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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.08.1904
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1904-08-03
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19040803016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1904080301
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1904080301
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1904
- Monat1904-08
- Tag1904-08-03
- Monat1904-08
- Jahr1904
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BezugS-PretS in der Haupterpedition oder deren Ausgabe- slellen abgeholt: vierteljährlich 3.—, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« HauS .Sli 3.7k. Durch die Post bezogen für Drutsch- land u. Oesterreich vierteljährlich 4.50, für die übrigen Länder laut Zritungspreis liste. Einzelne Rum«er» zu aus allen Bahnhöfen 11I und bei den Zeitungs-Verkäufern. Redaktion und Expedition: Johannisgasse 8. Fernsprecher 1L3 u. 222. Haupt-Filiale Dresden: Marienstraße34 (Fernsprecher Amt I Nr. 1713). Haupt-Filiale Berlin: CarlDuncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchbandlg„ Lützowstraße 10(FernsprecherAmtVI Nr.4603). Morgen-Ausgabe. MMn TaMatt Anzeiger. Amtsblatt des Aömglichen Land- und des Königlichen Amtsgerichtes Leipzig, des Rates und des Rolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 28 Reklamen unter dem RedaktionSstrich (4gespalten) 75 -H, nach den Familienuach- richten (6 gespalten) KO -H. Tabellarischer und Ziffernsatz entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Ofsertenannahme 25 Annahmeschlutz für Anzeigen . Abend-AuSgabe: vormittag- 10 Uhr. Morgen-AuSgabe: nachmittags 4 Uhr. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbefördrrung 60.—, mit Postbeförderung 70.—. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig (Inh. vr. B., R. L W. Klinkhardt). Nr. 391. Mittwoch den 3. August 1904. 98. Jahrgang. Var Aiedtigrtr vom Lage. * Der Kaiser ist auf der „Hoyenzollern" vor Loen einqetroffen. (Siehe Deutsches Reich? * Die Hamburger Polizeibehörde teilt gegenüber ver schiedenen aus auswärts verbreiteten Gerüchten amtlich mit, datz in Hamburg kein Cholerafall vor gekommen ist und das; der Gesundheitszustand der Be völkerung zu Befürchtungen in dieser Hinsicht nicht den geringsten Anlaß bietet. * In der Gemeinde Harpen ist, wie aus Essen telegraphiert wird, die Ruhr ausgebrochcn. 70 Er- krankungen sind behördlich gemeldet. * Der Papst hatte gestern vormittag eine lange Be- sprechung mit dem Nuntius Lorenzclli, der ihm über die Lage Bericht erstattete. Man er wartet Entscheidungen über das Verhältnis zu Frankreich. lMiiur unä ciMLittt. Seit einigen Jahren lastet auf denjenigen Deutschen, die nicht davon lassen können, forschend und spähend in die Zukunft hinauszublicken, ein Druck. Sie fühlen, daß die Stunde weltgeschichtlicher Entscheidungen naht, sie erinnern sich des Shakespeare-Wortes, daß in Bereitschaft sein alles ist, und immer wieder fragen sie mit Bangig keit, ob unser Volkstum gesund, willensstark, schaffens- rreudig, opfcrmutig genug ist, um sich gegen eine Welt zu behaupten, um eine Welt zu gewinnen, denn auch dies ist nötig. So manche Erscheinung im öffent lichen Leben des heutigen Deutschlands mutet uns wie ein Symptom raschen Verfalles an, eine kritische Stimmung greift um sich und der Typus Thersites, der in unseren Tagen zahlreicher als je vorhanden ist, beherrscht den Markt. Niemand will sich heute mehr tyrtäisch gebärden, wir scheuen den Vorwurf des Enthusiasmus und fürchten, belächelt zu werden, wenn wir große Worte gebrauchen. ES darf fast als ein Beweis persönlichen Mutes ange sprochen werden, wenn in so schwüler geistiger Atmosphäre, in einer so freudlosen Gegenwart ein Mann, dem des Gedankens Blässe die angeborene Farbe der Ent schließung nicht angekränkelt hat, laut die Stimme er bebt und in Hellen, freudigen Tönen Worte über daS politische Foxum ruft, die Fanfaren gleichen. Ein anonymer Schriftsteller hat cs wieder einmal gewagt, dem deutschen Volte den Willen zur Macht zu predigen, und wir dürfen sein Buch als eine erfrischende Lektüre empfehlen. Es heißt: „Der Kaiser, die Kultur und die Kunst. Betrachtungen über die Zukunft des deutschen Volkes. Aus den Papieren eines Unverantwortlichen." «München und Leipzig, bei Georg Müller). Wertvoll ist in dem Buche die klare Erkenntnis der Notwendigkeit und das entschlossene Bekenntnis zur Tat. Wir müssen die nationale Energie zur höchsten Leistung spornen und alle nationalen Kräfte zusammenfassen, wenn wir als Nation fortlcben, wenn wir nicht zerfallen und verkümmern sollen. Dieser Satz bedarf keines Be weises; es gibt ein Wissen, das sich nicht demonstrieren läßt und in den Tiefen der Persönlichkeit wurzelt. In dessen genügen die Namen Chamberlain und Roosevelt, die bestimmte Anschauungskomplcxe verkörpern, um Teutschland zur Pflicht zu mahnen und ihm den Weg zu zeigen. Hinter diesen beiden Führern stehen gewaltige Armeen, und so, meint der Redner — denn ein Rhetoriker spricht hier schwarz auf weiß zu uns —, sollten auch die Tcntschen zu ihrem Kaiser stellen. Diesen Teil der Aus führungen rühme ich als von klarer Erkenntnis des Not wendigen cingegeben. Wir sind nur dann Herr unseres Geschickes, wenn wir die Gesetze der historischen Entwicke lung erkennen und uns ihnen anpassen. Diese Entwicke lung ist ganz in dem Vcrschcn Goethes enthalten, das vor tast einem Jahrhundert vorahnen-d sagte, Orient und Lccidcnt sei nicht mehr zu trennen. Wehe der Nation, die genügsam ist! Uns mit dem Deutschland des euro päischen Kontinents begnügen, heißt unserem Volke das Todesurteil schreiben. Die weiträumigen, ja weit räumigen Reiche, die sich jetzt bilden, erdrücken uns, wenn wir fortfahrcn, uns als „saturiert" zu bezeichnen, wenn wir uns einbildcn, wie Ostelbierbochmut es tut, „Preußen mit oder ohne seine Anhängsel" sei allen Stürmen der Zukunft gewachsen. Deutschland mnß Kolonialmacht und Weltmacht werden, dies ist der erste Hauptsatz unseres politischen Katechismus, und er kann der Nation nicht oft, nicht drastisch genug cingcprägt tverden. Aber aus dieser Einsicht ergeben sich Konsequenzen, die wir nicht scheuen dürfen. Vor allem tritt dringend die Forderung ge steigerter Kricgstüchtigkeil an uns heran, zu Lande und zur See bctüirfen wir einer gewaltigem Macht, und wir müssen diese Lasten nicht keuchend tragen wie ein Kreuz, sondern jauchzend wie ein Banner. Nichts darf uns zu schwer, nichts zu teuer sein, wenn cs gilt, unsere nationale Persönlichkeit durchzusctzen. Dieser Gedankengang führt den aufrichtig Suchenden zu der Frage, ob denn die nationale Persönlichkeit schon so völlig durchgebildct sei, um wirklich diesen Anspruch mit Recht erheben zu können. Wir können, wenn wir noch England hinüberblicken, nicht leugnen, daß die Ge- 'amtarchitektur de» englischen Leben« einen weit einheit licheren nationalen Stil aufweist, als wir uns dessen rüh men dürften. Aber gerade in fernen Zonen, gerade frem den Völkern gegenüber werden wir uns unseres Volks tums erst voll bewußt und im Ringen mit anderen Na- tionen erkennen wir uns selbst und schulen uns allmählich dazu, unserem Leben im Kleinsten wie im Größten den Stempel unseres Wesens aufzuprägen. Hinaus auf das Meer! Wir müssen atmen und sehen, tief und frei atmen, weit und scharf blicken lernen. Jeder einzelne muß ein ganzer Kerl, das Volk muß ein Heer von Individualitäten werden, aber geflissentlich sage ich: ein Heer von In dividualitäten, weil diese alle nur dem Volkstum dienen und seiner Stimme gehorchen sollen. Mit der Züchtung vaterlandsloser, höchst feiner, höchst skeptischer, höchst zag- Hafter Geister ist uns nicht gedient. Mag auch ein Plauderstündchen mit diesen Entwurzelten sehr amüsant sein, im Sinne unseres Ideals, unserer Vergangenheit und Zukunft sind sie uns wertlos. Wir fühlen uns als Glieder einer Kette, die von Generation zu Generation Ring an Ring schließt, eins mit denen, die schon heimge- gangen sind und mit denen, die nach uns sein werden. Diese Empfindung, die uns immanent ist, die wir nicht loben noch schelten dürfen, gibt uns ja erst das Recht und die Pflicht zu politischem Sorgen. Der, dem sie fremd ist, findet sich leicht mit dem cynischen „Nach uns die Sint flut!" ab. Wir würden eine nationale Kultur haben, wir wür den unserem Leben eine künstlerische Form zu verleihen vermögen, wenn wir dem Rhythmus unseres Blutes zu lauschen verständen und ihm zu folgen wagten. Das ist eine Metapher, die wir nicht erklären wollen, denn wer sie nicht ohne Erklärung versteht, der würde auch die Er klärung nicht verstehen. Der Wille zur Macht ist von dem Willen zur Kunst unzertrennlich. Herrschen, das ja ein beständiges Ordnen, ein kosmisches Tun ist, bedeutet im eminenten Sinne Künstler sein. Darum gilt es, die wahrhaft volkstümlich schaffenden Künstler zu entdecken und ihre Einwirkung zu erweitern und zu vertiefen, damit die Deutschen ihr nationales Ich erkennen und schätzen lernen. Ich habe diesen und jenen Gedanken aus dem genann ten Buche paraphrasiert und bei manchem Vorbehalt einzelner Ausführungen gegenüber muß ich bekennen, daß mir Tyrtäus besser als Thersites zusagt und daß mich die Lektüre der kleinen Schrift erbaut hat, wenn auch der Verfasser hier und dort vielleicht das Fundament zu rasch gelegt und seine Soffnunaen zu hoch getürmt hat. Aber unter einer vergleichenden Zusammenstellung stol zer Bauwerke las ich einmal das selbstbewußte Wort: „Wir Deutsche bauen doch am Höchsten!" Möchte es in jedem Sinne zur Wahrheit werden! 6. ver nirrirch jspimirckn Krieg. Neue Kämpfe ans rNetienxatz. Der Kriegsberichterstatter der „Morning Post" im Hauptquartier Kurokis meldet unterm 31. Juli: Heute früh machte die erste japanische Armee einen allge meinen Angriff auf die russischen Stel lungen im Südwesten von Motienling. Die russischen Verteidigungsstreitkräfte bestanden aus drei Divisionen. Die Japaner beschossen die Verteidigungs werke bis 6 Uhr abends. Die Infanterie, die das Zentrum bildete, nahm sodann Taowan, sowie die dahinter ge legene feindliche Stellung. Andere Stellungen rechts und links auf den starkverschanzten Höhen wurden später erstürmt. Zwischen der ersten japanischen Armee und Liaojang liegt, nach einem Tclegranun von Kuroki aus dem Hauptquartier, nach den siegreichen Kämpfen der letz ten Tage, nur noch eine einzige für die Russcn haltbare Position. Sonntag nachmittag begann abermals ein furcht bares Artilleriefeuer auf den Anhöhen von Kanguanlin und pflanzt sich auf der ganzen Front, 20 Werst weit fort. Befonders heiß ging es bei der Ab teilung Nischtschengo her, wo die Japaner energisch an zugreifen beabsichtigten. Die Russen behaupten alle Posi tionen. Die Kriegsaktion ist sehr erschwert durch die fürchterlicl-c Hitze. Die Regenperiodc scheint diesmal aus- zufallen. Die Soldaten marschieren oft 40 Werst in furchtbarster Sonnenglut mit schwerem Gepäck, oft den ganzen Tag ohne zu essen und zu trinken. Entsetzlich ist die Lage der Verwundeten. Li« russische» Nrtett über japanische Kriegführung. In einem aus Liaojang vom 27. Juli datierten Be richte des Berichterstatters der Petersburger „Russj" wird diccrstaunlichcBeweglichkeitderJavaner hervorgehobcn. Es heißt in dem Bericht u. a.: „Indem sie im Osten, wie vorauszuschen war, nur so taten, als ob sie umgehen wollten, lenkten sie dorthin die russischen Kräfte ab und führten den .Hauptschlag im Süden bei Simutschöng und Taschitschiao. Bei Taschitschiao zogen sich unfere Truppen ungern zurück, doch mußten sie dem erteilten Befehl folgen. Unsere Artillerie brachte den Ja panern scbr große Verluste bei und vernichtete zwei Batterien. Unser Verlust an Toten und Verwundeten be trägt gegen 1000 Mann, der der Japaner dagegen 3 bis 5000. Alle staunen über das strategische Talent Kurokis. Nach seinem Plan erfolgen erstaunlich gewandt die Be wegungen und schnellen Veremigumacn der Truvven. Man muß beachten, daß er keine Eifenbahn zur Ver fügung hat und daß die Bewegungen in den Bergen vor sich gehen Ver Ksntrebande verdäHttg. Aus Alexandrien wird dem „Daily Chromcle" depeschiert: Der frrigegebene deutsche Dampfer „Halsatia " wird schäm überwacht, da er verdächtig sei, Kohlen und Vorräte für die russische Freiwilligenflotte an Bord zu führen. Ver A«»gai»g be» Kriege». Ueber den mutmaßlichen Ausgang des Krieges macht Herr Hauptmann a. D. Karl Tanera einige Angaben, aus denen wir folgendes als charakteristisch hervorheben. Der bekannte Militärschriftsteller sagt darin u. a.: Ich bin der Ansicht, daß die Japaner Port Arthur gar nicht oder doch so spät einnehmen, daß es für sie keinen Wert mehr hat. Nach meiner Meinung ist der Krieg für sie jetzt schon verloren. Sie hätten nur dann Aus sichten gehabt, wenn sie im ersten Anlauf Port Arthur er obert, sich dort an der Nordgrenze Koreas festgesetzt und ge sagt hätten! „So, verehrte Ruffen, nun jagt uns wieder hinaus." Die Russen haben nach meiner Ansicht die Aufgabe, sich langsam unter steten Kämpfen immer mehr zurückzuziehen und die kampf lüsternen Japaner immer mehr nordwärts sich nachzulocken. Wenn dabei auch Mukden und noch mehr verloren gebt, so schadet das garnichts. Der Rückzug muß so lange dauern, bis genug Landkräfte in der Mantschurei und bis die Baltische Flotte und das Geschwader des Roten Meeres vereint mit dem Wladiwostok-Geschwader im Osten angekommen sind und letztere die dann unterlegene japanische Flotte niedergekämpst oder doch die Seeherrschaft erlangt haben. Dann kann die nun überlegene russische Landarmee, vielleicht von Charbin aus, den Vormarsch beginnen, und hierauf folgt für die Japaner ein schrecklicher Rückzug und zwar im Winter und Frühjahr 1904/05. Ob aber Kuropatkin solange dem Druck der öffentlichen Meinung widerstehen kann, und ob der Zar und der Hof nicht zu rascherem Vorgehen drängen! Und ob es Rußland gelingt, die Ein mischung anderer Staaten, vor allen Englands, abzuhalten! veulsGes üeicb. * Lei-zia, 2. August. * Mysteriöse Andeutungen über Vereinbarungen politischer Parteien des Reichstags und des preußischen Abgeordneten hauses, bei denen auch Aenderungen deS «Rferchstags- wahlrechtS in Frage kommen sollen, gehen durch die Presse. Wenn der „Vorwärts" allein die varmtrommel rührte, brauchte man die Sache ja nicht tragisch zu nehmen, aber auch andere und ernsthafter zu nehmende Blätter gehen auf die Sache ein. Der „Hamb. Korresp." redet sogar bereits von „Plänen, die nicht ganz ohne Vorwrssen der verbündeten Regierungen im Schoße einzelner Parteien reifen sollen". Das Blatt fragt direkt, ob es sich hier um ganz bestimmte Anträge und Gesetzentwürfe handele, mit denen m absehbarer Seit die Volksvertretung befaßt werden solle. Vom „Vorwärts" wird im Anschluß an eine Auslassung der „Germania": „Eine Abänderung des Reichs lagswahlrechts wird das Zentrum nicht zulassen", mehrfach der Name des Abg. vr. Spahn genannt, der näheres mit teilen könne. Wir hoffen nur, daß die nationalliberale Partei sich nicht etwa ins Schlepptau nehmen läßt, denn sie würde dabei die Zeche zu zahlen haben. * vom deutschen Juristentage. Der derzeitige Dekan unserer juristischen Fakultät, Geheimrat Professor vr. Strohal wird auf dem anfangs September in Innsbruck zusammentretenden Deutschen Juri st ent age über den Schadenersatzanspruch nach § 326 B. G. B. als Korreferent sprechen. Bei der weittragenden Bedeutung dieses viel umstrittenen Themas sieht man den Strohalschen Aus führungen besonders in den Kreisen unserer juristischen Praxis mit lebhaftem Interesse entgegen. Berlin, 2. August. * Tic Nordlandfahrt dcS Kaisers. Ein Telegramm aus Staareimsvik von heute vormittag meldet: Nach guter Fahrt traf der Kaiser Montag abends acht Uhr hier in Loen ein; warmes Wetter, an Bord alles wohl. * Stille, stille, kein Geräusch gemacht! Zu den Vor bereitungen des sozialdemokratischen Partei tages in Bremen gehören ernste Erwägungen der Genossen über die Eindämmung der Schimpffreiheit, die in Dresden so denkwürdige Früchte gezeitigt hat. Von verschiedenen Seiten sind die Delegierten beauftragt wor- den, Wiederholungen der Dresdener Vorgänge in Bremen vorzubeugen. Die Landeskonferenz der Genossen in A n - halt hat dagegen eine Resolution ab g e l e hn t, in der die Delegierten aufgefordert werden sollten, einander die Gefühle brüderlicher Gesinnung und gegenseitiger Ach tung entgegen zu bringen. Es ist allerdings auch ein ganz unmögliches Verlangen, daß die sozialdemokratischen Delegierten einander gegenseitige Achtung entgegen brin gen sollen, nachdem sie sich in Dresden der Reibe nach en eanaille behandelt und die ehrenrührigsten Vor würfe erhoben und eingesteckt haben. Die Genossen in Essen denken ähnlich wie jene in Anhalt: auch sie wollen keine sanftere Tonart, sondern ein scharfes Gericht. In dessen möchten sic nur die Schimpffreiheit im allgemeinen aufrecht erhalten, nicht aber die persönliche Denkfreiheit der einzelnen Genossen. Sic beantragen u. a. daß als Delegierte zu dem Parteitage nur solche Genossen ge- wählt werden dürfen, die in dem zu vertretenden Wahl kreis ihren Wohnsitz haben. Dadurch soll Männern, wie Georg Bernhard, der im vorigen Jabre nicht in seinem eigenen Wahlkreise gewählt wurde und anderwärts Zuflucht suchen mußte, das Wort von vornherein abac- schnitten werden. Ferner beantragten die Essener Ge nossen, der Parteitag möge zu dem handelspolitischen Verhalten SchivPel 8 Stellung nehmen und event. dessen Ausschluß au? der Partei hcrbeifübren. Auch in diesem Jahre gehört also zn den Vorbereitungen für den Parteitag wieder das Anheizen der bekannten Flugmaschine. l.Nat. Ztg.") * Zum «ebcnschnstgcscß Der „Reichsanzeiger" ver öffentlicht eine kaiserliche Verordnung vom 24. Juli, betr. die partielle Inkraftsetzung des Gesetze» zurBekämpsung der Re blau« vom 8. Juli. * Ueber daS Polentum in Ovcrschlefien wird dem „Posener Tageblatt" von dort geschrieben: „Wir haben hier eine gutmütige Bevölkerung, deren innigster Wunsch es war. Deutsch zu erlernen, und die immer, wenn sie sich bei Festen den nötigen Mut angetrunken hat, deutsch zu sprechen anfängt. Auf unseren Wirtschaften arbeiten die Leute und sprechen deutsch, ohne daß jemals der Wunsch hierzu aus gedrückt worden wäre. Man könnte sagen: WaS wollen wir mehr, das ist doch genug. So ist es auf dem Hofe; im Dorfe wird es ganz anders. Die Leute sind zur Hälfte evangelisch und katholisch, alle aber polnisch, und zwar richtig polnisch, denn daS Wasserpolnisch ist aus unserer Gegend dank der Fürsorge der katholischen Geistlichkeit schon lange verschwunden. Unser evangelischer Pastor aber glaubt es nicht wagen zu dürfe», daß er das Deutsche stärker betont. Diese Aengstlichkcit dürfte zur Folge haben, daß in absehbarer Zeit alles verloren geht, während sonst vielleicht nur einzelne verloren gingen. In unserer Nähe ist ein früher ganz friedliches Dorf zu einem Herde polnischer Agitation geworden, und bei uns beginnt der katholische Geist liche gleichfalls seine Arbeit. Er ist ein „Deutscher", obwohl er nur polnisch spricht und alle deutsche Reden barsch abweist. Die Kinder, die aus der Schule gehen, grüßen ibn deutsch; er erwidert polnisch: „Weißt du nicht, dummer Junge, daß du polnisch sprechen sollst?" So weiß das Kind nicht mehr, wem es folgen soll. Von der Kanzel herab schilt der Pfarrer gegen den Ortsvorsteher, der eine evangelische Frau geheiratet hat, und sagte u. a.: „Wenn ein Katholik eine Protestantin zur Frau hat, so ist der Teufel der Dritte sim !" Die Stimmung wurde durch solche nicht endenwollende kleine Nadelstiche un erträglich, und als der Pfarrer eines Tages einem meiner Beamten die Roerensche Flugschrift „Zur Polenfrage" schenkte, entschloß ich mich, den geistlichen Herrn aufzusuchen und wenn möglich mit ihm ein weiteres freundlicheres Nebeneinanderleben zu vereinbaren. Mit erniedrigender Untertänigkeit empfing mich der Pfarrer und redete mich abwechselnd mit Euer Gnaden und gnädigster Herr 'an. In seiner ganzen Haltung hatte der Mann nichts Deutsches mehr an sich. Schließlich erklärte er aber ganz erregt, daß ihm die Interessen des Staates ganz gleich gültig wären. Die Kirche habe ihre eigenen Inter- essen zu pflegen, und diese liegen im Lager der Slawen und der Polen im besonderen! Der Bischof habe nicht das Recht, ger manisierend einzugreifen, und selbst wenn solche Erlasse vom Papste kämen, würde er sich nicht darum kümmern. Zum Schluß erklärte der Geistliche, ein hoher, für ihn maßgebender Geistlicher hätte gesagt, die Deutschen wären das hochmütigste aller Völker, während die Polen sich am leichtesten von der katholischen Kirche pastorisieren lasten; deshalb werde er bis zum letzten Augen- blick seines Lebens an seinen Grundsätzen festhalten. Das ist ein kleines Bild unserer Verhältnisse. Wer hier noch die alten Zustände vermutet oder hier »och von Wasser- polacken träumt, der sieht nicht, WaS um ihn her vorgeht!" — Für die Reichstagsersatzwahl in Schaumburg-Lippe ist in einer Bertrauensmännerversainmlung der Konservativen und Antisemiten in Gegenwart des Landrals v. Ohcimb und des Abgeordneten Graf Reventlow als Kandidat der Rechtsparteien der Amtsgerichtsrat vr. Brun st ermann-Stadthagen ausgestellt worden, der als Antisemit vom „reinsten" Wasser bekannt ist. — Ehrengabe für den Abg. Hobrecht. Bekanntlich hat der langjährige Abgeordnete der Kreise Dirschau —Berent— Pr. Stargard, Hobrecht, kürzlich sein 80. Lebensjahr vollendet. Diesen Anlaß haben seine Wähler in dem genannten Wahlkreise zur Stiftung einer kunstvollen Ehrengabe benutzt. Das Ehren angebinde ist, wie die „Danz. Ztg." mitteilt, ein großer massiver silberner Tafelaufsatz. Ein knorriger Eichenstamm trägt eine große Schale nnd oben die Germania. Rings um den Stamm sind die Wappen der Städte des Wahlkreises (Dirschau, Pr. Stargard, Berent, Schöneck) in farbiger EmailauSführnng gruppiert. — Dem „Militärwochenblatt" zufolge erhielt Hendrik Witboi die Kriegerverdienstmedaille in Gold — Fähnrich Hüssener soll der sozialdemokratischen „Rheini schen Zeitung" zufolge ohne militärische Begleitung im Sportanzug in Köln gewesen sein und sich dort längere Zeit ausgehalten haben. Hüssener, der z. Z. seine Strafe auf der Festung Ehrenbreitcnftein verbüßt, sei zum Besuch seiner in Neuwied weilenden Mutter be urlaubt gewesen und habe die Gelegenheit zu einem Abstecher nach Köln benutzt. — Der Vorstand der Landesversicherungsanstalt Berlin hat die Garantie für die zweite Hypothek auf das Gewerkschafts- Hans der Hirsch-Dunckerschen Grwerkvereine übernommen und das Reichsversicherungsamt hat diesen Beschluß genehmigt. — Die Wünsche der preußischen Volksschullehrer nach Gehaltsaufbesserung scheinen der Verwirklichung einen Schritt näher gerückt zn sein. Augenblicklich finden, der „Nat.-Ztg." zufolge, behördliche Erhebungen darüber statt, welche Mehrkosten entstehen werden bei einer Erhöhung des Grundgehalts auf 1000 ./c, 1100 ./X, 1200 1300 oder 1350 .M nnd bei einer Erhöhung der Alterszulagen auf 120, 130, 140 oder 150 Gleichzeitig soll schätzungsweise ermittelt werden, bis zu welchem Höchstbetrage die Schnluntcrhaltungspflichtigcn zur Deckung der Mehraufwendungen aus eigenen Mitteln herangezogcn werden können. Die Erhebungen betreffen zunächst alle Äolksschullehrerstellen. Gesondert davon finden aber auch Erhebungen statt nur für die alleinstehenden und ersten Lehrer ans dem Lande, und schließlich nur für die letzte Kategorie. * * Braunschweig, l.August. Der bier abgehaltene 21. deutsch« Tischlertag erklärte sich einstimmig gegen die Arbeitslosen- Versicherung. Der deutsche Tischlertag beschloß ferner, an den preußischen Justizminister ein Gesuch um Errichtung von Kammern für Handwerkssachrn ähnlich den Kammern für Handelssachen zu richten. * Karlsruhe, 1. August. Die Streitigkeiten der hiesigen Hand werkskammer fangen an, die Aufmerksamkeit weiterer Kreise aus sich zu richten. Da durch die tiefgehenden Differenzen zwischen dem Präsidenten und einer größeren Zahl von Kammrrmitgliedern das Fortbestehen der ganzen Kammer in Frage gestellt wurde, so wurde ans Antrag der obersten Aufsichtsbehörde eine außerordent- liche Vollsitzung anberaumt, dir aber insofern ergebnislos ver lief, als nach Eröffnung der Versammlung zehn Mitglieder unter Protest den Saal verließen und dadurch die Sitzung beschluß unfähig machten. Auch der Vertreter deS großherzogliche» Ministe- rinmS de« Innern, Geh. OberregierungSrat O. Braun, verließ vor Schluß der Sitzung den Saal. Tie znruckbu'ibenden Kammrrmit- glieder ersuchten in einer einstimmig angenommenen Resolution die > großherzoglich« Regierung, den Sekretär unter Einleitung ein«
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