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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-25
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041125023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904112502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904112502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-25
- Monat1904-11
- Jahr1904
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einer Schreibstubenkonzession beigelegt. Der Chef des österreichischen Ministeriums verspricht Heil und Segen, wenn nur die „Arbeitsfähigkeit des Parlaments" wieder gedeichselt wird; er droht den Parteien, die den Staat nicht erlösen wollen, mit einer „großen Gefahr", die Stimmung der Bevölkerung sei gegen sie. Gestern hat ein Alldeutscher hier die Interjektion angebracht: „Die Verfassung wird einfach gebrochen!" Die Illustration, wie sehr die Abgeordneten sich diesen Anstandskurjus zu Herzen genommen haben, blieb nicht aus; die Loyalitäts- tundgebung kam nämlich in hinkenden! Schritte nach. „Heraus mit der Entrüstung! Wo ist Palffy? Wo ist der Geßlerhut?" Und Palffy protestierte; „da? ist eine Ironie", ivarf Choc dazwischen. Der Frhr. v. Ludwigs- rorff gab eine ähnliche Erklärung zur Kenntnis, auch der Präsident Graf Vetter tat den Mund auf, indes das Meer der parlamentarischen Stimmen lvallte und der All- deutsche Iro hartnäckig „Höchte". Der polnische Sozialist Daszynski hielt eine große Rede über den Sticfelwichs- patriotismus, der berühmte Graf Sternberg erklärte uu- lec Gelächter, er habe „gehandelt als pflichttreuer Unter ran Sr. Mai. des Kaisers", sonst rvürdc er verdienen, aus diesem -Hause mit Schimpf und Spott hinaNsgeworfeu zu werden. Es nahte der Sitzungsschluß, als plötzlich von derGälcrie.sozialdemokratischeHörer schrien: „Nieder mit den Volksbetrügern, nieder mit den Freiheitsverder- bcrn, nieder mit Lueger!" Tie christlich-sozialen Ab geordneten reizten die Brüller noch durch ironisches Händeklatschen. Auf der Galerie wurden Tücher ge- schwenkt, Hüte in die Höhe geworfen, und schimpfend zogen endlich die Heerscharen ab. Ta aber vieles noch imterdrückt ist, fordert der Lokalausschuß der Wiener Sozialisten in der „Arbeiterzeitung" die Genossen und Genossinnen auf, sich am Sonntag vormittag vor den: Gebäude des Ministervräsidiums einzufinden, um gegen das von den Christlich-Sozialen inszenierte Attentat auf die Schule einzuschreiten. Der Petersburger Landschaftskongreß. Mit 71 gegen 27 Stimmen hat der Petersburger Landschaflskongreß sein Ansehen für eine russische Kon stitution in die Wagschale geworfen; so wird dem „Berl. Tagebl." gemeldet. Das Programm, das man hierbei mitteilt, ist das alte, liberalistische, von Dezennien her aufgewärmte; und deswegen mißtraut man der leben digen Kraft dieser papierenen Bestrebungen, die sehr leicht Unkraft sein kann. Jeder Einblick in die russische Literatur zeigt, welche abnormen Mißverständnisse die Verpflanzung der europäischen Begriffe im slawischen Osten erzeugt hat. Das Programm wendet sich gegen die Abschließung der Gesellschaft von den inneren Ange- legenheiten der Staatsverwaltung, es nennt das bureau- kratischc Regime ein Regime der administrativen Willkür, verlangt sehr löblich die Feststellung und Einführung von Lebensprinzivicn, welche die Unantastbarkeit der Persön lichkeit wie des Privatlebens sichern. Es wird auch gleich gesagt, was mit diesen russischen „droits de I'homme" erreicht werden sott, eine Sicherung des zivilen und kriminellen Rechtsvcrfahrens. Dann werden „zur vollen Entwickelung der Geisteskräfte des Volkes" freies Wort. Preßfreiheit, Vcrsammlungs- und Verbindungsrecht be gehrt, Gleichheit für „alle" Bürger wird statuiert. Hier stockt schon die Feder; wie soll das etwa im Altaigebict, bei den Kalmücken werden, entschlösse man sich auch wirk lich, das unsägliche Völkergemisch anderer Provinzen des „Mütterchens Rußland" mit einem Schlage als Erben von 1789 zu begrüßen. Wichtiger ist, daß man bei den Bauern. Selbsttätigkeit und Energie befördern will. Dann kommt das parlamentarische Schlußstück, nämlich Teilnahme von Volksvertretern an dec Ge setzgebung, Bestätigung des Neichsbudgets durch sie, Kontrolle der ausführenden Regierungsorgane. Las konservative Blatt „Moskowskija Wfedomosti" stößt einen bangen Schrei aus und mahnt an Alexander II. Es meint, Europa habe nur eine politische Schwächung Nuß- lands im Auge, wenn es der russischen Intelligenz poli tische Rechte vorspiegelc,'indem cs Rußland dadurch aus den gefährlichen Weg der Staatsreformcn dränge. Alle von Westeuropa angeführten Argumente von einer kalt brandigen Zersetzung Rußlands, von einer Bewegung im Volke zu Gunsten einer Verfassung beruhten auf vollster Unkenntnis der russischen Verhältnisse; alle Bauern-, Arbeiter-, Juden- und Studentenunruhen gingen auf der Basis wirtschaftlicher Interessen vor sich. Wer will diesen Pessimismus Wahnsinn nennen? Es steht eine Vergangenheit dahinter; denn auch der Fall, daß eine Rasse oder ein Rasscngehäuf zur „Kultur" überhaupt nicht reif wird, ist leider denkbar. Deutsches Deich. Berlin, 25. November. * Las neue MilitärpcnsiouSgesetz. Die „Köln. Ztg." veröffentlicht den Entwurf eines MilitärpensivnS- gesetzeS, wie er vom Bundesrate am 17. November an genommen worden ist. Der Entwurf betrifft die Pensionierung von Offizieren und Sanitätsoffizieren des Reichöheeres, der Marine und der Schutztruppe. Tie Pension beträgt bei voll endeter zehnjähriger oder kürzerer Dienstzeit jährlich und steigt nach vollendetem zehnten Dienstjahre nut jedem weiteren Dienstjahre um r/«» bis auf "/m des zuletzt bezogenen pensionsfähigen Diensteinkommens. Scheidet ein Offizier nach vollendeter zehnjähriger Dienstzeit wegen Dlenstunfähigkeit ohne Pensionsberechtigung aus, so kann ihm bei vorhandener Bedürftigkeit für die Dauer und nach dem Grade derselben Pension bis zum Be trage von ro/so deS zuletzt bezogenen pensionssähigen Dienst- cinlomuienS gewährt werden. Die Pension derjenigen Offiziere, welche in den im Militär- oder Marineetat für pensionierte Offiziere vorgesehenen Stellungen Verwen dung finden, Neigt bei einer gesamten Dienstzeit von mindestens 10 Jahren, mit jedem weiteren Dienstjahre um r/oo bis auf des der Pensionsberechnung zu Grunde liegenden Dienstcinkommens. In gleicher Weise erhöbt sich die Pension, für die aus Veranlassung einer Mobilmachung zum aktiven Militärdienst oder zum Dienste in der Militär-und Marineverwaltung wieder herangezogenen pensionierten Offiziere. . Hat die Verwendung mindestens 60 Tage gedauert, so tritt eine Erhöhung der Pension um s,o des der Pensionsberechnung zu Grunde liegenden Dienst- einkommenS ein, auch wenn durch die Zeit der Verwendung ein weiteres Dienstjahr nicht vollendet ist. Weitere Be stimmungen betreffen daS pensionsfähige Diensteinkommen nach den verschiedenen Standorten und ServiSklassen, Ver- stümmelungs- und Kriegszulagen, Alterszulagen, Be rechnung der Dienstzeit, sowie das Erlösche» und das Ruhen deS Rechtes auf den Bezug der PensionSgrbührnisse. * Ter Marine-Etat für 1905 wird an Forderungen zum Ansöau der Schlachtflottc die beiden Linienschiffe „()" und „1i" enthalten. Nach dem in Kraft getretenen Flottengescb ist der Sollbestand unserer Schlachtflotte auf 38 Linienschiffseinheiten festgesetzt. Durch die Etats bis zum laufenden Rechnungsjahre sind von diesen 38 Schiffen bis fetzt 35 bewilligt, die beiden neuen Linien- schisfSbautcn sind also daS 36. und 37. Schiff des Soll- bestandeS. Und zloar kamen bis zum Inkrafttreten des Flottengesches 20 Linienschiffe in Anrechnung, unter denen sich damals — 1898 — noch die drei Schiffe „Kaiser Friedrich IIl.", „Kaiser Wilhelm II." und „Kaiser Wil- Helm der Große" im Ban befanden. Innerhalb des Flottengesetzes sind mithin bis jetzt 15 Linienschiffe be willigt, die beiden Neubauten „()" und „li" werden die 16. und 17. Forderung an Linienschiffen sein. Diese beiden Neubauten werden dem Typ nach als Schwester schiffe der jüngst abgclaufcnen „Deutschland" zu bauen sein, indem sie mit diesem Schlachtschiffe und den beiden im Laufe dieses Jahres auf Stapel gelegten Bauten „O" und „I"' eine neue Division von fünf Gefechtsein heiten zu bilden haben werden. Ehe die Ersatzbauten in Angriff zu nehmen sind, bleibt dann, wie das „B. hcrvorhebt, nur noch ein Vermehrungsban als daS 38. Schiff zu fordern übrig; das heißt, so lange das bisherige Flottengesetz in Kraft bleibt und keine neuen Mchrfocde- rungen in Gestalt einer neuen Flottenvorlage erscheinen, die dazu bestimmt sein würden, ein drittes Doppeln?- schwader — oder den Teil eines solchen — zu schaffen. In den letzten Jahren beliefen sich die Forderungen zum Ausbau-der Schlachtflotte alljährlich regelmäßig auf rwci Linienschiffe; eine alleinige Ausnahme machten die Forde- rungen des Etatsjahres 1899, für daS drei Linienschiffe bewttligt wurden, die heute bereits in der „Wettin". d-w „Zähringen" und der „Wittelsbach" Dienst tun. Daß ein drittes Toppelgeschivader und damit eine neue Flüttenvorlage zu erwarten steht, kann mmi mit einiger Sicherheit annehmen. Ob bereits das Jahr 1905 diese Vorlage bringt, ist allerdings noch fraglich. * Rcichstagscrsaßwatzl tu Mccklcnbur-z-Lchwcii». Nach endgültigen Feststellungen erlüelten bei der Reichstags- Nachwahl im Wahlkreis Schwerin-Wismar General-Sekretär Dr. Dade <kons.) 7033, Geb. Finanzrat Büsing lVereimg. Lib.) 7002, Zigarrenhändler Antrick (Soz.l 10 190 Stimm-n. Mithin sindetj wie bereits gestern angedeutet, Stichwahl zwischen Autrick (Soz.) und Dade (kons.) statt. * Mauüatsnicvnlegung. Der Reichsta^sabgeordnete und polnische Agitator Bre jski-Thorn bat in einer Polen versammlung in Briefen unter Hinweis auf die Anfechtung seiner Wahl erklärt, daß er sein Mandat voraussichtlich niederlegen werde. Einer zum Schlüsse von einem Redner gemachten Bemerkung, daß alle polnischen Wäkler wieder jür die Wabl Brejsklü stimmen werden, wurde mit großem Beifall zugestimmt. * Zur Förderung der Ausbilduug von Schiffsjungen sind auch iu deu nächstjährigen Reichsctat wiederum 30 000 ->// eingestellt worden. Es geschieht dies jetzt znm vierten Male. Diese Mittel fließen dem Deutschen Schulschiff-Verein als Beihiilfe zu den Betriebskosten des im Jahre 1900 von ihm erbauten Schulschiffs „Groß herzogin Elisabeth" zu. Die Einrichtung des Schulschiff. Vereins hat sich nach dem übereinstimmenden Urteile der fachmännischen Kreise auf das Beste bewährt. Tas ge nannte 'Schulschiff hat mit seiner Besatzung im Inlands wie im Auslande stets die höchste Anerkennung gefunden; nach seinem Vorbilde ist in Belgien bereits der Bau eines gleichartigen Schiffes in die Wege geleitet. Von dem Schulschiffe sind in den 3 Jahren 1901/02 bis 1903/01 zusammen 319 Zöglinge der deutschen Handelsflotte zu geführt. Die Einrichtung ist sonach entschieden erfolgreich. Tie finanziellen Verhältnisse des Deutschen Schulschiff- Vereins sind durchaus- geordnet; jedoch können die Be triebskosten des Schiffes, und namentlich die zur Ermög lichung der notwendigen Abschreibungen vom Werte des Schiffes erforderlichen Beträge, durch die aus Mitgift- derbeiträgen, freigebigen Zuwendungen und Erziehungs geldern bestehenden - eigenen Einnahmen des Vereins nicht voll gedeckt werden, weil das ansschließlich dein Erziehungs- und Ausbildungszwecke gewidmete Schiff keine Frachtcinnahmen erzielt. Wie die Erfahrungen der drei Betriebsjahre zeigen, bedarf es hierzu vielmehr weiterhin des dem Vereine bisher vom Reiche und von den Regierungen der deutschen Seeuferstaaten zugewcn- deten Beihülsen. — Der Reichs- und Landtagsabgeordncte v. Kardorff ist damit beschäftigt, seine Lebenserinnerungen zu schreiben. Im 77. Lebensjabre siebend, blickt er ans eine an Erfahrungen reiche Laufbahn zurück. Als Angehöriger der Parlamente seit 1866 bezw 1868 ist er mit so viel hervorragenden Persönlichkeiten in Be ziehungen getreten, daß inan von seinen Lebenserinnerungen wert« volle Beitrage zur politischen Geschichte erwarten Lars. — Die Arbeitgeber in der Berliner Holzindustrie haben sich aus Anlaß der Ausstände, Verrufserklärungen und Sperren in einem Rundschreiben an die Bcrussgeuosscnschasten im ganzen Deutschen Reiche gewandt. S * Rostock, 24. November. Ueber die rechtliche Verpflich tung zur ZaRung einer Prinzessin ne »steuer hatte die hiesige Bürgerveriretung durch eine besondere Kommission Untersuchungen anstelle» lassen. Diese sind jetzt abgeschlossen und haben ergeben, daß die erwähnte Steuer aus erbver- gleicbsmäßigen Verträgen aus den Jahren 1572 und 1755 beruht und demnach weiter zu zahlen ist. * Posen, 25. November. Bei den gestrigen Stadt- verordnetenwahlen der 1. Abteilung wurden alle deutschen Kandidaten gewählt. Im ganzen wurden bei den diesjährigen städtischen Wahlen 20 Deutsche und 3 Polen gewählt. Altenburg, 24. November. Die Finanz, pericdc, welche Ende Dezember abläuft, wird einen Ueberschuß von ?/-> Million erbringen. Die Finanzlage darf mithin wohl als günstig bezeichnet werden, zumal nur zehn Monatsraten Steuern erhoben werden, nicht zwölf. * Breslau, 25. November. Die Regierung hat die Be hörden angewiesen, Schwindelausstellungen zu ver hindern oder jedenfalls zu überwachen. * Karlsruhe, 24. November. Ani 4. Dezember tritt hier der engere Ausschuß der nationalliberalen Partei in Verbindung mit deren Reichs- und LanttagSabgeordneten zu einer wichtigen Tagung zusammen, die folgende Punkte umfaßt: Vorbereitung des Wahlaufrufs für die bevorstehenden Landlagswahlen, Vereinbarung über das beabsichtigte Zu- sammengeheil mit Len linksliberalen Parteien, Stellungnahme zu dem neuesten Wackerschen Rundschreiben, worin der Klerus ausgesordert wird, von der Kanzel herab vor der liberalen Presse zu warnen. Ruslana. Oesterreich - Ungarn. * Tcr Streik der Kohlenarbeiter an den Wiener Bahnhöfen. Wie die „N. Fr. Pr." vorgestern abend zählte, betrug die Gesamtzahl der streikenden Kohlen arbeiter 872, und zwar 330 bei der Nordbahn, 499 bei 38 Kohlcnsirmcn und 43 bei einer Firma auf dem Nord- westbahnhof. Als den streikenden Nordbahnarbcitcrn be- kanntgegebeu wurde, daß, wenn bis 4 Uhr die Arbeit nicht ausgenommen werden sollte, alle Arbeiter delogiert werden, eilten sie iu die Kasematten und setzten sich auf ihre Betten. Die Streikführer begaben sich zum Ober inspektor, um zu intervenieren, kehrten aber ohne Erfolg zurück. Die meist tschechischen Arbeiter riesen: „Wir ar beiten nicht! Lieber ans der Straße schlafen, als um den Hungerlohu zu arbeiten!" Um ^5 Uhr rückten 130 Mann Sichcrhritswache zu Fuß und 8 Mann zu Pferde vor den Kafematteneingängen in der Nordbahnstraße an. Die Aufregung der Streikenden wuchs, als vom Bahn hofe aus das Gerücht kolportiert wurde, daß die Ankunft eines Sonderzuges mit Slovaken unmittelbar bevorstehe. Arbeiter eilten ins Streiklokal und verständigten die Streikführer von diesem Gerüchte; diese beruhigten sie und sagten ihnen, daß eine solche Maßregel gegenwärtig nicht bevorstehe. Noch jetzt dauert der Ausstand fort. Die Streikenden drangen gestern nachmittag in die Kohlenhöfe des Nordbahnhofs ein und bombardierten die arbeitenden Genossen mit Kohlenstücken. Der Polizei gelang die Entfernung der Leute nur mit Mühe. Meh rere Waggons wurden umgestürzt. Gleichwohl steht die Beilegung des Streiks bevor; die Großfuhrleutc haben ich mit den Arbeitern schon geeinigt. Die Verhandlungen mit der Nordbahn dürften heute abgeschlossen werden. Frankreich. * Die Fälle Dreyfns und Cuignet. (Bericht un seres —8. -Korrespondenten.) Aus Paris, vom 24. November, wird uns geschrieben: Tie Kriminal- kammer des Kassationshofes hat ihre Untersuchung dec Treyfus-Afsäre geschlossen, und Herr Atthalin hat dem Geueralstaat^onwalt Baudouiu die Akten überreicht. Dessen Anklageschrift soll, wie es in den Blättern heißt, gegen die Mitte des Januars beendigt jein. Tann be kommt sie der erste Präsident Ballot-Beauprd, der einen Berichterstatter zu ernennen hat. Genannt werden Sar- rut und Iaffard, Mitglieder der Zivilkammer; denn von denen der Krim'nalkammer darf niemand damit betraut werden, weil sie sämtlich den Fall im Laufe der Unter suchung kennen gelernt haben. Gegen März oder April finden die öffentlichen Debatten statt, die zahlreiche Sitzungen ausfüllen werden; allein die Verlesung von Baudonins schrist wird mindestens eine Woche dauern. Es geht schon das Gerücht um, daß die Ver weisung vor ein neues Kriegsgericht beschlossen werden wird. — Ueber den Fall des Kommandanten Cuignet, dem Berteaux die ärztlichen Zeugnisse mit- teilen ließ, während Andros Härte die Forderung mit 14 Tagen strengen Arrests bestrafte, hat der Deputierte Lasies sich nicht äußern wollen. Dafür hat dessen Parlamentskollege Gerses getan, und zwar in der fol- genden Form: „Einstimmig erklären die Aerzte, daß sie beim Kommandanten Cuignet eine lebhafte Intelligenz feststellen, einen offenen, hochstehenden Geist, dazu über legene Bildung und sittliche Eigenschaften, die ihm er lauben, alle Handlungen des gewöhnlichen Lebens zu vollbringen und besonders allen Verpflichtungen seines militärisclwn Berufes, deu er über alles liebt, ehrenvoll und glänzend zu begegnen. Tie Aerzte erklären, daß überlzauvt nichts irgend jemanden zu der Insinuation be rechtigt, die intellektuellen Eigenschaften des Komman danten Cuignet, die ungewöhnlich sind, hätten irgend-' wann, in der Vergangenheit oder in der Gegenwart, eine wenn auch nur scheinbare Verminderung erlitten." Den Mann wollte Andro ins Irrenhaus sperren. * Tic Wiederaufnahme der Arbeit in Brest. Tie Ausstände in den Arsenalen sind schneller beendet worden, als angenommen wurde. Tas vermittelnde Telegramm Berteaux' hat, wie aus Paris gemeldet wird, anscheinend seine Wirkung nicht verfehlt. Tie Arbeiter haben eine Petition an den Marineprüsekten gerichtet, worin sie um Wiedereinstellung der sechs gemaßregelten Arbeiter er suchen; die Entscheidung steht noch aus. * Tic Rücktritts gesucht von Ronvicr und Vadccard. In den Kreisen der Kammer wird nach heutigen Pariser De peschen versichert, der Finanzminister Nouvier, der infolge einer langwierigen Nierenkolik sehr ernstlich erkrankt war, sei nahezu vollständig wiederhergestellt. Bereits morgen werde er dem Ministerrat beiwohnen, in welchem die von dem Steuerausschuß vorgeschlagenen Abänderungen des Einkommensteuer - Entwurfes erörtert werden sollen. Der Finanzminister werde Montag in der Kammer erscheinen und seine Vorlage verteidigen, jedoch keineswegs die Vertrauensfrage stellen. Auch die Nachricht, daß der Generalsekretär deS Grand Orient, Vadccard, seine Ent lassung eingereichl babe, wird in Abrede gezogen. Von den Führern des Grind Orient wird erklärt, daß die Zahl der Austrittsgesuche äußerst gering gewesen sei, dagegen seien in den letzten Tagen nicht weniger als 1500 Neuanmeldungen erfolgt. . Serbien. * Aus dem LffizterkorpS des BerschwörerkönigS. In der Garnison Negotin wurde ein Hauptmann Milan Nikolitch festgrnommen, weil er in der Berauschtheit für seinen Stand unzulässige Aeußerungen machte. Ob es sich tatsächlich, wie gerüchlweise verlautet, um eine sogenannte Gegenverschwörung handelt, dürste nach der „Köln. Ztg." abzuwarten sein. In einer anderen Depesche wird der Verhaftung „keinerlei Be- deulung" beigelegt. Offiziell wird die Angelegenheit geheim gehalten. Chile. * Tcr amerikanische Konsul als «esundheitSzensor. Nach einer HavaSdepesche bat die chilenische Regierung das Exe quatur des peruanischen Konsuls in Jquique zurückgezogen, da dieser Gesundheitsscheine ausgestellt hat, welche die Be zeichnung „Bubonenpest" trugen. Der Konsul der Vereinigten Staaten, der inzwischen mit der Wahrung der Interessen Perus betraut wurde, weigert sich, die Gesundheitspässe ohne den Vermerk auszustellen. Die chilenische Regierung hat hier gegen in Washington telegraphisch Einspruch erhoben, da sie Jquique nicht amtlich als pestverseucht erklärt babe. Auch dieser technische Fall wird zur Befestigung der stets größeren Vorherrschaft der Union beitragen müssen. Hur »Iler Aett. — Van der Prinzessin Luise von Koburg. DaS „Petit Journal" berichtet, daß der Prokuralor der Republik gestern die Aufforderung an den Präsidenten des Zivil gerichts der Seine gewandt hak, den Zeitpunkt festzustellenn, an welchem die Sachverständigen vereidigt werden sollen, die den Gesundheitszustand der Prinzessin Luise von Koburg zu prüfen haben. Der Präsident setzte sofort den Termin auf den 27. Dezember fest und benachrichtigte davon als dann den Justizminister, damit dieser den Interessenten in Wien und Brüssel, sowie den Aerzte» und Cftmenceau, dem Rechtsbeistand der Prinzessin, Mitteilung machen könne. --- Lte Tat eine« Wahnsinnigen^ Zu der Bluttat iu Neuenhagen wird noch berichtet: Schunck wurde im Laufe deS gestrigen Tages einer Gerichtskommission vorgesührt, vor der er behauptete, daß ihm vom Tode seines Bruders und seiner Schwester nichts bekannt sei. Schließlich räumte er aber ein, daß er sich dunkel der Tat entsinne, doch will er nähere Einzelheiten, insbesondere über die Motive, die er gehabt, nicht angeben. Der Mörder wird voraussichtlich heute der Irrenanstalt der Berliner Eharitö zur Beob achtung überwiesen werden. — Eine merkwürdige Millionärin. Aus Philadelphia wird erzählt, daß Miß Marianne Wood, die Tochter eines bekannten Millionärs, ihre Familie in große Verlegenheit und andere Menschen in große Heiterkeit versetzt hat. Das Gesellschaftsleben war ihr so entsetzlich langweilig, daß sie kurz entschlossen eine Stelle als Hau-mädchen an- nahm. Sie fegt die Stuben, kocht und heizt zur vollen Zufriedenheit ihrer Dienstherrsclxfft, die der Millionärs, tochter 16 Schillinge wöchentlich dafür zahlt. Sie er- klärt mit Entschiedenheit, sich jetzt erst wohl zu fühlen, wo sie wirklich etwas Brauchbares leiste. Es ist übrigen» das vierte Mal, daß Miß Wood ihre Eltern in Verlegen heit setzt. Sie hat sich bereits als Schauspielerin, als Schiieidcri n und als Krankenpflegerin versucht. Neuigkeiten. Tie gerichtliche Vernehmung ciurS Herzog«. In dem Prozeß gegen die Kammerfrau der verstorbenen Prinzessin Amalie von Schle-wig-Holstein MilewSka, fand gestern im Primkenauer Schlosse auf Ersuchen deS Landgericht- Berlin durch eine G-richtSkommission deS Amtsgericht» Sprottau die Vernehmung deS Herzogs Ernst Gunther zu Schleswig-Holstein statt. Ein Gattenmürder. Der „B. L.-A." meldet au» Ma rienburg: Der Tischler Baumgarten wurde unter dem Verdacht verhaftet, die eigene Frau ermordet zu haben. Lttrni. Auf der Ostsee herrscht starker Sturm. Die regelmäßige Dampfschisfahrt zwilchen Lübeck und Kopen hagen ist seit zwei Tagen eingestellt. Der schwedische Dampfer ist, wie die „Voss. Ztg." berichtet, seil einer Woche überfällig. Schwere Beschädigung eines deutschen Panzerkreuzers „Prinz Adalbert" hat nach einer Meldung des „B. T." aus Kiel eine Beschädigung des Hochdruckzylinderö erlitten, zu deren Reparatur er 4 Monate in der Reichswerft liegen muß. Untcrgcgangcn. Der griechische Dampfer „ElpiS" ist im Schwarzen Meer mit Mann und MauS unter gegangen. Alle Bemühungen, die Spuren des Dampfers zu finden, sind vergeblich gewesen. Etwa 60 Personen fanden mit dem Dampfer ihren Untergang. In Piräus herrscht große Aufregung. Letzte Depeschen und Jernsprechmeldungen. Der Aufstand in Südwestafrika. Verlustliste. * Berlin, 25. November. In dem Gefecht bei Spitz kopp sind gefallen: Unteroffizier Johann Splitt- gerber, geboren am 2. November 1877 in Freien- loalde, früher Ulanen-Regiment Nr. 9; Reiter Bern hard Lohfink, geboren am 25. August 1882 in Suhl, früher Infanterie-Regiment Nr. 32. Schwer ver wundet: Reiter Heinrich Theisen, geboren am 16. Juli 1881 in Pech, früher Dragoner-Regiment Nr. 15. — Am 20. im Patrouillengefecht bei Cotzesfarm, östlich von Kuis, leicht verwundet: Sergeanr Wilhelm Jacobsen, geboren am 12. Februar 1877 in Kamperfelde, früher Infanterie-Regiment Nr. 162, (Flcischschuß in den linken Oberarm). — Am 22. im Gefecht bei Kub gefallen: Oberleutnant Werner Haack, geboren am 27. März 1873 in Kiel, früher Feldartillerie-Regiment Nr. 40. Schwer ver wundet : .Kriegsfreiwilliger Oberleutnant zur See a. D. v. Rabenau, Brustschuß rechts, Fleischschutz in den rechten Oberarm. Leicht verwundet: Leut nant d. R. des Husaren-Regiments Nr. 6 v. Mosch (Schuß an der linken Schläfe); Vizefeldwebel Karl Deu ber t, geboren am 9. Oktober 1877 in Wächtersbach, früher Füsilier-Regiment Nr. 80, (Fleischschuß mitten in den Oberarm). — An Typhus gestorben: Reiter Paul Koerck, geboren am 20. September 1882 in Pasewalk, früher Ulanen-Regiment Nr. 9. — Im Laza rett Grootfontein am Herzschlag gestorben: Zahlmeisteraspirant Karl Schade, geboren am 28. Mai 1871 in Dosenradc, früher Bezirkskommando Kassel, am 21. in Windhuk. württembergifche Aainnrer. * Stuttgart, 25. November. (Kammer der Abgeord neten.) Im weiteren Verlauf der Debatte über das B e - stätigungsrecht der Regierung gegenüber neu- und wiedergewählten Ortsvorstehern erklärte der Minister des Innern namens der gesamten Staatsregierung, daß diese an dem Bestäti- gungsreckt unbedingt festhalten müsse. Sollte die Kam- mer das Bestätigungsrecht einschränken oder aufheben, so würde die Regierung sich nicht mehr an ihre Zusage betr. der Lebenslänglichkeit der Bestätigung gebunden halten, Ver russisch-japanische Arieg. * Port Said, 25. November. Das b a I t i s ch e G e- sch Wader lief beute ohne Zwischenfall in den Kanal ein. Die Panzerschiffe wurden geschleppt. Der russische Generalkonsul begleitete das Geschwader durch den Kanal. Generalaurstand in Vuenss-Aire« * Buenos Aires, 24. November. Die seit einiger Zeit hier herrschende Ausstandsbewegung nahm heute einen größeren Umfang an. Im Ausstande sind jetzt die Droschkenkutscher, Zimmerleute, Gerber, Gießerei arbeiter, mehrere andere Kategorien gelernter Arbeiter, ferner ein Teil der Straßenbahnbcdiensteten, sowie die Angestellten der Zentral-Markthalle und der Wolle- Lagerhäuser. * Hamburg, 25. November. (Eigene Meldung.) Der Zentralausschuß Hamburgischer Bürgerver eine erklärte sich gegen den 8-Ubr-Ladcn- schluß. * Washington, 25. November. Präsident Roosevelt ist heute mittels Sonderzuges zum Besuch der Weltausstellung nach St. Louis abgcreist. Die vorliegende Nummer umfaßt 8 Seiten. Leitung: Adolf Schiebt. Verantwortliche Redakteure: Für deutsche Politik Dr. Friedrich Purlitz, für auswärtige Politik Paul Wieglrr, kür lächsische Angelegenheiten Rudolf Szallie«, für Feuilleton Paul ZschorNch, für Musik Heinrich Zoellner, für Sport Julius Haarfeld, «ämmtlich in Leipzig. — Für den Inseratenteil verantwortlich Emil Äbigt, Gautzsch-Leipzig. 2 Üain8lra88tz 2 «»»Aker- nach
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