01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.07.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-07-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040708015
- PURL
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- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
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- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-07
- Tag1904-07-08
- Monat1904-07
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Reklame» unter dem Redakttonsflrsth («gespalten) 75 nach den Familtennach- rtchten (kgrspalten) 50 Tabellarischer und Zissernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ostertenanuahm« Lü Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.—, mit Postbrfvrderung 70.—. Nnnahmefchlus, für Anzeigen: Abead-AuSaabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen.AuSgaber nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stet« an die Expedition ,«richten. Die Erpeditiou ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abend» 7 Uhr. Druck and »erlag »o» G. Pall in Leipzig (Inh. Dr. »., R. L W. Stialhardk Freitag den 8. Juli 1904. 88. Jahrgang. Var llkicdtigrte vom Lage. * Ter belgische .Handelsminister Francotte be» suchte gestern den Deutschen Buchgewerbever- cin und die Dauernde Gewerbeausstel- lung in Leipzig. (Siehe Leipziger Angelegenh.) * Die „Hohenzollern" mit dem Kaiser an Bord hat auf ihrer Nordlandsreise gestern nachmittag Kopenhagen passiert. * Die französische Kammer nahm den Ge setzentwurf, betreffend die Ueberwachung der Lebensversichern ngs - Gesellschaften, in seiner Gesamtheit einstimmig an. * Nach einer Meldung aus Helsingfors fanden in der Schaumann-Angelegenheit weitere Verhaftungen angesehener Männer statt. (Siehe Ruhland.) * Der türkische Delegierte zum Gesundheitsrat in Teheranvr. Bau m ist an Cholera gestorben. ' Der demokratische Nationalkonvent in Saint Louis erklärte sich für allmählicheHerab- setzung der Zollsätze. (Siehe Nordamerika.) * Der Dampfer „Petersburg" der russischen Freiwilligen Flotte, der am Donnerstag mit 241 Mann Besatzung in Port Said eintraf, soll nach Wladi» wostok bestimmt sein. * Der japanische Kreuzer „Kaiman" (?) stieh, nach einer Reutermeldung aus Tokio, bei Talienwan auf eine Mine und sank Vie englische KoMist. Eduard VH., der jetzt schon wieder in dec Heimat weilt, nachdem er an der Föhrde goldene Pokale verteilt und goldene Worte gesprochen hat, ist bislang zu niedrig emgeschätzt worden: Man hat ihn nur nach den Nach richten beurteilt, die aus vereinzelten Skandalgeschichten an die Öffentlichkeit kanicn, und glaubte, dah die Korrektheit einer glatten Bügelfalte und eine neue Westenform ihm stärkere Kopfschmerzen bereite als die Schachzllge der hohen Politik. Man hat ihn falsch beur teilt; er hat den alten Prinzen von Wales längst ausge zogen und der ehemalige Prinz Heinz — der Vergleich ist halb totgchetzt, aber sehr treffend, — hat sich zu einem zielbewussten und klug rechnenden Politiker gewandelt, der heute vielleicht der erste britische Diplomat ist. Zu Lebzeiten seiner Mutter konnte er von seinen Talenten keinen Gebrauch machen, aber was man als Mangel an Verständnis und an Interesse für internationale Ange legenheiten ansah, war nur die abhängige Stellung des Thronfolgers, dem jedes Mitrcden und Mittun unter sagt ist, so lange der Herrscher selbst sich zur Regierung kräftig genug fühlt. Und die alte „Queen" war sehr eigensinnig und auf ihre Stellung eifersüchtig. Sie hielt den Sohn sorgfältig von der Politik fern, nur ab und zu konnte man aus der „Morning Post" die Ansichten des Thronfolgers ersehen, und der Tatendrang des Prinzen mußte sich in Abenteuern ausleben. Aber er zeigt jetzt, daß er mehr gelernt hat, als nur im Foyer der Großen Qper zu Paris Witzchcn machen und in den Boudoirs der großen Damen mit Anstand den Kavalier zu spielen. Er bat eine umfangreiche und eingehende Kenntnis der Per sonen und Verhältnisse erworben und führt die Geschäfte mit einer Sicherheit, die beweist, daß auch in ihm die koburgische Geschästsgewandtheit lebendig ist, die bei seinem Vater und bei seinen: Großonkel, dem ersten Belgierkönig, vorhanden war. Während sic sich bei ihnen aber, bei dein Einen infolge seiner Zwitterstellung als „w'inoo-oonsni-t", bei den: anderen infolge der Kleinheit des von ihm beherrschten Landes, vornehmlich in dem Versuch äußerte, die deutschen Angelegenheiten in einer Weise zu beeinflussen, die oft den erbitterten Protest der deutschen Politiker (so auch Bismarcks in seinen, später von Poschinger herausgegevenen Gesandtschaftsberichten) erregte, — ist Eduard VII. in der glücklichen Lage, seine Talente seinem Lande dienstbar zu macken. Sein Regie rungsantritt hat in die Politik Englands einen leben- digen Zug gebracht, und die auswärtigen Beziehungen, die der Boercnkrieg etwas verfahren l-atte, hat er mit vor sichtiger und geschickter Hand gefördert: Es ist ihm ge lungen, in Paris die Erinnerung an Faschoda vergessen zu machen und mit Frankreich ein Abkommen zu schließen, das die englischen Interessen fördert, ohne dabei der wich- tigcn Eigenschaft zu entbehren, den: Prestigebedürfnis Mariannes in ausreichender Weise zu schmeicheln; an Italien hat eine Annäherung stattgefunden, die Englands Machtstellung im Mittelmeere deckt; mit Oesterreich scheinen Verhandlungen im Gange zu sein, am Balkan und in der Levante den britischen Positionen Sicherheit zu geben, und der Besuch Kiels und Hamburgs, den man nicht überschätzen, aber doch immerhin auch nicht unter- schätzen darf, wird mindestens persönliche Einflüsse ge wichtiger Art hinterlassen haben. An allen diesen Er- folgen — niemand wird leugnen, daß das gegenwärtige englische Kabinett führend« Geister nicht enthält — kann sich der englische König den Hauptanteil zuschreiben: Er hat seinerzeit Herrn Chamberlain zu bewegen gewußt, eine Zeitlang vom Ruder fortzutreten, weil er wußte, daß das Mißtrauen, das die Kabinette gegen das Un gestüm und die Formlosigkeiten dieses bedeutendsten britischen Politikers erfüllte, jede diplomatische Verständi gung verhindern mußte, und seitdem ist er langsam aber sicher seinem Ziele entgegcngeschritten, das er jetzt erreicht hat: der Mittelpunkt der europäischen Politik, der feil Bismarcks Rücktritt in Petersburg lag, ist nach London verlegt worden, und die englische Politik, die unter dem Dilettanten Salisburv und den: Doktrinär Gladstone Mißerfolge auf Mißerfolge gehäuft hatte, schreitet vou Erfolg zu Erfolg Eines bleibt Eduard VII. zu vollenden übrig; noch ist es ihm nicht völlig geglückt, aber auch hier ist er seinem Ziele schon um mehrere Etappen näher gekommen: eine Verständigung mit Rußland. Nun darf man gewiß den Begriff „Verständigung" hierbei nicht zu eng umgrenzen: daran ist nicht zu denken, daß England und Rußland sich gerührt in den Armen liegen und mit einem Federstriche alle Reibungsfläcben aus der Welt schaffen; — das ver hindert schon, wenn selbst die englische Politik darauf Wert legte- die Verschiedenheit der beiderseitigen Inter essen und die tiefergehenden Grundsätze der Politik beider Reiche. Auch wäre es falsch, anznnebmen, daß der Wunsch, mit Rußland zu einen: Einvernehmen zu ge langen, die Londoner Gewaltigen veranlassen könnte, die Japaner zurückzuhalten und cs Rußland zu ermöglichen, ohne weiteren Kampf mit Anstand aus seiner fatalen Situation hcrauszugelangen. Davon kann ebenso wenig die Rede sein, wie von einer durch andere Wünsche veran laßten Intervention Englands, mögen uns nun als solche die Wahrung des Weltfriedens oder der Zusammenschluß Europas gegen die gelbe Gefahr genannt werdeir. Die letztgenannten Tinge liegen dem praktischen Engländer zu fern, als daß sic ihn ernsthaft beschäftigen könnten, und an einer Schwächung Rußlands in Asien muß ihm zu viel liegen, als daß er die Absicht haben« könnte, die Japaner zu bewegen, dem Feinde schon jetzt goldene Brücken zu bauen. Wohl aber scheint man in London bereit zu sein, eine wirkliche Schlappe Rußlands abzu warten. um dann seine guten Dienste anzubieten und sich dadurch Rußland zu verpflichten. Ein völliger Triumph Japans kann nicht englischem Wunsche entsprechen: er würde verhindern, daß man in Mittelasien und in Tibet seinen Geschäften nachgcbt, weil er dazu führen könnte, daß in Ostasien ein militärischer Eingriff Groß britanniens nötig wird. Diese Konstellation wird man aber unter allen Umständen verhindern, deshalb ver dienen die Nachrichten Glauben, die davon sprechen, daß die oben angedeutetc Vereinbarung in die Wege geleitet wäre; eine Erleichterung dahingehender Bemühungen stände ja dem englischen Herrscher in seinen vielfachen per- wandtschaftlichen Beziehungen zum Hause Holstein- Gottorp, sei es über Kopenhagen, sei es über Darmstadt, zur Verfügung. Daß eine derartige Vereinbarung wahrscheinlich ist, beweisen auch die kürzlich bekannt gewordenen und an scheinend aus guter Quelle stammenden Nachrichten, daß zwischen England und Rußland ein Meinungsaustausch über die tibetanische Frage stattgefunden habe. Der russische Botschafter in London, Graf Benckendorf, habe auf seine Anfrage, was das Einrücken Nounghusbauds in Tibet bedeute, die Antwort erhalten, England wünsche im Tempelstaate keine territorialen Erwerbungen. Von dieser Erklärung habe Rußland mit „Befriedigung" Kenntnis genommen. Auf diesen letzten Teil der Mittei lung ist das Hauptgewicht zu legen; sie wird auch durch eine Meldung einer bekannten politischen Korrespondenz bestätigt, die berichtet, daß die Beunruhigung des Zaren reiches über die Tibet-Expedition infolge der englischen Erklärung geschwunden sei. Daß dies in Wahrheit zu trifft, wird natürlich bezweifelt. In Petersburg beob achtet man gewiß das Vordringen der Engländer im Lande des Dalei-Lama nicht mit günstigem Auge, aber uian tut wohl zu tragen, was man nicht ändern kann. So lange die russische Kraft durch den Streit mit den „Makakis" gefesselt ist, kann man die englischen Kreise nicht stören und muß in Tibet die Dinge gehen lassen. Einer diplomatischen Niederlage entgeht mau aber nur, indem man sich den Anschein gibt, als glaube mau an die Aufrichtigkeit der englischen Erklärung. In Wahrheit weih man genau so gut, wie irgend ein anderer, daß die englische Erklärung nur eine r^r- Vktio mentalis ist. Gewiß: auf territoriale Erwerbungen im engsten Sinne des Wortes wird man in England verzichten. Das wollen auch wir zugebcn, die wir unsere Ansicht über die Ziele der englischen Tibet-Erpeditiou im Worte Annexion zusammengefaßt haben. Es hindert nichts, die Besitzergreifung Tibets unter den: formlosen Wort „Pachtung" zu verstecken. Dieser Besitztitel ist in der asiatisckwn Politik sehr beliebt, wo man in neuerer Zeit das Wort .Eroberung" ängstlich vermeidet Die Mantschurei ist ein« „Pachtung" zur „Anlage eines Schienenweges", Port Arthur wurde „gepachtet", Eng land „pachtete" Wei-Hai-Wei und auch unser Kiautschou ist eine „Pachtung". Ueberall ist China noch der nomi nale Eigentümer, der seine Besitzrechte nur zeitweilig einen: anderen Staate überlassen hat. Diesen Weg, der au den Tatsachen nichts ändert, ihnen nur ein anderes Mäntelchen gibt, wird England auch in Tibet einschlagen können, da ja seine Hauptzwecke nur diese beiden sind: Erstens: Ausnützung der wirtsckmftlickieu Bedingungen des Landes, und zweitens: Gewinnung des maßgebenden Einflusses auf den Dalai-Lama und damit auf die buddhistischen Völkerschaften Asiens, deren geistliches Oberhaupt er ist. Diese Wünsche lzattc man auch in Petersburg, und man war ihrer Erfüllung sehr nahe ge kommen, als die ostasiatische Verwicklung die russischen Hände fesselte. Wahrscheinlich ist es also nicht, daß der Russe über die Pläne seines englischen Rivalen sehr er freut ist, aber die Tinge liegen einmal so, daß er ge zwungen ist, ingrimmig, aber ruhig zuzusehen und die Erklärung Englands, es beabsichtige keine „territoriale Erwerbung"- mit „Befriedigung", aber sicherlich mit recht gemischten Gefühlen zur Kenntnis zu nehmen. Nach dem Kriege würde es freilich „anders klingen", wenn nicht Rußland einerseits zu geschwächt und es nicht andrerseits England verpflichtet ist, für freund schaftlich - gute Dienste beim Friedensschluß. Die Inter essen Englands geben also dahin, den Krieg sich recht lange ausdchuen zu lassen, einmal um die Kriegführenden vor läufig für asiatische Fragen lahm zu legen, zum andern Mal sie so zu erschöpfen, daß England für eine spätere diplomatische Intervention Gelegenheit findet. Die Niederwerfung der einen oder der anderen Macht ent spricht nicht englischen Wünschen, ebenso wenig wie die völlige Lösung der ostasiatischen Frage. Nur wenn Ruß land gezwungen ist, seine Aufmerksamkeit auf den fernen Osten zu konzeutrieren, hat England in Lhassa und am Pamir Ruhe und Muße. Der bisherige Verlauf des ostasiatisclwn Krieaes ist für England recht günstig und wir sehen, daß es sich mit Geschick und Erfolg bemüht, die Sachlage auszu nutzen. So wie Rußland den Boercnkrieg, gebraucht Eng land den russisch-japanischen Feldzug. Unter der Aegide seines Königs zieht cs aus den Verwicklungen der Rival- staaten seinen Vorteil, und dieser erfreut sich über alle Maßen der Gunst der Götter. Während er mit den an deren europäischen Mächten schon feste Vereinbarungen besitzt, ist er auf den: besten Wege auch mit Rußland ins Einvernehmen zu gelangen, zu dem dieses die Ungunst der Verhältnisse zwingt. Offiziell ist znxir von einer „Verständigung" nut den: Zarenreich nichts bekannt, und Mr. Arthur Balfour, der auf dem Sessel dcS Premier die Geschäfte der Mächtigeren macht, hat im Unter hause das Schweben vou Verhandlungen bestritten. Bekanntlich haben aber oft Ministcrreden nur den Beruf, die Tatsachen zu verbergen, und wer häufig gesehen hat, daß Dementis gerade die Wahrheit der Nachricht be- stätigen, wird auch die Versicherung des golfspielcnden englischen Ministerpräsidenten nach ihrem richtigen Wert einschähen. Wie dem auch sein mag, das ist unverkennbar, daß sich England in einem Stadium befindet, das sich mit einer Variation des Gortschakoffsckien Worts bezeichnen ließ: D'^nglotorre ne pas, eil« so rsoueiUät" Das dankt es seinem König, der darauf hinarbeitet, England in Asien wieder zur führenden Macht zu machen. Dadurch würde sich aber auch für Deutschland die Weltlage in so ein schneidender Weise ändern, daß man wünschen kann, die uns Regierenden möchten auch dieser Eventualität einen Teil ihrer kostbaren Zeit widmen. II. I-. Der ruttirctz-iapanircste Krieg. Vie russische Taktik -er verpatzten Gelegenheiten. Biele Mißerfolge der Ruffen trotz aller Tapferkeit in schwierigen Lagen dürften ihre Erklärung darin finden, daß den Unterführern zu wenig das Recht eigener rascher Entschließung eingeräumt ist. Schon im türkischen Kriege ist dieser Mangel zu Tage getreten und auch im Kampfe gegen die Japaner hat er sicher schon manche Niederlage verschuldet oder doch an der Ausnutzung günstiger Umstände gehindert. In dieser Beziehung ist, wie ein militärischer Mitarbeiter des „Hamb. Korr." Hervorhebt, die Schilderung eines Gefechte unter General v. Rennenkampf überaus lehrreich, welche ein militärischer Berichterstatter der „Nowoje Wremja" in vorzüglicher Darstellung nach persönlicher Anschauung entwirft, wobei er, sich selbst völlig unbewußt, schwere Fehler enthüllt. Ter tapsire Befehlshaber der transbaikalsclien Vosakrn-Division lag mit einem Teil davon im Biwak gegenüber Saimadst, dem jetzt so oft genannten rechten Flügel der Armee Kurokis, einem Ort, der in den letzten Wochen woht achtmal bald von den Japanern, bald von den Russen besetzt wurde. Eine Sotnie war aus Borposten; ein Zug lag seitwärts tm Hinterhalt. Dem Feinde war von der Anwesenheit dieser vorzüglich verdeckten Truppen nichts bekannt. Da kam die Meldung, daß die Japaner mit Reiterei und Fuß- truppen im Vormarsch seien. Rennenkampf besaht sofort den un mittelbar am Biwak haltenden starken Troß znrückznschicken, und beorvelte zu dessen Begleitung alte versugbareu SoUiicu, ns aus rtn«, die er al» Reserve für die Vorposten zurückbehielt. Er selbst begab sich mit seinem Stabe zu der Borpostensotnie, erkannte von dort den Anmarsch des Feindes und ordnete strengstens an, daß nur ans seinen Befehl das Feuer eröffnet werden dürfe. Allmählich nahte sich die feindliche Reiterei, sorglos, ohne jede Aufklärer, mau konnte zwei Schwadronen japanischer itzarde-Dragoner erkennen. Kanin noch 500 Schritt entfernt, mußten sie über eine offene Boden erhebung, wo sie die herrlichste Scheibe darboten. Ter Jeßaul iSotnienbefehlshnber) schickte zu Rennenkampf, ob er das Feuer eröffnen dürfe. Dieser begab sich in die vorderste Linie und erteilte den Befehl. In diesem Augenblick verschwanden jedoch die beiden Schwadronen im toten Winkel, und so war die günstige Ge legenheit zu ihrer Vernichtung verpaßt. Tas wirkungslose Feuer auf einige Nachzügler lockte die feindlichen Fußtruppen herbei, welche sofort die Sotnie angrissen. Rennenkampf ritt zurück und schickte bald darauf den Befehl, unter allen Umständen bis zum letzten Mann auszuharren, da sich der Troß nur langsam in Be- wegung setze. Es begann nun ein wahrhaft heldenmütiger, verlust reicher Kampf und der Troß wurde schließlich gerettet. Es handelt sich also im Grunde um denselben Schaden, an dem das politische Leben Rußlands krankt: Uebertriebenc Zentralisation, Unterdrückung jeder Selbständigkeit und Selbst- Verwaltung. Aber Rußland ist groß und der Zar ist weit! In der Kriegführung wird daraus: Der Feind ist nab, aber der General ist weit, der allein den Befehl zum Angriff geben kann. Die Stellung -er Streitmächte. Die „Birshewija Wjedomosti" (Börsenzeitung) macht über die Stellung der russischen und japanischen Truppen folgende Angaben: Kaiping ist von einer Abteilung des Generals Samsonow besetzt. Im Sttdosten von Kaiping befindet sich eine Abteilung des Generals Tschirntow, östlich davon Kosaken unter General Mischtschenko. — Was die Verteilung der japanischen Truppen angeht, so befindet sich deren Hauptmacht in Suian und vor Kaiping. Wohin sich der Angriff des Feindes richten wird, ist schwer zu sagen. Vermutlich dürfte er auf die Linie Suian-Taschitschiao erfolgen. Die Japaner überschwemmen die russischen Abteilungen mit Bekanntmachungen, in denen sie den russischen Soldaten, die sich gefangen geben, große Vorteile versprechen. Gefecht bek Taschktscha». Der Korrespondent der „Birshewijga Wjedomosti" tele graphiert aus Taschitschiao vom 0. Juli: Gestern fand hier ein heißes Gefecht statt, in dem sich eine Abteilung des Generals Samsonow auszeichnete und den Feind durch einen verwegenen Angriff zum Rückzüge nach Seniutschen ITMiktg. Die Kosaken warfen dre feindlichen Vorposten zurück. Eine Batterie Transbaikalkosaken richtete unter den Japanern Verheerungen an. Beim Heranrücken beträchtlicher Ver stärkungen des Feindes mußte sich unsere Abteilung zurück ziehen. wie man in Tokio über Lsrt Arthnr -enkt. Tokio, 7. Juli. Die russischen Streitkräfte, die Port Arthur auf der Land- und Seeseite verteidigen, werden hier auf 28 000 Mann geschätzt. Man weiß, daß alle Ver teidigungswerke in letzter Zeit bedeutend verstärkt worden sind, ist jedoch überzeugt, daß der Fall der Festung, da ein Entsatz unmöglich ist, nur als eine Frage der Zeit betrachtet werden kann. (B. L.-A.) Lin russischer Han-ftreich. Nach einer Meldung des „Berl. T." aus Petersburg nahm General Mischtschenko bei Sachotan den Ja panern den ganzen Train mit Konserven und Neisvorräten und 50 Stück Vieh weg. Die -rei Hülfrkrenzer -er freiwilligen Flotte, die, wie bereits gemeldet, sich ans dem Wege nach dem Kriegs schauplätze befinden, sind zwar nicht Kriegsschiffe in: eigent lichen Sinne, es sind Schnelldampfer, die :m Kriegsfälle als Hülfskreuzer verwandt werden. Alle drei Schiffe sind Doppel- schraubendampser; die „Orel" (188i) gebaut) Kat eine Wasser verdrängung von 5074 Tonnen, die „Petersburg" (1894 gebaut: 9500 Tonnen und die „Smolenks" (1900gebaut» 12000Tonuen. Letztere läuft zwanzig, die beiden anderen Schiffe neunzehn Knoten. Nach dem den Großmächten am 1«>. September 1891 mitgeteilten russisch - türkischen Nachtrags- Abkommen zum Dardanellenvertrag dürfen die Schiffe der Freiwilligenflotte Rußlands, sofern sie die Handelsflagge führen, die Dardanellen frei passieren, und wenn sie Sträflinge oder Soldaten an Bord haben, haben sic der Pforte davon einfach Anzeige zu machen, ohne daß die Bforie berechtigt wäre, deshalb die Durchfahrt zu verhindern. D:c Ankündcgung Englands, daß es die Durchfahrt russischer Kriegsschiffe durch den Hellespont mit Waffengewalt bindern würde, kann danach für diesen Fall nicht gelten. Nack einer Reutermelbung ist die „Petersburg"^ mit 241 Manu Be satzung am 7. Juli bereits in Port Said eingetroffcn. Deutsches lleich. * Berlin, 7. Juni. * Von der Nordlandsreisr des Kaisers. Aus Kopen-Hagen, 7. Juli, wird telegraphiert: Die Kaiserjacht „Hohenzolleru" mit Kaiser Wilhel m au Bord passierte heute uachiuittag 8 Ulu Kopenhagen. Der Kreuzer „Hamburg" feuerte Salut, den die Strand battericn beantworteten. Kaiser Wilhelm ließ durw den hiesigen deutschen Gesandte» dem Könige und dem Kronprinzen herzliche Teilnahme an den: großen Unglück aussprechen, daß die dänische Schiffahrt durch den Unter gang des Dampfers „Norg e" erlitten habe. * i»in Handschreiben «cs «önta« von Spanien an »cn Kaiser wegen Marokkos? Zstie die „Germania" kört, bai kürzlich König Alfons von Spanien an den deutschen Kaiser ein Handschreiben gerichtet, in dem eingangs der Tod der Großmutter des Königs, der Königin Isabella, be richtet wird. Dann dankt der König persönlich dem Kaiser für die Verleihung der deutschen Admirals- Uniform. Weiterem Vernehmen nach soll das Hand- , schreiben darin gipfeln, daß eine Frage nochmals berührt I werke, kie schon bei der Znsammen tun ft der Monarchen ^in Vigo nicht ohne Erörterung geblieben sei: Die Stellung«
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