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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.04.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-25
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070425021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907042502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907042502
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-25
- Monat1907-04
- Jahr1907
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Bezulis-Preis für Leipzig unv Vororte durch unirre Träger und Spediteure in- Haus gebracht: Aus- gäbe (nur morgens) vierteljährlich 3 M., monatlich 1 M.; Ausgabe k (morgens und abends) vierteljährlich 4 50 M., monatlich 1.50 M. Durch die Poft bezogen (1 mal täglich) innerhalb Deutschlands und der deutschen Kolonien vierteljährlich 3 Ai., monatlich I M. ausschl. Postbestellgeld, für Oesterreich-Ungarn vierteljährlich 5 L 45 d. Abonnement-Annahme: Augustusplatz 8, bet unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postärntern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet Itt Pfg. NeSaMon und Expedition: Iohannisgasse 8. T^ephou Nr. 153, Nr. 222, Nr. 1173. Berliner RedattionS-Bureau: Berlin XV. 7, Prinz Louis Ferdinand- Strane 1. Telephon I, Nr. 9275. Abend-Ausgabe 8. WpMcr TaMal Haudelszeitung. Amtsblatt -es Nates und -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Llnzeiqen-PreiS für Inserate aus Leipzig u. Umgebung die «gespaltene Petitzeile 25Pf^ finanzielle An zeige» 30 Pf., ReNamen 75Pf.; von auswärts 30 Pf., Reklamen 1 M.; vom Ausland iiO Pf., siaanz Anzeigen75 Pf., Reklamen 1.50 M. Inserate «.Behörden im amtlichen Teil 40Pf. Beilagegebühr 5 Ai. p. Tausend exkl. Post gebühr. (beschäftSan zeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn Festerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erscheinen an begimmteo Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: AugiftlttSPlatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDnncker, Herzgl.Bayr.Hofbuchhandlg., Lützowslraße 10 (Tel. Vl, 4603. Nr. IlL Donnerstag, 25. April 1W7. 101. Jahrgang. Vas Neueste vom Lage. (Die nach Schluß der Redaktion Angegangenen Depeschen flehen auf der 3. Seite de- HauptblatteS.) Die nkucii LivilpeustonSgesetzc. Wie uns ein Privattelegramm aus Berlin berichtet, sollen die neuen für die Reichsbeamten bestimmten Zivil pensionsgesetze vom 1. April 1907 an Geltung erhalten. Die vor diesem Zeitpunkt pensionierten Beamten sollen an diesem Gesetze nur teilhaben, soweit sie die Kriege von 1866 bezw. 1870)71 mitgemacht haben. Ein Unfall des Prinzen Eitel Friedrich. Erst jetzt wird bekannt, daß gestern gegen * */,5 Uhr nach mittags Prinz Eitel Friedrich beim Exerzieren auf dem Truppenübungsplatz einen schweren Unfall erlitten hat. Er stürzte so unglücklich vom Pferde, daß er eine Gehirn erschütterung erlitt. Außerdem schlug ihn daS Pferd noch ins Gesicht, wobei der Prinz verschiedene Hautabschürfungen davontrug. Bcrgarbciterbewegung. Die »St. Iohaun-Saarbrückeuer Volkszeitung" meldet: Eine größere Bergarbeiterversammlung, die gestern in Alten wald stattfanv, hat an den Handelsminister folgendes Tele gramm gesandt: Euere Exzellenz bitten Tausend in AUenwald versammelte christlich - nationale Bergarbeiter dringend, eine sofortige gründliche Untersuchung der Verhältnisse auf der Grube Altenwald einzuleiten, damit die großen Mißstände, insbesondere die schlechten Löhne, die schlechte Besoldung der Belegschaft, sowie die hohen Strafen abgeschafft werden und sich die Erregung der Belegschaft wieder legt und ein gutes Verhältnis zwischen Arbeitern und Arbeitgebern wieder hergestellt werde. Protest der Dculschcu in Marokko. Die Deutsche Kolonie in der Stadt Marokko ver öffentlicht folgende Protesterklärung: „Die französische Presse, namentlich die nationalistische, hat die Lynchuug des Dr. Mauchamp zum Anlaß genommen, Unterstellungen gegen die Deutschen im allgemeinen und gegen die deutsche Kolonie in Marrakesch besonders, nach bekanntem Muster zu verbreiten. Es wird behauptet, daß das ganze traurige Ereignis in Marra- kei ch, welches für sämtliche Europäer hätte verhängnisvoll r^erdcn können, auf deutsche Hetzereien zurückzusühreu sei. Wir glauben im Interesse der Wahrheit dem Vaterlandc und der ganzen gebildeten Well gegenüber die Pflicht zu haben, gegen diese Verleumdungen von französischer Seite energisch zu protestieren. Wir erklären, daß wir in Marrakesch leine politischen Zwecke verfolgen, sondern lediglich Handclsinter-- essen wabrnehmen, die nicht nur Deutschland, sondern auch anderen Nationen zugute kommen. Es ist geradezu nieder trächtig, anzunehmen, daß wir uns mit der großen Volks menge oder mit dem Abschaum der Bevölkerung in Ver bindung gesetzt hätten, um eine solche ruchlose Tat anö- zuführen. Wenn die Franzosen dies behaupten, so rufen wir ihnen zu: „Ein jeder denkt, wie er ist!" Englische BerfasfungS-Rcform. Die „Tribüne" will erfahren haben, daß Eampbell Bannerman am 13. Mai seinen Reformvorschlag über das Oberhaus einbringen werde. Genaueres über den Entwurf sei noch nicht bekannt, doch glaubt das Blatt mitleilen zu können, daß der Kabinettschef zur Lösung des Konflikts zwischen beiden Häusern Vorschlägen wird, bei Meinungs verschiedenheiten dem Unterhaus den Vorrang zu lassen. Tie belgische Ministerkrisis. Der bisherige Kriegsminister, sowie der Landwirtschafts minister lehnten es ab, unter Beibehaltung ihrer Aemter in ein neues Kabinett einzutreteu. Ter mittclamerilanischc Krieg scheint beendet zu sein. Nach der schon gemeldeten Unter zeichnung des Friedens von Amapala wurden die Feind seligkeiten eingestellt. Tic Uebcrführung der Papstleiche. Die Uebersührung der Leiche Leos XIII. vom Petersbom nach dem Lateran erfolgt Ende Mai. Die Katastrophe auf der Newa. Am Sonntag morgen ging in Petersburg die Schreckenskunde von Mund zu Mund, daß Arbeiter und Handwerker auf einem Schitow-„Splitter" urnergegangen seien. Voll Entsetzen eilten die Menschen nach der Insel Ochta, und dort standen am linken Ufer, gegenüber der Un glücksstätte, die Leute Kopf an Kopf und blickten mit größter Spannung nach einem Dampfer, der langsam auf der Newa zog, um das Grab der Opfer zu entdecken. Die Newafläche rechts erglänzte im Sonnenschein und zeigte einen klaren Wasserspiegel. Um so ungestümer jagten die stahlharteu, schneebedeckten Ladoga-Eisplatten nach der an deren Seite, wo Taucher schon die ganze Nacht vergebens nach einer Spur des verlorenen Schiffes geforscht hatten. „Wo ist denn der Chef der Hafenpolizei?" fragte ich, und ein Hafcningenieur erwiderte, daß er sich kaum werde sehen lassen. Wie ich sodann von dem eingeweihten Fachmar.ne erfuhr, verhält sich die ganze Sache folgendermaßen: Ter untergegangenc Dampfer wurde vor etwa 25 Jahren von der „Gesellschaft für die finnische leichte Schiffahrt" ge baut und arbeitete unter der „Nummer 14" 15 Jahre lang in dem Newageschwader. Vor 12 Jahren ge- langte dieser Dampfer mit acht anderen in den Besitz von dem Stadtpächter Schilow, weil die Gesellschaft all dcesc Fahrzeuge nicht mehr als brauchbar erachtete. Wie sic im allgemeinen gewertet wurden, beweist die volkstümliche Be zeichnung „T ch i t ow-S p l i t t c r". Zur Vorspiegelung taufte der Besitzer die „Nummer 14" in „Archaugc! s k" um, ließ sie frisch austrcichen und kümmerte sich nicht darum, daß Fachleute ihn vor der Benutzung dieses Fahr zeuges warnten, das „nicht nur dem Eisgang, sondern auch dem S om m e r v e r ke h r nicht gewachsen sei". Vor kaum zwei Wochen wurde die gesamte Ncwaslottc von Schi low einer Revision unterzogen, die die technische Kom mission der Stadt- und Hafcnvcrwaltung cingeleitet hatte. Wie konnte cs zugehen, daß dieser schadhafte Dampfer noch freigegeben wurde? Die "Antwort erklärt sich aus dem Druck, den der einstige Bauer und gegenwärtig reiche Newareeder Schilow auf die Obrigkeit ausübt. Er harte mit ihr einen Streit wegen der Konzession für die Anlegestelle auf Ochta, die an die finnische Gesell schaft vergeben wurde, während er angeblich ein früheres Anrecht darauf hatte. Ta der Kontrakt nicht rückgängig zu machen war, verlangte Schitow einen Schadenersatz von 180 000 Rubel. Tic Behörde lehnte die Zahlung ab, stellte sich aber dafür sehr entgegenkommend zu Schi tow und als Folge davon ist auch dieses neue Unglück an zusehen. Ein junger Kaufmann konnte sich auf den Verlauf der Dinge noch so weit besinnen, daß er folgendes berichtete: „Der Dampfer führte über 100 Passagiere. In vollem Zuge ging die Fahrt, als plötzlich ein Krachen sich vernehmen ließ. Bald darauf rannte das Schiff auf eine Eisscholle und blieb in fast vertikaler Richtung stehen, so daß der Kiel weit hinausragte. In dem Augenblicke wurden wir alle von einer Panik ergriffen, und der heftige Stoß hatte uns nach allen Richtungen geworfen. Schreiend suchten sich alle der Reeling zu nähern, und wir fühlten, daß der Tod uns erwartete. Ein paar Boote wurden hinuntergelassen, und was weiter geschah, darauf besinne ich mich nicht mehr." Ein anderer Geretteter wußte noch zu erzählen, daß das Schift unter der Wucht der Menschen, die alle instinktiv nach der Raa griffen, sich senkte, daß dann die Passagiere ins Wasser sprangen oder auf di- Eis schollen, und daß in diesem Augenblick der Dampfer plötz lich von der Oberfläche verschwunden war hinter Schnee- und Eisbergen. Fast hundert Menschenleben sind verloren gegangen. Wir wurden nicht müde, den ganzen Tag am Ufer von Ochta zu stehen, den Lotsen helfend beizuspringen, aber bis jetzt sind nur d i e 15 gefunden, ob sie auch alle als gerettet betrachtet werden dürfen, ist auch noch eine Frage! — Die Erregung gegen Schitow ist in allen Bevölkerungs kreisen Petersburgs aufs Höchste gestiegen und hat in Ochta ihren Ausdruck in einer Eingabe an die Stadt- und Hasen verwaltung gefunden. Es wird darin die Forderung ge stellt, Schitow die Konzession zum Betrieb des Newavcr- kchrs so lange zu entziehen, bis seine ganze vermorschte Flotte gänzlich erneuert und von der technischen Schiffs baukommission als völlig einwandfrei erachtet wird. poMsrvrs. * Beihilfen an Kriegsvetcrancn. Das Ergebnis einer Enquete über die Zahl der abgewiescncn Anträge auf Ge währung von Veteranenbeihilfen an Kriegsteilnehmer, und die Gründe, die zur Abweisung geführt, ist dem Reichstage vom Reichsschatzfckretär Frhr. v. Stengel zugestcllt worden. Die Zahl der am I. Oktober 190ki lebenden Kriegsteilnehmer, die keine Jnvalidenpcnsivnen noch Unterstützungen erhalten, betrug 197 06t. Das 60. Lebensjahr vollendet, eine auf weniger als ein Drittel herabgesetzte Erwerbsfähigkeit sowie ein Einkommen unter 480 .K hatten 116 015, unter 600 .1k 161097. Diese letzteren könnten durch die im Etat ausge worfenen 19 300 000 .K fast vollständig befriedigt werden. — Die Zahl der Anträge ans Gewährung von Veteranenbei hilfen, die 1898—1905 abgclehnt wurden, betrug 70 170, da- von 31210 wegen mangelnder, gänzlicher Erwerbsunfähig keit, 34 735 wegen mangelnder Hilssbedürftigkeit, 4225 wegen Unlvürdigkcit. Wollte man allen Veteranen Beihilfen ge währen, so wäre die Summe von 59 647 320 .<( nötig. * Ternburgs Asrikarcisc. Im Auftrag der sächsiichen Regierung begleitet Geh. Negierungsrat Steglich den Äolonialdircktvr Dcrnburg mit nach Afrika. * Tie 25-Psenuigstückc. Der im preußischen Abgeordneten haus wiederum angeregten Ausprägung von 25-Pfennig- stückcn steht die Reichsregierung nach wie vor ablehnend gegenüber. Auch gegen eine Aenderung der Legierung un- serer Neichsmünzen, welche für die Prägung der 25-Pfcnnig- stücke notwendig wäre, bestehen technische Bedenken. * Des Herzogs Adolf Friedrich Expedition nach Zcn- tralafrika wird in ein Gebiet führen das in absehbarer Zeit als Vcrkehrsgebiet des afrikanischen Handels an Be deutung ganz wesentlich zu gewinnen verspricht. Ter Uellc- Distrikt, der das Hauptziej der Studienreise bildet, wird künftig auch das Hauptdurchgangsgcbiet einer großen A u t o m o b i l st r a ß c vom Kongo nach dem Nil bilden. Tiefe Automobilstraße erhält eine Länge von 900 Kilo- metcru, davon führen 200 Kilometer Nelle entlang. Von der ersten Straße, die vom Kongo zum Nelle führt, sind unter großen Schwierigkeiten die ersten 25 Kilometer fertig gestellt. Hier ist ein besonderer Unterbau nötig, da der Boden zu wenig Widerstandskraft besitzt. Weiterhin ist er fest und wird ein rasches Fortschreitcu der Arbeiten erlauben. Auf größere Strecken am Nelle selbst ist ein Straßenbau nicht erforderlich, da der Strom hier schiffbar ist und somit er- laubt, die Automobilfahrt durch Kahnfahrt zu ergänzen. * Aus der Anarchistcnsuchc. Im Gewerkschaftshause in Metz wurde nach einer dorr vorgenommencn Haussuchung eine Anzahl ausländischer Arbeiter verhaftet, die sich an geblich unter dem Deckmantel von frciorganisiertcn Arbeitern als anarchistische Gruppe dort niedergelassen hatten. * Arbeitskämpsc. Der Weberstrcik in Neugersdorf dauert bei drei Firmen fort. Es stehen 1900 Webstühle still. Tie Färber, Spuler und Treiber haben die Vorräte aufge arbeitet: da sie nicht weiterarbeiten können, verlangen sie Entschädigungen. Viele werden wegen Arbeitsmangel ent lassen. * Kleine Nachrichten. Die Ausstellung der Deutschcn Landwirtschaftsgesellschaft wird am 6. Mai in Vertretung des Kaisers durch den Prinzen August Wilhelm in Düsseldorf eröffnet. — In Lübeck ist der Großkausmaun Georg Schwartzkopf gestorben. O- * Kaiserin Dagmars Heftnkchr. Tie Kaiserin-Witwe von Rußland hat gestern abend mit Spczialzug Biarritz ver- lassen, um über Köln nach Petersburg zur Teilnahme an den Ostcrfestlichkeitcn zurückzukehrcn. * Ter Flottenbesuch in Hampton Roads. Die drei Meilen lange Linie von Kriegsschiffen gegenüber vcm Ausstellungs- tcrrain gewährt einen prächtigen Anblick. Die deutschen Kriegsschiffe „Bremen" und „Noon" waren die ersten cms- ländi'chen Kriegsschiffe, die eintrafen. Ter Empfang, der den deutschen Schiffen zuteil wurde, war äußerst liebens würdig. Der „Noon" gab gestern morgen einen Salut für die Landesflagge mit 22 Schuß und dann einen Salur sür den Konteradmiral Evans, den Kommandeur der amerika nischen Flotte, mit 13 Schuß ab, den das Flaggschiff des Admirals Coan „Connecticut" mit 13 Schuß erwiderte. Ter Feuilleton. Hebbel. Die meisten Menschen haben gar kein Bedürfnis, klar über ihre Zustände zu werden: sie wollen nur hindurch, wie etwa durch eine Krankheit. Hebbel. Dein Selbst, das kannst du nicht verschenken, Nicht deinen innersten Beruf. Umsonst, den Sturzbach abzulenkcn. Wenn Gott ihn dec Bestimmung schuf. Den Lauf zum offnen Meer zu senken. Ibsen. Dec Jugend wird oft dec Dorwurf gemacht, sie glaube immer, daß die Welt erst mit ihr an fange. Wahr. Aber das Alter glaubt noch öfters, daß die Welt mit ihm aufhöcc. Was ist schlimmer? 8 ilÄ 8! 81 8! 8! 8! 81 8! 8! 8! ei 81 8! 8! 8! 81 8! 81 81 81 81 81 8! 81 81 8! 81 8! 8! 8! 81 8888888888888888888888888888888888888 8 ' ' - 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 war Rousseau -a» Opfer einer literarischen Verschrvsrnng? Von Karl Schneider (München). Vor wenigen Monaten ist zu London ein Buch er- schienen, das nicht verfehlen wird, in allen jenen Kreisen, die zu der Gestalt und dem Lebcnswerk Jean Jacques Rousseaus ein gewisses Verhältnis gewonnen haben, leb haftes Aufsehen zu erregen. Tiefes Buch (Frederika Macdonald: Jean Jacques Rousseau. A New criti- cism. London, Chapman L Hall. 2 Bdc.) will nämlich nichts Geringeres als den Nachweis erbringen, daß das Bild der Persönlichkeit Rousseaus, wie es uns in der wich tigsten Quelle, die wir über Rousseau außer seinen eigenen „Confessions" besitzen, nämlich in den Memoiren feiner einstigen Freundin Frau von Evinay überliefert ist, nicht der Wirklichkeit entspricht, sondern das Ergebnis einer absichtlichen und planmäßiacn Entstellung darstcllt, die Frau von Epinay unter dem Einflüsse Grimms und Diderots, der einstigen Freunde und späteren Feinde Rousseaus, an dem ursprünglich die Persönlichkeit Rousseaus weit günstiger darstellenden Originalmanuskript ihrer Me moiren vorqenommcn habe. Die Hauptstütze dieser aus den ersten Blick gewiß kühn erscheinenden Behauptung wurde Frau Macdonald, die übrigens schon mehrere interessante Beiträge zur Geschichte Rousseaus und ferner Zeitgenossen veröffentlicht und ihrem letzten sehr umfangreichen Werke i ein jünszchnjähriges Studium gewidmet hat, durch einige' in der Tat höchst überraschende Funde geliefert. Frau Macdonald hat nämlich zunächst sesistellcn können, daß die Memoiren der Frau von Epinay, die merkwürdigerweise erst 1818, also lange nach dem Tod Rousseaus (1778) und der Verfasserin (1783) im Druck erschienen, nicht nach dem Originalmanuskript der Frau von Epinay gedruckt worden sind, sondern nach einer Abschrift von diesem, die Grimm durch seinen Sekretär Mailly vermutlich 1791 lxtttc Herstellen lassen. Ten Beweis dafür liefert einerseits der Zustand dieses heute noch in der Bibliothäque Historique zu Paris vorhandenen und jedermann zugänglichen Manu skriptes, das in deutlichen Zügen die aus der „Corrcspon- dence Littärairc" und anderen Urkunden wohl bekannte und sicher feststellbare Handschrift Maillys trägt, anderseits aber der Umstand, daß auch das wirkliche Originalmanu- fkript jener Memoiren heute — sogar schon seit 1883 — entdeckt und der Prüfung zugänglich ist; und dieses Manu skript, das zum ersten Male gründlich untersucht und in seinem Wert erkannt zu haben ein bleibendes Verdienst der Frau Macdonald bildet, zeigt die merkwürdigen Eigentüm lichkeiten, auf die sich die Behauptung von dem Dasein jenes Komplottes gegen Rousseau vor allem gründet, und die jedenfalls bedeutungsvoll genug sind, um von der künftigen Rousseausorschung nicht mehr übergangen werden zu können. Dieses Manuskript ist heute in zwei ungleichen Teilen Besitz zweier Pariser öffentlicher Bibliotheken, der Biblio- thequc de l'Arscnal und der Blbliotheaue des Archives. Es besteht aus 185 kleinen, mit je einem blauen Bändchen ver sehenen Heften, von denen 140 der Bibliothc-que des Archives, die übrigen 45 der Bibliothäquc de l'Arscnal an gehören. Der Inhalt ist bis auf einige in der Abschrift fehlende Schlußkapitel der gleiche wie in dem anderen Manuskript, nämlich die Lcbensgcschichte der Verfasserin, die dort unter dem Namen einer Frau von Montbrillartt erscheint, während Rousseau als Renä, Diderot als Garnier, Grimm als Volx und Frau von Houdekot, die andere Freundin Rousseaus, als Frau von Lange austretcn. Eigentümlich ist nun an diesem Manuskript, daß die letzten 50 Hefte des Teiles in der Biblioth-que des Archives deutlich und unverkennbar nicht im ursprünglichen Zustand, sondern verändert und umgeschriebcn sind, und zwar von einer anderen Hand als jene, von der die zarten und un regelmäßigen Schriftzüge der ersten 90 Hefte herrühren. Nicht als ob die erste Handschrift plötzlich beim 90. Heft abbräche und dem neuen Schreiber ganz das Feld überließe, sondern der neue Schreiber ist ein Eindringling mit festerer, derberer Hand als die Schreiberin der übrigen Teile, und Hot seine Spur in zahlreichen eingefügten Sätzen oder solchen, die über durchstrichcne Sätze des Originalmanu- fkriptes geschrieben find, in langen Randnoten, sowie auch auf cingeklebten Seiten, die zweifellos als Ersatz herausge schnittener Seiten des Originalmanuskripts dienten, in das ursprüngliche Manuskript eingetragen. Und merkwürdiger weise tritt diese neue Handschrift vorzugsweise und in ganz bestimmter Richtung dann in Tätigkeit, wenn Renä- Rousseau der Gegenstand der Schilderung ist Sobald dieser Nome erscheint, wird mit Sicherheit der bisherige Gang und die Färbung der Erzählung unterbrochen, die neue Haud taucht tief in schwarze Tinte und berichtet in gehässigem Ton von Rousseau ungün stige Dinge — Dinge, die merkwürdigerweise wenigstens in einigen Fällen fast wörtlich mit der Darstellung der Per- sönlichteit Rousseaus in Grimms „Eorre>pvndance Liltä- rairc" und Tiderots „Tablettes" übereinstimmen. So wird z. B. eine Geschichte, die Rousseaus abscheuliche Eitelkeit und Selbstsucht zeigen soll, in einer eingeschobenen Stelle des 141. Hestes fast genau ebenso erzählt wie in Diderots „Tablettes". Ten stärksten und geradezu überführenden Be- iveis aber, daß das Originalmanuskript der Frau von Epinay einer planmäßigen Umarbeitung zuungunsten Rousseaus unterworfen worden ist, liefert die folgende — mit vielen anderen in dem Buche der Frau Alacdonald faksimiliert wiedergegcbencn Stelle in dem Stück der Bibliothöquc de l'Arscnal, die gleichfalls in der zweiten Schrift geschrieben ist und deutsch folgendermaßen lautet: „Renä von vorn anfangen. Man muß ihn darstellcn, wie er bei ihren Spaziergängen und Unterhaltungen einige bizarre Thesen verteidigt. (An einer anderen Stelle der Memoiren wird denn Rousseau auch richtig die Vorliebe für „bizarre Thesen" vorgcworfcn.) Man muß merken, daß er Zärtlichkeit, eine starke Neigung zu Frauen hat . . . daß er mit Galanterie schroff sein kann. Einige Zeit vergeht, ohne daß man ihn sieht. Fran von Montbrillartt fragt nach dem Grund, er antwortet, indem er von jedem eine Schilde rung entwirft — (sie haben) viel Höflichkeit, aber keine Sitt lichkeit — fragt, was er von ihr denkt — antwortet, was die Leute von ihr sagen, und was er von ihr ^>enkl." In dieser Stelle, die ganz deutlich die durch zahlreiche Schriftstücke bekannte Hand Diderots zeigt, ist also ganz zweifellos die Aufforderung enthalten, daß die Darstellung Rousseaus in diesen Memoiren, die nach noch erkennbaren Spuren ursprünglich keine ungünstige gewesen ist, eine Aenderung in einem diesem ungünstigen Sinn erfahren soll; und man mag sich nur wundern, daß eine solche Aufforde rung in die Erzählung selbst Aufnahme gefunden hat. Da nun andere cingcfügtc Noten in der Urhandschrist der Me moiren der Frau von Epinay ebenso sicher von Grimms Hand hcrrührcn, wie diese Stelle von Diderot, so kann unter dieser Voraussetzung wohl kaum noch ein Zweifel bestehen, daß diese beiden das Bild Rousseaus der Nachwelt, und wobt auch der Mitwelt, in möglichst ungünstigem Licht mitgeteilt wünschten, und daß demnach die Klagen Rousseaus, der schon zn Lebzeiten bekanntlich von einem Komplott der Enzyklo pädisten gegen sich überzeugt war und manche Verfolgungen und Widerwärtigkeiten seines Lebens auf diese zurückiübrte, keineswegs mehr als die Ausgeburten einer ülxrbiktcn Phantasie und krankhaften Verfolgungswahns bezeichnet werden dürfen. Aber auch noch andere Umstände, deren Aufdeckung dem Bienenfleiß der Frau Macdonald zu danken ist, sprechen dafür, daß Grimm und Diderot.von dem schweren Schlag gewußt haben, der mit der Veröffentlichung der Memoiren der Frau von Epinay gegen das Andenken Rousseaus geführt werden sollte. So -. B. eine merkwürdige Stelle in Diderots „Essai für Säneca", in der dieser davon spricht, daß eine spätere Zeit die volle — natürlich ungünstige Wahrheit über Rousseau erfahren werde, sobald dies geschehen könne ohne die Lebenden zu verletzen; Worte, die doppelt ausfällig werden, wenn man bedenkt, daß die von Grimm besorgte Ab- fchrist der Mcnuxrcn, die der ersten Ausgabe als Druck manuskript diente, unmittelbar nach dem Tode der letzten Ueberlebcnden aus Rousseaus Kreis, der Frau von Hou- dctot (-s- 1813) im Antiquitätenhandcl auftauchte. Dabei mag ja wohl der Zufall ein wenig mitgcspiclt haben: aber auch anderes ist in diesem Zusammenhang recht auffällig, so z. B. die letzte Rückkehr Grimms nach Paris im Oktober 1791. Er hielt sich damals der großen Gefahr wegen ängstlich in seinem Hause in der Rue de Mont-Blanc eingeschossen, empfing niemanden und war eifrig mit privaten Arbeiten beschäftigt, die nach feiner späteren Angabe den Zweck hatten, seinen Briefwechsel mit der Kaiserin Katharina von Ruß land in Sicherheit zu bringen, der ihm damals dort mir Recht nicht zum besten aufgehoben scheinen mochte: da aber Grimm gerade um jene Zeit das zweite Manuikripl der Memoiren nach der Anaabc des Herausgebers sein-'m Ver trauten Lccourt de Villiäre übergab, von dessen Erben cs der Herausgeber Brunnct nach seiner eigenen An gabe später erwarb, so darf man wohl an- nchmcu, daß um jene Zeit die Abschrift nach der Urhand- schrift, wenn auch nicht begonnen, so doch durch Grimms Sekretär Mailln zum Abschluß aebracht worden ist. und daß die Rückkehr Grimms nach Paris ebensosehr durch die Sorge um dieses ihm sehr am Herzen liegende Werk als feine Bemühungen um die Korrctponden; der Kaiserin Ka tharina veranlaßt war. Warum Grimm, wenn diese Ver mutung zutrifst, jenes Oviginallnanufkript überhaupt nicht vernichtet hat, wissen wir natürlich nicht; vielleicht Ixtt ibn die rasche Abreise auf Befehl der Gewaltliaber der Republik daran gehindert, was um so eher angenommen werden darf, als die Abschrift die letzten Kapitel des Originals nicht mehr cntlxilt. Jedenfalls steht fest, daß sich Grimm bald darauf in Düsseldorf, als ihn die Nachricht von der inzwischen er folgten Plünderung feines Hauses durch den Pöbel erreichte, bitter darüber beklagte, daß außer seinen kostbaren Schätzen in Büchern und Möbeln auch eine große Zahl von Pa- vieren und Manuskripten, die von Freun den in seincHandgclegtwarcnund ihm nicht gebürten, von den Plünderern ergriffen und weg. geschleppt wurden. Daraus läßt sich doch mindestens nut hoher Wahrscheinlichkeit der Schluß ziehen, daß er Papiere in feinem Besitz wußte, für die er nicht gern die Verant wortung vor der Oesscntlichkeit übernehmen wollte. Es mag der berufsmäßigen Forschung überlassen bleiben, zu beurteilen, ob Frau Macdonald in dem Bestreben, Rousseau von den behaupteten Dchattcnjciten seiner Per sönlichkeit und inanci-cn tadelnswerten Handlungen zu ent lasten, nicht gelegentlich zu weit gegangen ist. Fest steht jedenfalls, daß das Urteil der Nachwelt über Rousseau vor allem durch die Memoiren der Frau von Epinay zu dessen Ungunsten beeinflußt worden ist. Während die Zeitgenossen und lrersönlichen Bekannten Rousseaus, abgesehen natürlich von dem Kreis der Enzyklopädisten, nie anders als im Ton höchster Verehrung von dem ,,edlen Genfer" sprachen, und so auch noch die nächste Generation tat, die von ihm noch einen Eindruck aus crstcr^Hand hatte — man denke an die Urteile Mirabeans, Kant, Schillers, der Fran von Staej —, bat sich erst im 19. Jabrbundcrt unter dem Einfluß der für eine zu- verlä'/'ae Geschichtsqucsse gehaltenen Memoiren der Frau von Epinay das Urteil über Rousseau nach der weniger gün stigen Seite gewendet. Es bleibt daher auf alle Fälle das Verdienst der Fran Macdonald, durch ihre auf mühevollen
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