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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.01.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-01-31
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070131016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907013101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907013101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-01
- Tag1907-01-31
- Monat1907-01
- Jahr1907
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Die Angeklagten wurden zu Gefängnisstrafen von 4 Monaten bis zu 1 Jahre 9 Monaten verurteilt. (S. 3. Seite.) * Nach eiuer Meldung des „Globe" ist daS Ent lassungsgesuch des Gouverneurs von Jamaika Swettenham angenommen worden. Der steicbrtMwaMaaipf. * Aus drm 15. sächsischen Wahlkreis (Mittweida). E» stellt sich beranS, daß man bei der Auszählung >m Stadt» und Landkreis Limbach dem sozialdcmokraii'chen Kandidaten Stückle» 1000 Stimmen mebr zugerechnet batte, als er er- ballen. Dies bringt eine wesentliche Veränderung in da» Bild deS Gelamtresultals 'M Wahlkreis. Statt 18 322 Stim men zählt Siücklen nunmehr nur noch l7 322, und aui die Ordnuugsvarleieu entsallcn ww bisber für Starke (kons.) 6942 und auf Dr. Zöphel «natl.) 8594 Stimmen. Interessant ist auch ein BlickansdieWahlbeteiligung. Diese betrug im ganzen Wahlkreis 90,02 Proz.; am besten war sie unter den fünf Bezirken in der Augustusburger Pflege mit 94,l4 Proz., bann folgen Burgstädt mit 94,09 Proz, Frankenberg mit 92,23 Proz, Mittweida mit 9l,43 Pro), und L'mback mit 83,89 Proz. Der Rückgang der sozialbemokratncben Stimmen ist außer ordentlich groß. Am l6. Juni 1903 erhielt der damals ge wählte Sozialdemokrat gegenüber dem Kandidaten der Ord» nunaSparteien ein Stimmenplu» von 7792, im November 1903 (Nachwahl) von 5530 und am verflossenen Freitag von nur noch 1787 Stimmen. Beträchtlich ist per Stimmen zuwachs der bürgerlichen Parteien. Von diesen wurden ab gegeben im Juni 1903 kl478 Stimmen, bei der Nachwahl desselben JadreS nur 10 509 und bei der Lauptwahl am letzten Freitag 15 536 Stimmen. ) 8 Jtttau, 29. Januar. (DaS amtliche Wahl ergebnis.) Die Zittammenstellung der Wahlergebnisse deS 1. Reichstag-Wahlkreise» wurde heute bekannt Ergeben. Bon »ar Wicktigm vom läge. * Der„Reichsanzeiger" gibt einen Erlaß des Kaisers bekannt, in dem vieler für die ihm zum Ge burtsta g dar- gebrachien Huldigungen und die nationale Haltung der deutschen Wählerschaft seinen Dank ausspricht. (S. Dtlchs. R.) * Die Regierung gibt in der „Nordd. Allg. Ztg." die Sticvwablparole aus „gegen die Sozialdemokratie". (S. Wahlkampf.) * Der durch die Katastrophe im Saarrevier an- gericklele Schaven beläuft sich auf 6 Millionen Mark. (S. Neues a. a. W.) Zorialäemokratie un<l HolomalpolM. Die Nachtwächter der marxistischen Orthodoxie schreiben sich im Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie die Finger wund, um die Dernburgjche Behauptung zu wider legen, daß die Kolonialpolttil gerade in erster Lime der Arbeiterschaft zugute komme. Sie sind so völlig rn die tausendmal widerlegte Marxsche Werttheorie, wonach nur die Arbeit die Quelle aller Werte bildete, vernarrt, bah sie >n blindem Größenwahne behaupten, das Lied, das Terudurg vortrage, sei nur eine »Variation der alten Hinderfidelöko nomie', die es den Arbeitern um so besser gehen läßt. „ie mehr die herrschenden Elemente als Privatleute und durch den Staat verschwenden". Diese „famose Oelonomie" trage nicht, woher das Geld stamme, das aus den Händen der Neichen und den Kassen des Staates unter „die Leute" kommt. „Ist es in diesen Händen und Kassen gewachten oder vom Himmel bineingefallen? Nein, diele Werte mutzten zuerst geschaffen werden durch Arbeiter, und dann wurden sie diesen in verschiedenen Formen als Prosit. Steuer und dergleichen abgenommen." So volkswirtschaftlert der „Vor wärts". Seine „famose Oelonomie ' fragt nur nicht, woher die Rohstoffe stammen, welche unter den Händen der Arbeiter zu Jndustrieerzeugnissen werden, noch woher die Stoffe zu der Nahrung und Kleidung, die sie für ihren Lohn kaufen können. Sind diese Stoffe in ihren Händen oder Schüsseln gewachsen, oder vom Himmel hineingefallen? Nein, sie mußten erst irgendwo dem Boden abgewonnen werden, bevor sie dem Arbeiter es ermöglichten, sich von seiner Hände Arbeit zu ernähren. Aus diesem Grunde gerade sollte der Arbeiter ein Interesse an jedem Stück Erde haben, das ihn billig mit Nabruna oder Rohstoffen versorgen kann. Wer auf dem Lande lebt oder gelebt hat, weiß, welche Rolle dort der Raum, der Boden als Kunerolan in der Vorstellungswelt der Menschen spielt. Dies allein erklärt die Prozeßwut der Bauern bei den geringsten Meinungs verschiedenheiten über die Lage eines Grenzsteines oder sonstige Rechtsfragen, die sich auf das Grundeigentum be- ziehen. Der Landmann weiß eben, daß seine Muskelkraft wenig gilt ohne den Acker, der ihm Früchte liefert, und er weiß, daß, wenn er ein Stück Erde sein eigen nennt, er die Augen offen behalten muß, um seinen Besitz zu behaupten; denn das Dichten und Trachten der Menschen geht auf materiellem Gebiete in erster Linie dahin, sich durch mög lichst ausgedehnte Besitzrechte am Boden, als der Grundlage aller menschlichen Existenz, einen möglichst großen Einfluß auf die Güterproduktion zu verschaffen. Wie konnte nun in den Sozialisten, soweit sie aus Marx' Schultern stehen, die Illusion sich berausbilden und erhalten, daß nur in der menschlichen Arbeit die Grundlage des Volkswohlstandes und „Reichtums" zu sehen sei? Weil das Maschinenzeitalter die gewerblichen Arbeiter vor. der Scholle loslöste und durch Entwickelung des Exportindustrialismus von der heimischen Landwirtschosi unabhängig machte. Dieselben Schisse, die die Erzeugnisse der Industriestaaten nach überseeischen Ländern tragen, bringen, zum Teil als Ballast, Getreide, Nahrungsmittel, Rohprodukte zurück, Erzeuanisse. die durch extensive Bewirtschaftung neuer, jungfräulicher Böden bis ber drüben in Hülle und Fülle spielend leicht gewonnen werden konnten. So wurde in den Exportländern gleichsam Arbeit aus- und Boden eingesührt. Die Bevölkerung konnte ungehindert anwachsen, und tue Leden»boltuna der durch ihre Konzentration bewirkten Steigerung der Pro- duktivkrast sich ständig heben. Daß dos Vorhandeniein über seeischer. unerschlossener jungfräulicher Böden die Voraus setzung für daS rasche Temvo der Reichtumsvermebrung bildet, daß überhaupt unsere Bedarfsdeckung trotz aller Fort schritte der Technik immer noch im wesentlichen von der Er- giebiokeit des Bodens abbängt. kam den Industriearbeitern nie zum Bewußtsein. Ihnen schien es, fern von den Stätten der Urproduktion, als zauberten sie mit ihrer MuS elkrast die Mittel zum Lebensunterhalt aus dem Nichts hervor, und als könne es mit dieser Zauberei niemals ein Ende nehmen. Hier liegt der Ursprung des Größenwahnes der Besitzer der Ware Arbeitskraft, und weil diese bisher sich nickt um die Herkunft der Bodenerzeugnisse, von denen sie in Nahrung, Kleidung und Wohnung abbängen. zu kümmern, nock zu sorgen brauchten, deshalb kam ihnen daS Gefühl für bie Not wendigkeit. den Nohrunossvielraum des Volkes mit poli tischer Macht zu behaupten und nach Maßgabe der Be» völkerungszunabme zu erweitern, abhanden. Der „Vorwärts" wirst der bürgerlichen Gesellschaft vor, sie verwechsele bei der Schätzung deS Wertes der Kolonien für den Bezug von Bodenerzjeugnillen natürlichen Reichtum mit gesellschaftlichem Reicht,«. Dieser sei auf Arbeit ge ¬ gründet, da auch jener nur durch Arbeit zu gesellschaftlichem Reichtum werden könne. Folglich sei doch die Arbeit die Quelle aller Werte. Man brauche nur die Schweiz mit Südamerika zu vergleichen, damit einem diese Wahrheit sonnenklar werde. Die Schweiz hat wenig naiürliche Reich- tümer, verfügt aber über gesellschaftlichen Reichtum, dank der Intelligenz und dem Gewerbeileiß seiner Bewohner; Südamerika dagegen hat große natürliche Schätze, aber der gesellschaftliche Reichtum ist gering, weil eine tüchtige, arbeitsame Bevölkerung fehlt. Diese Logik steht genau auf der Höhe des Satzes: „Wenn im Frühling die Frösche zeitig guaken, schlägt auch das Laub beizeiten heraus; folglich guaken die Frösche das Laub aus den Bäumen heraus." Tie Schweiz ist altes Kulturland und würde politisch, wenn ikm nicht seine Berge einen natürlichen Schutz gewährten, nur von der europäischen Mächte Gnaden existieren. Sein Gewerbe- fleiß könnte ihm wenig nützen, wenn ihm der Bezug von Roh stoffen und Nahrungsmitteln allzulehr erschwert würde. Wie kann man aber einen noch so wenig erschlossenen Erd teil wie Südamerika damit vergleichen? Gewiß sind natür liche Reichtümer so lange nichts wert, als keine menschliche Arbeit darauf verwandt wird, aber ist es deswegen gleich- ! gültig, ob das Land, in dem man arbeitet, über viele oder wenige natürliche Reichtümer verfügt? Als ob nicht der Lohn der Arbeit im allgemeinen immer dort am höchsten wäre, wo die Beschaffung von Rohstoffen und Nahrungs mitteln mit den geringsten Schwierigkeiten verknüpft ist. Die ganze Geschichte der Vereinigten Staaten von Nord amerika bildet einen einzigen Beweis für diese Tatsache. Daß für die deutsche Lohnarbeiterschaft chwere Zeiten kommen müssen, wenn einmal in England der imperiali stische, in Amerika der allamerikarische, in Ostasien der all asiatische Gedanke zur Vorherrschaft und zu praktischer Durchführung auf wirtschaftlichem Gebiete gelangt, das empfindet man in den Kreisen der deutschen Sozialdemo kratie sehr wohl. Man sucht aber den Glauben zu erwecken, nur die deutsche Weltpolitik sei die Urheberin dieser Ent wickelungstendenzen. Tas wurde kürzlich allen Ernstes wieder >m „Vorwärts" behauptet. Eine solche Hypothese könnte einigermaßen plausibel gemacht werden, wenn Deutschland in Mutterland und Kolonien über so große natürliche Reichtümer verfügte, daß deren Abschließung gegen das Ausland eine wirtschaftliche Gefahr für Reiche wie Großbritannien und die nordamerikanische Union be deutete. So, wie die Tinge liegen, kann es sich aber bei einem deutschen Imperialismus nur um einen Akt der Not wehr gegen die wirtschaftliche Abscbließnngspolitik in den bestehenden, sich entwickelnden angelsächsischen, mongolisch-'n und slawischen, Wcl'rei'chen- bandeln, nnd die Sozialben:r> kratie treibt m.t den Interessen der deutschen Arbeiterschaft ein frivoles Spiel, wenn sie einer Kolonialvolitik entoeoen- arbeitet, welche wie die Ternburgs. der deutschen Produktion einen großen Teil derjenigen Rohstoffe sichern will, die zum eigenen Verbrauch innerhalb der Nation und zum Zwecke der Veredelung des Arbeitsmaterials vieler Millionen deut scher Arbeiter dienen, und welche ferner dieser deutschen Be völkerung durch billige Produktion von Nahrungsstoffen eine bessere Lebenshaltung zu ermöglichen sucht. besaß, ist Von den gegen die Böblingen erwarten haben. Wir sagen vorsichtig dürfte: denn den Ausschlag geben die Sozialdemokraten, und da fragt cs sich, ob diese die Drohungen, die sie nach dem Abschluß des Wahl» übereiukommons zwischen Volkspartei und Deutscher Partei ausgcstoßen haben, wahrmachen und an der Volkspartei bei den Stichwahlen Rache nehmen werden, indem sie sür Bauernbund und Zentrum stimmen. Die Volkspartei ist an sämtlichen sieben Stich wahlen beteiligt, und zwar steht sie viermal gegen den Bauernbund, zweimal gegen das Zentrum und einmal — i» Nlm — gegen Nir Sozialdemokratie. D > in Ulm neben dem Bauernbund das Zentrum den Ausschlag zu geben Yak, so ist immerhin, auch abgesehen von dem sozialdemokratischen Rachedurst gegen die Volkspartei, Gelegenheit zu Handels- geschäslen vorhanden. Es srazt sich aber doch, ob die sozial demokratische Parteileitung ihren Wählern zumuten kann — und zwar mit Erfolg — für Bauernbund und Zentrum gegen die Demokratie -u stimmen. Vielleicht würde sie in diesem Falle ein blaues Wunder erleben, denn Württemberg ist nicht Bayern. Immerhin muß man mit Versuchen nach dieser Richtung rechnen. Vor allem dürften die Sozial demokraton versuchen, den verhaßten vol(sparteilichen Führer Konrad Haußmann, den man für den Vater der Abmachung mit der Deutschen Partei hält, in Balingen, wo er in der Stichwahl gegen das Zentrum siebt, zu Fall zu bringen. Mit welchem Erfolg, steht dahin. Einstweilen ist zu sagen, daß von den sieben Stichwahlen nur eine, nämlich die in Crailsheim, Von vornherein für die Volkspartei aussichtslos ist: die übrigen sechs kann sie, wenn es gut ^eht, sämtlich gewinnen; aber auch im ungünstigen Falle wird sie verstärkt in den neuen Reichstag einziehen. Bei der letzten Reichstagswahl brachte sie in der Hauptwabl überhaupt kein Mandat durch, jetzt hat sie deren schon zwei. Eine besondere Genugtuung für die Demokratie ist, daß ihr Führer Payer in Reutlingen wider Erwarten, dank auch der kräftigen Unterstützung von nationalliberaler Seite, schon im ersten Wahlgang wicdergewählt wurde. Die Deutsche Partei, die zuletzt nur ein Mandat besaß, hat jetzt zwei, an Stichwahlen ist sie nicht beteiligt. Das Zentrum hat natürlich seine vier Mandate be hauptet. Bemerkenswert ist indessen seine Stimmenzahl, die vielfach stark gestiegen ist. Allerdings würbe mit Hochdruck gearbeitet. Jedenfalls hat die Wahlparole: Gegen das Zentrum! hier nicht viel ausgerichtet. Die Zeche haben allein die Sozialdemokraten bezahlen müssen. Tie bürgerliche Linke darf sich des Erfolges freuen, um so mehr, als er erzielt worden ist, ohne daß Konservative und Bauernbündler überall „national" gehandelt hätten. Sie haben es sich nicht versagen können, der Volkspartci mehrfach Sonderkandidaturen entgegenzustellen, die leicht hätten ge fährlich werden können. Daß sie cs nickt geworden sind, ist natürlich nicht das Verdienst des Bundes der Landwirte. Konservativen bzw. dem Bund der Landwirte eine Förde rung angedeihen zu lassen, die auf eine weitgehende „eutentü aorciialo", vielleicht sogar noch au» etwas mehr schließen läßt. Einen charakteristischen Ausdruck fand dieses Verhältnis in der Tatsache, daß in Heilbronn das Zentrum unmittel bar vor der Wahl seine Kandidatur zurück,-og und seine Wähler zum Eintreten für den Bauernbündler Dr. Wolff — nebenbei bemerkt: ein früherer protestantischer Pfarrer — kommandiert«, ausgesprochenermaßen zu dem Zweck, zu verhüten, daß der Bauernbund, der das Mandat zuletzt be- saß, aus der Stichwahl verdrängt werde. Tas ist dann auch, da das Zentrum dort über reichlich 4000 Stimmen verfügt, erreicht worden. Dennoch aber hat die Rechnung ein Loch gehabt, denn nicht der Sozialdemokrat Feuerstein, sonvern Friedrich Naumann, der Kandidat der Liberalen 'st es, mit dem sich der Bauernbündler in der Stichwahl zu messen hat. Und so dürfte es, trotz der kraftvollen Zentrums hilfe, um das bauernbündlerische Mandat in Heilbronn ge- schehen sein, denn den Sozialdemokraten, die den Ausschlag zu geben haben, wird die Wahl kaum schwer fallen. Die Heilbronner Wahl ist eigentlich die interessanteste in Württemberg gewesen. Die Zugkraft des Namens Nau mann bat sich dort als ungewöhnlich stark erwiesen. Cha rakteristisch hierfür ist ein Ausspruch Konrad Haußmanns, der erklärte, „die Schwaben haben es sich in den Kopf ge setzt, Naumann in den Reichstag zu bringen und sie werden es burchsetzen". Uebrigens haben die Nationalliberalen des Wahlkreises dazu nach Kräften beiaetragen; sie haben sich durch die Parole oer Stuttgarter Parteileitung zugunsten des Bauernbündlers nicht abhalten lassen, -um weitaus überwiegenden Teil für Naumann zu stimmen. Der Bauernbund (Bund der Landwirte) hat von seinem bisherigen Besitzstand Backnang im ersten Wahlgang behauptet, Crailsheim, das er zuletzt * ' ' ihm in der Stichwahl ebenfalls sicher. übrigen drei Stichwahlen, an denen er Demokraten beteiligt ist — Heilbronn, und Calw — bürste er kaum etwas zu Var Wahlergebnis in Württemberg. In Württemberg haben ebenfalls die Sozialdemo kraten bei den Reichstagswahlen eine schwere Niederlage er litten. Von ihren vier Mandaten sind drei verloren ge gangen: Eßlingen an die Nationalliberalen, Göp- pingen - Gmünd an die Demokraten, und in Böb lingen spielt sich die Stichwahl zwischen Bauernbund und Volkspartei ab; die Sozialdemokratie ist ausgefallen. Stuttgart haben die Sozialdemokraten zwar zu be haupten vermocht, aber doch auch nur mit Mühe. Nur wenig mehr als tausend Stimmen fehlten, sonst hätte sich der So zialdemokrat mit dem bürgerlichen Kandidaten noch in der Stichwahl messen müssen, deren Ausgang unsicher gewesen wäre. Der nationalliberale Kandidat hat gegenüber der Wahl von 1903 eine kolossale Stimmenzunabme erzielt — von rund 14 500 auf rund 22 000 —, woraus yervorgevt, daß hier die Partei der Nichtwähler stark auf die Beine gebracht worben ist. Auch non den Stimmen der Volkspartei, die für Stuttgart die Wahl sreigcgeben hatte, ist offenbar der größte Teil aus den Nationalliberalen gefallen. Nicht nur in Stuttgart, sondern im ganzen Lande ist cs gelungen, zahl reich« sonst lässige bürgerliche Wähler an die Urne zu bringen, so daß die Wahlbeteiligung stellenweise außer ordentlich stark war Wesentlich zum Erfolg beigetragen hat dann Las Ab kommen zwischen der Deutschen Partei und der Volkspartei. Es bewirkte, daß in keinem Bezirke die beiden Parteien einander bekämpften, in verschiedenen dagegen Seite an Seite standen Das hat die Freudigkeit und Energie der Liberalen belebt und gekräftigt. Besonders erfreulich ist, daß die Wähler der beiden Parteien die Abmachung der Parteileitungen im großen und ganzen loyal befolgt haben, obgleich es ihnen unter den Nachwirkungen der Landrags- wählen nicht überall leicht wurde. So regte sich im zweiten Wahlkreise iCannstatt-Ludwigsburg) bei einem Teil der demokratischen Wählerschaft Widerspruch gegen die Unterstützung des nationalliberalen Führers Dr. Lieber, weil utan diesem nicht verzeihen konnte, daß er bei den Land- tagswahlen in eben demselben Bezirke die nationalliberalen Wähler rednerisch zur Unterstützung des Bauernbundes gegen die Volkspartei aufgerufen hatte. Aber schließlich er wies sich doch die politische Einsicht stärker als die Ver stimmung, und so wurde Professor Hieb ex mit fast 4000 Stimmen Mehrheit gegen den Sozialdemokraten Keil glänzend gewählt. Mit unerwartet großer Mehrheit — etwa 3500 Stimmen — sieate auch in Eßlingen der „Blvck"-Aandidat Wetzel (Nationallibcral) über den bis herigen sozialdemokratischen Vertreter Schlegel. Eine Ueberraschung war dann das Ergebnis in Göpvrngen- Gmünd, wo der bisherige Abgeordnete Lindemann (Sozialdemokrat) gegen den Demokraten Wieland lunterstützt non der Deutschen Partei und dem Bauernbund) um 1500 Stimmen in der Minderheit blieb, eine Ueberraschung, zu mal im Hinblick aus die Haltung des Zentrums, das kurz ocr der Wahl feine Kandidatur zurückgezogen batte. Wie diese Zurückziehung gedacht war, zeigen deutlich die Kommentare des führenden Zentrumsorgans, das den Sozialdemokraten aerobe heran» als das Reinere Uebel bezeichnete. In dem Mehr von 2800 Stimmen, das der Sozialdemokrat gegen die letzt« Dahl erzielt hat, stecken dann auch offenbar Zcn- trumSstimmen, wenngleich immerhin in bescheidenem Maße. Das Zentrum hat überhaup eine eigenartige, freilich Ibei ihm nicht geraoe ungewöhnlich'. Taktik beobachtet^ Sie bestand einmal da-in, alles zu vei meiden, waS die Soztil- I Demokratie beeinträchtigen konnte, und sodann darin, den 27 509 Wahlberechtigten haben 25 013 gewählt, das sind ziemlich 91 Proz., genau genommen 90,9 Proz. der Wabl- berechiigten, gegen 83,3 Proz. im Jabre 1903. Von deu 25 013 abgegebenen Stimmen erhielt Kaufmann Budveberg, freisinnige Vottspartei, 11 136, Schriftsteller Fischer, Sozial- demotrat, 10 725, Ritterguisbesitzer Frobberg, Bund der Landwirte, 2262, und Schriftsteller Erzberger, Zentrum, 837 Stimmen. Borna, 30. Januar. Zu der bevorstehenden Stichwahl sind die Vorbereitungen bereits in vollem Gange. Sehr er freulich und sür den AuSgang der Siichwahl von nicht zu unterschätzender Bevenluna ist, daß die Reformpartel und besonders ihr Kandidat Curt Fritzsche in Leipzig öffentlich sür die Kandidatur Liebert eintritt. Trotzdem werden die vereinigte« Ordnung-Parteien ihre ganze Kraft ausbieten müssen, um der Sozialdemokratie gegenüber Sieger z» bleiben. * * Tie Stichwahlparole der Regierung. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt zum Wahlkampfe unter der Ueberichrist „Zur Stichwahl": Eine Schlacht ist geschlagen; nicht die letzte. Nun geht eS zum entscheidenden Kampfe. Von dem Ausfall der Siichwahleu wird eS abhängeu, ob der Sieg, den alle bürgerlichen Parteien am 25. Januar über die Sozialdemokratie feierten, zur volle« Niederlage de- Gegners führen wird. Für seine besonderen politi schen Anschauungen hat jever bei der Hauptwahl ge kämpft: DaS war sein gutes Recht. Jetzt gilt e», zurück zustellen, WaS die bürgerlichen Parteien voneinander trennt und bervorzuheben, was sie eint. Nationales Empfinden, religiöse Ueberzeugung und ernste Sorge für das wahre Wohl des Volkes fordern gemeinsame Tat, auch wenn sie mit Opfern verbunden ist. Nicht Stimmenthaltung, nicht bequemes Geschehenlassen, nein, einhellige Abgabe aller Stimmen gegen die Sozialdemokratie! DaS ist die Losung für die Stichwahlen. — Diese Parole zeigt leider, wie wenig ernst es der Regierung um einen prinzipiellen Kampf gegen das Zentrum z« tun ist. Sie liebäugelt schon wieder mit ihm und scheut sich sogar nicht, das religiöse Empfinden mit in die Stichwablkämpfe hinein tragen zu wollen. Man kommt da fast aus den Ge danken, als wäre eS der Regierung um die Schaffung einer konservativ-ullramontaneo Mehrheit im Reichstag zu tun, eine Gesahr, die trotz der erjreulichen Erstarkung be- bürgerliche« Liberalismus nicht von der Hand zu weisen ist.^ So wenig uns diese Gefahr in Sachse« dabin führen darf, bei de« Stichwahlen von liberaler Seite aus die Konservative« im Stich zu lassen, so wenig haben wir doch Anlaß eine noch weitere Ver stärkung deS Zentrum« nach der Regierung Willen zu be- sürwoilen: Kein liberaler Mann kann einem Zentrums kandidaten auch bei der Stichwahl mit einem Sozialdemo kraten seine Stimme «eben. Dieses treffende Wort der „Köln. Ztfl-* wird im Rheinland und Westfalen hoffentlich bessere Wirkung ausüben als die zeutrumsfreuudttche Re- gierungsparole. * Die Wahlparole des Zentrums in Weftdentfchland. Nach einer Meldung der „Kölnischen Volkszeitung" wurde in einer am 29. Januar in Cöln abgehalienen Besprechung über die bevorstehenden Stichwahlen zum Reichstage, au der die Vorsitzenden der Landesausschüsse, bezw. der Provinzial- ausschüffe der Zentrumspartei rer Rheinprovinz, der Pro vinzen Westfalen und Hessen-Nassau, des GroßberzogtumS Hessen und der Rheinpsalz, sowie eine Anzahl weiterer Ver trauensmänner der Zenirumspartei teilnahmen, beschlossen, dem Wahlkomitee der ZentrumSparlei zu empfehlen, nur diejenigen Kandidaten zu unterstützen, die sich verpflichten, einzutreten: 1. für die Aufrechterhaltung des geltenden Reichs tagswahlrechtes, gegen jede Beschränkung deS Koalitions rechtes und für die Fortjührung der sozialen Resormgeietz- gedung, sowie gegen jedes Ausnahmegesetz auf politischem Gebiete, 2. sür Sicherung der vollen Religionsfreiheit in allen deutschen Bundesstaaten im Sinne des Toleranzaotrageö, sowie gegen jedes Ausnahmegesetz auf religiösem Gebiete. * Stichwahltermtn. Für die Wahlkreise Eisenach, Koburg, Jena mrd Weimar ist ebenfalls der 5. Februar als Tag sür die Stichwahlen festgesetzt worden. nie. verlorene und grwonnene nationalliberale Mandate. In 9 Wahlkreisen, welche 1903 nationalliberal gewählt hatten, geht das ReicbStagsmandat auf andere Parteien über. In den Wahlkreisen Harburg, Mülhausen und Kaiserslautern, wo die früheren Abgeordneten Depkeu, Schlumberger und Schmidt auf ihre Wiederaufstcllung verzichtet batten, war, wie schon erwähnt, von vornherein mit diesem Verlust zu rechnen. — Heiß umstritten ist ferner von jeher der Wahlkreis Schwerin gewest«; der Wahl kreis Ncidenburg gehörte früher zum festen Besitz stand der Konservativen, der jetzt von ihnen zurückgewonnen wurde. — Unerwartet kam der Verlust der Wahlkreise Gos lar, Wanzleben, Geestemünde und des badischen Wahlkreises Sinzheim. Diese« letztere« 4 verlorenen Wahlkreisen steht indes der Gewinn der Wahlkreise m Hoyerswerda (Basser- mann), Magdeburg (Kabelt), Löbau (Weber), Leipzig (Zunck), Rudolstadt (Müller), Gera (Horn), Celle (Wcbl), Nienburg (Dr. Arning) und Eßlingen (Dr. Wetzel) gegenüber. * Aonserbalibe Hoff»u«Oen. Die „Neue politische Cor- respondenz" schreibt: Nack parteiosfizieller, sorgfältiger Zu sammenstellung stad Deutschlonservalivc in der Haupiwahl 43 gewählt, während 29 zur Stichwahl stehen. Hiervon löonen als sicher gelten 15 Sitze, so daß die Partei, die bisher 52 Sitze besaß, mit 58 Mitgliedern im neuen Reichs tage erscheinen wird. Noch günstiger stellt sich da- Ver- bältniS bei den Kreilonservativea. Diese batten 22 Sitze inne und werden es durch die Stichwahl voraussichtlich auf 32 bringen, so daß die beide« kontervativeu Parteien, welche bisher 74 Sitze inne batten, nunmehr mit 90 Abgeordneten in ben neuen Reicb-tag einziebcn. * Die Aussichten des Freisinns »h der bürgerlichen De- mokratie sind recht günstig. Bisher wurden 11 ihrer Kandi daten gewählt, davon I Freisinnige Vereinigung. 6 Frei sinnige Volkspartci; 2 Süddeutsche VolkSparte, und 2 Wild liberale. Außerdem stehen in Stichwahl 54, nämlich 16 Frei- sinnige Vereinigung, 25 Freisinnige Volkspartei, 11 Süd deutsche Volkspartei, 2 Diloliberale. Sind von diese« 54 Stichwahlen auch etwa 14—16 ungünstig, so körraeir die
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