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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.06.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-06-15
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070615010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907061501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907061501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-06
- Tag1907-06-15
- Monat1907-06
- Jahr1907
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BezuaS-PrciS AnHeigen-PreiS stirLeivffa und Lorotte »urg, »»terrTrä«« u»d Kvrdile^r, LS lau» ,»bracht: Ä»S- gäbe L nur urorgenS) aierrrtiadrlich i moaa^ay >. N-, luSqad» 3 morgeu! und abend») oienegabrlich 4S0 llck monatlich 1.50 M. Lurch di« Pott uezogeo il mal täglich) maelvaib Lrmlchlands mü) der deutsche» uo!omen vieiteliädrtich 3 monatlich l At. auSichi. Poilbestellgeld, für Oeüerre.ch-IIllgar» viettellädrtich 5 L 45 b. Abouaemrat-Ällaahme: AugusruSvlay 8. bet aus««» Träger». Fütale», Spediteure» »ad Älluahmettelleu. lowu Poüämleru rmd Brretträg««. Li» »tazettt« Stummer wärt LV Psg. Reüattt»« im» ltrvettMou: Zodan»iSgass« 8. Telepy. Nr. 14L9L. Nr. »4693. Nr. 146S4. verltner Nedaktions-Vureaa: Balin X^V. 7. Prinz Louis Ferdinand- Straße I. Tetevdou l. Nr. 9275. Morgen-Ausgabe 8. WpMr.TaMaü Handelszeitung. Amtsblatt -es Nates und -es Nolizeiamtes -er LLa-t Leipzig. Pir Inserate au« Leipzig u. Umgebung di» Lgespalteue Pttttzeite 25 Pf„ finanziell« La- teige» 30 Reklame» 75Pf.; von autwLrl» 30 Ps^ Reklamen 1 M.; vor» Ausland SO Pi., sin an z Äuzetgea 75 U, Reklamen ».SO M. Inserate v.Behördeu im amtlichen Teil 40Pf. Beilagegebüdr 5 At. p. Tausend exkl. Post- «düdr. GejchLflSanzeigrn an bevorzugter Stell« im Preise erhöht. Rabatt nachTarii. Frslerteilte Aufträge känurn uicht zurück- gezogr» werden. Für da- Ericheine» an Leltüuotte» Tagen und Plätze» wird keine Garantie übernommen. Lnzrigen - Annahme: AuguttUSPlay 8, d«i fämtlichen Filialen u. allen Anuoncen- Erpedltionea des Ja- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDuucker,Herzgl.Bayr.HofbuchhaaLlg, Lützowltraße 10 (Tel. Vl, 4603'. Nr. 184. Sonnabend 15. Juni 1907. 181. Jahrgang. Vs; AiÄiigrie vom lsgr. »Am heutigen Tage beginnt im Haag kie zweite Friedenskonferenz. (S. d. bes. Art.) * Die weimarische Landessynode ist gestern mittag geschlossen worden, nachdem sie drei Wochen lang getagt hatte. Sie wird wahrscheinlich erst nach Ostern 1908 wieder zusammentreteu. * Zwischen Spanien und Frankreich und Spanien und England soll ein Bündnisver trag abgeschlossen worden sein, durch den sich diese Mächte den gegenwärtigen Stand im Mittelmeer und im Atlantischen Ozean garantieren. (S. Letzte Dep.) * Die russische Regierung fordert die Ausliefe rung zahlreicher Duma-Abgeordneter zur ge richtlichen Verfolgung. Damit ist «ine schwere Krisis heraufbeschworen. (S. d. Les. Art. und Letzte Dep.s * Morgen wird daS japanisch« Schulgeschwader in Tsingtau einen Höflichkeitsbesuch abstatten. * Der Führer der Dentschböhmen, Eppinger, ist ins Herrenhaus berufen. * DaS dänische KönigSpaar ist in Frankreich an- ^ekommen und vom Präsidenten Fallitzres in Cherbourg empfangen. (S. AuSl-s . * Die Pforte entsendet «ine Verstärkung von 70000 Mann nach Femen. (S. Ausl.) flirde s«r kMn r Wweihnächtlich ertönt in tausend Domen der Friedens- nruß. der in der Geburtsstunde des Weltcnhcilandes eine schönere Zukunft verkündigte. Nicht als ob die vorchrist lichen Jahrhunderte dem Gedanken unzugänglich gewesen wären, daß der Friede höher steht als der Krieg. In den wildesten Kriegsjahren Altgriechenlands leiht der Dichter seinem Abscheu Worte über das sinnlose Wüten der Bruder stämme, läßt er seine Götter von ihrem Olymp sortziehcn: „Daß sie nicht mehr zu sehen brauchen, wie ihr raust, Daß sie nichts hören mehr von eurer Balgerei." Aber seine Mitwelt hatte taube Ohren. Auch die christliche Friedensbotschaft sand keine willigen Hörer bei den für Krieg und Frieden entscheidenden Ge waltigen der Erde. Auch in jenen Zeiten nicht, als die neue Religion des Friedenbringcrs die alleinherrschende ge worden war im größten Teile Europas. Das den Werken des Friedens so gar nicht dauernd zugewandte Urgcrmanen- tum hatte mit dem kosmopolitischen Glauben ein recht hübsches Kompromiß geschlossen, das nicht allein den Kampf gegen die Ungläubigen an die allererste Stelle der Glaubenspflichten rückte, sondern auch den „Gottesfrieden" der Christen unter sich auf den kleineren Teil der Woche einschränkte. Nichtsdestoweniger dürfen wir dem Christentum eine sehr wichtige Rolle für den Fortschritt der Weltfriedensidee zuschreiben, der heut« zum zweitenmal die Abgesandten der Völker in Hollands Hauptstadt zusammenführt, um Mittel und Wege zur Verminderung der Kriege ausfindig zu machen. 46 Staaten mit 450 Vertretern sind im Haag versammelt! Zur Verminderung der Kriege, sagten wir. Daß ihre Bücher endgültig geschloffen werden könnten, wagt der größte Optimist nicht zu hoffen. Hat auch keinen Grund sür seine Hoffnung, nachdem der ersten Friedenskonferenz zwei schwere, blutige Kriege gefolgt sind. Im Friedensmanifest des Zaren, welches ein Jahr zu vor den Anstoß zu der ersten Versammlung gegeben batte, war das Hauptgewicht auf eine internationale Abrüstung gelegt, als das vornehmste Mittel zur Einschränkung der Kriegsgefahren. Man hat damals nicht gewagt, gerade dieses Hauptstück des ganzen Programms auch nur zur Be ratung kommen zu lassen. Diesmal soll Ernst gemacht wer den. Sitzt doch neben dem Apostel von der Newa heute auch an der Themse ein Jünger der gleichen Idee auf einem der größten Throne. Ob die Männer von 1899 nicht Weiser gehandelt haben, als sie den Vorschlag damals unerörtert ließen? Ob die Abrüstung überhaupt «in taugliches Mittel ist für die Ver wirklichung des an sich so edlen Gedankens? Die technischen Schwierigkeiten der Abrüstung haben wir unlängst an dieser Stelle erörtert: die große Schwierigkeit, einen wirklich gerechten Reduktionsmodulus hier zu er finden, wo man mit benannten und so ganz unwägbaren Größenverhältnissen zu tun hat. Denn an die radikale Maßnahme einer völligen Abichaffung der stehenden Heere denkt doch außer den unverbesserlichen Utopisten heute kein Mensch. Und auch der Schritt ließe sich auf seine Wirkungen nicht mit Sicherheit berechnen: könnte doch ge rade die Erleichterung der Kriegsrüstung diejenige Friedensbürgsckaft aufbeben, welche heute in der Furcht der Völker liegt, ihre gesamte Streitmacht und die Frucht jähre- langer Opfer an Arbeit und Geldleistungen auf eine einzige Karte zu setzen. -Der ewige Friede ist ein Traum und nicht einmal ein schöner", bat der größte Feldherr unserer Epoche einma gesagt. „Ter Mensch verkümmert im Frieden. Müßige Ruh' ist das Grab des Muts", singt unser Nationaldichter. Freilich aus dem Geiste «iuer vergangenen Zeit heraus. Aber «in wahrer Kern steckt in dem Wort, daS für jede» Zeitalter der Menschengeschicht« seine Geltung bewahrt. Die Menschengeschichte hat es nicht mit reinen Geistern zu tun, die den entnervenden Einwirkungen einer unbedingten Sicherung der körperlichen Bedürfnisse entzogen werden könnten und im Reiche der Gedanken fortsahrcn würden, tätig zu sein, wenn ihre Arbeit sür ein materielles Wohl befinden vollständig überflüssig gemacht würde. Der Krieg — im weitesten Sinne — ist noch immer nach dem Aus spruche des alten Weltweisen der Vater der Dinge. Freilich wagen wir, die wir an den Fortschritt der Menschheit glauben, an der Hoffnung sestzuhalten, daß der Krieg im engeren Sinne in einer schöneren Zukunft mehr und mehr zur Seltenheit werde, daß die Vergeistigung menschlicher Art allmählich zu einer immer höheren Stufe sich erheben werde. Aber lene Zeit ist noch fern, weltenfern. Und solange jene höchste Kultur als Schlußvunkt einer un endlich scheinenden Entwickelung nur im Reiche des Ge- dankens existiert und noch nicht auf Erden gesunden wird, ja. solange sie nicht diegesamte Menschheit umspannt, muß mit der Möglichkeit «ines Krieges gerechnet und darf darum die Vorbereitung auf diese Möglichkeit nicht außer acht gelassen werden. „ES kann der Beste nicht in Frieden leben, wen» es dem bösen Nachbar nicht gefällt." Di« Weltgeschichte hat bereits einseitige Abrüstungen in größerem Stile erlebt. Der römische Kaiser Hadrian hatte eine sehr einschneidende Verminderung der römischen Streit macht vorgenommen. Ja, er tat noch mehr, um der zivili sierten Welt einige Menschenalter des sicheren Friedens zu schassen. Er gab die gewaltigen Eroberungen seines Vor gängers der rivalisierenden Nachbarmacht freiwillig zurück. Auch in unseren Tagen empfehlen uns die Friedens enthusiasten den Verzicht auf Elsaß-Lothringen, um Frank reich dauernd zu beruhigen — als ob dann nicht sofort die alte S«hnsucht nach der Rheingrenze wieder aufwachen würde! — Hadrians zweiter Nachfolger mußte von seinem ersten Regierungsjahre an zwanzig Jahre hindurch um die Existenz seines Reiches mit den vom ätulturkreis der Mittel- meerwelt ausgeschloffenen Völkerschaften ringen und ver brauchte seine kargbemessene Regentenzeit mit der Neu schöpfung eines felddiensttüchtigen Heeres, das man jo un säglich törichterweise abgefchafst batte. Auch die jüngstver gangenen Jahrhunderte der deutschen Geschichte haben den Verfall ihrer Wehrkraft in langen Friedenszeiten wccder- holt bitter büßen müssen. Die Abrüstung ist sür uns heute indiskutabel, solange Franzosen und Slawen nickt rückhaltlos Deutschlands heutige Grmzen als unaoänderllck anerkennen wollen. De: ,elbc Zeitpunkt, in dem die polnischen Wühlereien den alten Haß gegen das Rusfentum zurückzustellen beginnen und eine Fühlung mit der zarischen Negierung anstreben, dünkt uns ganz besonders ungeeignet. Selbstverständlich würden wir auch unter einem günstigeren Gestirn auf keinen Fall den unvergleichlichen Gewinn wegwersen dürfen, welcher der körperlichen und Willenserziehung unseres „Volkes in Waffen" durch die Militärjahre zuwächst. Es darf niemals dahin gebracht werden, daß die deutsche Jugend hinter Fabrikmauern vermodert. Solange keine völlig gleich wertige Form in einer anderweitigen militärischen Organi sation gefunden ist, muß der mehrjährige Dienst in einem stehenden Friedensheere um seiner selbst willen aufrecht erhalten bleiben Ter Wehrpflicht steht auch ein un- veräußerliches Wehrrccht als ein Postulat einer gesunden Demokratie gegenüber. Auch die obligatorischen Schiedsgerichte müssen .wir zu- rückweisen. Es darf uns nicht zugemutet werden, den ganzen Vorsprung unserer tüchtigeren Organisation bei einem heraufziehenden Kriegsgewstter preiszugeben und uns schikanösen Verschleppungen durch nicht immer wohl wollende Vermittler auszusetzen. Demungeachtet mögen wir die heute zusammentretcnde Konferenz nicht bloß mit einem Achtungsapplaus begrüßen. Es gibt so viele Materien des Kriegsrechtes, in denen, wenn auch nicht für die Abschaffung, doch für die Milderung der Kriegsleiden Großes geleistet werden kann. Wenn es ein mal gelänge, das Privateigentum in Krlegszeiten sicher zu stellen, so wäre ein gewaltiger Gewinn erzielt. Aber da widersprechen wieder diefemgen Mächte, welche durch ihre eigenartigen Verhältnisse gezwungen sind, die Entscheidung auf dem Seekricgsschauplatz herbeizusühren. Auch ist ihrem Argument nicht ganz die Berechtigung zu versagen: daß cs ihnen nicht verwehrt werden darf, die wirtschaftliche Kraft ihrer Gegner niederzurmgen, denen sie nicht mit einem überlegenen Landheere den Krieg vor die Mauern ihrer Hauptstädte tragen können. Es wäre die herrlichste Tat der Konferenz, wenn sie die Entsagung gewönne, alle diese strittigen Fragen auszu scheiden und sich auf die Kodifikation derjenigen Materien einzuschränken, über deren Grundsätze eine Einigkeit von vornherein besteht oder doch mit leichter Mühe herzustellen ist. In dieser Hoffnung rufen wir dem erlesenen Welt parlamente ein ehrlich und herzlich gemeintes: Will kommen! zu. * * Haag, 14. Juni. Heute nachmittag unterzeichneten die Delegierten jener Staaten, welche bei der ersten Kon ferenz nicht vertreten waren, ihre Beitrittserklärung zu den Beschlüssen der ersten Konferenz. Sodann wurde von den Vertretern der Signatarmäckte der «rsten Konferenz ein diese Beitrittserklärung konstatierendes Protokoll unter zeichnet. Als Vertreter Deutschlands unterzeichnete Ge sandter v. Schloezer. — Haag, 14. Juni. Die Delegierten der Friedenskonfe renz, die fast sämtlich eingetroffen sind, begaben sich heute nachmittag zum Generalsekretariat, um sich einzuschreiben. Drei Delegierte fehlen noch und zwar die Vertreter von Honduras, San Salvador und Uruguay. Da man von ihnen ohne Nachricht ist, so nimmt man an, daß es sich bei ihrem Ausbleiben lediglich um eine Verspätung handelt. — Die Polizei hat strenge Maßnahmen zum Schutze der Delegierten getroffen. Nur die Personen, die mit speziellen Einlaßkarten vom Auswärtigen Amt versehen sind, haben Zutritt zum Konferenzpalast. Die Grundsteinlegung sür den neuen Friedenspalast findet am 2. August statt. Dazu sind viele Festlichkeiten geplant. " firttir in Irland. Zum zweiten Male scheint ein jäher Streich der russi schen Duma ein gewaltsames Ende bereiten zu wollen. Wir erhalten folgende Depesche: Petersburg, 14. Juni. Ter Präsident der Tuma Golowin erhielt nachmittag 1 Uhr 50 Minuten et» eigen händige» Schrecken des Miuistnpräjidentrn Stolypin, in dem dieser erklärt, er habe der Tuma Mitteilungen zu machen, welche keinen Aufschub dulden. Er ersuche, ihm sofort bei der Eröffnung der Tuma das Wort zu erteilen uud auf Grund des Artikels 44 die Oeffenttichkeit der Sitzung aufzuheben wegen Zugehörigkeit von Abge ordneten zur revolutionären Lampforganisation, sowie Vorbereitung eines bewaffnetcu Volkeaufttandrs. i-a findet eine «ebeime Sitzung der Tuma statt. Im Verlaufe der Sitzung erklärten sich, wie verlautet, gegen den Aegierungsantrag die Sozialdemokraten und der Poleukolo. Bon deu Kadetten war der grötzere Teil dafür, der kleinere dagegen. Tie Minorität erklärte, nötigenfalls aus der Partei austreten zu wollen. In der Sitzung verianpte Stolypin die sofortige Verhaftung von 16 sozialdemokratischen Ab eordnete», sowie die Genehmigung dazu, den geätzten Teil der übrigen Sozial demokraten — etwa 55 — zur gerichtlichen Verant wortung zu ziehen. Vs hettzt, die Kadetten werden den Antrag ablehnen. In diesem Falle dürfte die Auflösung der Tuma erfolgen. TaS Tnmapalats ist mit einem starken Aufgebot von Truppen, Gendarmerie und Polizei umgebe». Livrlpersonen werden zum Weiter gehen aufgeiordert. Diese Zumutung der russischen Regierung stellt aller dings eine vollständige Verneinung dessen dar, was man in West-Europa unter Parlamentarismus versteyt. Eines der parlamentarischen Grundrechte ist von altersher die Jmmu- nriat des Abgeordneten. Eia gleiches Verlangen König Karls vcn England hat seinerzeit den furchtbaren mehrjährigen Bürgerkrieg berausbeschworen, welcher zum einzigen Male dem monarchischen Iiiselvolke die Republik, dem eigenwilligen Könige den Tos gebracht bat. Wir halten bis zur Stunde gehofft, daß die Mäßigung der zweiten Duma von der russischen Regierung gewürdigt, daß daS Kabinett Stolypin sich j ner Kamarilla erwehren werde, welche nicht aufgeyört hat, die verantwortliche Stelle d-s Re'ckes gegen die vermittelnde R chlung der' leitenden M.istü-rs aunureizen. Es wäre höchlichst ru bedauern, wenn Rußlands junre parlamentarische Geschichte einen zweiten Riß erhielte, wenn ein zweitesmal vom Ministerium Sto lypin der Sprung ins Ungewisse gewagt würde, der zweifel los nickt obne neue gefährliche Wirren des schwer heimge suchten Lances vollzogen werden lönne. Telegraphisch wird weiter gemeldet: * Petersburg, 14. Juni. Am 18. Mai erfuhr die Peters burger Polizei, daß die Wohnung des Dumaabgeordneten Ohsol, in der die Sitzungen der sozialdemokratischen Partei der Reichsduma stattfinden, auch von Mitgliedern der revolutionären Militärorganisation besucht werde. Diese Nachricht, die später durch die Verhaftung einiger Mitglieder der erwähnten Organisation bestätigt wurde, gab Veran lassung zu einer Haussuchung in der Wohnung Olssols. Bei dieser wurden zahlreiche Schriftstücke gesunden, die darauf Hinweisen, daß die 55 Dumaabgeordneten, welche die sozial demokratische Tuma-Fraktion bilden, eine verbrecherische Vereinigung gebildet haben zum Umsturz der durch die Grundgesetze festgesetzten Negierungsform mittels eines Volksaufstandes, towie zur Einführung der demokratischen Republik. Zur Erreichung dieser Ziele hatte die Vereini gung folgende Maßnahmen getroffen: Sie trat in Verbin dung mit einer geheimen verbrecherischen Vereinigung, welche sich Zentralkomitee der russischen sozialdemokratischen Ar beiterpartei nennr, und mit dem Petersburger Komitee dieser Partei und einer ganzen Reibe von dem Zentralkomitee unterstellten Lokalkomitecs. Ferner ordnete sie ihre Orga nisation dem Zentralkomitee unter, leitete aber selbst behufs Vorbereitung eines Volksausstandes die Tätigkeit der an ver schiedenen Orten des Reiches entstandenen Geheimkomitees. Auch versandte sic an diese Zirkulare, in denen die Agitatoren beauftragt werden, das Volt gegen die Regierung, den Ades und die Beamten und gegen die Gutsbesitzer auszuwiegeln. Weiter beauftragte sie die verbrecherischen Geheimkomitees, die von ihnen ausgewiegelten Bauern, Arbeiter und Sol daten zu geheimen Vereinen, Filialen und Gruppen zu ver einigen und alle Gruppen wieder zu dem Zwecke zu einigen, um die Unzufriedenheit und Erregung der ärmeren Klassen zur Inszenierung eines gemeinsamen Ausstandes des Mili tärs. der Bauern und der Arbeiter auszunüken. In einem an die Bauern » richteten Aufrufe forderte die Vereinigung diese auf, Vereine zu bilden und sich mit den Arbeitern in Verbindung zu setzen, sowie sich zum offe nen Kampfe mit der gesetzmäßigen Regierungsgewalt Ruß lands zur Aneignung der Staatsgewalt und Uebergabe der selben an eine Volksvertretung bereit zu halten. Mit einer geheimen verbrecherischen Vereinigung, die als nächstes Ziel ihrer Tätigkeit^ die Vorbereitung eines Militäraufstandes betrachtet und sich „Militärorganisation der russischen sozial demokratischen Arbeiterpartei" nennt, trat die Vereinigung in direkte Verbindung. Durch eines ihrer Mitglieder, den Abgeordneten Gerus, leitete sie am 12. April in Peters burg eine geheime Versammlung einer der Organisationen der erwähnten Vereinigung. Ferner nahm sie Instruktionen von Angehörigen der Wilnacr und Vetersburger Garnison entgegen und empfing eine Abordnung der Petersburger Garnison, die ihre Mithilfe versprach. Die erwähnte Ver einigung bildete den Mittelpunkt, in dem sich die revolutio nären Forderungen der von den Lokalkomiiees der geheimen Verbände und Grnvpen der ärmeren Volk^klassen h-'üalick der Einberufung einer Konstituante und der gewaltsamen Einführung der demokratischen Republik in Rußland kon zentrierten. Alle Geheimkomitees sandten dieser Vereinigung Berichte ein, die auf die'e W.ffe über die revolutionären Kräfte und Mittel Buch führen konnte. Sie berief Vertreter der Ge heimkomitees. nm .bnen Instruktionen zu erteilen und ent sandte ihre Mitglieder in gesetzwidrige Versammlungen, da- mit sie dort Brandreden hielten. Auch v r'öatc ' ie Ver- einignng über falsche Pässe, mit denen sic solche Personen versorgte, die sich der Verfolgung durch die Obrigkeit ent- ziehen wollten. Gegen 55 Dumaabgeordnete »st die Voruntersuchung er- öffnet worden. Sie unterliegen dem Gesetze zufolge der zeitweiligen LuS'chließung von den Satzungen der Duma. 16 derselben, die an der verbrecherischen Vereinigung hervor- ragenden Anteil genommen hab«.», sind auf Verfügung der Staatsanwaltschaft in Hast zu nehmen. > - Karden, der Lafelrundenrprenger. Maximilian Harden hat sein Plädoyer diesmal schon vor »er Gerichtsverhandlung gehalten, wie immer mit der Ge- chicklichkeit, die dem Ruf des großen Publizisten entspricht. Der Gedankengang seines „Zukunfts"-Artikels ist klar und gut gegliedert, was von seinen Produkten nicht allzuhäufig gesagt werden kann. <Es gibt hochgebildete Leute, die vor einem Normalartikel Hardens wie vor einer Sphinx stehen, weil er, kokettierend, die nur Eingeweihten bekannten Details stets so verwendet, als seien sie das Geheimnis der Gasse.) Harden erklärt, er habe nie die Herren Fürst Eulen- »urg, Graf Kuno Moltke, Graf Hohenau beleidigt, noch strafbarer sexueller Handlungen bezichtigt, sondern ihnen nur abnormes Empfinden zugeschrieben. Auch das yätte ihn nicht gestört t«r ist sehr tolerant in diesem „Zukunsts"- artikelf, wenn sie nicht politischen Mißbrauch mit ihrem persönlichen Einfluß auf den Kaiser getrieben hätten. Die- em Mißbrauch sei er entgegengetreten. Er beantragt für ich deshalb Freisprechung. Tie Argumentation sieht völlig geschloffen aus, ist es aber doch nicht ganz. Nämlich: wer den preußischen Regie rungsmodus, wer die Psyche der entscheidenden Persönlich keit kennt, konnte nie einen Augenblick glauben, die Tafel runde sei durch Angriffe auf ihren politischen Einfluß zu prengen und zu diskreditieren. Noch immer gilt in diesen Dingen leider das alte Motto: IsraeL. Nun gerade nicht. So will es die traditionelle höfische Auffassung von der trans- zendenten Majestät des Kaiser- und Königtums. Und so ist die Praxis gewesen. Also mag man immerhin Harden glauben, daß es ihm nur um Politik, nur um die Aus merzung dieses politischen Schadens, um die Erstickung dieser Nebenrcgierungsgelüste zu tun war. Für die Behauptung aber, die Erwähnung der abnormen Neigungen sei ganz ohne Harm, nur der Vollständigkeit wegen erfolgt, darf man wohl ein Lächeln haben. Die Kunde von diesen Abnormi täten, und sie ganz allein, hat den Angegriffenen das höfische Genick gebrochen. Das mußte auch Harden wissen. Und das ist das Loch in seinem Plädoyer. Es ist aber auch bis zu einem gewissen Grade seine Rechtfertigung. Denn da ohne diese Unsittengeschichtchen das Ziel, das löbliche, nickt zu erreichen war, so entschuldigte der höhere Zweck die nie drigeren Mittel. Wir ständen nicht an. Horden aus ein- Stufe mit dem Autor der Krupp-Artikel des „Vorwärts" zu stellen, wenn wir ihm nicht das reine politische Interesse und den starken politischen Sinn zutrauten. Bleibt ober trotzdem ein beträchtlicher Nest von Unbehagen. Dieses ist doppelter Natur. Es muß verdrießen, daß es den Erfahren sten nicht möglich scheint, politische Schädlinge durch Frontangriffe zu besiegen, daß aufs Positive gerich tete Politiker, in diesem Falle, mit Widerstreben vermutlich, unpolitische Handhaben intimsten Charak ters ergreifen müssen, um dem Unfug zu steuern. Und es muß ferner verdrießen, daß durch die Notwendigkeit solcher Mittelchen das politische Niveau deutschen Tages- schrifttums merklich berabgcdrückt wird. Harden wäre uns ohne das anormal - sexuale Beiwerk seiner Attacke lieber. Und es ist nicht schwer nackznweisen, daß die Zwangslage der Verwertung dieser Abnormitäten seine Schreibweise ungünstig beeinflussen, seine ethische Position verschlechtern mußte. Harden hat Recht. Er hat die Mit glieder der Tafelrunde nicht mit Verbalinjurien belegt, er bat sie auch nicht strasgesetzlich zu ahndender Vergehen bezichtigt. Durchaus nicht. Aber er hat Wendungen gebraucht, die neben den von ihm jetzt gegebenen auch solche Deutungen zu ließen. Auch dazu mag er sich gezwungen gefühlt haben in starkem positiven Wollen. Denn wenn von vornherein nur von „normwidriger lwcnn auch ideeller! Männerfreundschaff" die Rede gewesen wäre, wenn der Makel der Kinädie so ganz zweifellos ausgeschaltet worden wäre, dann trieben die Herr schaften vermutlich heute noch ihr Wesen. Es mag also nötig gewesen sein, so vorzugeben. Aber dieses Vorgehen be dingte eine starke Opserfähigkeit des Angreifers. Und das Ovfer Hardens bestand darin, daß er eine Stuff hinunter steigen mußte. Die Tatfache, daß Harden heute dieselben Leute gegen sangeblicks zu weit gehende Angriffe verteidigt, die er selber erst vor der Oesfentlickkeit in den Verdacht der Perversion wie der Perversität gekrackt hat, hat bringen müssen, macht die Nncrguicklickken, die Undankbarkeit dieser Art des Wespengreisens reckt klar. Tie Lebensweisüeit Oktavio Piccolominis wußte schon ein Lied zu singen davon, wie schwer cs ist, die Seele sich im Leben so kinderrein zu halten, wie eS die Stimm' uns lehrt im Innersten. Nock etwas muß an dem Plädoyer auffallen, die wieder holte Berufung daraus, daß die Tafelrunoenmitglieder ehren- voll verabschiedet worden, daß ihnen affo Vergeben schwerlich nackznweisen seien. Da scheint uns doch eine Blöße Dem Selbstbewnßtsein eines Harden muß cs schwer ongekowmeu sein, sich mit solchen Argumenten zu salvicren. Die Maske des Biedermanns steht klugen Leuten gewöhnlich nickt gut. End die Pbili, Tütti, Willy müßten dock wesentlich naiver sein, wenn das ihren Zorn entwaffnen sollte. Wir fürcksscn vielmehr, die Tafelrunde wird ihren ehrlichen Haß dem Her- ausgeber der „Zukunft" auch fürderhin mit ungeschwäcktem Empfinden weihen, und der Fall Holstein, der viel Gefchmäbtc und doch Versöhnte, dürfte nicht durch Toubletten entwertet werden. Seien wir, nach Möglichkeit, objektiv. Harden bar sich unbestreitbare Verdienste um die Säuberung der politischen Atmosphäre erworben, auch dann unbestreitbar, wenn man wünscht, sic wären sür Harden billiger zu haben gewesen. Aber für das Wohl der Nation darf das. wie überhaupt alle Ethik, außer Betracht bleiben. Daß er sich beute nach Kräften wehrt, verlönlickc Unannehmlichkeiten als Folgen seines verdienstvollen Handelns von sich abzuwebren, soll ihm nickt verübelt werden. Um so weniger, da Harden sich in un günstiger Lage bei bissen Prozcßausgängen befindet. Weder ist seine Konstitution recht stark, noch ist er als Herausgeber zu ersetzen. Auch würden wir es im höchsten Grade bedauern, wenn dem tüchtigen Manne der übliche deutsche Publizisten- lobn auch diesmal werden sollte, stimmen ihm darin auch zu, daß schwerlich eine juristische Handhabung zu seiner Ver urteilung lick finden läßt, und meinen, der Kern der wich tigen Sache sti zu wertvoll, als daß man sich durch die Hülle die Freude an ibm verderben lassen sollte. Ter „Ring um die allerhöchste Person, den keiner durchbrechen konnte", ist endlich durchbrochen. Durch Harden. Alles andere ist schließlich nebensächlich. Und wir wünschen Harden keines andere» Richter als sich selbst. ,
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