie „Morningpost" meldet ferner aus Washing ton von gestern: Ter j a p a u i s ch e G e s a n d t e erhielt die Mitteilung, daß es den amerikanischen Agenten d er russischen Regierung gelungen sei, zwei Linienschiffe von Argentinien, angeblich für Marokko, zu kaufen. Die Schiffe würden nack dem Mittelmeer abgehen und dort nach einer Scheinabgabe an Marokko unter russischer Flagge weitersahren. Tie japanische Gesandtschaft nimmt diese Mitteilung mit Lorbehalt auf. Jin Hafen von Malaga. Der r u s s i s ch e K r e u z er „ I z u in r u d " ist. wie aus Malaga genieldet wird, am 7. Dezember im dor tigen Haken vor Anker gegangen und hat Wasser für das auf hoher See wartende russische Ergänzungsgeschwader genommen. Geschütz« für öle Armee Aurepatkin». Aus O o e s s a wird gemeldet, es seien sechs Belage rungsgeschütze der Festung nach Mukden abgesandt wor- Len. Bis jetzt find somit 32 schwere Geschütze an die Armee Kuropatkins von hier aus abgegangen. Während der letzten vier Monate sind im ganzen 170 Ge schütze von der kaukasischen Armee an Kuropatkin abge gangen. Die Zahl der schwerkalibrigen Kanonen, die von den Festungen der nördlrä>en und zentralen Pro vinzen abgejchickt wurden, ist noch nicht festgestellt. Ein Artillerieoffizier erklärte, daß, wenn die drei Mantschu rei.Armeen vollständig mit Artillerie ausgerüstet seien, Kuropatkin über 1800 Geschütze verfügen werde, und dann über Oyama im Vorteil sein würde unter der Vor aussetzung, daß Port Arthur sich noch einige Zeit halte und es den Japanern nicht gelinge, Verstärkungen heran- zuziehen. Au» dem Hauptquartier der russischen Oftarmee meldet das „Bureau Reuter" über Schcngking vom 7. De zember: Die schlvere Artillerie seyert täglich vom P u t i - lowhügel und von Linschinpu aus, jedoch kam es bisher mit Renne nkampf zu keinem neuen Zu sammenstöße. Freiwillige unternahmen nachts Vor. stößein die feindlichen Linien und sprengten von Japa- nern besetzte Häuser. Diese m it Zuhülfenahme der Elektrizität ausgeführten Unternehmungen sind naturgemäß sehr gefährlich, verursachen deut Feinde aber viel Unrukc. Die Verluste der Russen waren sehr gering. Tic Russen erbeuteten eine Anzahl Gewehre und machten etwa hundert Gefangene; diese waren schlecht gekleidet und litten unter der Kälte. In den letzten Kämpfen ließen die Japaner gegen ihre Gewohnheit zahl reiche Tote auf dem Kampfplätze zurück. Die russische Armee verbraucht täglich 220 000 Pud an Nahrungs- Mitteln zur Unterhaltung für Armee und Pferde. Vor aussichtlich wird der Hunho in einer Woche fast ganz zu gefroren sein, um das Passieren von Trainwagen zu ermöglichen. Der Hafen von Oort Arthur unter japanischem Feuer. Nach einer Depesche aus Tokio ermöglichen den Japanern die von ihnen auf dem 203 Meter-Hügel ausge stellten Geschütze, die Dschunken und sonstigen Fahrzeuge, die aus Tscbifu Lebensmittel nach Port Arthur bringen, unter Feuer zu nehmen und zu zerstören. politische Lagerrchau. Leipzig, 8. Dezember. Tic parlamentarische Geschäftslage und die Handelsverträge. Im Foyer des Reichstages wurde gestern von eingeweihten Mitgliedern behauptet, daß die Drucklegung der Handels verträge so Zus beendet fei, daß es aber der inter nationalen Höflichkeit entspreche, die eigenen Handels verträge am gleichen Tage nut denen der Kontrabenten zu veröffentlichen, und bei einigen habe biSber der formale Abschluß der BeröffentlichungSarbeiten sich noch verzögert. Bon anderer Seite wurde geltend gemacht, daß, wenn einige Aussicht auf eine Wiederaufnahme der Bertragsverbandlungeu auf Grund österreichischer Initiative vorhanden sei, ein Aufschub um ein paar Tage sich ebenso rechtfertige; denn wie ein sprödes Mädchen dann etwa Oesterreick-Ungarn abzuweisen, habe die deutsche Regierung schwerlich Neigung oder Anlaß. Man forderte aber, daß ohne Grund ein Aufschub bis nach Weihnachten nicht stattfinden dürfe. Der Grund für die Verzögerung dürste darin zu suchen sein, daß man sich tatsächlich an amtlicher Stelle mit der Hoffnung trägt, es werde noch gelingen, vor Weihnachten mit Oesterreich zu einer Verstän digung zu gelangen. Sollte sich diese Erwartung eines baldigen Einvernehmens bestätigen, dann will eben die Regierung dem Reichstag das Handelsvertragswerk in vollem Umfang erst nach Neujahr verlegen. In diesem Falle würde der Reichstag schon nächsten Dienstag oder bereits Montag die letzte Sitzung vor Weihnachten haben. Im selben Sinne äußerte sich eine hochvjsiziöse Wiener Stimme in der „Mon- tagSrevuc", deren Inhalt auch von der „Germania" über nommen wird, während von andrer Seite behauptet wird, der Reichstag werde sich die ganze nächste Woche mit den Handelsverträgen beschäftigen und am 1V., spätestens am 17. d. M. in die Ferien gehen. Im preußischen Ab geord neten Hause sind die Geschäftsdispositioncn derartig ge troffen, daß mau am Dienstag den Beginn der Weihnachts ferien erwarten kann. Zur Reichstagsersattwahl in Jerichow. Nack amtlicher Feststellung sind, wie gemeldet, bei der Reichstagsersatzwahl im dritten Magdeburger Wahl kreise im ganzen 24 831 Stimmen abgegeben worden. Davon erhielten Lehrer Merten (deutsch freis.) 6251, Stadtverordneter Voigt (soz.) 6703, Rittergutsbesitzer v. Brauchitsch (kons.) 5940, Legationssokreär v o m Rath lnatlrb.) 3362. Rechtsanwalt Wohlfahrt (Resormpartei) 2575 Stimmen. Zwischen den beiden ersteren hat mithin Stichwahl stattzufinden. Inter essant ist hierbei der Umstand, daß das „Wölfische Bureau" kurz vor dem Erscheinen dieselben Zahlen ver öffentlichte (für den Sozialdemokraten wurden sogar noch 5 Stimmen mehr angegeben) und dazu setzte: „aus 7 Ortschaften stehen die Resultate noch aus." Tie „Krenzztg." erklärte aber schon gestern abend, daß die 7 Orte an dem Ergebnis nichts mehr ändern könnten. Die Wahlbeteiligung ist darnach hinter der vom 16. Juni 1903 um 401 Stlmiiicn zurückgeblieben. Was das Stimmverhältnis betrifft, so lxlben die Sozialdemo kraten einen bemerkenswerten Rückgang (um 1437 Stimmen) erlitten, auch die Freisinnigen baben um 229 abgenouiwen. Während 1903 der Freikonservative 10 430 Stimmen auf sich vereinigte, entfielen diesmal auf die konservativen, nationalliberalen und antise mitischen Kandidaten zusammen 11 877 Stimmen. Die Entscheidung der Stichwahl liegt diesmal 'in der Hand dec 9200 Wähler, die nicht an der Urne erschienen sind, und deshalb ist über den Ausgang dec Wahl schiver ettvas vorauszusageu. Nach dem Resultat der vorigen Stich wahl können die Sozialdemokraten noch reichlich 3000 Mann auf die Beine bringen, eine Mahnung an die übrigen Parteien, ebenfalls auf dein Posten zu sein. Zur Reichstagsersatzwahl in Hof. Für die Reichstagsersatzwahl in Hof haben die Ver trauensmänner des Bundes der Landwirte nach der „Dtsch. Tagcsztg." „in der Kandidatenfrage noch keinen endgültigen Beschluß ge faßt, find aber entschlossen, einer nationalliberalen Kandidatur nur dann zuzustimmen, wenn der betreffende Kandidat die sichere Gewähr bietet, daß er den landwirtschaftlichen Forderungen ver ständnisvoll und sympathisch gegenübersteht. Andernfalls wird ein eigener Kandidat des Bundes aufgestellt werden." Das Verhalten ist einigermaßen ausfällig, da mit einer nationalliberalen Kandidatur iu Hof doch gar nicht mehr gerechnet wird. Wenigstens wurde erklärt und nachher an scheinend parteioffiziös bestätigt, daß nach einer früheren Abmachung der Wahlkreis diesmal einem freisinnigen Kan didaten von den Nationalliberalen überlassen werden soll. Darnach würde also die Ausstellung eines eigenen agrarischen Kandidaten sicher zu erwarten sein. Das ist eine deutliche Mahnung an die übrigen Parteien, einen wirklich liberalen Mann auszustellen und sich aus diesen zu einigen. Uebrigens dürfte die Kandidatur eines Agrariers sich ebenso wenig wie die eines Zcntrumsmannes über die Bedeutung einer Zähl kandidatur erheben. Tie Vorstellung in Hcndaye. (Bericht unseres -s.Korrespondenten.) Paris, am 7. Dezember. Um zebneinhalb Uhr vormittags ist Deroulede in Bshobie, nabe bei Hendaye, erschienen. Mitten auf der Bidassoabrücke ließ er den Kutscher halten, stieg aus dem Wagen und zog vor dem französischen Grenzpfeiler den Hut. Seinen Freunden, die diese Begrüßung der Erde Frankreichs durch laute Rufe stören wollten, gebot er Schweigen. Gegen 300 Zuschauer batten sich eingefunden, Ortsansässige, Journalisten und Photographen. Das Grundstück eine« Herrn Lapeyre war der Schauplatz des geschichtlichen Ereignisses. Herr Marcel Habert durfte den französischen Boden nicht betreten; er blieb also neben dem Greuzpfeiler stehen, und man ries ihm unter allgemeinem Gelächter Warnungen zu. Er war nur gekommen, seinen Freund Döroulöde zu umarmen; dann stellte er sich auf die Straße von Fontarable neben Fräulein Dsroulöde. Der Führer der Patriotentiga zog abermals seinen Hut und buldigte einigen sthöiicn Damen: „Meinen Gruß den französischen Damen! Ttch komme nichit hierher, um Sie anzuschauen, aber ich sehe Sie niit großem Vergnügen." Gleich nach ihm langte IauröS ini Garten des Herrn Lapeyre an; die beiden Gegner be grüßten sich nicht. „Weshalb warten wir denn?" bemerkte Iaurvs, der wohl Lampenfieber batte und um so ärgerlicher war, als er ziemlich vielem Publikum zum Spaße dienen mußte; die komische Handlung war von einer nach den Zeitungsberichten prachtvollen Landschaft mit Flnßtal, Bergen und Kirchhof umrahmt. Man steckte Regenschirme in die Erde, um die Plätze der Gegner zu markiren; neugierige Kinder drängelten sich in die Schußlinie vor. Das Los ent schied sür die Wahl der Waffen Deroulödes; JauröS wählte die Plätze, und sein Widersacher batte die Sonne im Gesicht. Im letzten Augenblick nahm Görault-Nichard dem sozialistischen Chef den Zylinder ab und versorgte ihn mit einem gewöhn lichen Hut. Das Resultat ist bekannt. Iaurös, der vor langen Jahren bei einem Duell mit Bartbou seine Pistole direkt unter sich abseuerte, schoß linkisch. Eine Versöhnung erfolgte nicht. Jemand schrie: „Es lebe Iaurös!", aber Görault-Richard verstopfte ihm den Mund, und etwas be schämt ging der Duellant von hinnen. Bevor Deroulsde nach Spanien zurückkehrte, schenkte er dem Maire von Bähobie und dem Geistlichen je 100 Franks. Er kaufte Spielzeug und schenkte es den Kinderchen, die dann begeistert mit einem „Vivo I» pstrie!" sich bedankten. Donnerstag, 8. Dezember 1904. veutscvrs Keich. Leipzig, 8. Dezember. * Kriminalstatistik. Nach Ler im 4. Vierteljahrsheftc zur Statistik Les Deutschen Reichs 1904 veröffentlichten „vorläufigen Mitteilung znr Kriminalstatistik des Jahres 1903" sind im Jahre 1903 wegen Verbrechen nnd Vergehen gegen Reichsgesetze 505 336 Personen verurteilt worden, das sind 6993 oder 1,4 v. H. weniger als im Jahre 1902 trotz der inzwischen stattgehabten Bevölte rungszunahme. Die Kriminalität hat sich also um etwas gebessert, nachdem die beiden Vorjahre eine erhebliche Verschlechterung gebracht hatten. Von einzelnen Straf taten seien hervorgehoben: einfacher Diebstahl 74 095 Verurteilte, Abnahme gegen 1902 nm 3,1 v. H.; schwerer Diebstahl 10 591 Verurteilte, Abnahme 6,3 v. H.; Be trug 22 310 Verurteilte, Abnahme 2,5 v. H.; Unter schlagung 21 813 Verurteilte, Abnahme 1,5 v. H.; leichte Körperverletzung 26 095 Verurteilte, Abnahme 4,7 v. H.: gefährliche Körperverletzung 96 174 Verurteilte, Ab nähme nur 1,2 v. H.; Beleidigung 56 011 Verurteilte, Abnahme 0,07 v. H.; Gewalt nnd Drohungen gegen Be' amte (8 113 St.-G.-B.) 16 004 Verurteilte, Abnahme 3,4 v. H. Tie steigende Bedeutung der sozialen und ge werberechtlichen Gesetzgebung zeigt sich namentlich bei den verschiedenen Vergehen gegen 8 147 der Gewerbeord nung, wo 13 194 Verurteilte, das sind 7 v. H. mehr als 1902, zu verzeichnen sind. Ter Anteil der jugendlichen Verbrecher an der Gesamtzahl der Verurteilten betrug 9,9 v. H. * ZnrRcichSvcrmögenSstcuer nimmt die „Dtsch. Tagesztg.' in folgender eigenartiger Weise Stellung: Eine Reichsvermögenssteuer würde unsers Erachtens nur dann diskutabel sei«, wenn sie einen scharfen und eingreifenden Unterschied zwischen den verschiedenen Arten des Ber- mögens machte. Daß das Vermögen, das in landwirtschaft lich benutztem Grundbesitze besteht, eine stärkere Belastung nicht mehr verträgt, kann nirgends bestritten werden' Dagegen kann das mobile Großkapital auch nach unserer Meinung noch wesentlich mehr herangezogen werden. Echt agrarisch! * MilitärpcnfionSrcform. Nachdem die Militär- pensionSgesetzentwürfe dem Reichstage zugegangen sind, ist es auch möglich, einen genauen Ueberblick über die Kosten zu gewinnen, die durch die beabsichtigte Neuordnung der Pensionierung verursacht werden würden. Tas Offizierpensionsgesetz würde im ersten Jahre seiner Wirk- samkeit beim allgemeinen Pensionsfonds undj dem Pensionsfonds der Schutzgebiete eine Mehrausgabe von 3 014 700 .äl, beim Reichsinvalidenfonds eine solche von 433 000 ./ih zusammen eine Mehrausgabe von 3 444 700 ./L Hervorrufen. Im Höhepunkte der Belastung würde nur eine Mehrausgabe bei den ersteren Fonds verbleiben, diese aber 8 494 000 betragen. Das MannschaftS- veriorgungsgesetz würde im ersten Jahre ein Mehr von 2 822 825 und 203 000 zusammen von 3 025 825 ./6 erfordern, im Höhe punkt der Belastung ein solches von 8 037 960 Demgemäß würde sich die aus beiden Gesetzen herrührende Mehrbelastung im ersten Jahre auf 6 470525 .4- und im Höhepunkt der Belastung, das heißt dauernd, auf 16 531 960 stellen. Beide Gesetze sollen nach den Entwürfen am 1. April 1905 in Kraft treten, sie beschäftigen sich jedoch mit der Frage Ler Deckung der Kosten nicht. Erforderlichen Falls soll, wie halbossiziös verlautet, die Lösung der Deckungs frage durch eine dem Reichstage zu machende besondere Vorlage gesunden werden, wobei die verbündeten Re gierungen von der Voraussetzung ausgeben, daß die Mittel zur Deckung des erforderlichen Mehrbedarfs aus den eigenen Einnabmeguellen des Reiches bereit zu stellen sein würden. Die Mehrausgaben würden gegebenen Falls in die ent sprechenden Etats nachträglich hineingearbeitet werden müssen, * Berlin, 8. Dezember. Ter Bundesrat versammelte sich gestern zu einer Plenarsitzung; vorher hielten Ler Ausschuß für Handel und Verkehr, sowie die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen und die vereinigten Ausschüsse für Rechnungswesen und für Justizwesen Sitzungen. * Reichsjustizkommission. In der am Dienstag, den 13. Tczember, beginnenden Beratung der Reichsjustiz- koinniission sollen die Verhandlungen über die Ausge staltung des Vorverfahrens fortgesetzt und zu Ende ge führt werden. Als weitere Gegenstände der Tages- ordnnng sind angcsetzt: die Vorschriften über die Hauptver Handlung und die Beschwerde, über die Frage der bedingten Verurteilung, über das Verfahren in zweiter und in der R e v i> si o n s - iu stanz und über die Verteidigung. — Ne,ue deutsche Briefmqrken kommen am 1. Januar in beschränktem Umfang zur Ausgabe. Es ban delt sich um Zählmarken für die badischen Staatsbehörden. vorwärts brachte. Als gebildeter Mensch nahm er auf feinem Lebenswege dasjenige von der Kunst in sich auf, was bequem an ibn heran konnte, ohne ihn irgendwie in feinen Pflichten und Studium zu hindern. Er hatte in Paris die Museen besucht, er war hin und her sogar in ein Konzert gegangen, — letzteres aber mehr aus dem Bedürfnis heraus, die Gedankenarbeit einmal gänzlich abzustellen, sich vom Gewoge der Töne wie von einem Meeresbad umspülen zu lassen, als sich an der Schönheit der Musik zu erfreuen. Und heute nun — hier — war das Freude an der Schönheit, die ihn durchströmte? War es das Wohl gefühl, das Denken aufzugeben, ganz einmal in der Welt des Empfindens unterzutauchen? — Nein, — keine Freude nahm ihn gefangen und kein Wohlgefühll Es war ein Schmerz, der ihn faßte, plötz lich und scharf: „Sieh da! Du hast Arbeit und Studium und Erfolg in deinem Leben, und einen Namen machst du dir auch und erntest reichen Lohn! Das ist sehr viel, und du müßtest damit zufrieden sein? Zufrieden wohl, — aber nicht glücklich! Tu hättest auch die Poesie in deinem Leben haben können, und das Glück — und die Kunst! Sieh da — sie steht dort vor dir! An deinem Weqe ist sic aufgeblüht, du bist au ihr vorübcrgegangen, dicht. — dicht, — durftest dich nur bücken und sie empornehmen an dein Herz, die holde Blume, dein Nach barskind, die kleine, süße Anncmi! Aber du hattest keine Zeit und gingst vorüber an Kunst und Poesie und Glück! Jetzt ist es zu spät, — was das liebliche Gesichtchen und die goldene Stimme dort erzählt, das gilt nicht dir, — Las gilt dem andern, der zur rechten Zeit gekommen ist!" Ein Bann des Schweigens spann die Menge ein nach Beendigung des alten Liedes. Wem ein Geheimnis zu- lieslültert worden ist, der bat das erste laute Wort zu scheuen. Tie Leute blickten einander au: das war ja eins seltsame, ganz neue Auffassung gewesen, — ein« förmliche Beichte, dis man da entgegengenommen hatte . . . . wunderbar ergreifend! Schließlich aber ist die einzige Form, durch die ein Publikum feinen Dank, feine Freude im Augenblick zu äußern vermag, der Beifall, — und er brach auch hier los, — schüchtern zuerst, gleichsam verhalten, dann aber mit elementarer Wucht, so frenetisch, wie man ihn selten in Deutsch ¬ land hört! „Keine Zugabe! Verstehen Sie, mein Kind? Keine!" sagte Meister Johannsen im Künstlerzimmer in be stimmtem Ton, nachdem Annemarie wieder und wieder hatte erscheinen müssen und die hohen Wogen der Be geisterung sich noch immer nicht legen wollten. „Ich nehme Sie jetzt selbst noch einmal mit mir hinauf, — zum letzten Mal! — das hat das Publikum zu begreifen und sich zu fügen!" Und sie kamen miteinander gegangen, das satte, reife Alter und die durstige Jugend, — der edle, geklärte Wein und der ungestüm schäumende Most; es war ein eigen artiger Anblick, wie der Mann, dem des Winters Schnee reichlich auf Haupt- und Bartliaar lag, Freya, die rosige Frühlingsgöttin, der jubelnden Menge vorsührte. — Es war verabredet worden, daß die ganze Familie nach dem Konzert in einem nahegelegenen Hotel zu- sammentressen sollte. Man hatte dort bereits zum voraus ein Abendessen bestellt. Alle wollten dorthin kommen, bis auf Ringhaupts. Tante Babette konnten derartige Extravaganzen noch nicht zugemutet werden. „Sie möchten wohl nicht einen Augenblick mit mir ins Künstlerzimmer kommen, Herr Doktor?" fragte die gehorsame Patientin etwas zaghaft ihren medizinischen Berater, „Ich hätte der kleinen Annemarie so gern ein Wört über ihren wunderschönen Gesang gesagt!" „Bitte, meine gnädigste Frau! Ich stehe ganz zu Ihrer Disposition'" Es war keine Kleinigkeit, sich durch das dichte Menschengsdränge durchzuwinden, keine Kleinigkeit auch, im Künstlerzimmer die lebend« Mauer zu durchbrechen, die sich um den neu ausgehenden „Star" gebildet hatte. Hinter Annemarie stand Jung-Daniel und hielt ihren Hellen, pelzgefütterten Abendmantel in seinen ansgc- breiteten Händen. Ties Amt hätte er keinem Menschen auf Gottes Erdboden abgetreten, nachdem er den Mantel einmal erbeutet hatte, — und wenn er noch eine halbe Stunde mit geöffneten Armen stehen sollte! — Von Oswald war in dem bunten Menschenknäuel nichts zu sehen. ' . „Mein liebes Kind! Mein Pflegetöchterchen!" Frau Babette war ganz gerührt, als sie die Heldin des Abends endlich erreicht hatte und umarmen konnte. Die überstandene Krankheit, — der schöne Gesang, — das Gefühl, endlich, nach so langer Zeit, wieder einmal „dabei" gewesen zu sein, in ihrem eigentlichen Fahr wasser zn schwimmen, — alles dies ließ ihre Augen feucht werden. Und wirklich, — sie hatte immer viel von Anne marie gehalten, batte ihr dies auch bewiesen, viel Gutes an ihr getan, — und nun war es hübsch, daß das liebe Kind ihr dies gewissermaßen vergalt, daß eS so schön gesungen, einen solchen Triumph erlebt, so entzückend ausgesehen hatte, — und daß nun sie, Babette Ninghaupt, sich hier als Angehörige, als Tante und Wohltäterin be kennen durfte, — vor all' diesen Künstlern, Bewunderern, vor ihrem geliebten Arzt — „O, Tante Babette, — da bist du ja! Bist du zu- frieden mit mir? Geht eS dir wieder gut? Bist du ganz gesund?" Der warme Kuß der frischen jungen Lippen tat der guten Dame auf Hand und Mund außerordentlich wohl. Nein, nein, undankbar und überhebend war die Kleine nicht! „Dank' dir, mein Kind, ich bin viel besser. Und er, der mir geholfen hat, ist mit mir gekommen, dir für deine wundervollen Lieder zu danken, — hier ist er --- du kennst ihn ja" — . Ob sie ihn kennt, den guten Freund aus Kindertagen! Sie sieht in sein ernstes, kluges Gesicht und lächelt müh sam und sagte leise: „Ich kenne ihn gut! Aber ob e r mich noch wird kennen wollen, — ein so berühmt ge wordener Arzt" — „Kleine Annemi? Darf ich noch so sagen?" - „Du darfst, Hans, — mußt mich nie anders nennen!" „Wenn dein Mann es mir gestattet!" „Ach das ist doch nur zwischen mir und dir abzurcden! Ich freue mich, daß du gekommen bist" — „Und ich danke dir!" „Wofür denn?" „Für die Stunde voll Kunst und Poesie, die du mir geschenkt hast!" „Ach, Hans, wirklich? Hab' ich das?" In all' dem Stimmengewirr um sie herum haben die beiden rasch die paar Sätze miteinander getauscht, — und es ist gar nichts Wichtiges gewesen, — aber ihnen beiden erscheint cs bedeutsam! — Hinter Annemarie steht immer noch Jung-Daniel mit dem ausgebreiteten Mantel. „Ich komme nächstens zu dir. Kleine!" wirft Tante Babette ein. „Und wenn mein Lebensretter Lust hat, sich wieder für ein Stündchen Poesie und Kunst bei dir zu holen, dann kann er mich begleiten. Was meinen Sie, Doktor Kühne?" „Ich nehme Sic beim Wort, gnädigste Frau!" „Auf Wiedersehen denn!" Und Annemaries kleines, süßes Rosengesicht strahlt vor Wonne. Hans Kühne, ihr bewunderter, kluger Freund, hat ihr die Hand geküßt! Das taten heute viele, — aber kein Handkuß hat sie so gefreut, wie dieser! — Die beiden sind gegangen. Jetzt möchte auch Anne marie fort aus dem Künstlerzimmer. Auf was denn noch warten? - (Fortsetzung folgt.)
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