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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.07.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-07-05
- Sprache
- German
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070705019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907070501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907070501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-07
- Tag1907-07-05
- Monat1907-07
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Morgen-Ausgabe 8. Bezug--Preis sdr Leip-ia und Bororte durch unsere Träger und Spediteure in« Hau» gebracht: Aul gab« t (nur morgen», viertclMrlich 3 M , monatlich l M.; Ausgabe » (morgens und abend») vierteljährlich 4..0: M„ monatlich 1.50 M. Durch die Poft bezogen l2 mal täglich» innerhalb Deutjchland» u der deutschen Kolonien vierteljährlich 5.25 M., monatlich 1,75 M. ausschl. Postbestcllgeld. für Oesterreich 9 It 66 d, Ungarn 8 L vierteljährlich. Abonnement-Annahme: Uuguftutzplatz 1», bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 10 Pf^ «edaktipn und Expedition: Johannisgasje 8. Telephon Nr. 14692, Nr. 14693, Nr. 14694, Berliner Redaktion«-Bureau: Berlin dlV. 7, Prinz Louis Ferdinand- Straße I. Telephon 1, Nr. 9275. WpMcrTagMM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rotizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis Itr Inserat« au» Leipzig und Umgebung di, «gespaltene Pell,,eile 25 Vs., klnangtrll« Anzeigen 30 Pt., ReNamen 1 PI.; von aulwtrt« 30 Pf., Reklamen 1.20 vomAu»land50Pf., finanz. Anzeigen75Pf., Reklamen 1.50 M. Inserate v. Behörden im amtlichen Teil40Pl. »eilagegebübr 5 M. p. Tausend exkl. Post gebühr. li>e,chäst»anz«igen an bevorzugter -stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarft. Feftcrteiltc Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Luguftu«platz 8 bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen Expeditionen des In- und Auslände». Haupt - Filiale Berlin: Carl Duncke., Herzog!. Bahr. Hosbuch- handlung, Lützowstraße 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. 184. Freitag 5. Juli 1907. 11)1. Jahrgang. Das wichtigste vorn Tage. * Das Kaiserpaar errichtete gestern am Geburtstag seines ersten Enkels eine wohltätige Stiftung. (S. Dtschs. R.) * In der Württembergischen Zweiten Kammer gab Ler Ministerpräsident von Weizsäcker eine neue Erklärung über die Stellung Württembergs zur Eisenbahngemeinschaft und Be- tricbsgemeinschast ab. (S. Dtschs. R.> * Der Kaiser hat dem Prinzen Gustav in Fredensborg den Schwarzen Adler-Orden verliehen. lS. Ausl.) * Bei der Landtagsersatzwahl im Wahlkreis Nürnberg 6 wurde Rollwagen lSoz.l gewählt. * Die kroatischem Abgeordneten haben daS ungarische Parlament verlassen. lS. AuSl.) * Der König von Italien hat anläßlich der Garibaldi- feier eine große Amnestie erlassen. (S. Ausl.) Die Wahlrechtsreform in Hessen. Die Bewegung für das direkte Wahlrecht in Hessen ist vielleicht die älteste unter den gleichen Bestrebungen in Süddeutschland. Während aber in den anderen süddeutschen Staaten diese Kämpfe zu einem mehr oder weniger guten Ende geführt wurden, liegt die Einführung des direkten Wahlrechts zum hessischen Landtag noch in weitem Felde. Und das, obwohl die Regierung den Landständen nun zum dritten Male eine Vorlage über das direkte Wahlrecht unterbreitet hat! Denn, um es vorweg zu sagen, diese Vorlage kommt auf diesem lim Herbst 1908) ab laufenden) Landtage nicht zur Verabschiedung. Die erste Vorlage über die Einführung des direkten Wahlrechts brachte im Frühjahr 1901 der damalige Staatsminister Rothe ein. Die Zweite Kammer erledigte diesen Entwurf verspätet, noch dazu als Torso, so daß sich infolge Land lagsschluß die Erste Kammer damit nicht mehr befassen konnte. Mit Beginn deS folgenden Landtages (1903) legte Rothe den zweiten Entwurf vor. Dieser scheiterte daun bekantlich im Oktober 190b, weil die Erste Kammer alS Kautel gegen daS direkte Wahlrecht eine Erweiterung ihrer budgetären und steuergesetzgeberischen Rechte forderte. Die Erste Kammer kann nach der jetzigen Verfassung svom Dezember 1820) daS Budget nur im gauzen aunehmen oder ablehnen. Wenn sie den Etat verwirft, wird tu einer gemeinsamen Sitzung beider Kammern ab gestimmt; es entscheidet die absolute Stimmenmehrheit. Aehnlich wer den, wenn ein von der Regierung eingebrachter Gesetzentwurf in zwei aufeinanderfolgenden Landtagen von einer Kammer angenommen, von der anderen abgelehnt wird und die Regierung den Entwurf nicht zurück, zieht, die bei der letzten Abstimmung in beiden Kammern abgegebenen Stimmen zusammengezählt; hierbei entscheidet die einkache Mehrheit. Dagegen ist für Verfassungsänderungen in jeder Kammer Zweidrittel. Mehrheit der Abstimmenden erforderlich; in der Ersten Kammer mindesten- 12, iu der Zweiten Kammer mindestens 26 Stimmen für oder gegen. Die Erste Kammer wollte nun als Kautel: erstens, daß Gesetze über direkte und indirekte Staatssteuern und Gesetze über Ge meindesteuern den Verfassungsänderungen gleich erachtet werden, so- daun daS Recht, über das Budget auch im einzelnen zu entscheiden. Der damalige Staatsminister Rothe lehnte indessen entschieden ab, „ver fassungsmäßige Rechte der Zweiten Kammer zu schmälern oder gemein- same Rechte beider Kammern zu ändern". Und die Zweite Kammer be schloß an der Bahre dieser Wahlrechtsvorlage, „unter keinen Umständen eine Aenderung der Artikel 67 und 7b der Verfassung" zu genehmigen. Der Nachfolger des leider inzwischen verstorbenen Rothe, Staats minister Ewald, stellte jetzt dennoch ein solches Ansinnen an die Zweite Kammer in seiner im Mai d. I. eingebrachten Wahlrechtsvorlage. Danach soll die Erste Kammer über das Budget auch im einzelnen ab stimmen dürfen; also Gleichstellung mit der Zweiten Kammer. Weiter aber möchte die Regierung das Budgetrecht der Zweiten Kammer ihr gegenüber einschränken mit Hilfe einer geschickt ausgeklügelten Formel; Wird über das Budget eine Uebereinstimmung nicht erzielt, so gilt cS in der Gestalt der übereinstimmenden Beschlüsse als angenommen; hin sichtlich der strittigen Positionen gilt der niedrigere Betrag als ange- nommen. Schließlich soll nach dieser Vorlage auch für Gesetzentwürfe bei der Durchzählung der Stimmen beider Kammern sstatt der bis herigen einfachen Stimmenmehrheit) für die Annahme eine Zweidrittel mehrheit gefordert werden. Das wäre also schlechthin das von der Ersten Kammer (besonders auf steuerlichem Gebiete!) erstrebte Vetorecht gegen über der Legislative der Volkskammer. Natürlich mußte sich die Regierung Wohl bewußt sein, mit diesem Entwurf auf starken Widerstand zu stoßen. Und sie beging nun einen noch weniger schlauen Streich. Sie forderte für ihre Vorlage die ge schäftsmäßige Behandlung nach dem Gesetz vom 14. Juni 1836, das „für größere Werke der Gesetzgebung" einen Sonderausschuß und besondere Bestimmungen zu dessen Beratungen vorschreibt. Angeblich mit Rück sicht darauf, daß dieses Gesetz von 1836 eine Fortführung der Beratung auch über einen Landtagsschluß hinaus ermöglicht. Gegen die Anwend barkeit dieses Gelegenheitsgesetzes erhoben jedoch die Juristen in der Ersten Kammer Anfang Mai große Bedenken. Und auch die Zweite Kammer sprach sich in der vorigen Woche bestimmt in gleichem Sinne auS. Indessen war daS mehr eine Formsache. DaS Besondere dieser Beratung der Zweiten Kammer war die einhellige Ablehnung der von der Regierung im Zusammenhang mit der Wahlrechtsänderung vorge- schlagenen Aenderung der Artikel 67 und 75 der Verfassung. Die Redner aller Parteien wiesen in teilweise recht scharfen Aus führungen die Zumutung der Regierung, in eine Erweiterung der Rechte der Ersten Kammer zu willigen, zurück. Für die Nationalliberalen tat daS Herr Dr. Osann, für das Zentrum Herr Pennrich. Der Bauernbündler Bähr bezeichnete die Vorlage als ein totgeborenes Kind und der Sozialdemokrat Ulrich attestierte Exzellenz Ewald, daß der Minister verstehe, in der konziliantesten Form die reaktionärsten Forderungen zu stellen. Besonderen Eindruck machte auch die entschiedene Sprache des freisinnigen Abg. Dr. Gutfleisch, der als maßvoller Politiker in beiden Kammern geschätzt ist. Für den Staatsminisier Ewald war das eine böse Schlappe, die er sich freilich hätte ersparen können, wenn er die im Lande unverkennbar gegen die Erste Kammer vorhandene Mißstimmung beachtet hätte. Es hat keinen Sinn, eS zu verschweigen, mag es auch nachher als „persönliche Kampfesweise" ver dächtigt werden, cS besieht eine gewisse Erregtheit in den Politischen Kreisen Hessens, seitdem sich die Erste Kammer mehr und mehr dem Einfluß eines Mannes, des Frhrn. v. Heyl, ergeben hat. Das kann man auch in Kreisen hören, die dem Zweikammersystem durchaus freundlich gesinnt sind. Und selbst der objektivste Beurteiler der jüngsten hessischen Parlamentsgeschichte wird nicht sagen können, daß die Kammer der Pairs etwas dazu getan hat, um diese Mißstimmung zu beseitigen oder auch nur zu mildern. Zunächst geht nun die Vorlage an den Geietzgebungsausschuß. DaS kann indessen nur noch als eine Formalität gelten. In tatsächlicher Hin- sicht ist der Gesetzentwurf als gescheitert zu betrachten. Das hessische Volk sieht sich abermals, zum dritten Male, um das direkte Wahlrecht gebracht, dank den reaktionären Gewalten in der Ersten Kammer und dank einer schwächlichen Nachgiebigkeit der Regierung. Jesrritentriuriiph? Das Verhalten der klerikalen Presse zu dem Brief des Papstes an Prof. Commer, ist höchst merkwürdig. Ueberaus langsam ging die Veröffentlichung des päpstlichen Schreibens von statten, Kommentare gab es gar nicht; die „Köln. Volksztg.", deren einstiger Chefredakteur den Denkmalsaufrus mit unterzeichnet hatte, machte nur einen schä migen Versuch, die Qualität der „liberalen" Ueberjetzung aus dem La teinischen anzuzweifeln, aber auch das nur mit Bezug aus eine völlig unwesentliche Stelle; von der Erregung, die besonders in Würzburg die Kreise der katholischen Intelligenz ergriffen hat, zeugte einzig die lakonische Meldung von dem „loyalen" Protest des Denkmalkomitees; dagegen wurde wiederum verschwiegen, daß sich der Bischof von Bam berg (nicht Prof. Merkle) zum Münchener Nuntius begeben habe. Alles in allem: wenn wirklich Empörung in den katholischen Kreisen, die einst wenigstens vor den Manen Schells ihre Ehrfurcht zu bekennen wagten, spürbar geworden sein soll, die katholische Presse findet kein männliches Wort des Widerspruchs gegen Rom, bei ihr ist alles auf Vertuschung und Totschweigen angelegt, sie erstirbt auch nach diesem Fußtritt, den der schwarze Papst im Jesuitengewand dem deutschen Ka tholizismus versetzt, in Gehorsam und Ehrfurcht. Da aber, wo die ultramontanen Hochburgen am fanatischsten verteidigt werden, in dem Winkel der Freiburger Kirchenprovinz, beginnt man nun endlich zu sprechen — d. h. man reicht offen den welschen Jesuiten, denen das nationale Element in der Schellschen Theologie von jeher ein Greuel war, die Hand. Dazu langt's also alleiy. Als erstes von allen ultra montanen Organen findet jetzt das badische Wackerorgan, der „Be obachter", die Sprache wieder. Er weist die „Spekulation (!) der Libe ralen" auf „Uneinigkeit der Katholiken" zurück und erklärt den neuen Totschlag des toten Schell nur dafür geeignet, den „Entschluß zu recht fertigen, daß wir Katholiken ohne Unterschied, ob Priester oder Laie, treu zum Heiligen Vater 4n Rom stehen in allen Dingen, die unseren Glauben betreffen." Wie lange nock. und die gesamte katholische Presse wird in allen Tonarten sich zu demselben Refrain bekennen. Auf ein solches Uebermaß von serviler Gesinnung aber hat das welsche Kon silium in Rom, das über die vom Staat angestellten katholischen Theo logieprofessoren zu entscheiden hat, die gesamte Zentrumspresse in Deutschland zweifellos auch eingeschätzt. Die „Köln. Ztg." macht im Zusammenhang mit dem neuen Fall Schell mit Recht daraus aufmerk sam, daß die jesuitischen Pflanzschulen in Rom und Innsbruck nicht wenige katholische Pfarrämter in Deutschland besetzen, weil der Dispens für die auf diesen Hochschulen internationaler, römischer Gesinnung vorgebijdeten Kandidaten leider nur zu bereitwillig von den deutschen Negierungen erteilt wird. Und dieses Heer von Gesinnungsjesuiten, die systematisch dem heimischen Geistesleben entfremdet sind, steht dem regierenden Jesuitenkollegium in Rom allerdings jedesmal zur Ver fügung, wenn es gilt, selbständige und vor allem nationale Empfindun gen innerhalb der katholischen Kirche Deutschlands zu vernichten. Die „Köln. Ztg." meint, die einzig richtige Antwort wäre die, daß sämtliche Bundesstaaten energisch von nun an dafür Sorge trügen, daß kein Jesuitenzögling, sei es, daß «r in Rom, sei es in Innsbruck seine Ausbildung erhalten hat, in deutschen Landen zu amtlicher Stel lung gelangen kann. Denn sonst könne Deutschland auf die Dauer sich vor dem Jesuitismus nicht schützen. Und dessen Früchte habe der Fall Schell in diesem traurigen Abschluß gezeigt. Das rheinische Blatt hat recht. Uebrigens schreibt die „Mü n ch n e r A l l g. Zt g." zu dem Streit um Schell: Von den beiden bayerischen Bischöfen, die durch das Schreiben deS Papstes Pius X. an Professor Commer in Wien persönlich ge troffen worden sind, wird, wie wir durch ein Privattelegramm aus Bamberg erfahren, zunächst der Erzbischof von Bamberg, Dr. v. Abert, Schritte tun, um in Rom selbst die so dringend erforder liche Aufklärung zu geben. Daß übrigens in ultramontanen Kreisen selbst die gefährlichen Folgen des päpstlichen Schreibens zugunsten der erbittertsten Schell-Gegner richtig erkannt werden, geht auS folgenden Bemerkungen eines Münchener Zentrumsblattes hervor: „Wenn schließlich ein Wunsch berechtigt ist, so ist es der: Wenn Theologen so gute Hasser sind, daß sie einen Gegner selbst auf dessen Grab noch bekämpfen zu müssen glauben, so mögen sie das in ihren mehr oder minder wissenschaftlichen Büchern und Broschüren lun, die für die breitere Oeffentlichkeit niemals gefährlich werden. Die Kirche und das Volk aber mögen sie damit gefälligst verschonen, denn sie sägen sonst denAst ab, aufdem sie sitze n." Der Brief des Papstes hat also bereits Wirkungen gezeitigt, die im Vatikan nicht erwartet worden sind. Die österreichische Larlainentssprache. DaS neue Haus hat sein Präsidium. Zum Präsidenten wurde mit großer Mehrheit, zu der sich alle deutschen, polnischen und ein Teil der tschechischen Abgeordneten zusammenschloffen, Dr. Weißkirchner gewählt. Der neue Präsivent gehört der christlich-sozialen Partei an. Für die Deutschen ist hierbei maßgebend, daß doch die Wahl eines slawischen Präsidenten vereitelt wurde. Nachdem der Grundsatz, daß ein Deutscher Präsident sein solle, angenommen war, kam nur die christlich-soziale Partei als die stärkste in Betracht. Vizepräsi denten sind ein Tscheche und eia Pole. Die Sozialdemokraten stimmten in allen drei Wahlgängen siir ihren Genossen Pernerstorffer und brachten eS auf 104 Stimmen, da auch die Ruihenen mit ibnen gingen. Die Präsidentenwahlen sind aber damit nock nickt abgeschlossen. Jetzt soll die Geschäftsordnung in dem Sinne geändert werden, daß nicht bloS zwei, sondern vier Vizepräsidenten zu wäklen sind. Nach Schaffung dieser zwei neuen Stellen soll dann eine den Sozialdemo kraten und eine den Deutschnationalen überwiesen werden. Damit hofft man die Ansprüche allseits zu deiriedigen. Da- zukünftige gesamte Präsidium würde sonach aus zwei Deutschen, zwei Slawen und einem Sozialdemokraten bestehen. Der deutiche Einschlag wäre so ein über wiegender, da der Präsident ein Deutscher ist, und der Kandidat der Sozialdemokraten vor nicht zu langer Zeit ein Schi>nerianer, also ein Deutschradikaler war. Notwendig ist es, daß der deutsche Einschlag im Piäsidium zur Geltung kommt, denn dort werden die ersten Sprachenkonflckte zur Ent scheidung gelangen. Die Sprachensrage ist auch ichon da, und wie bereits vorausgesagt wurde, waren es wirklich die Sozialdemokraten tschechischer Zunge, die sie ausrollien. Sie verlangen „vorläufig", daß auch die in tschechischer Sprache im Abgeordnetenhaus« zu haltenden Neven in das stenographische Protololl ausgenommen werden. Die Möglichkeit einer solchen Forderung ist die Folge einer bisherigen Un aufrichtigkeit. Als die Deutschen noch die Mehrheit batten, ließen sie aus sehr übel angebrachtem „Gerechtigkeitssinn" die Bestimmung zu, daß auch nichtdeutiche Neven gebalten werden können. Man ging von der wenig kluge Voraussicht verratenden Annahme aus, daß dies doch nicht geschehen werde. Als aber doch tschechische und kroatiiche Reden ge halten wurden, blieben sie unverzeichnet, weil es eben keine Stcmo- graphen gab, die sie ausgenommen hätten. Dabei ist es bis jetzt immer geblieben. Reden in anderer als der- deutschen Sprache konnten jederzeit gehalten werden, sie blieben aber unsieno- grapkiert und auch unzensuriert. Da gab es keinen Ordnungsruf, wenn ein Tscheche tschechisch, ein Kroate kroatisch, ein Italiener italienisch sprach, denn der Präsident durste ihn nicht verstehen, wollte er nicht durch ein sachliches Eingreifen diese Sprachen als gleichberechtigt mit der deutschen in jeder Beziehung anerkennen. Zu ObstruktionSzwecken eigneten sich also diese nichtdeutschen Reden vortrefflich. Man konnte stundenlang tschechische Gedichte vortragen, wenn ein Gesetz über Kunst butter in Beratung stand, der Präsident war machtlos. Gut batten es nur die Stenographen. Sie stellten die Stifte in Ruhe und warteten, biS der Redner, was öfter geschah, einen Witz in deutscher Sprache loslicß. Der wurde verzeichnet unv kam ins Protololl, von der lonstigen off stundenlangen Rede vermerkt das stenographische Protokoll leoiglick: „Spricht in böhmischer Sprache". Dadurch, daß diese Neven nicht in das stenographilche Protokoll kamen, wurden sie aber auch nicht immun, u»d die Veröffentlichung einer solchen Rede konnte strasgericktlich ver- fo^t werden, obwohl der Redner an immuner Stelle gciprochen batte. Man ging eben von der Annahme aus, daß der Beweis für die Rich tigkeit der Wiedergabe fehle, weil kein amtliches Stenogramm vorlag. Daß sich daraus Konflikte in Unmenge ergaben, ist klar. Nun verlangen die Sozialdemokraten, daß solche in nichtdcutschen Sprachen gehaltene Reden stenographiert und im Protokoll verzeichnet werden müssen. Die Forderung folgert aus der Zulassung auch nicki deutscher Reden. Das ist richtig. Aber wohin soll das führen? Was man den Tschechen zugesteht, darf man den Polen, Rumänen, Ruibenen, Kroaten, Slowenen, Serben, Italienern und — auch den Zionisten nicht verweigern. Also Stenographen her für alle diese Sprachen, Steno graphen und Kontrolleure. Was ist es aber mit dem Präsidenten? Der hat doch die Redner zu überwachen und muß sie alio — versieben. An der Unmöglichkeit der Erfüllung sollte eine solche sprachliche Forderung in sich zulammenbrechen, sie wurde aber trotzdem gleich nach der Präsi dentenwahl gestellt und recht bezeichnenderweise gerade von sozialdemo kratischer Seite. Der neue Präsident lehnte es ab, eine Entscheidung zu treffen, er verwies die Forderung an das Haus. Damit tat er von seinem Standpunkte das klügste. Beseitigt ist aber die babylonffche Frage so nicht, und sie wird nickt verschwinden, dafür werben die „inter nationalen" Sozialdemokraten tschechischer Zunge sorgen. Deutsches Reich. »cipzig, 5 Juli. * Eine Lttftnng des Kaiscrpaares. Der „Reicksanzeiger" schreibt: DaS Kaiserpaar hat anläßlich des gestrigen ersten GeburtSlages seines Enkels, des Prinzen Wilhelm, eine Stiftung errichtet, auS der alle Jahre 20 Kleinkinder-Ausstatiungen beschafft und an würdige und bedürftige Ehepaare in der Mark Brandenvurg verteilt werden, denen im Monat Juli das erste Kind geboren wird. * Ter Kampf um Peters. Die „Köln. Ztg." bringt folgende auf fallend scharfe Ausführungen: Schon von vornherein wiesen wir darauf hin, daß dieser Prozeß eine wirkliche Klärung nicht bringen weide. Er hat sie nicht bringen können, weil dem Gericht die geheimen PeterS- Akten nicht vorgelegen haben. Derartige private Petersprozesse mit einem gewissen politischen Interesse werden voraussichtlich noch in einer ganzen Anzahl spielen. Auch uns hat bekanntlich Dr. Peters verklagt und wir sehen der Durchführung der Klage mit großer Ruhe ent gegen. Aber in dem Münchener Prozeß ist infolge des maß losen Vorgehens der Freunde Peters nicht allein der Sozial demokrat Gruber der Angeklagte, sondern sehr hohe Staatsbeamte und Einrichtungen des Staates. Diesem Treiben muß die Reichsregie rung im Interesse ihres Ansehens und des Reiches Einhalt tun; sie muß der PeterS-Partei endlich mit einem guousqus tunäem entgegen treten, und zwar dadurch, daß sie das Verhalten ihrer Beamten und Behörden rechtfertigt durch die Vorlegung der Geheimakten PeterS. Um eine Vorlage dieser Akten zu erreichen, kommen zwei Wege in Betracht: Zunächst der schon auch von uns häufig vorge schlagene und befürwortete, die Akten einer ReichtagSkomnnssion zur endgültigen Aburteilung zu überweisen oder aber, eS wird gegen die Abgg. Dr. Arendt und General v. Liebert wegen ihrer Aeußerungen gegen den Disziplinargerichtshof und die DiSziplinarkammer auf Grund des Strafgesetzbuches wegen Verächtlichmachung von Staats- einrichiungen das Verfahren eingeleitet und eS wird bei diesem Verfahren das ganze Material vorgelegt, daS dem DiSziplinargerichtshof bei seiner Aburteilung vorgelegen bat. UuS scheint der erste Weg der richtigere, weil fast anzunehmen ist, daß auch bei den DiSziplinarverhaudlungen nicht das vollständige Aktenmaterial im Falle PeterS vorgelegen hat. 4» Tte Affäre Arenvt—Kayser. Der Abg. Dr. Otto Arendt, der im PeterS-Prozeß in München ausgesagt hat, daß er keinen Erpressung«- versuch zugunsten von Peter« auf den früheren Kolonialdirektor Dr. Kayser ausgcübt und daß ihm dieser auch nicht die Tür gewiesen habe, ver öffentlicht in der „Post" eine längere Erklärung, auS der die Richtigkeit dieser seiner Aussage hervorgehen soll, und die beweisen soll, daß Frau Dr. Kayser, die vor Gericht da« Gegenteil ausgesagt hat, sich im Irrtum befinde. Schließlich erklärt Dr. Arendt: „Ich werde übrigen« unter allen Umständen eine gerichtliche Klarstellung der Angelegenheit herbei- sichren, und zwar zunächst durch Anrufung der Staat«avwaltlchaft. Sollte wider Erwarten die Staatsanwaltschaft nicht eiaschreitea, s» müßte ich Frau Dr. Kayser öffentlich de« Meineid« zeihen, um sie zur Klage gegen mich zu zwingen."
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