Delete Search...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.08.1907
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-08-10
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070810026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907081002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907081002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-08
- Tag1907-08-10
- Monat1907-08
- Jahr1907
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Abend-Ausgabe 8. BezugS-Prei» für L«t»»ia und vor«« durch unser« Träger und Spediteur» in« Hau« gebracht: Autgabe L (nur morgen«) vierteljährlich 3 M., monatlich 1 M.: Ausgabe 8 (morgen! und abend«) viertel» lührlich 4.50 M., monatlich 1.50 M. Durch di« Poft bezoaen: (2 mal täglich) innerhalb Deutschland« und der deutschen Kolonien vierteliäbrltch 5,25 M., monatlich 1,75 M. au«schl. Post, bestellgeld, für Oesterreich 9 L 66 k, Ungarn 8 L viertellährlich. Abonnement-Annahme: vuguftuäplatz 8, bei unseren Trägern, Filialen, Epeditcuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Stummer kostet 10 Psg. Siedaktion und Expedition: Johanntsgass« 8. Televhon Nr. 14692, Nr. 14693, Nr. 14694. Berliner Nebakttou« - Bureau: Berlin I4ZV. 7, Prinz Loui« Ferdinand- Straße I. Telephon I, Nr. 9275. MMgtrTagMM Handelszeitung. Amts b satt -es Rates UN- -es Rolizeiamles -er Lta-t Leipzig. Anzeige«. PreiS M Anleratr au« Leipzig und Umgebung dw 6aespalteue Petit,eil« 25 Pf., ftnanzielle Tozeige» SO Pf., Reklamen I M.; von -utwärt« SO Pf., Nrklamen 1.20 vom«u«land50Pf.,finanz. An,eigen 75 Pf.. Reklamen 1.50 M Inserate v. Behörden im amtlichen Teil 40 Ps. Beilagegebüüe 5 M. p. Tausend exkl. Post- gebühr. Gelchäft«an,eigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabat! nach Taris. Zefterteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Varanti« übernommen. Anzeigen-Annahme: AuguftuSplatz 8, bei sämtliche» Filialen u. allen Annoncen- Lipeditioneu de« In- und Auslände«. Haupt -Mal« Berlin r Carl Duncke , Herzog!. Baqr. Hofbuch handlung, Lützowstraße 10. (Telephon VI, Nr. 4603). Nr. 22Ü. Sonnabend 10. August 1907. 101. Jahrgang. Das wichtigste vorn Tage. * Mehrere tausend marokkanische Reiter machten einen Angriff auf das Lager der französischen Truppen bei Casablanca, wurden aber zurückgeschlagen. sS. Tgssch. u. Ausl.) * Der türkisch-persische Grenzkonflikt wird, wie der Unterrichtsminister im persischen Parlament mitteilte, aus güt- lichem Wege beigelegt werden. * Wie die „Frankfurter Zeitung" auS Heidelberg meldet, hat der verstorbene Professor Kuno Fischer der Stadt 10000 Mark zu wohltätigen Zwecken vermacht. Tagesschau. Zu den Arbeitskämpfen. Die Versuche, in Oberschlesien einen allgemeinen Bergarbeiter ausstand hervorzurufen,' haben also keine großen Erfolge gehabt. Seitens der sozialdemokratischen Führer ist im Laufe der letzten Zeit wiederholt von umfangreichen Streiks abgeraten worden aus dem Grunde, weil die wirtschaftliche Konjunktur schon in absteigender Linie sich bewege und eine industrielle Krise devorstche, also der Zeiipunkl zur Durchdrückung erheblicher Lohnerhöhungen nicht geeignet sei. Bereits im vorigen Herbst hatten die Bergarbeiter im Ruhrgebiet erst eine all gemeine Lohnerhöhung von 15 Prozent gefordert, dann aber wohlweis lich bei der Nichtbewilligung den alsbaldigen Kampf vermieden und insbesondere erklärt, es müßten noch weitere Erhebungen über das Ver hältnis der Lohnsteigerungen zu den Lebensmittelpreisen angestellt wer den. Seitdem haben ja Calwer und andere objektiver als der übliche Parteifanatismus urteilende „Genossen" wiederholt konstatiert, daß die Steigerung der Löhne höher gewesen ist als diejenige der Lebens- miltelpreise. Ferner fällt ins Gewicht, daß mit dem Anwachsen der Arbeiterkämpfe auch die Kosten für die Arbeiter, für die Gewerkschaften und die sozialdemokratische Partei so drückende wurden, daß trotz allem Wohl oder übel seitens der leitenden Geister Vorsicht geübt werden muh. Die kürzlich von nationalliberaler Seite erfolgten Ausstellungen über die enormen Steuern, die den Arbeitern von ihren Organisationen und von der Partei auferlegt werden, Haden in der Presse weite Verbrei tung und in der Sozialdemokratie wütendes Geschrei hcrvoigerufen, eben weil man sich empfindlich getroffen fühlte. Seitens des deutschen (sozial- dcmokratischenj Metallarbeiterverbandes, der jüngst wohl am meisten bei Streiks beteiligt war, ist ein Rundschreiben an die Mitglieder er- gangen, das in beweglichen Tönen darauf hinweist, wie sich die Streik ausgaben in den „gewaltigen Kämpfen" des vorigen Jahres auf 3 Milli- cnen für die Verbands-Zcntralkasse beliefen, ohne die Aufwendungen aus den Lokalkassen, und obwohl ein eigentlicher Streikfonds gar nicht vorhanden ist. Dabei hat das Vereinsvermögen abgenommcn. Die Beitragserhöhungen und die Extrabesteuerungcn machen unter den Mit gliedern augenscheinlich böses Blut. Aber deutlich und derb sagt das Rundschreiben: „Entweder wir schränken unsere Kämpfe ein oder wir erhöhen unsere Beiträge." Die Taktik ist ja selbstverständlich die beste, welche zunächst für möglichst viel materielle Mittel sorgt. Auch für die modernen Arbeitskämpfe gilt einigermaßen der Ausspruch Montes cuccolis, daß zum Krieg dreierlei erforderlich ist: „Geld, Geld und noch mals Geld." Indessen genügt dieser nervns reruin allein doch nicht. Die Erfolge, die für die Arbeiter und ihre Organisationen aus den großen Streiks von Crimmitschau und im Ruhrgebiet — die vor etwa drei Jahren sozusagen eine neue Aera der Arbeitskämpfe cinlciteten und gegenüber den Arbeiterverbänden eine festere und umfassendere Organisation auch der Arbeitgeber ins Leben riefen — sich ergaben, beruhten wesentlich darauf, daß die öffentliche Meinung und die Sympathie des weiteren Publikums sich damals in starkem Maße den kämpfen den Textil- und Bergarbeitern zugewandt hatte. In dieser Beziehung ist seitdem ein wesentlicher Umschwung eingetreten. Bei allem sozialen Gefühl für den wirtschaftlich Schwächeren hat doch immer mehr die Einsicht und Neberzeugung um sich gegriffen, daß mit den ewigen Streiks der Bogen überspannt wird, daß nicht nur die Ansprüche der Arbeiter verschiedentlich über ein vernünftiges Maß hinausgehen, son dern daß auch der Krieg vielfach nur um des Krieges willen geführt wird, daß die Arbeitseinstellungen dem „Klassenkampf' der Sozialdemo kratie dienen sollen, daß offenkundig die Parole ausgegeben ward, nie dürfe das Unternehmertum und die bürgerliche Gesellschaft zur Ruhe kommen, und daß sonach, vom Standpunkte der bürgerlichen Gesellschaft, viele Ausstände frivol inszeniert erscheinen. Eine solche Wandlung in der öffentlichen Meinung hat man im Laufe der letzten Jahre immer deutlicher konstatieren können, und sie zeigte sich deutlich zu Beginn der derzeitigen Bergarbeiterbewegung in Oberschlesien. „Vornehmlich Hetzen die verschiedenen, miteinander konkurrierenden Arbeiterorganisationen, die eifrig bemüht sind, die Bergarbeiter in ihre Netze zu fangen"; diese böse Charakteristik las man z. B. in einem Ber- lincr Organ, und in andern Blättern ist betont worden, wie zahlreiche Arbeitswillige von den Streikposten mit Drohungen und Mißhand lungen am Einfahren verhindert wurden, und auch sonst die Haltung der Ausständigen und ihrer Hintermänner nichts weniger als ein wandsfrei ist. Das marokkanische Intermezzo. Der erste zweifellos authentische Bericht eines Augenzeugen der jüng sten Vorgänge in Casablanca geht der „Daily Mail" in einem vom 5. d. M. datierten Briefe ihres Sonder-Berichterstatters Charles Hands zu, der die Dinge vielfach wesentlich anders schildert als die bisherigen sämtlich aus französischen Quellen schöpfenden Darstellungen. Danach war die Stadt samt Umgegend Sonnabend und Sonntag vollkommen ruhig. Mulai Amin, der militärische Gouverneur des Bezirks, hatte alle erdenklichen Vorsichtsmaßregeln gewissenhaft getroffen, und obwohl in einer Entfernung von zwei und einer halben Meile von der Stadt eine Anzahl von Stammesleuten beieinander war, war deren große Mehrzahl zu ihrer unterbrochenen Erntearbeit zurückgekehrt. Es war also keinerlei Uebcrfall zu gewärtigen, und niemand kam auf den Ge danken, daß die Franzosen die Gefahr eines solchen durch Landung einer so geringen Truppe, wie ein einzelner Kreuzer sie liefern kann, herauf beschwören würden. Alles ging sorglos zu Bett. Mitten in der Nacht jedoch zitierte der englische Konsul Madden den Berichterstatter zu seiner Sicherheit nach dem Konsulat, weil der französische Konsul seinen Kollegen mitgeteilt hatte, er werde die Stadt frühmorgens um 5 Uhr durch Mannschaften des Kreuzers „Galilee" besetzen lassen. Auf dem Konsulat traf Hands außer dem englischen Konsul, der über diese Wen dung der Tinge sehr ungehalten war, eitlen schottischen Geistlichen und zwei spanische Familien. Bei Tagesanbruch stieg die ganze Gesellschaft, um Umschau zu halten, aufs Dach. Gleich nach 5 Uhr schleppte eine Dampfpinasse zwei voll bemannte Boote vom „Gaulle" nach dem Hasen kai. Einige Marokkaner mit und ohne Flinten rannten ihnen die Hafen straßen hinab entgegen, sonst lag die ganze Stadt noch in tiefem Schlaf. „Um drciviertcl sechs", fährt der Korrespondent wörtlich fort, „fiel irgendwo ein vereinzelter Flintenschuß. Augenblicklich, als sei dies das erwartete Zeichen des marokkanischen Widerstandes, hißten die franzö sischen Kreuzer ihre Flaggen, die sie bis dahin .-um Zeichen der Trauer über die ermordeten Franzosen halbmast geführt hatten, zum Topp und gleichzeitig begann der „Galilö/' eine wütende Kanonade. Das Gewchrfeuer vom Hafcnkai aus und einzelne Schüsse der altmodischen Geschütze der Sladtbatterie antworteten schon Sonnabend abend, jedoch waren, wie sich jetzt herausstellte, Mannschaften vom „Galilee", die ihre auseinandergenommencn Gewehre in Reisetaschen verpackt trugen, nach dem französischen Konsulatsgebäudc gebracht worden, auf dessen flachem Dache sie jetzt Posto faßten, so daß sie mit den französischen Landungs truppen zusammen die marokkanischen Schützen am Hasen zwischen zwei Feuer nehmen konnten. Nach 20 Minnien schien alles vorüber, das Feuer wurde jedoch beiderseits wieder ausgenommen. Bis gegen Abend Platzten die Melinitgranaten totbringcnd über dem mauri schen Viertel. Um 1/2? Uhr kamen erst Mulai Amin, dann der Kalif Ben Selod und erbaten in größter Bestürzung die Vermittlung des Kon suls Madden zur Einstellung der Beschießung. Madden verwies beide an das französische Konsulat, das sie nicht erreichen konnten, weil die auf dem Dach bes auf dem Wege dorthin gelegenen spanischen Konsulats versammelten Flüchtlinge jeden Marokkaner, der sich näherte, nieder schossen. Schließlich gab Madden dem Kalifen einen Brief an den fran zösischen Konsul mit, und er gelangte unter dem Schutze einer weißen Flagge an sein Ziel. Bald darauf schwiegen sowohl die Geschütze des Kreuzers wie das Gewehrfeuer in der Stadt. Um 9 Uhr verkündeten Ausrufer das Ende der Beschießung. Allein schon mit ihrem Beginn war es vollständig aus mit der Autorität Mulai Amins, und sobald die Kanonen verstummten, begann eine fürchterliche Plün- derung, die die Wiederaufnahme bes Bombardements zur Folge hatte, und bei der sich unbeschreibliche Greuel ab- fpielten. Der Korrespondent betont zum Schluß, daß alle nichtfranzö- sischen Europäer den Franzosen die großen Gefahren voreiliger Hand lungsweise mit ungenügenden Landungstruppen aufs eindringlichste klar zu machen versucht hatten. Ferner liegen über die marokkanische Situation folgende Telegramme vor: Aus Tanger: Der spanische Dampfer „James Haynes", der von Casablanca hier eingetroksen ist, hatte 60 Flüchtlinge an Bord. Sie ergänzen die bisherigen Meldungen über die Vorgänge in Casablanca durch die Nachricht, daß die Leichname der Getöteten um die Stadt ge schleift und zum Gegenstände des Gespöttes gemacht worden seien. Die glänzende Haltung der panischen Matrosen wird von ihnen bestätigt. — Der französische Konsul Malpertuy von Casablanca erhielt sofort nach seiner Ankunft einen Brief von Muley Hamid, der die offi zielle Billigung des französischen Vorgehens enthält und in dem um die Hilfe Frankreichs zur Bestrafung der Schuldigen gebeten wird. — Aus Madrid: Ter Minister des Innern erklärte, in Anbetracht der Er eignisse in Marokko habe sich die Regierung entschlossen, außer Kriegs- schiffen auch Truppen in größerer Anzahl zu -mtfenden und zu landen, die den Auftrag haben, die Europäer gegen die Anschläge der Einge borenen zu schützen. Der Minister nannte weder die genaue Zahl der Schiffe, noch die der Streitkräfte, die entsandt werden sollen, und ver sicherte nur, es würden ungefähr 500 Mann unverzüglich abgehen. (S. ferner Ausl.j Deutsches Reich. Leipzig, 10. August. * Ter König von Liam in Wilhclmshöhe. Es wirv noch berichtet: Will) elmshöhe, 9. August. Abeuvö fanv auf dem Schlosse WilbelmS- böhe bei Ihren Majestäien ein Diner zu Ehren des Königs von Siam statt. Hierbei saß der König links neben cec Kaiserin, gegenüber saß der Kaiser. Neckt? von der Kaiserin folgten zunächst koinmantie,eurer General Heriog Albrecht von Würrtemderg. Giäiin Bismarck-Boblen, Generaladjutanr v. Plessen, siamesischer Oberst Mom NarcndS, Gelaunter Freiherr von Iciiilch, Oberstleutnant Graf Bcroldinaen, links vom König Giäfin Keller, Prinz Parckatra, Oberstallmeister Freiherr v. Reffckach, Hauemirschall Foiherr v. Lyncker, Flügeladjutant Freiherr v. Marschall, siamesischer Leibarzt Dr. Boehmer. Rechts vom Kaiser folgten zunächst Staattselreiar v. Tsckirsckly, der siamesische Gesandte Phya Scibbamasasana, Oberhofmarsckall Graf Eulenburg, siamesischer Kanimerberr Phya Büros, Generalleutnant Frhr. v. Plettcnverg, links Obe>Präsident Henguenberg, siamesischer Generaladjutanr Cbow Phya Surawongse, Gencraladjntant Gras Hülien-Häseler, Vizeobemercmo- mcnmcister v. d. Knesebeck, siamesischer GesandktchaftSsekrerär LoffaS, Flügeladjutant Frhr. v. Senden. Der Kaiser stellte den Prinzen Pari- batia ä In. 8uito des Königin Augusta-Grenadicr-Regimenis. Ter Kaiser verlieb dem Gcn'raladjutanten Chow Pbya Surawongie das Großkreuz des Roten Adlerordenö und dem Oberst Mom NarendS den Roten Arlerorden zweiter Klasse. * Mr. LtraS über v. Marschall. Der bekannte englische Journalist Mr. Skeav veröffentlicht eine Studie über Deutschlands ersten Dele gierten zur Haager Friedenskonferenz, Frhr. v. Marschall, dem es in jo überraschender Weife gelungen ist, den Fluch gegen Deutschland, zu dem die Weltabgeordneten durch unsere Hasser und Neider angeslijtct Feuilleton. Solange ein Weib liebt, liebt es in einem fort-, ein Mann hat dazwischen zu tun. Jean Paul. * Denkwürdige „Faust" - Ausführungen in Leipzig. Von W. Widmann sStuttgartj. Als Puppenspiel ergötzte die Faustsage die Leipziger schon im 17. Jahrhundert. Dann wurde aus dem Puppenspiel ein von lebenden Akteuren ausgeführtes Spektakel- und Zauberstück mit possenhaften Zu taten. Noch die Neuberin hatte auf ihrem Spielplan: „Das ruch lose Leben und erschreckliche Ende des weltbe kannten Erb-Zauberers v. Johann Fausts, ein deutsches Schauspiel." Dieses „deutsche Schauspiel" begann mit einer Szene der unterirdischen Geister vor Plutos Palast, führte dann in Fausts Studierzimmer, wo ein „annehmlicher Oberirdischer Geist" in einer beweglichen, unter sanfter Musik gesungenen Arie Jaust ermahnte, von seinem bösen Sinnen und Trachten abzulassen und das Himmelreich zu erwählen; Faust verschrieb trotz dieser Mahnungen seine Seele dem Teufel. Einige Szenen schildern, wie Fausts Diener durch die Zauberei seines Herrn in komische Situationen gerät. Auch Faustische Zaube- reien und Neckereien gegenüber einem fürwitzigen Hofbedienten und einem Bauern werden vorgeführt. Weitere Auftritte brachten eine Arie der schönen Helena, die Faust seinen nahen Untergang ankündigt«, Fausts Abschied von Wagner, Fausts Fahrt zur Hölle und zum Schluß einen Freudentanz der Furien um den Verdammten in Plutos Palast. Außer diesem Stück maa in Leipzig in alter Zeit auch eine Bearbeitung der Fausttragödie Christoph Marlowes ausgeführt worden sein. Die englischen Komödianten hatten bereits bei ihren Wanderfahrten durch Deutschland im 17. Jahrhundert Marlowes Dichtung in Sachsen bekannt gemacht. Am 7. Juli 1626 führten sie dem kurfürstlichen Hofe in Dresden MarloweS „Tragödia von Dr. Faust" vor. Der erste Teil deS Goetheschen „Faust" lag 1808 im Drucke fertig vor, galt aber noch lange als „unausführbar". Ehe Goethes Dichtung aus die Szene kam, zog noch August Klingemanns im Jahre 1811 vollendetes sünfaktigeS Trauerspiel „Jaust" erfolgreich über viele Bühnen. In Leipzig erschien dieses Spektakeldrama am 17. Januar 1818 unter Küstners Direktion zum ersten Male; eS wurde im selben Jahre noch zweimal wiederholt, insgesamt erlebte eS in der Küstnerschen Periode lbis 1828s elf Aufführungen. Schreyvogel nannte den Klingemannschen Faust „widriges Zeug". In dieser Dichtung, reich an theatralischen Effekten und tönenden Worten und arm an originellen Gedanken und poetischem Schwung, ist Faust der Erfinder der Buch druckerkunst und der ersten Feuerwaffe. Mit dem Teufel geht er einen Pakt ein, wonach ihm die Hölle gehorchen muß, bis er vier Todsünden begangen hat. Bei einer Fahrt durch die Welt spiegelt ihm der Teufel („der Fremde"! das Phantom der Helena vor. Um ihren Besitz zu er ringen, tötet Faust seine treue Frau Käthe. Schaudernd hört er, daß sie sich Mutter fühlte, und er somit zugleich Gatten- und Kindcrrnord (zwei Todsünden! begangen. Als nach diesem Greuel sein blinder Vater die Feuerwaffe gegen ihn erhebt, greift Faust darnach: im Handgemenge entlädt sich die Waffe und tötet den Alten; nun ist Faust auch Vater mörder. Bei den ersten Aufführungen in Leipzig spielte Eduard Stein den Faust, Neu selb den Satan. Stein, der eigentlich Eduard Franz Freiherr v. Trcuenfeld hieß, war damals der Liebling der Leipziger. Nach Stein feierte der eben falls glänzend begabte Wilhelm Kunst als Darsteller des Klinge- mannschen Faust in Leipzig Triumphe. Vor dem Goetheschen erschien auch noch ein musikalischer Faust n Leipzig: Ludwig Spohrs romantische Oper „Faust . Spohr latte sein Werk im Jahre 1813 binnen weniger Monate in Wien ge- chrieben; am 7. Juli 1815 war cs im Theater an der Wien zur Urauf- ührung gelangt. Zehn Jahre später, am 26. November 1825, erschien )ie Spohrsche Oper in Leipzig, wo sie zunächst lbis Jahresschluß! drei mal gegeben wurde; im nächsten Jahre folgten weitere drei Wieder holungen. Der Text stammt von I. C. Bernardi und hat mit Goethes Dichtung nichts zu schaffen. Die Handlung spielt bald in Straßburg, bald zu Aachen, bald auf dem Brocken. Faust bricht dem Goldschmiedstöchterlein Röschen die Treue, betört mittels eines Zauber tranks das Edelfräulein Kunigunde und tötet deren Bräutigam Graf Hugo. Seine Frevel muß er mit furchtbaren Qualen büßen. In Leipzig wurde die Oper vortrefflich dargcstellt. Faust war durch Eduard Genast, den als Sänger und Schauspieler gleich tüchtigen Künstler, bestens vertreten; Köckert gab den Mephisto, Franz Xaver Netter den Grafen Hugo. Von Vetter sagt Küstner, er sei „mit einer der schönsten, kräftigsten und seltensten Stimmen begabt gewesen, einer Stimme, wie sie die Natur selten schafft". Röschen wurde von der beliebten Altistin Elise Ehrhart lsvätcren Gräfin von Höhen thal aus Großstädtelns, Kunigunde von der jugendlich dramatischen Sängerin Madame Fincke dargestellt. Kncschkcs Angabe, die Leipziger Aufführung sei die „überhaupt erste" acweien, ist durchaus unrichtig. Außer Wien gingen noch Prag. Frankfurt a. M. und einige andere Städte voran. Goethes „Faust" (erster Teils gelangte im Jahre 1829 in Braun- schweig erstmals zur öffentlichen Darstellung. Am 28. August desselben Jahres brachte das Leipziger Stadttbcater die Dichtung zur Feier von Goethes Geburtstag erstmals zur Aufführung. Dos Haus war ausverkauft. Ter berühmte Moritz Rott, später eine Zierde des Berliner Hostbeaters, spielte den Faust. Registern: Wohlbrück den Mephisto und Rosalie Wagner (Richard Wagners Schwesters daS Gretchen. Wilhelm Schröder hat eine genaue Schilderung fcncr denkwürdigen „Faust"-Premiere hinterlassen. Die bemerkenswertesten Stellen darin lauten: „Mit seiner gewaltigen, tiefen, klangvollen Stimme .... begann Rott-Faust: „Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie —" usw. Kein Laut hörbar aus den Zuschauer räumen während des ganzen Monologs, nur das Umschlagen der Blätter in den von den Studenten nachgelesenen Textbüchern. Als aber Faust- Rott endigt mit dem Aufschrei: „O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder! die Träne quillt, die Erde hat mich wieder — ja, da quollen die Tränen nicht bloß aus den sanften Augen der Frauen und Töchter Leipzigs, son dern auch manch sonst wild und trotzig blickendes Jünglingsauge floß davon über. Bald nun aber machte das Herz sich Luft in einem Beifalls- sturm des Applauses. Und nun wuchs derselbe von Akt zu Akt, ja von Szene zu Szene. Den nicht geringsten Anteil davon, einen ebenso reichen, wie den des Faustdarstellers, errang sich das Gretchen: Roja- lie Wagner. Sic war, um es mit einem Worte auszusprechen, ein tadellos holdseliges Geschöpf, für diese Nolle wie geschaffen. . . . Rosa liens Gretchen war ganz das einfache deutsche Bürgerkind, eine Mädchen- blume schönster Art, cinsamlich aufgebläht im stillen Gärtcken des Mutterhauses Tie dritte Hauptrolle, die des Mephistopheles, spielte Wohlbrück, des Komponisten Heinrich Marschncr Sc-uvager. Wohlbrück war ein kleiner, dürrer Mann mit grämlichem Gesicht; seine Stimme batte einen trockenen, näselnden, schnarrenden Ton. Sein Teufel hatte nichts von der diabolischen Hoheit und Furchtbarkeit des späteren Seydelmannschen, noch von der verfluchten Lustigkeit und höllischen Feinickinect ' veronnol'a 'eil der Döring schen ver- ncinenden Schalksfigur. Wohlbrücks Teufel war, wenn auch nicht ein dummer, aber doch nur ein kleiner, gemein verdrießlicher, sich selbst ärgernder und darum auch alle Welt ärgern wollender Teufel, von dein man nicht recht begreifen konnte, wie ein so geistreicher Mensch wie Dr. Faust sich von ihm düpieren, maitrisieren zu lassen imstande sei. Aber dem Publikum war dies damals der erste Mephisto, es hatte nicht Zeit, sich einen andern auszudenken, und so gefiel ihm denn auch Mephisto-Wohlbrück, und jo erhielt auch er seinen Anteil an dem so gern gespendeten allgemeinen Äpplause." An den nächstfolgenden Tagen wurde „Faust" bei gleichem Andrange des Publikums und bei gleich starkem Beifall wiederholt. Nach Rott spielten zunächst Wilhelm Kunst, H. Ziegler und Joseph Wagnerden Faust; Mephisto ging bald von Wohlbrück an den besseren Friedrich Wilhelm Porth. später an Carl Baudius und Heinrich Marr über; gastweis« glänzten Seydelmann, Dö ring, Dawison, G r u n e r t und D e s s 0 i r in der Rolle. Rosalie Wagneis Nachfolgerin als Gretchen wurde Therese Reimann (spätere Gattin Ludwig Desioirss, nach dieser kam Bertha Unzel- m an n, „eine der poetischsten Schauspielerinnen, die je existiert Haven", in den Besitz der Nolle. Es würbe zu weit führen, hier aller bedeuten den Kunsnrafte zu gedenken, die in der Folge auf der Leipziger Bühne in „Faust"-Aussührungen qealänzi haben. Nur Marie Secdach sek noch hcrvorgehoben; 1859 kam sie aus ihren Gastspielreisen erstmals nach Leipzig und „riß alt und jung durch ihr wunderholdeS, unsagbar
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- Thumbnail Preview