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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.04.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-09
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070409029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907040902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907040902
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-09
- Monat1907-04
- Jahr1907
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An;eiqen,Preis Abend-Ausgabe 8 Bezugs-Preis l-WMr.TagMait Handelszeitung Amtsblatt des Aates und des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig Nr. 98 Dienstag 9. April 1907. 101. Jahrgang sür Inserate aus Leipzig u. Umgebung di« «gespaltene Petitzeile 25 Pf., finanziell« Än- zeige« 30 Pf., Reklamen 75Pf.; von an-würtS 30 Bf., Reklamen 1 M ; vom Ausland 50 Pf., finanz Anzeigen75 Pf, Reklame» 1.50 M. Inserate V.Behördenim amtlichenTeil 40P». Beilagegebühr 4 M. p. Tausend exkl. Post- gebühr. (NeschästSanzeigeii an beoorzugler Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn. Feslerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden, Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen«Annahme: RuguituSPlatz k, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin. CarlDuncker.Herzgl.Bayr.Hofbuchhandlg. Lützowstraße 10 (Tel. Vl, 4603'. sür Leipzig und Bororte durch unsere Träger und Spediteure ins HauS gebracht: Aus gabe (nur morgens) viertrliahrlich 3 M., monatlich 1 M.: Ausgabe v lmorgenS und abends) vierteljährlich 450 M., monatlich 1.50 M. Durch die Post bezogen (1 mal täglich) innerhalb Deutschlands und der deutschen Kolonien vierteljährlich 3 M., monatlich 1 M. ausschl. Postbestellgcld, für Oesierrcich-Ungarn vierteljährlich 5 X 45 b. Abonnement-Annahme: Augustusplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Rümmer kostet 10 Pfg. Redaktion und Expedition: Iohannisgasse 8. Telephon Nr. 153, Nr. 222, Nr. 1173. Berliner Redaktions-Bureau. Berlin d<VV. 7, Prinz Louis Ferdinand- Straße 1. Telephon 1, Nr. 9275. Vas Neueste vsm Lage. (Die nach Schluß der Redaktion eingegangenen Depeschen stehe« a«f der 3. Seite des HauptblatteS.) Lchulctnweihung. Die 2. höhere Töchterschule nebst Lehrerinnen-Seminar wurde heute eingeweiht. Die Eröffnungsrede hielt als Ver treter des Leipziger Rates Stadtrat Dr. Wagler. (Siehe Sondertikel.) Deutscher Handclstag. Am heutigen Tage haben die Beratungen des/Deutschen HandelstaaeS begonnen. Unter den letzten Telegrammen liegt der erste Bericht über sie vor. Deutschland und Frankreich. * Die „Köln. Ztg." erklärt in einem Berliner offiziösen Telegramm zu der „Temps"-Meldung, daß die politischen Bestimmungen der Algecirasakte, die mau natürlich achten müsse, solange sie bestände«, nur eine fünfjährige Dauer hatten: die Akte sei in der Mehrheit ihrer Bestimmungen, wie über die „offene Tür", die Staatsbank, den Waffen schmuggel, die öffentliche Vergebung von Staatsaufträgen usw. unbefristet. Befristet ist die Akte lediglich bezüglich des au Frankreich und Spanien erteilten Mandats zur Errichtung einer Polizeiorganisatiou, über die allerdings nach fünf Jahren wieder verhandelt werden dürfte. Hinsichtlich der anderen Vorschläge des „Temps" — so fährt das rhett nische Blatt fort — haben wir unsere Vorbehalte schon früher gemacht und müssen sie auch jetzt machen. Wir erkennen jedoch an, daß die allgemeine Haltung des Artikels uns durchaus sympathisch ist. Cartagena Nach dem Empfang durch die Behörden im Stadthaus begab sich der König Alfonso auf seine Jacht „Giralda", die dann auf die hohe See hinauSfuhr, wo sie der englischen Königsjacht entgegenkam. Die „Giralda" begleitete dann die englische Königsjacht nach Cartagena in den Hasen, während die Flotte auf der Außenreede liegen blieb. Um 1*/« Uhr liefen die Dachten unter dem Kanonendonner der Batterien und der Kriegsschiffe in den Hafen ein. Die Fürstlichkeiten begaben sich mit großem Gefolge an Bord der britischen KönigStacht, wo sie von König Eduacd überaus herzlich empfangen wurden. Abends fand ein Galabankett an Bord der „Numancia" statt. Die beiden Monarchen hallen zwei längere Unterredungen unter vier Augen. Gleichzeitig be rieten der Minister und der Botschafter miteinander. Heute findet ein Besuch der Kriegsschiffe statt. — „Heraldo" und „Liberal" äußern ihre Befriedigung darüber, daß Spanien seine schädliche Isolierung verläßt und mit den Westmächten eine Liga bildet. Die offiziöse „Epoca" bestätigt die intime Annäherung Spaniens an England. Tie Lage in Marokko. Wir haben schon heute morgen mitgeteilt, daß der Wort laut der in den Moscheen verlesenen SultanS-Proklamation jenen Tadel des französischen Vorgehens nicht enthält, welchen die Lügenfabrik in Tanger bei der ersten Meldung hinzu gefügt hatte. Daß die Marokkaner von der Besetzung von f Udjda nicht entzückt sind, ist ja freilich selbstverständlich. In einem Briese erklärt der marokkanische Minister des Aus wärtigen Abclkrim den Sliman, er verstehe nicht, wie die Ermordung des Dr. Mauchamp den Grund zu der Okkupation von Udjva habe bieten können. In Anbetracht der ge leisteten Dienste und «eines hohen Alters gehe eS nicht an, den Gouverneur von Marrakesch zur Rechenschaft zu ziehen; er würde indessen seiner Stellung enthoben werden. Viel leicht würde sein Sohn nach Tanger kommen, um in seinem Namen die Entschuldigungen auszusprechen. — Meldungen aus Marokko besagen, daß dort unter den Europäern, besonders in der englischen Kolonie, große Aufregung herrscht. Der eng lische Konsul soll sich geweigert haben, beim Eintritt in eine Moschee seine Fußbekleidung abzulegen. Die marokkanischen Be hördenerblicken hierin eine ernste Verletzung der heimischen Sitte. — Und mit Recht. Wenn er die Sitte nicht mitmachen wollte, brauchte er ja nicht in die Moschee hineinzugehen. — Aus Oran wird gemeldet: Gestern lief in Port Say ein neues, marokkanisches Transportschiff ein, welches von einem deutschen Kapitän geführt war. An Bord befanden sich ver schiedene deutsche Ausflügler, di« an Land gingen und die Gegend besichtigten. — Die marokkanische Flotte entwickelt sich langsam, aber sicher. König Viktor in Athen. Bei der Ankunft des Königs von Italien im Piräus richtete der Bürgermeister der Stadt eine Begrüßungsansprache an den König, in der er au die Bande erinnerte, die Griechen land mit Italien verbänden. Der König drückte in seiner Erwiderung seine Freude darüber aus, Griechenland besuchen zu können, und dankte für den ihm bereiteten Empfang. Nachdem die Majestäten die Front der Ehrenkompagnie ab geschritten hatten, begaben sie sich, von der Menge überall stürmisch begrüßt, in das königliche Palais, wo sie von der Königin und den übrigen Mitgliedern des königlichen Hauses empfangen wurden. Später ließ der König von Italien seine Karten abgeben bei dem Mmisterpräsiveuten TheotokiS, dem Kammerpräsidenten Levidis und dem Minister des Aeußeru Skiffes. Die italienischen Minister Tittoui und Mirabello statteten Theotokis einen Besuch ab und übergaben ihm die Insignien des GroßtreuzeS des St. MaurUius- Lazarus-Ordens. Der König von Griechenland verlieh Mirabello das Großkreuz des Erlöser-Ordens, das die übrigen im Gefolge deS Königs von Italien befindlichen Personen bc.-itü bentzru. - Zu Ehren dcs Köui^r von Jta .en fand im Schloß ein Galavincr statt, an dem die Mmister, daS diplomatische Korps, sowie die Spitzen der Behörden teil nahmen. König Georg brachte in französischer Sprache einen Toast aus, in dem er den König Viktor Emanuel ans dem klassischen Boden Griechenlands willkommen hieß und für den ihm in Italien bereiteten, ihm ewig unvergeßlichen Empfang, der in den Herzen der Hellenm ein Echo ge funden habe, noch einmal seinen tiefen Dank anssprach. Er freue sich über die Gelegenheit, die Gefühle brüderlicher Sympathie für das edle Volk Italiens zu bekräftigen. Er wünsche, daß diese Bande weiter dauern mögen, und trinke auf die Gesundheit und auf bas beständige Glück des Königs und der Königin, sowie auf die Größe und das Gedeihen Italiens. König Viktor Emanuel erwiderte in französischer Sprache, er werbe die unauslöschliche Er innerung an den ihm zuteil gewordenen sympathischen Empfang bewahren. Die Worte d«S Königs von Griechen land würden in Italien einen Widerhall tiefer Sympathie finden; er empfinde das Bedürfnis, nachdrücklich zu be tonen, baß rin Gefühl aufrichtiger Freundschaft die beiden Völker verbinde — auf diesem geheiligten Boden Griechenlands, wo sich niemand als Fremder fühlen könne, wo sich das Bild einer großartigen Zivilisation, die keine Grenzen gekannt habe, in den Bauwerken erhebt, die den Wandel der Geschichte überdauerten. Der König trank auf daö Wohl des Königs und der Königin von Griechenland und ihrer Familie und auf das Wohlergehen Griechenlands. — Aus Athen wird gemeldet, daß vor der Ankunft des Königs von Italien ein italienischer Anarchist Salone ein getroffen sei, der sofort verhaftet und verhört wurde. Hier bei verwickelte er sich in Widersprüche. Ec wurde iu Hast behalten. Ter mtttelamerikattischc Krieg gewinnt größere Ausdehnung. Die Streitkräfte von Guatemala haben sich mit den Truppen von San Salvador vereinigt und sind entschlossen, den Krieg sortzusetzen. Die Beschießung Amapalas durch die Truppen von Nicaragua hat nur geringen Schaden ange richtet. Der amerikanische Kreuzer „Chicago" erhielt Befehl, nach dem Golf von Fonseca abzugeben, um ständig in der Nähe des Kriegsschauplatzes zu bleiben. Jetzt bleiben sonach von den mitlelamerikanischen Staaten bloß noch Costa Rica und der UnionS-Schützling Panama außerhalb des Krieges. Der Zutritt des neben jenen Zwergstaaten als Riese zu be trachtenden Guatemala zu dem auffallend stark bevölkerten San Salvador dürfte übrigens das Kriegsglück wenden. Honduras scheint ja aus der Reihe der Lebenden ausgestrichen zu fein. politisches. * Eine Reform der gerichtlichen Geldstrafe fordert der Marburger Professor Dr. L. Tracger im neuesten Hefte der Soergeljchen Zeitschrift „Das Recht". Die jetzige Regelung der Geldstrafe zeichne sich durch ihre völlige Planlosigkeit aus. Als die mildeste Strasart solle die Geldstrafe nach der selbst verständlichen Absicht des Gesetzgebers in den milderen Fällen verhängt werden. Folgerichtig wäre es also, die Geldstrafe wahlweise überall dort z"zulassen, wo das Min destmaß d.r Fr.-jheitsstrnse, d. i. ein Te* Gefängnis, zn- gelassen ist. In dieser Beziehung jedoch sei gerade die Grund satzlosigkeit zum Grundsätze erhoben. Einerseits finde man Vergehen, die mit Gefängnis von einem Tag bis zu fünf Jahren bedroht sind, nichtsdestoweniger aber wahlweise auch Geldstrafe zulasten; anderseits finde man, ohne daß Gcldstrcne als Hauptstrafe zugelassen wäre, viele Vergehen, die mit Gefängnis von einem Tag bis zu 5, 3, 2 Jahren oder bis zu einem Jahre oder gar bis zu 6 und 2 Monaten be droht sind. Der geringfügigste Diebstahl, z. B. der Diebstahl an etwas Feucrungsmaterial von wenigen Pfennigen Wert, könne nur mit Gefängnis gebüßt werden, während Betrug und Unterschlagung, häufig nicht einmal sicher von Diebstahl abzngrenzen, sowohl mit Gefängnis- wie mit Geldstrafe be droht sind. Mit diesen Widersprüchen werde das zukünftige Strafgesetzbuch aufräumen müssen. Jedoch schon vor der völligen Neuordnung der Geldstrafe sei durch eine besondere Gesetzesvorschrisl der Verschwendung zu steuern, die heute mit der Verhängung von kurzzeitigen Freiheitsstrafen infolge der mangelbasten Gesetzesbestimmungen getrieben werde. Die einzige Wirkung der kurzzeitigen Freiheitsstrafe, die Ab- schreckung, werde mindestens in gleicher Weise durch die Geld strafe erreicht. Den Vorzug aber verdiene letztere bei ge ringfügigen Vergehen deshalb, weil sie die Gefahr der stu- lichen Ansteckung im Gefängnis ausschließe, nicht den Ver lust der Bcrufsstellung herbeisühre und kein Hindernis sür späteres Fortkommen sei. Was solche Vorzüge bedeuteten, veranschauliche die Tatsache, daß in den Jahren 1894 bis 1901 bei den Verurteilungen Erwachsener wegen einfachen Diebstahls die Dauer der Gefängnisstrafe betrug: 1—3 Tag: in 30 Proz. aller Fälle, 4—7 Tage in 19 Proz. aller Fälle, 8 Tage bis unter einem Monat in 24 Proz. aller Fälle sfür die Jugendlichen lauten die entsprechenden Zahlen 29 Proz., 22 Proz., 27 Proz.). Ter Einwand, ein großer Teil lener Verurteilten bleibe wegen Mangels an Geldmitteln von der Freiheitsstrafe doch nicht verschont, sei nicht stichhaltig. Denn durch ein richtiges Bcitreibnngsverfahren, welches kleine Teilzahlungen gestatte, könne auch der Arme dagegen geschützt werden, lediglich um seiner Armut willen ins Gefängnis zu wandern. Die Frage, welche Kosten die Einziehung kleiner Teilzahlungen verursache, sei nicht ausschlaggebend, weil die Geldstrafe nicht als Bereicherungsquelle deS Staates auf- gefaßt werden dürfe. Es fei also ein Gesetz folgenden In haltes zu erlassen: „Bei allen Vergehen gegen das Reichs- Strafgesetzbuch und die übrigen Reichsgesetze, die im Mindest- maße mit einer Gefängnisstrafe von einem Tage sodcr gar von einer Woche?) bedroht sind, ist Verurteilung zu einer Geldstrafe zulässig, und zwar zu einer solchen bis zu 600 .K, wenn daS Höchstmaß der angedrohten Gesäugnis- strase ein Jahr nicht übersteigt, bis zu 1500 .tb, wenn cs 2 Jahre nicht übersteigt, bis zu 3000 ^t in allen übrigen Fällen." — Von dieser Vorschrift, die für besondere Falle die Auferlegung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe nach wie vor gestattet, erwartet Traeger, daß sie in den unteren Schichten das gegen Freiheitsstrafen abgestumpfte Ehrgefühl beleben werde. st. Deutschland und Japan. Bekanntlich bat Deutsch land vier Offiziere nach Japan aeschickt, um zu sehen, wie die Japaner ihre Truppen ausbilden und speziell, wie weit die Taktik nach den Erfahrungen der großen Kämpfe in der Mantschurei umgestaltct worden ist. Unser deutscher Bot- schafter in Tokio, Freiherr von Mumm, welcher am 24. Fe- bruar in Tokio wieder eingetrofsen ist, ist in jeder Werse bestrebt gewesen, die Beziehungen Deutschlands zu Japan zu befestigen und zu krästigen. Es heißt, daß der japa- n i s ch e P r i n z K u m i demnächst nach Deutschland kommen werde, um hier in Berlin bei einem Garderegiment Pakrisch sich den Dickst anzuscben. Er wird in Deutschland ca. 40 Offiziere treten, die nach jeder Richtung bemüht sind, ihre Ausbildung zu fördern. Zum größten Teil 'Nidieren die japanischen Offiziere zurzeit in Deutschland. st. Militärische Veränderungen. Die militärischen Ver änderungen, die in den nächsten Tagen zu erwarten sind, werden einen großen Umfang annebmen. Der komman- dierendc General des XIV. Armeekorps in Karlsruhe von Bock und Polach verläßt in wenigen Wochen seinen Posten, um Generalinspekteur zn werden. Nach Karlsruhe wird höchstwahrscheinlich der kommandierende General des XVII l. Armeekorps von Eichhorn kommen Die Zahl der Brigadekommandeure, die demnächst ausschcidet, wird ziem- lich groß sein. Unter anderem sollen zwei Brigadekomman deure einer Division eines Armeekorps in Norddeutschland die Absicht ausgesprochen baden, sich in daS Privatleben zurückziehcn zu wollen. * Der polnische Schulkamps. Alle Anzeichen ergeben, daß der Schnlstrcik durchaus wieder angesacht werden soll. Das Feuilleton. Das Leben ohne Ideale zu leben, das ist das große Geheimnis des Wirkens und des Sieges. Das ist die Summe aller Weisheit dieser Welt. Ibsen. Jeder Sieg der Ziffer rächt sich. ' Ibsen. Berliner Bilder: Herr Aasnl Gün-bsnrg. Von Walter Turszinsky. „Es ist jetzt eine Lust, zu leben", wie ein bekannter hoch- mögender Staatsmann sich neulich geäußert hat. Wenigstens in Berlin zu leben. Wenn abends der Schmutz der Arbeit abgewaschen ist, streift man den Frack über^ vermummt sich als Gentleman und begibt sich, wie Julius Stettenheim sagt, im „stillsten Dreß" in die Hofoper, wo die „Monte- Carl o-Oper" gastspielt und punkt 8 Uhr, hinter dem tänzelnden Herrn v. Hülsen, sich die kaiserliche Familie cin- stellt. Man ist, so um die Abendbrotzeit, an diese illustre Nachbarschaft schon so gewöhnt geworden, daß man sie gar nicht mehr entbehren mag. Man fühlt das Bedürfnis, zu be- obachten, wie der Kaiser in seiner lebhafte,., immerfort gcsti- kulativen Art mit dem Detter von Monaco plaudert, der so spießbürgerlich aussiebt, wie seine Choristen slowakenkast, und der immer das gleiche orangefarbene Seidenband über dem Frackhemde trägt. Man siebt die Kaiserin, die in der Erscheinung immer pompöser wird, ihre Söhne, den hyper adretten Kronprinzen, den dicken Prinzen Eitel, den über schlanken Prinzen Oskar lustig unterhalten. Man sieht den finstern Prinzen Friedrich Leopold mit der blanken Glatze und dem Roosevelt-Schnurrbart; und die beiden Prinzen- srauen, die pikante, slawisch-biegsame Cäcilie und die ein wenig nüchterne, sehr aschblonde und sehr blasse Sophie Charlotte, neben dem bescheidenen, aber redseligen Prinzen von Hohenzollern. — Sic denken bei dieser Lektüre gewiß an einen Lotteriegewinn oder an den Größenwahnsinn Ihres Korrespondenten, der sich allabendlich einen Logenplatz sür 40, einen Parkettsitz für 25 oder auch nur einen Sessel im zweiten Rang für 17,50 .tl leisten kann. Denken Sie doch so was nicht! „Me kriegt", sagte einst Nebukadnezar von Assyrien, als ihm sein Hofmarschall den Dienst aussagte und behauptete, der Herrscher werde keinen gleichwertigen Ersatz finden. Und so gibt es momentan nicht nur Richter, sondern auch Freibilletts in Berlin. Besonders ^glücklicherweise in meinem persönlichsten Sinne) st'ir die Monte-Carlo-Veran staltung. Wer das Parkett mustert, sicht sie in Scharen, die lieben Freunde, die nicht zahlen, wenn sie die Kunst aus-i 'uchen, wobei gesagt werden muß, daß zu dieser Klaffe des I Bertioer Menscheägeschlecht» i« Berlin auch die Garde- > vsfiziere gehören. „Ich kann die Billetts immer nur zu dreien abgebcn", erklärte mir vor wenigen Tagen ein Berliner Re- daktcur, dem — zur Vervollständigung der üblichen zwei Neserentenkarten — diesesmal zehn Billetts aus den Tisch des Hauses geflogen waren. Und mein guter dicker Billett händler, mir mehr als befreundet, weniger als Freund, ächzt: „Hat ma de Presse wieder mal det Jeschäft verdorben", wenn er sich kurz vor acht Uhr entschließen muß, Parkettplätze mit einem Defizit von 17 abzugeben. . . . Aber bevor man ins Theater geht, plaudert man gern in Len international belebten Monstreräumen Les „Hotel Bristol" mit Raoul Günsbourg, dem Direktor und Manager der Truppe von Monte-Carlo, dem interessantesten Menschen, den ich seit langem kennen gelernt habe. Wie der kleine Herr in dem pariserisch schicken, schwarzgrauen Schoß- rock dasteht, den Kniffhut auf dem grau gesprenkelten Woll haar und über dem glatten, mit einer hökerig gekrümmten Nase geschmückten, faltigen Mimcngesicht, dessen Wangen immer in hektischer Nöte strahlen, zeigt cr deutlich, daß seine Wiege auf dem Boden stand, den die Sonne des Morgen landes wärmte. Daß cr durchaus mehr Balkanstaatler, Rumäne ist, als Franko-Romanc, der cr nun durch sein Metier wurde. Aber dieser kleine Herr, dessen Liebnswürdig- keit seiner Fixigkeit noch in Schatten stellt, der Treppen von zwanzig Stufen mit einem Satz cr'pringt, nie etivas vergißt und be' allem praktischen Geschick ein ästhetischer Idealist ist: dieser kleine Herr „hat cs geschafft", wie der Volksmund sagt. Seiner schriftstellerischen Tätigkeit wird Herr Günsbourg cs wohl kaum zu danken haben, daß der Fürst von Monaco ihm vor kurzer Zeit einmal Len erblichen Adel antrug, den cr in dessen ablehnte. Dieser Adann verquickt die meist in südlichen Zonen antrcffbare, instinktive Eignung für Las Geschäft mit einem Selbstvertrauen, einer Ärbeitszähigkeit, einer Be geisterung sür seine Sache, die ihn vorwärts reißen mußte. Freilich: wenn man seine Kunstdogman hört, möchte man rodschlagen und sich die Beine ausreißen. Wir sprechen über feine tlnterhaltumyen mit dem Kaiser, und ich versuche -mephistophelisch seine Begeisterung zu dämpfen, indem ich ihm faae, in welch hartem Zwist die Kwnstanschauung des Kaisers mit derjenigen unserer literarischen Welt liegt. Da wirb er fuchsteufelswild, wirft den Kopf ins Genick und reißt mit den Fingern ein Stück aus der Luft: „Xonr ck'un estieu. Recht hat er, Ihr Kaiser! Er liebt eben auf dem Theater den Salon unb nicht das W. C. Was soll nur all dieser Kot in der Kunst? Ihr Kaiser hat sein Hoftheater, wo man die besten „Meistersinger" aufführt, besser, wie in Bayreuth, das können Sie mir glauben, wo man den besten Shakespeare in deutscher Sprache spielt, wo man den „Domino noir" parise rischer singt und darstellt, wie bei Carrä in Paris. Nun, so läßt er eben den Ibsen draußen Was weiter?" Ick senke wehmütig den Kopf und stelle die Diskussion ein. Aber ich werde dann wieder munterer, als dieser verbohrte Literat unmittelbar danach recht gute tbeaterpraktischc Ansichten aus packt: „Sehen Sic, ich leite jede meiner Neuinszenierungen mit ein paar Vorträgen ein. Im ersten schildere ick meinen Schauspielern die Epoche und die Persönlichkeiten ihrer neuen ituf-abe. Besonders gen«» da- historisch« Milieu. Bei der I zweiten Zusammenkunft kommt dann die Gestalt des Dichters j an die Reihe, und ich suche abzugrcnzen, was in dem Stücke seiner Phantasie, was der Welt der wirklichen, geschichtlichen Ereignisse entstammt. So kennen die Schauspieler, wenn sie an die Proben gehen, die Welt, in der ihre Gestalten loben sollen, ganz genau. Als ich den „Julius Cäsar" bei den Festspielen in Orange inszenierte, habe ich mit dieser Methode die schönsten Erfolge erzielt." . . . Ich denke: das sicht schon anders ans, man weiß doch, wo und wie!! Am Nachmittag schäumt er dann, der kleine Herr. In zwischen hat er die Stimmung der Berliner Presse über das Debüt seiner Truppe gelesen und schäumt. Er ist zwar Welt- mann, Kosmopolit, Franzose — wenigstens durch Anpassung — genug, um die Form zu wahren. Aber im Rahmen dieser Form sagt cr die derbsten Sottisen, die ich nur deshalb un erwidert lasse, weil es sich hier um Divergenzen handelt, die einer nationalen Charakteranlage entkeimen: weil er eben nach seiner Veranlagung und Erziehung nicht einsohen kann, daß wir ein Recht dazu haben, wenn unser Glaube nicht der seine ist. „Ich wundere mich", sagt er, und wird nur mir Mühe seiner Erregung Herr. „Wenn Deutschland seine besten Sänger nach Frankreich schicken würde, wäre unserer Kritik Höflichkeit das erste Gesetz. Auch diese Künstler würden vielleicht nicht behagen, aber man würde es sie nicht so offen erkennen lassen. Die Berliner Presse ist kalt und feindselig. Sic denkt nicht daran, daß wir auch eine politische Mission haben; die Befestigung der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreichs— daß wir zudem zu woÄtätigem Zweck Hier herkommen! L>ie siebt selbst ..inen der größten französischen Künstler wie Renaud so über die Achsel an, daß er sich geweigert bat, noch einem deutschen Journalisten Rede zu stehen, um nicht Unbesonnenheiten zu lagen. Wenn Sic vor einem Bilde von Tizian oder Velasqucz stehen, so können Sie Wahl Kleinigkeiten aussctzen, ober Sie werden nicht das Ganze eine Blaguc nennen können. Das hat Ihre Presse getan, und — verzeihen Sie — aber es gibt unter den französischen Journalisten, die hierher geschickt sind, solche, die den Aus gang der Affäre auf chauvinistische Motive zurücksühren. Sie haben Madame Desprös, die bei uns sehr wenig Geltung hat, gefeiert und die Bernhard hat Sie kalt gelaffen. Sie weisen meine Inszenierung der „Damnation" ab und gou- tieren die des Herrn Gregor. Da kann man also nicht zu sammenkommen!" . . . * A«s -ein Leipziger Atnnstverein. I. Daß Leipzig seine eigenen künstlerischen Kräfte besitzt, vor denen auch der verwöhntere Kunstfreund nicht ohne Achtung Halt machen kann, beweist wieder einmal die kleine inter essante Ausstellung des Leipziger Künstlerver eins. Es war Referenten leider nicht möglich, auf die Veranstaltung an dieser Stelle eher aufmerksam zu machen; man wird trotzdem die stark verspäteten Ausführungen nm der Sacke willen nicht verschmähen. An sich bietet die Aus- stellung ja wenig Neues, zumal wenn man sich noch des im- panierend«« Auftreten- brr Leipziger Künstler auf der vor jährigen sächsischen Kunstausstellung erinnert. Das Beste, was die Kritik heute konstatieren kann, bleibt eine allgemeine Vorwärtsentwicklung auf der ganzen Linie. Das gilt ebenso für die anerkannten Kräfte der Vereinigung wie sür den ffingeren Nachwuchs. Fritz Brändel, dessen prächtige Begabung sür die Landschnftsmalcrei die stärksten Erwar tungen rechtfertigen kann, scheint nicht ohne inneren Nutzen die vor einigen Monden im Kunstverein veranstaltete Ge dächtnisausstellung Fritz Thaulows miterlcbt zu haben. Seine wundervollen Pastelle, die durchweg winterliche Stim mungsbilder wiedergebcn, wirken einzigartig berückend aufs Auge, das an so sanfte Tonklängc gerade bei Brändel am wenigsten gewöhnt ist. Der Künstler, denen ganzes Tempe rament bisher mehr auf die unruhigen Stimmungen wilder Frühlingsstürme und des herbstlichen Brausens in der Natur, das er wie kaum ein zweiter deutscher Landschafts maler veranschaulicht hat, zurückgriss, gibt in seinen neuesten Schöpfungen bei glänzender Ausnutzung der Pastclltechnik Bilder von elegischerer Färbung, ein Beweis, wie sehr des Meisters Talent allen Aufgaben der Natur gegenüber ge wachsen ist. Rudolf Müller wandelt ähnliche Wege. Das kleine Bild „vor Pirna" mit dem Pferdegespann im Vordergründe und der hinten im Nebel verdämmernden Silhouette der Stadt ist meisterhaft gelungen; ein wenig bart spricht das „Winternebel" bezeichnete Stück an, während bei einem dritten Bilde „Frühlingssebnen" wiederum prach- tige malerische Akkorde erzielt sind. Auch C. F. Lederer ist ein gutes Stück vorwärts gekommen. Ein weibliches Porträtstück ist sicher und malerisch sehr gut gegeben. Sehr erfreulich wirkt auch der „Waldteich" mit seinen saftigen grünen Tönen aufs Auge. Auf der gleichen Linie bewegen sich Felix Eiscngräbcr und Max Heiland, die beide hübsche Proben ihres Könnens geben. Eugen Ur ban lernt man mit einem kleinen Kabinettstück eineS nackten Mädchens in einer Felsgrotte, von der das Wasser herunter- träufelt, ebenfalls von einer neuen Seite kennen und schätzen, während Gustav Wustmann mit Glück den Weg weiter verfolgt bat, den cr zum ersten Mal mit seinen drei allegorischen Gesullien auf der letzten Dresdener Aus stellung betreten bai. Seine Kunst hat an Farbenfrendigkeit sehr gewonnen und auch zeichnerisch läßt sich ein mächtiger Fortschritt konstatieren. Von Georg Sckuster siebt man ein sowobl in Auffassung wie Behandlung durchaus aristokratisches Herrenpvrträt, von Emil Fröhlich eben falls zwei nickt uninteressante Stücke, die indes nicht ganz auf gleicher Höbe stehen. Bruno Höroux mit neuen entzückenden Blättern, darunter das charaktervolle Sckab- kunstblatt „Venedig" und einer Anzabl meisterlicher Exlibris, Alexander Liebsch mit einigen malerischen Blättern und endlich der bekannte Illustrator Otto Gerlach re- präsentieren mit Glück den graphischen, bezicbung'rweise rein zeickneri'cken Teil der Ausstellung. Einen uni'g'senden Einblick in ;ein erstaunliches Können nach der mehr kunstgewerblichen Seite hin gewährt der Leip ziger Akademiedirettor Max Seligere durch die impo»
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