02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.11.1904
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-11-01
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19041101025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904110102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904110102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-11
- Tag1904-11-01
- Monat1904-11
- Jahr1904
-
-
-
2
-
3
-
4
-
5
-
6
-
7
-
8
-
9
-
10
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Bezuß-.Prei» i» da Hauplexpedttty« oda da«, L«r-et— stelle» avgeholt: vtatrljührlich S—, bei »wrtmaltga tüalicher Zu stell«»« t»S -<n»S ull 8.7b. Durch dl» Post bezogen für Deulich- land n. Oesterreich vterlrliährlich ^l 4.80, für die übrigen Länder laut ZeUunqgpreKliste. Diese Rümmer ksftet aus allen Bahnhöfen und III I bei de» ZettungS-verttluferu K" «evattton ««» «rpedtttr^^ 183 Fernsprecha 2LL Jodanni-gafsr S. Ailtalep>rdttione«: Alfred Hahn, Buchhandla.,Universttt!t«str.» iFernspr. Nr. 4046), L. Lösche, Katharine». Irabe 14 (Fernsprecher Nr. 293b) u. König-- Platz 7 (Fernsprecha Nr. 7808). Haupt-Filiale Dresden. Marienstras>e34(Fernsprtcher Amt INr. 1718). Haudt-Siliale Berlin: TarlDunck r r, Herzgl.Bayr.Hofbuchba»dla, Lützowsirahe 10(Fernsvrecher«mtV1 Nr.460S). Abend-Ausgabe. MMAcr.TagMM Anzeiger. Zlmtsvkalt bes LSnlgllchen Land- und öes königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Nates und des Notizeiamtes der Ltadt Leipzig. «nzetgen-yrrt» die 6 gespaltene PetitzeUe 2S Reklamen ant« dem Redakttonöstrich (-gespalten) 78 nach de» Familiennach- richten (6 gespalten) SO Tabellarischer und Zisserulatz entsprechend höher. — Gebühren jur Nachweisungen und Offertenanaahme LS -ch. Annntzmeschlntz siir Anzeigen: Abead-Au-gab« vormtttagS IO llhr. Morgen«Ausgabe: nachmittag« 4 Uhr. Grtrn-Vctlngen (gesalzt), »nr mit der Morgen-AcSaab«, ohne Postbrsörderuug SO.—, m't Postbrsörderuug 70.—. Anzeigen sind steiS an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« abends 7 Uhr. Druck und Verlag von G. Pilz in Leipzig (Jr.h. vr. B., R. L W. Kliakhardt). 98. Jahrgang Nr. 557. Dienstag den 1. November 1904. Var WMigrte vom Tage. * Der Bundesrat erkannte die Regentschaft des Grafen Leopold zur Lippe-Biesterseld als zu Recht bestehend an und überwies die Erledigung der übrigen Streitigkeiten einem Schiedsgericht, das aus Mitgliedern deS Reichsgerichts bestehen und unter Borsitz eines deutschen Herrscher- tagen soll. (S. Leitartikel). * Als Nachfolger des bayrischen FinanzmiuisterS v. Riedel gilt Ministerialselretär Pfaff. * Die Leiche KrüaerS ist gestern in Rotterdam auf den „Batavier 8" übersüyrt worden, der sie nach Südafrika bringt. (S. AuSl.) * Die spanische Abgeordnetenkammer wurde gestern nachmittag geschlossen; die Fälle der gerichtlichen Verfolgung mehrerer Deputierter wurde dem Kassations hof überwiesen. (S. AuSl.) * Nach einer offiziellen Bekundung deS „BureauS Reuter" wird der Ort des Zusammentritts der internationalen Untersuchungskommission voraussichtlich in Frankreich sein. (S. russ.-engl. Konflikt.) Var «e«e cippe-Zchirärgerichl oller doppelt dillt derrer. Der lippische Erbfolgekrieg hat zu einem Waffenstillstand geführt, denn der Bundes rat hat sich dahin ausgesprochen: 1) daß die Regentschaft de« Grafen Leopold Biesterfeld zu Recht besteht, 2) daß die übrigen Streitigkeiten durch ein unter Vorsitz eines Herrscher» aus Mitgliedern des Reichs- gerichtS zu bildendes Schiedsgericht zu entscheiden sind. Danach hat der Kaiser, der in dem vielberufenen Romin- tener Telegramme den Grafen Leopold nicht als Regenten anerkannte, als König von Preußen die preußischen Stimmen im BundeSrate doch wohl für die Aner kennung abgeben lassen. Man darf dem Kanzler aufrichtig dankbar sein, daß er damit wenigsten- die ärgsten Befürchtungen zerstreut und einige Aussicht auf sachliche Erledigung der gräßlichen Angelegenheit geschaffen hat. Was nun das neue, zur abermaligen „definitiven" Entscheidung berufene Schiedsgericht anbetrifft, so löst eS zweierlei Gesühle aus. Man darf herzlich froh sein, daß der direkt gefährliche Plan eine- Fürstengerichts fallen gelassen worden ist. Denn daß er existiert hat, ist leider nicht zu bezweifeln. Wie eS heißt, ist Prinzregent Luitpold von Bayern dazu ausersehen, das angenehme Amt des Schiedsgerichtspräsidenten zu übernehmen. Fragt sich nur, ob er e- annimmt. Gründe genug, eS abzulehnen, dürfte er haben. Da sind hohe- Alter, Unpäßlichkeit und schließlich, wenn er mit bajuvarischer Derbheil reden will, unliebsame Erinnerungen. So die Chrouik recht berichtet, hat nämlich bereits einmal anno Domini 1897 ein ganz ähnliches Gericht getaget. Auch damals waren e- Mitglieder de- höchsten deutschen Gerichts hofes, die über den Lipper Streit ihren Spruch fällten, und auch damals präsidierte dem Gerichtshöfe ein hoher Herr, ver nicht nur Regent, sondern sogar ein König war, König Albert von Sachsen. Mau hat anscheinend den Takt gehabt, dem Neffen und Thronfolger König Albert- nicht erst zuzumuten, noch einmal ein ähnlich definitive- Urteil abzu geben. Aber daß ähnliche Gefühle den greisen Regenten von Bayern beschlichen, ist schließlich nicht ganz ausgeschlossen. Der Grafregent von Lippe hat sich dem Arrangement de- Bunde-rat- gefügt. Der Fürst von Schaumburg-Lippe hat dagegen seine offizielle Eiwilligung noch nicht ge geben. Immer dieselbe Erscheinung. Die Biestefelder, die nach dem Schiedsspruch berechtigten Erben und boati possiäoutss, sind mit allem einverstanden, unv die andere Seite — nun, die ist eS eben nicht. Es würde nun aber wirklich schon den Charakter gewollter Ver schleppung annehmeu, wenn die Partei, auf deren Betreiben die ganze Schiedsgerichtsprozedur noch einmal vorgenommen wird, nun auch noch au der Wahl de- Gerichts mäkeln wollte. Dem Reichsgericht wünschen wir, daß ihm eine abermalige Nichtbeachtung eine- Spruches, gefällt von einem Teil seiner Mitglieder unter dem Vorsitz eines deutschen BunveSsürsten, erspart bleibe, und den au-erwählten Schiedsrichtern wünschen wir gute Nerven. ver rurrir» englirche sisnMlit. Vie Englisch-Offiziellen. Gestern nachmittag Hot in London, im Auswärtigen Amt, wiederum ein Kabinettsrat stattgefunden, dem auch dsr Generalstaatsanwalt Sir R. Finlay bei wohnte. Vcrher hatte Balfour eine Audienz beim König, die eine halbe Stunde währte. Das Bureau Reutor gab bann eine Information aus, deren lehleSätze lauten: „Wenn die Voruntersuchungen, welche in Hüll und Vigo von den englischen resp. den russischen Behör- den angestellt sind, beendigt sein werden, werden Ab geordnete, welche England und Rußland vertreten, vor der internationalen Kommission erscheinen, um den Fall zu begründen und Zeugen wenn nötig vorzubringen, welche einem Kreuzverhör unterworfen werden. Der Ort des Zusammentrittes der Kommission ist ncch nicht bestimmt, voraussichtlich wird er in Frank reich sein. — Aus Kopenhagen liegt das bezeich nende. auf den 31. datierte Telegramm vor: Die Kaiserin-Witwe von Rußland hat heute nachmittag gegen 3 Uhr die Rückreise nach Rußland angetreten. Die geheimnisvollen Beste «n- andere -eegeschichten. Der Petersburger Korrespondent deS „Daily Ex preß" will von hochgestellter Seite erfahren haben, das russifckie Marineministerium habe jetzt bestimmte Nach richt, daß die Ostfeeflotte auf ihre eigenen Tor- pedoboote feuerte. Diese verrichteten Rekcgnos- zierungsdienste vor -er Flotte. Als zwei von ihnen plötzlich vor dem voransegelnden Transportschiff er- schienen, signaisierte der wachthabende Offizier hastig, er werde angegriffen. Eiw Torpedoboot fuhr schnell am Bug des Transportschiffes vorüber und entflch, so bald gefeuert wurde. Der Kommandeur des zweiten Torpedobootes glaubte, er werde von Japanern an gegriffen, und erwiderte das Feuer mit Schnell- feuergeschützen. Mebrore Leute auf dem nächsten Schlacht schiff wurden verwundet, darunter zwei auf der vorderen Brücke. Die Brücke wurde häufig getroffen. Ter Kommandeur des Torpedoboots bemerkte seinen Irrtum zuerst, gab in ve»rzweifelter Ha st S i g- nale ab und entkam schließlich aus der Schußun e. Drei Schlachtschiffe feuerten jedoch weiter, wobei die eng- lischen Fischerdampfer getroffen wurden. Admiral Roschdjestwensky hielt eine Untersuchung ab, ehe er nach Cherbourg kam, wußte aber noch nicht, daß neutrale Schiffe verletzt wahren. Der Kommandeur des Torpcdo- bocts wird vor das internationale Tribunal berufen werden. Zu dieser Kolportageskizze stimmt eine Mel- düng des „Petit Journal" aus Lorient, wonach dar Kapitän Hansen, der dort mit der Galliot „Annysoyen' eingetroffen ist, genötigt war, sich der englischen Küste zu nähern. Er sah bei dieser Gelegenheit auf eng- lischen Dampfdrücken Japaner und sah deut- lich die Verladung von Explosivstoffen auf englische Fahrzeuge. Das alles, versichert Ka- pitän Hansen, vollzog sich ohne Heimlichkeit in Gegen wart zahlreicher Nichtengländer. Da» Schlfisvenksntre. Nach einer Depesche des „Bsrl. Lok.-Anz." auS Vigo hatten die Engländer 49 Schiffe auf der Linie zwischen Gibraltar und der Hafeneinfahrt von Vigo postiert, die bereit waren, den Russen den Weg zu verlegen für den Fall, daß sie den englischen Forderungen nicht nach- gegeben hätten. Angesichts der günstigen Wendung, d e oer Konflikt genommen hat, ist d i e Linie wieder aufgelöst worden. Ein Teil der Sckjffe ist nach Norden, der andore nach Süden gegangen. Die eng lischen Kreuzer „Suffolk", „Endymicn", „Theseus" und „Hormes" sind, von Süden kommend, in Äillegarcia e n- getroffen. Man erwartet die Ankumft weiterer eng lischer Kriegsschiffe. Zwei englische Kreuzer sind zu einer Kreuzfahrt ausgelaufen. Sie sollten gestern abend zurückkchren. — Der „Köln. Ztg." wird aus Tanger gemeldet: Der russische Admiaal beabsichtigt, in Tetuan zu kohlen, wenn dort der Wind günstiger geworden ist. — Marokko hat den in Tanger liegenden Transport schiffen die Erlaubnis erteilt, beim Kohlennehmen der Russen tätig zu sein. Nach einer Meldung aus Algier sind die russischen TorpedobcotSzerstörer „Bedowy", „Brawy" und „Bystry" aus Tanger heute angekommen; sie worden ihren Kohlenvorrat erneuern und weitere Befehle abwarten. Nach einem Telegramm aus Corcubion (Pro vinz Corukla) fuhr eine Flottendivision, anscheinend ein Teil des russischen Ostseegeschwaders, ani Kap Finisterre vorbei in die See und nahm dort Schießübungen vor. ver Humana in ZiiamrtaMIra. Ver Aampf bei spackrinr gegen die Hottentotten. Ueber den Verlauf des Gefechts der zweiten Ersatz- kompagnie, die, wie berichtet, gegen eine bei Packrim stehende Hottentottenabteilung entsandt war, telegra phiert General v. Trotha aus Windhuk: Die 2. Ersahkompagnie unter Krüger griff mit 87 Ge wehren einschließlich 19 Mann der Fcldrelegraphenabteilung am 27. Oktober den Feind bei Packrim an; sie gewann von der ersten Stellung 800 Meter Terrain, ging dann aber auf die Handpferd« zurück, als der Feind diese mit 30 Reitern bedrohte. Der Feind wurde auf 100 Gewehre ge- schätzt; er verlor 3 Tote. Diesseits ist ein Mann tot, ein Mann leicht verwundet. Krüger blieb in einer Stellung zwischen Kub und Packrim. Nach dem Eintreffen der 2. Kompagnie des Regiments 1 ist erneutes Vorgehen auf Packrim angeordner. Die vorstehend gemeldeten Verluste haben folgende Leute betroffen. Gefallen ist Gefreiter Stanislaus Nawotka, früher im 5. Chevauxlegers-Regiment; verwundet: Reiter Wilhelm Jürgens, früher im Jnfanterie-Regiment Nr. 31, Fingerblessur. Nach der^.Schles. Ztg." sollte in Südwestafrika der Leutnant v. Stülpnagel lebendig in die Hände der Herero gefallen sein. Von einem der nächsten Verwandten des Leutnants wird jetzt mitgeteilt, daß diese Nachricht falsch ist. v. Stülpnagel geriet als Patrouillenführcr am 11. Oktober mittags niitten zwischen die mit der Masse deS Viehes abziehenden Herero, wurde aus nächster Ent fernung von verschiedensten Seiten beschossen und stürzte mit dem Pferde. Er kam aber ohne Verlust an Leuten und Pferden zu seiner Truppe zurück. ver riirrkch-iapankebr Krieg. Jur -ritten Frie-enskonfsrsnz-Gfiortt -er Union hat, wie der im Haag befindliche Korrespondent der „Frkft. Ztg." mitteilt, der japanische Gesandte Mitsuhoshi erklärt, für den Ort und die Zeit werde die Majorität der eingeladenen Regierungen maßgebend sein, aber selbst wenn sie während des Krieges stattfinden würde, dürfte Japan nicht abgeneigt sein, an ihr teilzunehmen. Es komme dafür lediglich auf die Auswahl der zur Be- ratung zugelassenen Gegenstände an. Auf die Frage, ob z. B. die Behandlung des Begriffes KriegSkontre- bande Japans Genehmigung finden würde, antwortete der Gesandte bejahend, da ja Japan sein Programm ver öffentlicht und von den neutralen Mächten genehmigt ge sehen hätte. Von russischer Seite wurde demselben Kor respondenten die private Ansicht geäußert, daß die Kon ferenz wohl kaum vor Ende des Krieges zusammentrelen dürfte. Bei der holländischen Regierung ist bis jetzt eine Einladung dazu noch nicht eingetroffen. Japanische Arßegofienern. Die „Times" melden auS Tokio vom 28. Oktober: Die japanischen Finanzleute treffen bereits Vorkehrungen für das neue KriegSjahr. Es sollen neue Einnahly-n im Betrage von 770 Millionen Aen erschlossen werden. Man rechnet 55 Millionen Steuermehrerträge im Der- gleich zum Voranschlag; 75 Millonen sollen die bereits bestehenden Kriegssteuern, 90 Millionen neue Kriegs steuern erbringen; 550 Millionen sollen Lurch Anleihen aufgebracht werden. Durch die neuen Kriegssteuern wer den hauptsächlich die Einkünfte aus dem Salzmonopol und Seidenfabrikate getroffen. Ferner sind Erhöhungen der Land-, der Einkommen- und Geschäftssteuer, sowie weitere Zölle vorgesehen. Von» Arieg»schauplatz meldet General Ssacharow, der bisher Chef des Feld- stabes der ersten Mantschurei-Armee und zum Stabschef des Oberkommandierenden der Streikräfte im fernen Feuilleton. Die heilige Caerilie. - Roman von Marie Bernhard. , Nachdruck verboten. ' „Welche Lebensaufgabe denn?" „Ein nützliches Mitglied der menschlichen Gesellschaft zu werden!" „Der deutschen oder dsr amerikanischen?" „Gleichviel welcher! Wem nützest du mit den Millionen deines Vaters?" „Ist es nicht am Ende genügend," fragte Holbein langsam, indem er seine intensiv blauen Augen ruhig auf den Freund richtete, „daß mein alter Herr mit seinem Gelbe gutes stiftet? Denn das tut er notorisch! Er hat nun neuerdings wieder in Philadelphia ein Hospital gegründet — nicht eine Summe etwa beigcsteuert, ver stehst du, sondern selbständig gegründet, — und zwar ohne Ansehen der Nation, und er erlaubt nicht einmal, daß das Hospital seinen Namen tragen darf!" „Das ehrt deinen Vater und gefällt mir von ihm, — es schließt aber nicht aus, daß der Sohn auch seinerseits etwas tut!" „Krankenhäuser kann ich keine stiften! Vater hat sich das Geld allergrößtenteils selber erworben, er kann da- her in großem Maßstab darüber disponieren!" „Und du gehst hin und gibst dies Geld auS!" „So tue ich! Ist nicht dies ein Zweck, so gut, wie jeder andere? Ich bring' es ja nicht im Hazard oder in übertriebenem Sport oder in wüsten Weibergeschichten hin, — ich mache mir mein Leben so angenehm ich kann und lasse andere Leute an mir verdienen! Soll ich mich mit einem Examen abqnälen, um spater Rezepte zu schreiben oder als Staatsanwalt arme Teufel zum Tode zu verurteilen?" „Wer wie eine Drohne mitten unter Arbeitenden lebt, ohne den geringsten Nutzen zu stiften." — „Nutzen, — immer nur Nutzen! Ihr Deutschen mit eurem Pflichtfanatismus und Nützlichkeitsprinzip wißt ja gar nichts vom Leben! Ist denn Leben bloß arbeiten? Ist Genuß nicht auch Daseinszweck?" „Meiner nicht! Nie und nimmer! Es gibt einen Goetheschen Spruch: was du ererbt von deinen Vätern hast, — erwirb es, um eS zu besitzen!" „Er hat es aber recht gut verstanden, trotz dessen sich seines Daseins zu freuen, euer großer Nationaldichteri Er hat das oorpns jnris seelenruhig an den Nagel ge- hängt, als ihm die Sache zu öde wurde!" „Du wirst dich hoffentlich nicht mit Goethe vergleichen wollen, mein lieber Frank Holbein der jüngere! Der Mann hat studiert, sehr ernsthaft studiert bei aller Genia lität! Du aber dilettierst hier und da herum, neuerdings auf dem Gebiet der Malerei, — ich weiß, du willst mir wieder anzuhören geben, daß ich deine Leistungen nicht kenne, mithin nicht kritisieren darf. Wenn diese Leistungen aber auf dem Niveau derjenigen stehen, die du als Jurist und Mediziner vollbracht hast, von deinen philosophischen Exerzitien ganz zu schweigen, — dann, verzeih' mir, können sie mir keine allzu große Achtung abnötigen!" Stumm sah der Amerikaner dem Freund eine kleine Weile in daS erregte, geistreiche Gesicht, in die flammen- den Augen. Warum wollte ihn Hans Kühne mit Ge walt zum Pflichtenmenschen, zur Arbeitsbiene erziehen? Am letzten Ende doch nur, weil er ihn gern hatte, weil er etwas von ihm hielt, weil es ihm leid tat, daß hier Kräfte und Fähigkeiten brach liegen sollten, die dem Ideal des jungen Arzte-, der Menschenbeglückung, dienen konnten? Beglückung durch Arbeit!! Denn nur dies mehr nach Frank Holbeins Geschmack gewesen wäre! Wenn es ihm Nur nicht das Schicksal so leicht gemacht hätte, seinen Weg im Leben zu finden, — ihm nicht diesen unerschöpflich reichen und ebenso unerschöpflich guten Vater gegeben hätte, der ihm hundertmal lächelnd gesagt hatte: „Tu', was du willst, Dl-Lokis (war! Studiere oder male, reise oder bleib' daheim, aber sei glücklich! Mach' dir dein Leben angenehm, do^, — du kannst es haben!" Er war kein krasser Egoist, dieser Millionenerbe, — ganz und gar nicht! Er hatte wahr gesprochen, als er soeben behauptete. „Ich lasse andere Leute an mir ver dienen!" Mehr als das! Er half Bedürftigen, wo und wie er konnte, heimlich oft, ohne Namensnennung, einzig, um des guten Zweckes willen. Er würde auch Hans Kühne freudigen Herzens geholfen, ihm von seinem Uebcrfluß gegeben haben, — aber er wußte, damit durfte er ihm nicht kommen! Stolz wie Luzifer war der arme junge Student gewesen, — jeden Taler, den er sich jemals in augenblicklicher Verlegenheit von dem reichen Freunde geliehen, hatte er ihm zurückgezahlt, all' die Theatcrbilletts, Spazierfahrten, kostspieligen Geschenke ohne weiteres abgewehrt: „Ich habe keine Zeit für solche Dinge, keine Verwendung für Luxusartikel! Ich muß vorwärts, darf mich nicht mit Nebensachen aufhalten!" — Kein liebenswürdiger Mensch, dieser da, weder leicht lebig noch amüsant.... und doch ... „Rächen werde ich mich an dir!" sagte Frank jetzt endlich laut. „Deine verloren gegangene Hochachtung, die werd' ich mir erzwingen, ....malen werd' ich dich, und s o zwar, daß du einsehen lernen sollst, wozu am Ende Mutter Natur mich auS dem Holz geschnitzt hat, das nun 'mal kein Nutzholz werden will!" „Du mich malen ? Dielen Dank! Glaubst du, ich werde Zeit und Lust haben, dir stundenlang zu sitzen?" „Nein, daS meine ich nicht! Ich brauch« dich nicht! Dich treff' ich auch s ol" „Wirklich? Du scheinst eine ziemlich hohe Meinung von deinem Können zu haben!" „Will ich! Muß ich! Ohne Selbstbewußtsein tut sich's nicht im Leben, das weißt du am Ende ebensogut. wie ich! Wiedersehen also! Ich lasse mich einstweilen in Berlin nieder, — hier meine Karte! Atelier suche ich mir noch. — Und wenn ich dir jetzt irgendwie dienen kann,.... du weißt, was ich meine" .... O ja, Hans Kühne wußte! Und er hörte in eben diesem Augenblick im Geist die etwas trockene, knarrende Stimme seines Chef-Arztes, des alten, berühmten Ge heimrat W., wie sie erst gestern zu ihm gesagt hatte: „Sie sollten suchen, einmal nach Paris zu kommen, lieber Kühnel Sie sollten alle Hebel in Bewegung setzen, um dies zu können! Es gibt mächtig viel dort zulernen, — Sie dürfen in all? Kliniken hinein, sich die Einrichtungen, die Kranken ansehen, — alles, was Sie sich hier auf Um wegen und nicht ohne Mühe theoretisch aneignen, das bietet sich Ihnen in Paris in der Praxis im Hand umdrehen! Gerade für Sie wäre ein Aufenthalt dort vom allergrößten Nutzen, — Sie sind ja der gekorene Klinizistl Wenn ich Ihnen das sage, können Sie es glauben. Es wird sich doch irgend ein guter Freund finden, der einem so strebsamen, tüchtigen Menschen wie Sie die nötigen zweitausend Mark borgt, wenn er den Zweck davon kennt!" Hier stand dieser gute Freund vor HanS Kühne in . greifbarer Nähe, — stand da und hielt ihm die Hand hin mit einem aufmuntsrndcn, bedeutsamen Blick, der sagen zu wollen schien: „Besinn' dich nicht lange, Menschenkind! Schlag' ein!" Was waren einem Frank Holbein zweitausend Mark? Ihm, der von so vielen fremden Leuten au-genutzt wurde, und, gutherzig, wie er war, sich oft auch auSnutzen ließ, wenn er die Betreffenden durchschaute! Seinem besten Freunde, den er in Deutschland hatte, würde er mit Wonne diese für ihn so geringfügige Summe gegeben haben, ohne mit einem Wort nach der Rückzahlung zu fragen! Eben aber, — HanS Kühne fragte sich selbst danach, und er konnte nicht sagen, wann und wie er diese Rückzahlung jemals würde leisten können! —
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- No fulltext in gridpage mode.
- Show single page
- Rotate Left Rotate Right Reset Rotation
- Zoom In Zoom Out Fullscreen Mode