01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-09-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040919013
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-09
- Tag1904-09-19
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Die Lrpedition ist wache«tagt ««unterbrachen geöffnet von früh 8 bis abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von U Psh i« Leipzig (Inh. l)r. B. R. » W. SUnldardtl 98. Jahrgang. Nr. ^78. Montag dm IS. September 1904. Var AichNgtte vo» tage. * -Erst Herßert vts««nk Ist geft»r»7n. ,'5. Leitartikel.) * 9« dm «eisten Städten Ätall«» herrschte gestern vollkommen« Ruhe; an mehreren Stelle» wird beute die Arbeit wieder «ufgen»n^»en. (G. Letzt' Nachr.) * Die tOOKilometer- Meisterschaft von Europa gewann auf der Leipziger Bahn Robl in 1 Stunde 17 Mm. 32»/» Sek. (S. Sport.) siirrt Herbert virnar« -rtebrühsrnh, 18. Septenlter. Fürst Herbert Bt»»arck tst »ente «orgm 1V Utz» 1» Mtn. gestörte«. Bor einigen Tagen tauchte in der Presse die Alarm- nötig auf, Fürst Bismarck sei schwer erkrankt und sein Zustand gebe zu Besorgnissen Anlaß. Diese Nachricht mußte befremden: denn bisher war niemals davon ge sprochen worden, daß Fürst Bismarck etwa ernstlich leidend fei. Die physische und psychische Organisation LeS Fürsten wurde freilich von jeher unter die all- umfassende Rubrik „nervöS" eingereiht und die politisch Interessierten wußten, auch wenn sie dem Hause Bismarck persönlich nicht nahestanden, daß Fürst Herbert nicht die unverwüstliche Lebenskraft seine- großen Vaters ge- erbt hatte. Nun ist der Fürst in der vollen äußeren Rüstigkeit der reifen Mannesjahre einem schleichenden Leiden erlegen. ES ist eigentümlich, welchen peinlichen Eindruck diese Todesnachricht hervorruft. Nicht etwa, daß ganz Deutschland trauernd an -er Bahre des Dahin- geschiedenen stände: Fürst Herbert hat in seiner politischen Laufbahn keine Taten verrichtet, die dazu berechtigten, in ihm noch eine Hoffnung des Vaterlandes zu erblicken. Er war keine fortreißende Persönlichkeit, hatte nicht die Gabe, die Massen in seinen Bann zu zwingen und war zwar ein liebenswürdiger, politisch sehr unterrichteter Mann, der außer suchen Vorzügen noch über eine seltene Arbeitskraft verfügte, aber er gehörte nicht zu den ganz Großen, an denen niemand vorübergehen kann, ohne in Liebe oder in Haß für oder gegen sie zu entbrennen. In seinem Wesen fehlte auch der revolutionäre Einschlag, der dem Fürsten Bismarck zu so ungeheuren Umgestal tungen befähigte. Fürst Herbert wäre, wenn das Schick- sal ihn an die Spitze der Regierung geführt hätte, sicher kein schöpferischer, sondern ein nichts^ls-konservativer Staatsmann geworden. Er wäre in den Geleisen der Tradition fortgeschritten und vielleicht wäre es ihm ge- lungen, den Kurs stetiger inne zu halten, als dies seit BiSmarckS Stur- die leitenden Staatsmänner Deutsch- lands vermocht haben. Ueber eigene politische Gedanken verfügte Fürst Herbert nicht. Er hütete nur den ihm vom Vater hinterlassenen Hort; sorglich, aber wie uns scheinen will, nicht immer verständnisvoll. Er erschien ein wenig als ein Ewig-Gestriger, wenn er die Leitsätze de- Fürsten in gänzlich veränderten Situationen wie derholte, ohne zu bedenken, daß sein Later, der große Staatskünstler, niemals beabsichtigte, unerschütterlich« Axiome für Zeit und Ewigkeit aufzustellen. Ahm fehlte die Erkenntnis von der Relativität der Dinge und in diesem Zuge stand er den Radikalen, die ihn so ost verhöhnten, insofern nahe, al- er gleich jenen sich vom politischen Doktrinarismus nicht loszumachen ver mochte, nur freilich hieß diese Doktrin bei dem Fürsten mit einem einzigen Worte: Bismarck. Die Ansichten seine- Vaters waren ihm heilig; an ihnen durfte nicht gerüttelt werden. Das war pietätvoll und menschlich begreiflich, aber dies» Tendenz verhinderte ihn daran, dem Bedürfnis einer vorwärtsdrängenden Zeit gerecht zu werden. Tanz im Gegensatz zu -em großen Vater, der allen Bewegungen voranschritt, sie ost in» Leben rief, niemals aber ihnen nachhinkte, blieb der Fürst ein Volttischer Nachzügler und so bemächtigte sich seiner Per- sönlichkeit der Kreis der Scharfmacher, die auf den Zauber des Namen» Bismarck rechneten. In der Presse ist Traf Herbert ost als ein rückständiger Junker «um pbre« Largestellt worden, der lediglich der Protektion seines allmächtigen Vaters die rasche Laufbahn verdankt habe. Diese Darstellung ist gehässig. Im Hause eines Bismarck, -em, wie erst jüngst sein Urteil über Heine oieder bewies, nichts Menschliches fremd war, in einem olchen Hause war für Engherzigkeit kein Platz. Aber uch was politische Begabung anbelangt, stand Fürst Herbert ganz sicher auf derselben Höhe wie die leiten« en Männer von heute, nur daß eben diese Höh« im vergleiche zu der Periode der siebziger Jahre und ihrer Kapazitäten uns nur wie eine Niederung erscheinen oill. Denn wir auch nicht der Ansicht find, daß Deutsch, and in dem Fürsten Herbert einen großen Staatsmann »erkoren hat, wenn wir auch glauben, daß es ihm nie- nal» gelungen sein würde, sich neben dem Kaiser al» elbständige Persönlichkeit zu behaupten, so können wir ins doch nicht verhehlen, daß er sei» letztes Dort nicht sprechen konnte, und daß auch auf seinem Leben ein tragischer Schatten ruht. In jenem Augenblick, als Kaiser Wilhelm H. den Fürsten Herbert vor die Wahl zwischen seinem Vater und seinem König stellte, war das Leben diese» Mannes gebrochen. Nach alledem, was in jenen für die deutsche Nation unvergeßlich schmerz- lichen Lagen geschah und wa» dann von den beiden, gleich leidenschaftlichen Männern gesprochen wurde, war eine Rückkehr de» Fürsten Herbert in eine hohe Staatsstellung unmöglich. Die Presse hat ihm oft die Ambition auf irgend einen Botschastervosten nachgesagt. Gewiß mit Unrecht. Jede andere Stellung als die de» Leiters der gesamten deutschen Politik erschien dem Fürsten Herbert als seiner unwürdig. Auch mußte ja die Erkenntnis, daß sein ganzes Naturell dem de» regierenden Herrn z« wenig entsprech«, sich immer mehr und mehr m ihm stärken, und Fürst Herbert hatte weder von väterlicher noch mütterlicher Seite jene — natürlich ebenfalls patriotischen Er wägungen entsprungene — AnpassungSkrast und Refig- nattonSfähiakeit überkommen, die die Herren Caprivi, Hohenlohe und Bülow in mehr oder minder hohem Grade auszeichneten. So mußte der Fürst den Traum, auch seinen Namen in die Annalen des Vaterlandes einzu- graben, früh bestatten, und da» mag er nur mit tiefem Schmerz und bitterem Troll getan haben, denn er war doch zu sehr ein Bismarck, um nicht die Hand nach großen Zielen auSzustrecken. Wie um die Navoleoniden, so schwebte auch um ihn die Magi« der weltgeschichtlichen Persönlichkeit, die sein Vater war. Schwerer al» Graf Wilhelm fand er sich in da» Lo», nur ein tüchtiger und gebildeter Mann zu sein, der unter seinen Standes- genossen immerhin vorbildlich wirken konnte. Er mochte auch, wenn er die Politik der letzten zwölf Jahre be- trachtet«, Grund genug haben, an der Kapazität der Nach folger Bismarck» zu zweifeln und sich im stillen da» Zeysp>; nis auszustellen, daß er doch die stärkere Persönlichkeit sei. Aber solche Betrachtungen waren freilich wenig geeignet, ihm Frieden zu geben. Nun ist e» mit der „Bismarckfronde" vorbei, und vielleicht atmet mancher er leichtert auf, da die in dem Fürsten Herbert verkörperte Erinnerung und Mahnung an biSmarckische Tradition erloschen ist. Wenn wir das Bild de» Verstorbenen mit unpar teiischer Ruhe betrachten, so müssen wir seinen Tod immerhin al» einen Verlust beklagen, denn er war ein aufrechter Mann von nicht gewöhnlichen Gaben, die er mit zäherem Fleiß entwickelt hatte, als eS in seinen Kreisen üblich ist. Er war keineswegs eine Null, eine Nichtigkeit, und wenn die Gestalt des märkischen Riesen, der sein Vater war, ihn nicht kleiner erschienen ließe, so würde jeder ihm zugestehen müssen, daß er unter den Besten unserer Zeit einen ehrenvollen Platz einzunehmcn vermochte. * Nikolaus Heinrich Ferdinand Herbert Fürst von ViSmarck wurde am 28. Dezember 1819 al« Sohn de« Fürsten Otto v. Bi-marck und seiner Gemahlin Johanna geb. v. Puttkamer geboren, studierte di« Rechte und machte den Feldzug 1870/71 mit, worin er bei Mar« la Tour schwer verwundet wurde. 1873 trat er in den Dienst des Auswärtige» Amte«. Bei den Gesandtschaften in Dresden und München und dazwischen mehrfach beim Reichskanzler beschäftigt, wirkte B. bet den Grsandychaften in Bern und Wien, diente dann aber 1877-—8l feinem Vater unmittelbar, ward 1882 Botschaftsrat in London, Anfang 1884 in Petersburg, Juli 1884 Gesandter im Haag, kam am Ende 1884 in« Auswärtige Amt und ward Mai 188k UnttrstaatSsekretär. B. wurde 1884 zum RrichStag-abgeordneten aewädlt; doch erlosch sein Mandat mit seiner Ernennung zum Staatssekretär im Auswärtigen Amte 18. Mat 1886. Er blieb in dieser Stellung bi« zur Entlassung seine« Vaters 1890 und gevört seit 1898 wieder den« Reichstag an. Seit 21. Juni 1862 ist er mit der Gräfin Margarete HovoS vermählt. Nach dem Tode des BaterS (30. Juli 1898) erbte er den fürstlichen Titel. Die direkte Erbfolge t» Mannesstamme ist gesichert. * * Friedrichsrnd, 18. September. Fürst B i» m a r ck, der bereit» die letzten Tage hindurch bewußtlos gewesen war, starb, ohne daSDewußts«ln wieder erlangt zu haben, nach kurzem TodeSkampfe. Die Beisetzung des Fürsten erfolgt am Mittwoch, den LI. d. M., im hiesigen Mausolrum. E» find bereits zahlreich« Betleid»telegramme hier einge- gangen, darunter von Seiner Majestät dem Kaiser und dem König von England. ver ntttirch-japseirche Weg. Loitze» tzer NichtkombGttGGtev. Der Korrespondent -er „Daily Mail" in Mukden schildert in einem langen Telegramm die Leiden der Be wohner der Mantschurei. Zahlreich« chinesische Flücht- Nnge treffen in Mukden «in, wie st« in früheren Stadien de» Krieges nach Haltschöng und nach Üiaujang flüch teten. Auf jed«m Wege ziehen lange Züge chinesischer Familien schweigend heran. Ehinesenkarren, von dürren Ponie» und Eseln gezogen, tragen neben Frauen und zahlreichen Kindern di« geringen Kvrnvorräte, die den armen Leuten noch geblieben find. Weniger Glückliche tzleppen sich mühsam zu Fuß durch den mantschurischen Schlamm. Da» einzige, was sie retteten, find ihre Kin- der. Die ganze Ernte und ihr« Häuser mußten si« der zerstörenden Wut de» Krieges überlasse«. Das Tal des Hun und hie Dorf« am »eg« «ach Ginminting find verödet und die ganz« fruchtbar, «bene -es Süden» ist entvölkert. Aber nicht nur nach Mukden, sondern auch weiter nach Westen fliehen die unglücklichen Leute über den Liaofluß hinüber, trotz der Gefahr, die ihnen dort von den Chunchusen droht. Im Osten geht die Flucht in dieselben Urwälder, in denen während des Borerauf standes die eingeborenen Christen von den Beeren des Waldes kümmerlich ihr Leben fristeten. Tie Leute wissen eben nicht mehr, wohin sie fliehen sollen. Sie wissen eben nur, daß der Verbleib in der Heimat Tod und Verderben bedeutet. Die Granate respektiert keine Neutralität, und selbst diese Neutralität ist gefährlich, da jeder der Krieg führenden die neutrale Bevölkerung im Verdacht hat, mit dem Feinde zu konspirieren. Daraus erklärt eS sich, daß in den Distrikten um Liaujang eine so große Anzahl von Dörfern in Flammen aufging. Die chinesische Bevölkerung wird sich jetzt erst des ganzen Elends dcS Krieges bewußt. Anfangs glaubte sie, auS dem Kriege Vorteil ziehen zu können, denn es fehlte nicht an Arbeit, und der Arbeiter wurde gut bezahlt. Für den K»ki schien eine herrliche Zeit angebrochen zu fein. Einige Händler mögen auch großen Profit gemacht haben, denn die Soldaten, die heute Lebensmittel und Feue- rungSmalerial ohne lange» Fragen nehmen, wo sie eS finden, zahlten in der ruhigen Zett gut für Brot, Brannt wein und Cigaretten. Die chinesischen Farmer haben aber unter dem Kriege nur gelitten. Tie Russen zahlten zwar in generösester Weise für die beorderten Liefe rungen, aber schuftige Dolmetscher und gewandte Zwischenhändler schluckten daS russische Geld. Zahlung de« Eintrittsgeld«« von den Hausgewerbetreibenden bei den Kassenverwaltungen Klage geführt worden ist. Hierbei sollen sich die unteren Verwaltungsbehörden darüber äußern, ob bei den Erwerb«- und LebenSverhältmssc» der Hausgewerbetreibenden in den einzelnen örtlichen Bezirken die Erhebung von Eintrittsgeld al» erhebliche Belastung zu betrachten ist- * Zum sozlaldemokrattschnr Parteitag, der beut« in Bremen beginnt, äußert sich die „Norvd. Allg. Ztg." in ihrer üblichen Wochcnrunvsckau wie folgt: Wa- da krm:«r wird, können wir in Ruhe abwarten. Da vergangene Ja»": leit Dresden, wie noch die allerletzte Zeit hat un genügsam bewiesen, wie vieles faul und oberfaul ist in dem Staat im Staat, Leu d-- Sozialdemokratie bilden möchte. Wer ein richtiger „Genosse" ist, muß die Anhänglichkeit an gar viele- über Bord werfen, was i"s gewöhnlichen Sterblichen wertvoll oder gar das Höchste zu sein pflegt Wenn man jemand in der Weile al« charakterlosen Menschen beurteilt und öffent- lich bloßstellt, wie dies dem Abgeordneten Schippet seilen« einfluß reicher Parteihäupter geschehen ist, dann muß man auch danach handeln, denn sonst läßt sich die Schlußfolgerung nicht umgehen, welche die öffentliche Meinung auch unweigerlich ziehe» wird, daß Ldarakrer und ManncSehre bei solcher Partei überhaupt nicht hoch im Preise stehen und zu den Requstten zählen, die wohl nötigenfalls auch entbehrt werden können. Aber mag eS der Fall Schippet, mag es etwas anderes sein — die Unklarheiten und Selbstwider- splüche in der heutigen Sozialdemokratie haben eine» Umfang an genommen, daß sich von einem Parteitag, den sie abhält, in erster Linie ihre Gegner Freud« und Anregung versprechen dürfen. Deutsches Keich. Berlin, 18. September. * Hofnachrichte«. Der Kaiser, welcher sich bei seinem gegenwärtigen Aufenthalte auf seiner GutSherrfchaft Cavinen der Pürsch« auf Rehböcke widmet, wird am Montag früh 4 Uhr wieder von dort adreisen. Die Fahrt gebt über BraunSberg—Königsberg nach Cranzberk, wo der Monarch den Prllaurr Dampfer „RautuS" besteigt, um sich über da« Lurische Hast zunächst nach 3ase und von dort zu Wagen in da« Elchrevier Peith zu begeben. D»e Kaiserin wird mit der Prinzessin viktorra Luise am kommenden DienStag da« neue Palais bei Potsdam verlassen und über Elbing nach Stallupönen reuen. Dort wird die hohe Frau am Mittwoch nachmittag mit dem Kaiser Zusammentreffen, worauf das Kaiserpaar und die Prinzessin gemeinschaftlich die Weiterreise nach Rominlen fonsetzen werden. Die Ankunft im dortigen Jagdschloß ist auf Mittwoch nachmittags 3'/, Uhr festgesetzt. Der Aufent halt der Majestäten in Romiuten wird bis zum 5. Oktober nachmittag- dauern. — Während der Anwesenheit dcS Kaisers in Cadinen bezw. Peith und Rominten ist zwischen Berlin und dort ein regelrechter Kurierdienst eingerichtet worden. Jeden Morgen trifft mit dem Berliner Schnellzuge ein kaiserlicher Kurier ein, der die vom Kaiser zu vollziehenden Regierung-alten überbringt und an demielden Abend mit den erledigten Sachen wieder nach der Relchsbauptstavt zurück kehrt. Gleichzeitig ist in den genannten Orten ein besonderer Post- und Telegrapbendienst eingerichtet. * Reichskanzler Graf Bülow, welcher seit einiger Zeit mit seiner Gemahlin, seiner Schwiegermutter und dem Gesandten vr. Rücker-Jenisch in Bad Homburg v. d. H. Au,enthalt genommen hat, gedenkt vor seiner endgültigen Rücklehr nach Berlin noch einige Tage in Klein-Flonbek, dem Gute seines Neffen vr. Rücker-Jenisch, zuzubringen. * Französische „Ansichten". Ter Pariser Korrespon dent der „Times" entnimmt dem „Journal" die Behaup tung, die Kohlenversorgung des russischen Ostsee geschwaders auf der Fahrt nach Ostasien sei von deutschen Lieferanten organisiert. Tie Ueberyahme der Kohlen werde auf hoher See an genau bezeichneten, vereinbarten Punkten, die nur Kaiser Nikolaus und Kaiser Wilhelm bekannt seien, stattsinden. Diese Angabe, schreibt die „Nordd. Allg. Ztg.", ist eine dreiste Unwahrheit. Wenn deutsche Reichsangehörige russischen Kriegsschiffen Kohlen liefern, ist dies ein Privatgeschäft für eigene Rech nung und Gefahr der Lieferanten, da» nach allgemeiner völkerrechtlicher Anschauung mit der strikten Neutralität des Reiches im rnssisch-fapanischen Kriege nicht in Wider- spruch steht. Tenn die staatliche Neutralität läßt den Privathandel frei. Die hier in Frage kommenden Kohlen sind englische Kohlen, über deren Bestimmung beim Ein kauf in Cardiff kein Zweifel obwalten konnte. So wenig die britische Regierung mit dem Verkauf der Kohlen, so wenig kann die deutsche Regierung oder gar der Kaiser mit der Verfrachtung für russische Kriegsschiffe irgend- wie in Verbindung gebracht werden. * «a-daa »er Krankenrerfichenn,,. Zur Vor Herei- tunq einerreichsgesetzlichen Regelung der Kranken- Versicherung der Hausgewerbetreibenden bat der preußische HandelSministrr an die Regierungspräsidenten eine Verfügung erlassen, worm mit dem Bemerken: „ES hat sicb al» uotwewdig erwiesen, eine besondere reichSgesetzliche Rege lung der Krankenversicherung der Hausgewerbetreibenden in Erwägung zu ziehen" die Beantwortung einer Reihe von Fragen binnen zwei Monaten gefordert wird. Der Minister verlangt Auskunft, in welch«» Umfange die Ge meinden «der weiteren KommanalverbLade von dem ibnen ge gebene» «echte der Erstreckung der Bereicherung auf die Haus gewerbetreibende» durch statutarisch, Besttmmnng Gebrauch gemacht, und welcht besonderen Anordnungen st« zur Durchführung dieser Versicherung erlassen habe». Meiler soll ermittelt werden, wieviel« HauSgewerbetrribnid« einer jeden der beteiligten Kassen im letzten Gesch-siSjadr auf Grnnd der Zwangsversicherung angedött haben, wie ho» sich die für diff« verfichnten eingezahlten Beiträge be laufen habe», und welch« Leistungen die Kassen für diese Haus gewerbetreibenden an Krankengeld, Kosten für Arzneien »ad KrankenhanSbetzaadlnng, sowie an de» den Angehörigen eine» in einem KrnnkentzauS »ntrrgebrachten BerssLerten zu zahlende« Be trüg« gemacht hab«. Auch soll frstgestellt werde», ob üb« die — Personalien. Bom Urlaub zurückaekehrt sind der Kult»«- Minister Vr. Lludt und der Präsident der Oberrechn nng«. kammer Wirk!. Geheimer Rat von Magdeburg. * * Wernigerode, l8. September. Gestern tagte bier die 5. ArbeitSnachweiS-Aonsereuz. Generalsekretär Or. Kuhlo vom bayrischen Jntnstriellenverbanbe sprach über die Entwicklung der deutschen Gewerkschaften und ihren Zusam menhang mit der Sozialdemokratie, Thielkow, Schrisljührer des Verbandes der Elienindustrie in Hamburg, über ..Unser Arbeits^iachwe^Ssystem und die SlreilS de» letzte» Jabres". Overbeck, Schriftführer des Verbände» der Metall industriellen in per Kreishauptmannschaft Dresden, über einheitliche Lehrkontrakte, Or. Kreuzbauer, Syndikus deS Ver bandes Dortmunder Bierbrauer und des Verbandes rheinisch- westsälischer Bierbrauereien, über ArbeitS- und Lohnverhälr- nisse im Brauereigewerbe, klr. Kubn, Redakteur der „Deutschen Arbeitgeberzeitung", über Tarifgcmeinschasten und Freiherr v. Reiswitz, Generalsekretär des Arbeitgeberverbande» in Hamburg, über die Organisation des Unternehmertum- und die Streikversicherung. Zum Ort der nächsten Konferenz wurde Bremen gewählt. * TortmuuS, 18. September. Aus Zeche Bruchstraßc haben zweihundert Arbeiter gekündigt, da infolge von Feierschichten die Verhältnisse für sie zu ungünstig ge worden seien. * Nürnberg, 17. September. Nach der „Fränk. TageSp." wird der durch den Bcleidigungsprozeß gegen den Tireltor Schmidt loiiipromiilirrtc iiationallioerale Rcichstagsabgeordnete für tzos Müiich-Fcrbcr sein Reichstagsmanoat nirderleaen. Er ioll beabsichtigen, seinen ganzen Jminobilienbesitz zu veräußern und sich im Auslande niedcrznlassrn. Weitere Bestätigung dieser Nach- richt liegt noch nicht vor. * München, 18. September. Die sozialdemokratische Presse hat eine neue „Affäre Asch" aufgebracht. Sic teilte vor tt Tagen mit, der Kriegsministcr habe un Aus schuß der Abgeordnetenkammer einer Petit on gegenüber er klärt, ein wegen Geisteskrankheit entlassener Soldat sei mit der höchsten zulässigen Pension entlassen worden. Der Baler deS Soldaten habe aber danach erklärt, eS sei ibm davon nichts bekannt. Da eine Antwort aus diese Preßnntleilungen vom Kriegsministcnum nock nicht erfolgt ist, wiederyoll nun die sozialdemokratische Presse ihre Anfrage, wie eS mit dieser Sache stehe. Hurlanck. (^rotzpriltinnien. * Streikkrawaüc in Lancnshire. Bei dem bereits er wähnten Streit der Weber in Lancashire sind wettere bluttge Krawalle vorgclvinincn. Obwohl die Po-izei von Ashton-nnder-Lyne durch eine weitere Eskadron be rittener Polizisten verstärkt wurde, kam es zu außer ordentlich t u ui n l t ii o i e n Sc en en. Am Donners tag abend battc sich eine Menschenmassc von 20 000 Per soncn in den Straßen angejammelt und wartete aus den Transport, der die weiblichen Streikbrecher na^i Old ham dringen sollte. Hunderte von Weibern batten sich mit Slciiicn bewaffnet und griffen an einer Stelle die Polizei so wütend an, daß eS zu einem allgemeinen Hand- genicnge kam. Auf dem ganzen Wege waren Stein haufen aufgchäuft worden, die der empörten Bevölkerung die nötige Munition zur Bcwcrsung der gepanzerten Omnibusse, in denen die Arbeiter nach der Bahn ge- schafft wurden, lieferten. Die Omnibusse fuhren, von bewaffneter berittener Polizei umgeben, im Galopp durch die tobende Volksmenge. An einer Stelle kam e« zu einem bösen Kampfe. Polizisten und Civilisten rissen sich gegenseitig die Kleider vom Leibe, und es floß viel Blut. Als die Polizei eine Arretierung vornahm, wurde sie so heftig angegriffen, daß sic unter einem Steinhagel den Rückzug antrctcn mußte. Die Volksmenge versuchte in Charlestown bei Eintreffen des Zuge» mit den Arbeitern den Bahnhof zn stürmen, wurde dabei aber von 100 Poli zisten zurückgcschlagen. Nachdem der Zug den Bahnhof verlassen balle, waren die Straßen buchstäblich mit Kleidungsstücken übersät Mehrere Frauen und Kinder wurden bei dem Handgemenge verlebt. Auf der Station Oldham erwartete eine ungeheure Volksmenge da» Einlaufen deS Zuge», und man sah sich genötigt, die Passagiere an eine andere Station zu bringen, von wo si« endlich zu Fuß ihre Wohnungen erreichen konnten.
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