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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 10.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-10
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041110025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904111002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904111002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-10
- Monat1904-11
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stmrbruck. V-schMffe Lbev di« itatte-isch« F«k«ltät. Ueber Wien wird berichtet, am Tage nach dem Zu sammenstoß sei der Dekan der italienischen Recht-- sakultät beim Statthalter gewesen und habe ihm nahe gelegt, die Vorlesungen an der italienischen Fakultät zu sistieren. Der Statthalter sei darauf eingegangen. Inzwischen sei beschlossen worden, daß die Fakultät in keinem Falle wieder geöffnet werden solle. Dieser Be scheid ist zuverlässig wie die gesamte habsburgische Bureau- kratie. In Wien beschloß eine Versammlung -eutscherStudenten, an den akademischen Senat eine Petition um Relegierung jener italienischen Studenten der Wiener Universität, die sich an den Inns- hrucker Demonstrationen beteiligt haben, zu richten. Bekundungen de» deutsche« Volk»e«tpfi«-en». Wie den „H. Nachr." zu entnehmen ist, telegraphierte derTroppauer Bürgermeister: Mit ^»annung und Sorge, aber voll Sympathie und mit vollem Verständnis verfolgt die Bevölkerung Troppaus die Kämpfe Innsbrucks um ihren nationalen Besitzstand. Es ist ganz dasselbe System, das Innsbruck wie Troppau durch staat liche Hülfe und staatliche Lehranstalten dortverwälschen, hier slavisieren suchr. Der wackeren Innsbrucker Ge meinde-Vertretung wünsche ich aus vollem Herzen Ausdauer und Erfolg! Endlich must einmal «in allseits entfesselter Sturm das System mit seinen Trägern wegfegcn. Dazu wol- len wir gemeinsam wirken. Der oberösterreichische Bauer Gans Oehn tele graphierte: Der Tiroler Landsturm soll in allen Tälern auf geboten werden, die Hauptstadr besetzen und alle Wälschen Vertreiben. Ansichtskarten wurden verbreitet mit dem Bilde Pezzeps und den Versen: „Dein schönstes Bild in greller Farbenglut hast du gemalt mit deinem Gerzens blut." Das Erträgnis der Karton ist für die deutschen Schulen Südtirols bestimmt. Bisher wurden sechs Deutsche wegen Teilnahme an den Demolierungen verhaftet. Seheinrerlatz Franz Josef». Wie dem „Lok.-Anz." aus Innsbruck gemeldet wird, wurde am Tage nach der Tötung des Malers Pezzey vom Korpskommando ein geheimer Erlaß ausgegeben, der aus den Monarchen zurückzuführen ist, wonach von der Waffe nur bei verletzter Waffenehre Gebrauch zu machen ist. Diese Rücksicht kommt zu spät. Vie ametiiramzche ktSriaeittrchsNrwabl. Asofevett» Grfolg Der New Aorker Korrespondent der „Köln. Ztg." stellt fest, daß Parker unter einer Stimmzettel-Lawine begraben wurde. Die letztwöchige Wirbelsturm-Kampagne und sein persönliches Auftreten in den Wählerversamm lungen haben sich als nutzlos erwiesen. Trotz aller demo kratischen Versicherungen blieb das Volk mißtrauisch wegen der Sicherheit der Goldwährung und befürchtete Zolltarifänderungen. Das Volk weiß, was es an Roose velt hat, der als derUrtypus desAmerikaners bei Iungamerika fabelhaft beliebt ist. In den Straßen wogt ein Menschenmeer: allenthalben lodern Freuden feuer: Lichtbilder, Scheinwerfer, Dampfsirenen ver künden Roosevelts Triumph. Die Iubelaus- brüche und die Hurrarufe sind ohrenbetäubend. — In Missouri wurde, nach der „Frkfrt. Ztg.", der be kannte Bekämpfer der Korruption, Staatsanwalt Folk, mit 50 000 Stimmen Mehrheit zum Gouverneur gewählt. Die Frauen in den westlichen Staaten traten ge schlossen für Roosevelt ein wegen seiner Haltung in der Mormonenfrage. Tie Morgenblätter finden die immensen Mehrheiten Roosevelts fast unerklärlich. Der „Gerald" warnt den Präsidenten, weiter den Weg des Imperialismus ein zuschlagen: er soll nicht die Funktionen anderer Regie rungszweige usurpieren. Die „New Aork Times" sagt, daß die Prosperität und die Ueberzeugung, die demo kratische Partei könne noch nicht wieder mit der Re gierung betraut werden, den Ausschlag gegeben habe. Tie „World" erklärt, das Volk bewundere die eigenartige Persönlichkeit des Präsidenten und befürchte augenschein- lich auch nicht, er könne mit dem „großen Stock" Unheil anrichten. Der „American" meint, die Demokratie habe einen großen Fehler gemacht, als sie in unmittelbarer Nachbarschaft Parkers einige der schlimmsten Trust gründer duldete. Lebe«»la«f de» Präft-e«te« Theodor Rocsevelt wurde am 21. Oktober 1858 in der Stadt New Aork geboren, steht somit im 47. Lebensjahre. Nach Absolvierung seiner ersten Studien und nach ausgedehnten Reisen, welche ihn ins besondere auch nach Dresden und Deutschdöhmen führten, besuchte er die Harward-Universität, woselbst er im Jahre 1880 graduiert wurde. Seine politische Laufbahn be gann, nach der „N. Fr. Pr.", bas Jahr darauf, als er zum Mitglied der Nm> Uorker Staatslegislatur gewählt wurde. Er erwarb sich große Verdienste als Obmann der zur Untersuchung der Korruption in der Munizipal verwaltung New Acrks eingesetzten parlamentarischen Kommission. Im Jahre 1886 wurde er von der republi- konischen Partei für das Mayorsamt der Stadt New Bork kandidiert, unterlag jedoch gegen den Tammany Hall-Kandidaten. Eine verdienstliche Tätigkeit ent- wickelte Roosevelt sodann im Jahre 1889 als Präsident der Civil Service Commission, einer von Präsident Harrison zum Zwecke der Reformierung des Ernennungs systems der Bundesbeamten eingesetzten Kommission. Im Jahre 1895 wurde Roosevelt zum Präsidenten der Polizeikommission ernannt, in welcher Eigenschaft er einen unerbittlichen Kampf gegen das infolge der Miß wirtschaft Tammany Halls in das New Aorker Polizei- wesen eingerissene Bestechungs- und Erpressungssystem führte. Durch rücksichtslose Durchführung der strengen Sonntagsgesetze machte er sich jedoch zahlreiche Feinde in der kosmopolitischen Bevölkerung New Acrks, und die vielfachen Anfeindungen veranlaßten ihn schließlich, zu resignieren. Im Jahre 1897 wurde er vom Präsidenten Mac Kinley zum Hülsssekretär des Marinedepartements ernannt und trat nach Ausbruch des spanisch-amerika nischen Krieges als Oberstleutnant in die von ihm orga nisierte, hauptsächlich aus Cowboys und waghalsigen, abenteuersuchenden Reitersleuten der westlichen Staaten zusammengesetzte sogenannte Rauhe Reitertruppe (roougb ricksrs) der „First U. S. Volunteer Cavalry" ein. An der Spitze dieser Truppe machte er den Krieg mit und zeichnete sich bei dem Angriffe auf den San Juan Hill bei Santiago de Cuba rühmlichst aus. Er wurde sofort nach seiner Rückkehr von dem Feldzuge zum Gcuverneur des Staates New Aork nominiert und mit großer Majorität gewählt. Zwei Jahre später wurde er an der Seite Mac Kinleys zum Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten erwählt und legte nach der Ermordung des Präsidenten Mac Kinley durch Czolgosz am 14. September 1901 den Eid als Präsident der Union ab. Roosevelt «n- Parker bei der Ktin»««enabgabe. Präsident Roosevelt reiste, nach einer Londoner Depesche der N. Fr. Pr.", um Mitternacht von Washing ton ab, ruhte auf der Bahn gründlich aus und traf um 7 Uhr früh in Jersey City ein. Er schüttelte dem Maschinisten und dem Heizer seines Zuges kräftig dieHand und ging dann mit seiner Schutztruppe von Geheimpolizisten an Bord eines Remorguers nach Lang Island City und von da per Zug nach Oysterbay, wo er rasch den Wahlakt vornahm, so rasch zwar, daß ein Be amter ihm scherzend erklärte: „Sie scheinen ja genau ge- wußt zu haben, für wen Sie stimmen wellen." Gleich nach Roosevelt stimmte ein pechschwarzer Neger, der beim Heraustreten aus der Wahlbude erklärte: „Ich bin so gut wie irgend ein Weißer undhabefürMr. Parker gestimmt." Roosevelt reiste sofort nach Washington zurück. Sein Gegenkandidat Parker blieb den ganzen Tag ruhig in seinem Hause zu Esopus. Nach dem Frühstück fuhr er mit einigen Nachbarn und seinem eigenen Knecht zehn Meilen weit nach Kingstons, um seme Stimme abzugeben. Nachts saß er in seiner Bibliothek neben einem Telegraphenapparat. Seine Tochter addierte die Ziffern, wie sie der Be amte am Apparat meldete. Der «e«e Vizepräsident. Senator Charles W. Fairbanks, der neben dem Präsi denten Roosevelt während dessen nächster Amtszeit die undankbare Rolle eines Vizepräsidenten übernehmen wird, ist, nach der „Köln. Ztg.", politisch kein unbe schriebenes Blatt mehr. Er ist sechs Jahre älter als Roosevelt. 1852 auf einer Farm bei Union- Ville Center in Ohio geboren, besuchte er eine metho distische Hochschule, die Ohio Wesleyan University, die er 1872 verließ, um zwei Jahre darauf sich als Rechtsanwalt in Cleveland in Ohio nicderzulassen. Später siedelte er nach Indiana über, wo er in Indianopolis seine Tätig keit als Advokat fortsetzte und noch heute lebt. Er trat bald in der Parteipolitik dieses Staates hervor, unterlag aber bei der Senatorenwahl 1893 gegen den Demokraten Turpie. bis er 1896 für die wirksame Unterstützung, die er Mc Kinley bei der Präsidentenwahl hatte angedeihen lassen, in den Senat für Indiana einziehen durfte. Er nahm hier eine nicht unbedeutende Stellung ein: zwar hat er sich wenig als Redner hervorgetan, genoß aber als einflußreiches Mitglied des rechten Regierungs flügels ein beträchtliches Ansehen. Darum durfte er auch 1900, als Mc Kinley zum zweiten Male Präsident geworden war, als Kandidat für dessen Nachfolger auf- treten. 1903 gab er zwar seine Ansprüche an Roosevelt ad, erwartete aber, für diese parteitaktische Rücksichtnahme die Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten im Jahre 1908 zu erhalten. Für seine diesjährige Aufstellung zur Vizepräsidentschaft war das Bedürfnis der Republikaner maßgebend, den zweifelhaften Staat Indiana für Roosevelt zu gewinnen. ver nurlrch-Iapsnircde ssrleg. Nikola«» II. a«f -rr Reise. Rach einem Telegramm auS Lowitsch ist der Kaiser Nikolaus auf seiner Reise zu Truppenbesichtigungen am DienStag Nachmittag dort eiugetroffea und „begeistert empfangen worden. Rosch-jestwe«»!?» Geschrvaderbesehl. Wir haben gemeldet, was der Zar seinem Admiral tele graphierte. Jetzt hat dieser in einem von heute datierten Tagesbefehl seinem Geschwader diese Beglückung in genau dem nachstehenden Texte angezeigt: „Der Kaiser hat uns huldvoll mit folgendem Telegramm beehrt: Ich bin im Geiste und mit ganzer Seele bei Ihnen und meinem teuren Ge schwader und bleibe dessen versichert, daß das Mißverständnis bald erledigt sein wird. Ganz Rußland blickt aus Euch mit Zuversicht und fester Hoffnung. Nikolaus. Ich habe dem Kaiser geantwortet: DaS Geschwader steht einmütig zum Throne Eurer Majestät. Nicht wahr Kameraden? Wa« der Kaiser uns befiehlt, werden wir tun. Hurra!" Dke Heimkehr Alexejew». Alexejew trifft heute, viel früher als ursprünglich bestimmt wurde, in Petersburg ein. Er ist nach dem „Daily Expreß" in einem besonderen Salonwagen durch Sibirien gefahren und hat sich allenthalben vor neugierigen Bücken versteckt. Die Behörden sollen Alexejew geraten haben, durch Moskau nachts zu fahren, da feindselige Demon strationen in großem Maßstabe gegen ihn dort geplant werden. So schleicht der einst allmächtige Vizekönig, der den Krieg angezettelt hat, wie ein Verbrecher nach Hause. General Linjewitsch telegraphierte dem Zaren, daß er das Kommando der ersten manlschurischen Armee übernehme. Er danke dem Zaren für sein Vertrauen und hoffe, sich dessen würdig zu erweisen. A«» Avrett» Hauptquartier erfährt der „Standard" unter dem Datum des 8. November: Die Russen unterhalten ein ununterbrochenes Artillerie feuer besonders gegen den linken japanischen Flügel. Der Erfolg ist jedoch sehr gering. Die allgemeine Lage ist unverändert. Von Port Arthur. Der „Daily Telegraph" meldet auS Tschifu vom 9. No vember: Die Insassen einer Dschunke, die am 6. November von Liautischan absuhr, wurden von de» Japanern untersucht, vermochten aber vorher die Depeschen inS Wasser zu werfen. Als die Dschunke abfuhr, wurde die Festung heftig beschossen. Die neuen Docks brannten mehrere Tage. Die Kriegsschiffe befinden sich am Tage am Goldenen Hügel. Die Japaner halten sich hauptsächlich in Stellungen auf halber Höhe der Forts. Ein vor fünf Tagen von Tsingtau abgereister russischer Offizier gelangte mit Depeschen nach Port Arthur. Die Hauptlinie der russischen Forts ist noch intakt; auf der Tigerschwanz-Halbinsel sollten nach glaubwürdigen Nachrichten zwei Fort« beschä digt worden sein. DaS Vorgebirge von Liautischan ist stark befestigt und auf dem Hauptfort mit 12zölligen so wie auf den wer NebenfortS mit tzzölligen Geschützen besetzt. Die Garnison wird jetzt auf 9009 Mann angegeben. — Die „Daily Mail" meldet aus Tschifu vom 9. November: Den Japanern gelang es unter großen Verlusten eine Stellung zu gewinnen, durch welche die Eroberung aller Ber- teidigungwerke nördlich der Tigerschwanz-Halbinsel ge sichert ist. — Aus Tokio wird telegraphiert, daß Bürger, Freiwillige und Polizisten jetzt die Garnison von Port Arthur verstärken. Auf beiden Seiten fielen bei den letzten Stürmen der Japaner soviel Menschen, daß zahlreiche Leichen unbeerdigt umherliegen blieben; sie wurden von Hunden angefreffen, bis russische Scharfschützen die Tiere erschossen. Die russische Neustadt ist fast ganz zerstört, der größte Teil der Warenhäuser und Läden der Ausländer niedergebrannt. — Em Chicagoer Korrespondent ist auS Port Arthur nach Naga saki gelangt und beschreibt in einer von gestern datierten Depesche seine dortigen Erlebnisse. Stössel hörte angeblich erst von ihm, daß Kuropatkin geschlagen worden sei und sich in Mukden befinde. Der General sagte: „Dann bleibt ja nichts übrig, al» zu sterben oder ins Gefängnis nach Matsuyama zu wandern." Stössel erkundigte sich nach dem Umfange der Niederlage Kuropatkin-, aber die Garnison durfte nichts davon erfahren. Er pries die Bravour und HerzenSgüte der Japaner und sagte: „Ich bin stolz, einen solchen Feind zu bekämpfen." Beim Frühstück mit dem General barst eine Bombe draußen vor dem Hause und zerschmetterte alle Fenster; aber nicht einmal der Satz wurde unterbrochen, in welchem die Konversation sich befand. Niemand schien sich überhaupt um das Bombardement zu kümmern. AusKonstantinöpel wird depeschiert,daß derDampfer „Tamlous" der Freiwilligenflotte gestern den Bosporus mit voller Ladung nach dem Mittelmeer passierte. politische Lagerrchau. Leipzig, 1V. November. „Die deutsche Gefahr." Unter dieser Spitzmarke wird dem englischen Volke in einer Monatsschrift von dem Marineschriftsteller White vor der deutschen Flotte gruselig gemacht. Der Verfasser des Artikels behauptet u. a., die englische Flotte werfe 80 gänzlich veraltete Schiffe auf, während Deutschland nur moderne Kriegsschiffe besitze. In der amtlichen eng lischen Flottenliste vom 31. März 1904 sind diese 80 Schiffe nicht aufgeführt. Dagegen bringt dieselbe eine Gegenüberstellung der Flotten der Großmächte — an vierter Stelle die deutsche Flotte. Es stehen dort den 49-1-12 (Umbau) engl. Schlachtschiff. I.Kl. nur 14-i-8(imBau)deutsche 284-17 - - Panzerkreuzern - 4-1-3 - « - 21 - - Kreuzern I.Kl. 1 « - - 1244-36 » » Torpedoboot. » 374-6 » - » gegenüber. Aus diesen Zahlen, die für uns noch un günstiger werden, wenn man die Stärke der Armierung — besonders der schweren Artillerie, sowie der Mittel artillerie — und des Panzers in Betracht zieht, geht für jeden, der sehen will, deutlich hervor, daß die deutsche Flotte sich überhaupt nicht einmal annähernd mit der englischen Flotte messen kann. Bemerkenswert ist ferner ncch in jenem Artikel die Behauptung, „die deutsche Ad miralität habe mit solchem Eifer gearbeitet, daß das Flottenprogramm von 1900, anstatt in 16 Jahren, be reits in 7—8 Jahren erledigt sei". Wenn das wahr wäre, brauchte der Deutsche Flotten-Derein nicht für die dringend notwendige Revision des Flottengesetzes von 1900 zu agitieren! Man sieht hieraus, mit welchen Mitteln im Auslande gearbeitet wird, um durchaus falsche Vorstellungen über die Stärke der deutschen Flotte zu verbreiten. Hauptzweck ist hierbei, Deutschland als diejenige Macht hinzustellen, welche durch angeblich enorme Anstrengungen im Flottenbau gleichsam die an deren Staaten provoziere, während 'das Gegenteil der Fäll ist! Ein Blick auf die Flottenbauprogramme Englands, Nordamerikas, Frankreichs beweist dies. Im übrigen sollte es nicht wundernehmen, wenn jene ten- denziösen Ausführungen in Sachen der „deutschen Ge fahr" auch in Deutschland seitens der flottenfeindlichen Kreise aufgegriffen würden, und deshalb erscheint es nötig, auf dieselben aufmerksam zu machen. Unangebrachte Sparsamkeit. Jeder Tag des Krieges in Ostasien kostet den Russen 2*/2 Millionen Rubel, im Monat also rund 150 Millionen Mark. Für biesi's Geld hätten die Russen fünf moderne Panzerschif'e und einige Panzerkreuzer haben können, die, zur Flotte in Ostasien hinzugerechnet, den Krieg zweifellos zu Gunsten der Russen entschieden hätten. Die 2s4 Millionen täglicher Kriegskosten gehen außerdem zum großen Teil ins Ausland, das Geld dagegen, welches zum Bau von Kriegsschiffen verwendet wird, bleibt im Lande. Die Nutzanwendung aus diesen Tatsachen ergibt sich auch für Deutschland von selbst. Das Lordmayorsbankett und der Friede. Der Lord Lansdowne, britischer Minister des AuS wärtigen, hat gestern in der Guildhall beim Lordmayors bankett eine Rede über den Konflikt von Hüll gehalten. Er mußte diese Gelegenheit wahrnehmen: denn Balfours aus lauter Respekt vor den Massen gegen Petersburg respektlose Ansprache in Southampton reichte allein nicht aus, es mußte eine neue Auflage erfolgen. Tas Kabinett war nicht auf Rosen gebettet. Hier drohte ihm die Not wendigkeit, den Iingoes zu Liebe Kriegsfertigkeit zu zeigen, dcrt die Gefahr, sich in eine Situation zu ver- rennen, aus der sich nicht mehr zurückzufinden war. Aller dings hat Lord Lansdowne diese seine Absichten gestern so plum bekundet, daß Balfours Southamptoner Rede dagegen immer noch feinste, überlegene Diplomatie ge blieben ist. Der Minister des Auswärtigen sagte wört lich, nachdem er etwas von dem ostasiatischen Kriege „zwischen zwei tapferen, ritterlichen Nationen" gefabelt hatte: „Wir können uns keine schrecklichere Strafe denken, als die Gewissensbisse eines Ministers oder einer Körper ¬ war ein Genie, — ein wahrhaftes, gottbegnadetes! Ihn, wenn er gut aufgelegt war, die Geige spielen zu hören, das galt für einen Genuß ersten Ranges, — seine Impro visationen waren weit und breit berühmt: er ließ sich fast nie herbei, seine Kompositionen aufzuschreiben, zu weilen nur brachte ihn die bittere Not dazu. Immer mehr herabgekommen, spielte er noch zuweilen in Kneipen vierten, fünften Ranges, man sah ihn immer seltener, er schämte sich semer Herabgekommenheit, seines Lasters, das er doch nicht mehr von sich abzyschütteln vermochte. — Und so, eines Abends war er einmal halbberauscht zu Oswald Mentzel gekommen, hatte sich von ihm zu essen geben lassen und eine Weile auf dem Sofa gelegen, bis er plötzlich, einem Besessenen gleich, aufgesprungen war und zu Oswalds Geige gegriffen hatte. Was er dann ge spielt, — nicht etwa eine tolle Rhapsodie, wie der Zuhörer erwartet hatte, nein, etwas so süß Heimliches war's gewesen, ein holdes Liebesgeflüster, so daß die Saiten buchstäblich sangen und klangen wie eine Menschenseele unter dieses Zauberers Hand. Atemlos hatte Oswald gelauscht, — in eine andere Welt fühlte er sich versetzt! Vergessen die ganze Umgebung, der armselige, ver wilderte junge Kerl mit der verknitterten Wäsche, dem schäbigen Anzug, dieser Mensch, der eben noch halb verhungert über das Souper zu zwei Francs hergestürzt war das Oswald ihm aus der nächsten Garküche hatte holen lassen, . . . diese Musik, — 0, diese einzig schöne Musik! — Und als Oswald ihn dann mit halber Stimme, noch wie im Bann, gefragt hatte: „Was war das, Villot?" — da hatte jener aus seinem abgetragenen Ueberrock ein paar zerknüllte, wsinfleckige Notenblätter, mit einer abgehasteten, hingeschleuderten Schrift bedeckt, hervorgezogen, ihm in die Hand gedrückt und hatte mit bittereni Auflachen gesagt: „Wollen Sie es haben? Da für, daß Sie mir heut' zn essen gaben!" Und das war die „Serenade" gewesen! — Nie wieder hatte der junge Mentzel seit jenem Abend Andrs Villot wiedergesehen, — nie wieder von ihm gehört! Wer konnte sagen, ob er noch lebte, — in welcher Gosse dies unglückselige Dasein geendet? Die „Serenade" aber war mit Oswald nach Deutsch, land gewandert: nie hatte sie bisher ein anderer Mensch hier gehört; nur für sich ganz allein hatte er zuweilen diese Zauberklänge erwachen lassen. Und jetzt spielte er sie, und es war wie Sirenen gesang, — flehte, warb und flüsterte und lockte — lockte wie ein heiß hingehauchtes Liebesgedicht und starb hin gleich einem weich gedehnten Liebesseufzer! Sie weinten fast alle, die oberflächlichen, kalten Frauen, die lebenslustigen, berechnenden Weltkinder. Was in ihnen übrig war von Herz und Gemüt, das wurde unwider stehlich gepackt, — was von Leidenschaft und Daseinsdurst in ihnen lebte, das erwachte und begann zu leben, zu glühen unter diesen Tönen! Zu Ende — in einem sehnsüchtigen Klang, der wie ein Kuß verhauchte! „Oswald, Oswald!" Sein Name von allen Seiten. Er ließ wiederum den Bogen sinken, sah um sich her; mit diesem Erfolg konnte er zufrieden sein! „Himmlisch!" „Unsagbar!" „Biel, — viel schöner noch, als die Romanze!" „Wann hast du dies komponiert, Oswald?" Er gab die erste beste Antwort, — gleichviel doch, wie und wann, — genug, daß er es komponiert hatte! — Nun ja doch, — jal War sie nicht sein —sein Eigen- tum, diese Serenade? Hatte man sie ihm nicht geschenkt? Wo war Andre Villot? Tränen, — Helle Tränen auch dort, — in ihrem süßen Kindergesicht, — er blickte lange hinüber zu ihr, — da ging ein rosiger Schimmer über die weiße Moosrose hin! — Als Annemarie Lombardi eine halbe Stunde später zwischen Bankier Ringhaupt und Gattin, die sie heim- fuhren, im Schlitten saß, warm eingehüllt, den stern ¬ bestickten funkelnden Nachthimmel über sich, und rund umher all' diese weiße, starre Winterpracht, da vibrierte ihre junge, schönheitstrunkene Liederseele, wie die Saite einer edlen, feinen Geige, die fast zum Zerreißen an gespannt ist. ' Die beiden alten Leute ihr zur Seite konnten sich nicht genug tun in Ausrufen, wie: „Dieser Oswald! Wahr und wahrhaftig ein Genie! Die Serenade ist genial, die kann sich dem Besten an die Seite stellen, was man heutzutage hat!" „Dieser Duckmäuser» — uns allen, den eigenen Eltern sogar, ein Juwel, wie diese ent zückende Serenade, sp lange vorzuenthalten!" Annemarie stimmte nicht ein in diesen Enthusiasmus, — sie war froh, daß man sie nichts fragte, sie in Ruhe ließ? Unablässig zog es durch ihre Seele wie lockendes, kosendes Liebesgeflüster, — wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen. Es lag schwer vor ihr, — das Rätsel deS Lebens! Dreizehnte» Kapitel. „Liebe Annemarie! Du hast bereits durch Asta er- fahren, daß ich nun doch nach Paris gehe; ich nehme eine großmütig gebotene Freundesgabe als Darlehn an, hoffe, sie in einiger Zeit zurückgeben zu können. Wie lange ich fortbleibe, läßt sich heute noch nicht sagen, — eine lehrreiche und interessante Zeit liegt vor mir, — ich will sie nach besten Kräften nützen! — Auch Du wirst streben und arbeiten, ich weiß es, um baldmöglichst frei zu sein, auf eigenen Füßen weiter- zuwandern. Es wird wahrscheinlich nicht so schnell damit gehen, wie Du es Dir wünschest. Kunst istKönnen, — und alles Können will erlernt sein! Durch Asta hoffe ich bisweilen von Dir zu hören. Vergiß mich nicht ganz. Ich werde oft Deiner gedenken. Dein HanS Kühne." Ein wenig blaß, ein wenig fröstelnd, ein tvenig niedergeschlagen, — so saß Annemarie an dem Tage, der dem interessanten musikalischen Abend bei Brückners folgte, in ihrem Stübchen, den eben erhaltenen Brief Hans Kühnes auf den Knieen haltend. — So ging er denn, — war wohl schon gegangen, der Kindheitsgefährte, der Jugendfreund! Ernst nahm er das Leben und ernst seinen Beruf, — mit Nebendingen hielt er sich weiter n'cht auf! Sie war solch' ein „Nebending" für ihn, — gewiß, — ohne Zweifel! Wenig, wenig hatte sie von seiner Anwesenheit in Berlin gehabt! Er hatte sich um sie bekümmern wollen, aber das war nicht geschehen, — direkt wenigstens nicht! Vielleicht indirekt, durch Asta, — aber davon merkte sie nichts! — Und doch! Er war in Berlin gewesen, — sie hatte ihn auf der Straße getroffen, hatte durch seine Schwester von ihm gehört, — er war bei ihr gewesen! Jetzt . . . . in Paris! Wer weiß, wann er wiederkam, — ob über- Haupt jemals, und wenn es geschah . . . . wo war sie dann wohl? Eifrig lernen, — arbeiten, — ach, jawohl! Und „Kunst ist Können!" Ganz richtig! Nur immer kann man nicht streben und lernen, wenn man so jung ist, wie sie! Leben — das heißt doch auch: sich freuen, .... und jetzt eben ist ihr's so zu Mute, als hätte sie das Freuen gelernt, — das Freuen, das ihr daheim in der armen kleinen Häuslichkeit Lebensodcm gewesen war, — recht ihr eigentliches Element! — Sie blickt um sich. Heute früh hat man ihr all' ihre Geschenke geschickt, — die liegen noch alle so umher auf Stühlen und Bett und Sofa, wie sie sie den beiden Offi zierburschen aus der Hand genommen hat. Da steht auch in der hohen grünen Vase noch der große Mai blumenbusch, — die reizenden weißen Dolden hängen etwas matt die Köpfchen; sie möchten frisches Wasser haben, — mehr Wasser auf alle Fälle! Annemarie sieht es, aber ihr sind die Glieder so schwer, es ist ihr so unlustig zu Mut, — — sie mag nicht aufstehen und Wassxr holen! (Forts, folgt.)
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